Aktenzeichen S 15 U 80/16
Leitsatz
Deutliche Erhöhung des Unfallrisikos kann zum Ausschluss des Versicherungsschutzes führen.
Tenor
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 16.09.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.03.2016 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten hat die Beklagte nicht zu erstatten.
Gründe
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass das Ereignis vom 13.03.2015 als Versicherungsfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung anerkannt wird. Bei der Teilnahme an den Skitagen im Zeitraum vom 13.3.2015 bis 15.03.2015 handelte es sich nicht um eine versicherte Tätigkeit im Sinne von § 2 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII).
Arbeitsunfälle (und damit auch Versicherungsfälle) sind nach § 8 Abs. 1 SGB VII Unfälle von Versicherten in Folge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (gem. § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist es danach in der Regel erforderlich, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist. Dieser innere bzw. sachliche Zurechnungszusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung ist wertend zu ermitteln, in dem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht.
Die Grenzen des gesetzlichen Unfallversicherungsschutzes hat die Beklagte im angegriffenen Bescheid vom 16.09.2015 und im Widerspruchsbescheid vom 27.05.2015 korrekt aufgezeigt. Das Gericht schließt sich den Gründen dieser Bescheide gem. § 136 Abs. 3 SGG weitgehend an mit folgenden (hier nicht entscheidungserheblichen) Modifikationen: Nach dem aktuellen Urteil des Bundessozialgerichts vom 05.07.2016 (Az.: B 2 U 19/14 R) ist für die Annahme einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung nun nicht mehr entscheidend, ob die Unternehmensleitung persönlich an der betrieblichen Veranstaltung teilgenommen hat und es kommt auch nicht mehr darauf an, welcher Prozentsatz der Mitarbeiter letztlich anwesend war.
Nichts desto trotz ist weiterhin entscheidend, dass die Veranstaltung grundsätzlich jedem Mitarbeiter offen stand. Auch die Kammer ist wie die Beklagte der Auffassung, dass ein Skiausflug schon deshalb nicht allen Mitarbeitern offen steht, weil nicht jeder Ski fahren kann und zudem viele die Risiken des Skifahrens nicht in Kauf nehmen wollen. Auch wenn in Österreich rund die Hälfte der Bevölkerung Ski fährt, so bedeutet das noch nicht, dass die Teilnahme an den Skitagen für nahezu alle Mitarbeiter in Betracht gekommen wäre. Aus dem im November 2014 ausgegebenen Programm der … …bank für die Betriebsausflüge im Jahr 2015 lässt sich ersehen, dass für Nichtskifahrer andere Ausflüge im Jahr 2015 angeboten wurden. Es ist nach allgemeiner Lebenserfahrung naheliegend, dass Nichtskifahrer bei einer derartigen Auswahl von sieben Kurzreisen im Jahr 2015 keine Skitage, sondern einen anderen Betriebsausflug wählten.
Die Kammer steht generell auf dem Standpunkt, dass betrieblich veranstaltete Events und mehrtägige Reisen, die als „Incentive“ dienen und sich weit von dem entfernen, was einen herkömmlichen (eintägigen) Betriebsausflug ausmacht, besonders kritisch zu betrachten sind, was die Bewertung als Versicherungsfall anbelangt (siehe auch Kasseler Kommentar-Ricke, Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, aktueller Stand, § 8 SGB VII, Rz. 77). Insbesondere dann, wenn eine Veranstaltung mit besonderen Risiken behaftet ist und hohe Unfallgefahren bestehen (wie beim Klettern, Rafting, Fallschirm springen, Skitouren gehen und letztlich auch Ski fahren), so kann man nicht davon ausgehen, dass sich die weit überwiegende Mehrheit der Mitarbeiter davon angesprochen fühlt. Gerade ältere Mitarbeiter oder solche, die selbst bereits Unfälle hatten oder gesundheitlich eingeschränkt sind, werden sich von einem solchen Angebot kaum angesprochen fühlen. Auch steht bei solchen Unternehmungen mehr das Abenteuer bzw. die sportliche Betätigung im Vordergrund und nicht der gesellige Austausch. Je weniger wiederum der gesellige Austausch eine Rolle spielt, desto mehr fehlt der innere Zusammenhang mit der eigentlichen betrieblichen Tätigkeit. Immer wieder hat das Bundessozialgericht betont, dass ganz zentral für die Annahme einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung ist, dass die Zusammenkunft der Pflege der Verbundenheit zwischen der Unternehmens- (oder Sachgebietsleitung) mit dem Beschäftigten, sowie den Beschäftigten untereinander dient (vgl. etwa BSG im Urteil vom 07.12.2004, Az.: B 2 U 47/03 R).
Darüber hinaus darf auch folgender Aspekt nicht übersehen werden: Banken werden üblicher Weise von der Beklagten zu einer relativ niedrigen Gefahrklasse veranlagt, weil deren Mitarbeiter weniger hohen Unfallgefahren unterliegen als beispielsweise Mitarbeiter von Sicherheitsunternehmen. Unternehmen, die reine Büromitarbeiter haben, zahlen damit auch wesentlich niedrigere Beiträge als Unternehmen, in denen gefahrgeneigte Arbeiten verrichtet werden. Wieso die Mitgliedergemeinschaft für ein vermeidbares, aber bewusst in Kauf genommene Risiko eines Unternehmens einstehen soll, erschließt sich der Kammer nicht. Nach Meinung der Kammer wäre es hier angezeigt, dass bei gefahrgeneigten Veranstaltungen das Unternehmen für einen veranstaltungsbezogenen privatrechtlichen Unfallversicherungsschutz der Teilnehmer sorgt. Eine Rolle spielt hierbei auch, dass es schließlich in der freien Entscheidung eines jeden Unternehmens liegt, welche Form von Betriebsausflügen angeboten werden. Die betriebliche Tätigkeit hängt jedenfalls nicht davon ab und wird auch nicht dadurch gefördert, dass manche Unternehmen besonders abenteuerliche oder spektakuläre Veranstaltungen für ihre Mitarbeiter anbieten. Hier steht der innere Zusammenhang zur betrieblichen Tätigkeit daher per se schon in Frage.
Die Teilnahme an Freizeit- und Erholungsveranstaltungen ist nicht allein deshalb versichert, weil diese vom Unternehmen organisiert und finanziert werden. Stehen Freizeit, Unterhaltung oder Erholung im Vordergrund, fehlt es an einem wesentlichen betrieblichen Zusammenhang (BSGE 17, 280, 282, BSG SozR 2200 § 548 Nr. 21 m.w.N.). Es steht jedem Unternehmen zwar frei, seine Mitarbeiter z. B. durch
„Incentive-Reisen“ zu höheren Leistungen anzuspornen; das Unternehmen hat es jedoch nicht in der Hand, den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung auf sonst unversicherte Tatbestände auszuweiten, und zwar auch dann nicht, wenn hierdurch die persönliche Verbundenheit einer Gruppe von Beschäftigten mit dem Unternehmen gestärkt würde (s. BSG SozR 2200 § 548 Nr. 21). Das Interesse der Unternehmensleitung, dass sich aus solchen Veranstaltungen wahrscheinlich auch eine Motivation zu Leistungssteigerungen ergibt, reicht nicht aus, für solche Betätigungen den rechtlich wesentlichen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit herzustellen (s. BSGE 17, 280, 282). Der Arbeitgeber honoriert insoweit die Leistung der Mitarbeiter mit einem geldwerten Vorteil, ohne dass dadurch die vom Unternehmen finanzierte Reise für die Beschäftigten zu einer betrieblichen Tätigkeit wird (vgl. BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 21; SozR 4-2700 § 8 Nr. 2 RdNr. 14).
Alles in allem hat damit die Beklagte im Bescheid vom 16.09.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.03.2016 zu Recht die Anerkennung des Ereignisses vom 13.03.2015 als Versicherungsfall abgelehnt. Die Klage dagegen war somit abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 183, 193 SGG.