Arbeitsrecht

Versorgungsausgleich – Ehezeitanteil von zertifizierten Altersvorsorgeverträgen bei Anbieterwechsel in der Ehezeit

Aktenzeichen  2 UF 262/16

Datum:
16.2.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
FamRZ – 2017, 1211
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VersAusglG § 1, § 2 bs. 1 Nr. 1, § 5, § 14, § 15,
FamFG § 40, § 50 Abs. 1 S. 1, § 70 Abs. 1 Nr. 2, § 150, § 222 Abs. 1, 2 u. 3
EStG § 93

 

Leitsatz

1. Werden vorehelich erworbene Anrechte aus einem zertifizierten Altersvorsorgevertrag in einen in der Ehezeit abgeschlossen, den vorherigen Vertrag ablösenden neuen, ebenfalls zertifizierten Altersvorsorgevertrag unmittelbar übertragen (bloßer Anbieterwechsel), ist es gerechtfertigt, den vormaligen und den nachfolgenden zertifizierten Altersvorsorgevertrag als eine einheitliche Versorgung und damit die sich daraus ergebenden Anrechte als ein einheitliches Anrecht im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG anzusehen.
2. In dieser Fallgestaltung ist das beim früheren Anbieter zum Ehebeginn bestehende Kapital vom zum Ehezeitende beim nachfolgenden Anbieter bestehenden Deckungskapital zur Ermittlung des Ausgleichswertes in Abzug zu bringen.

Verfahrensgang

2 F 82/16 2016-10-04 Bes AGHASSFURT AG Haßfurt

Tenor

1. Auf die Beschwerde der … wird der Endbeschluss des Amtsgerichts -Familiengericht-Haßfurt vom 4.10.2016 (2 UF 82/16) in Ziffer 2 Absätze 2, 3 und 5 wie folgt abgeändert:
Im Wege der externen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der … zu Gunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 3.604,99 Euro bei der bezogen auf den 31.1.2016, begründet. Die … wird verpflichtet, diesen Betrag an die … zu zahlen.
Im Wegen der externen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der … zu Gunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 6.670,79 Euro bei der bezogen auf den 31.1.2016, begründet. Die … wird verpflichtet, diesen Betrag nebst Zinsen in Höhe von 3,25% seit dem 1.2.2016 bis zur Rechtskraft dieser Entscheidung an die … zu zahlen.
Im Wege der externen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragsgegnerin bei der … zu Gunsten des Antragstellers ein Anrecht in Höhe von 4.010,72 Euro bei der bezogen auf den 31.1.2016, begründet. Die … wird verpflichtet, diesen Betrag an die … zu zahlen.
2. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens haben der Antragsteller und die Antragsgegnerin jeweils zur Hälfte zu tragen. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.850,00 Euro festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

Gründe:
I.
Mit Endbeschluss vom 4.10.2016 hat das Amtsgericht -Familiengericht- Haßfurt im Verfahren 2 F 82/16 die Ehe der beteiligten Eheleute … geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt. Dabei hat es u. a. die externe Teilung der Anrechte des Antragstellers bei der … und bei der … angeordnet und diese Versorgungsträger verpflichtet, Zahlungen in Höhe von 3.604,99 Euro bzw. 6.670,79 Euro an die … zu erbringen. Weiterhin hat das Amtsgericht die externe Teilung des Anrechts der Antragsgegnerin bei der … angeordnet, den Ausgleichswert mit 4.555,64 Euro festgelegt und die … verpflichtet, diesen Betrag an die … zu zahlen. Im Übrigen wird auf den Endbeschluss vom 4.10.2016 Bezug genommen.
Gegen diesen ihr am 12.10.2016 zugestellten Beschluss hat die … mit am 28.10.2016 beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 26.10.2016 Beschwerde eingelegt und diese auf die Anordnungen in der Versorgungsausgleichsentscheidung wie oben näher ausgeführt beschränkt. Die … macht mit ihrer Beschwerde geltend, dass sie bezüglich der auszugleichenden Anrechte bei der … und der … nicht mit ihrer Benennung als Zielversorgungsträgerin einverstanden gewesen sei. Hinsichtlich der angeordneten externen Teilung des bei ihr bestehenden Anrechts der Antragsgegnerin unter der … sei zu berücksichtigen, dass dem Anrecht ein Anbieterwechsel am 9.7.2008 von der … mit einem übertragenen Kapital von 1.670,90 Euro zu Grunde liege. Das von der … übertragene Kapital beruhe z.T. auf vor Beginn der Ehezeit erworbenen Anrechten, weshalb der vorehezeitliche Anteil bei der Ermittlung des Ehezeitanteils in Abzug zu bringen sei.
Bei dem Vorvertrag handelt es sich wie beim Anrecht bei der Beschwerdeführerin um einen zertifizierten Altersvorsorgevertrag. Die … hat angegeben, dass zum Ehebeginn ein Kapital in Höhe von 1.089,84 Euro bestanden habe. Die … schlägt daher vor, nach Abzug dieses vorehelich erworbenen Kapitals vom bei der … zum Ehezeitende bestehenden Kapital von 9.111,28 Euro, den Ausgleichswert mit 4.010,72 Euro zu bestimmen.
Im Laufe des Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin zum Zwecke der Begründung von Anrechten bei der … in Folge der durchzuführenden externen Teilung der beiden Anrechte des Antragstellers bei der … und der … einen Basisrentenvertrag (…) abgeschlossen. Die … hat sich nunmehr ausdrücklich damit einverstanden erklärt, insoweit als Zielversorgungsträger zu fungieren.
Bei den Anrechten des Antragstellers bei der … und der Antragsgegnerin bei der … handelt es sich um jeweils fondsbasierte Anrechte. Der nicht fondbasierten Versorgung des Antragstellers bei der … liegt ein Rechnungszins von 3,25% zu Grunde.
II.
Die Beschwerde der … ist gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässig und führt zur tenorierten Abänderung.
a) Hinsichtlich der Anrechte des Antragstellers bei der … und bei der … hat die Antragsgegnerin nunmehr einen neuen Vertrag bei der …(Basisrentenvertrag) abgeschlossen und die … hat sich nachfolgend zur Aufnahme des jeweiligen Kapitals als Zielversorgungsträger ausdrücklich einverstanden erklärt. Somit liegen die Voraussetzungen für die Begründung eines Anrechts aufgrund durchzuführender externer Teilung gemäß §§ 14, 15 VersAusglG i.V.m. § 222 Abs. 1 bis 3 FamFG nunmehr vor.
Da die dem Anrecht des Antragstellers bei der … zu Grunde liegende Versorgung auf einem Rechnungszins von 3,25% beruht, war anzuordnen, dass der von der … an die … zu zahlende Betrag in dieser Höhe wie tenoriert zu verzinsen ist.
Hinsichtlich des nicht fondsgebundenen Anrechts bei der … war keine Verzinsung anzuordnen.
b) Bezüglich der durchzuführenden externen Teilung des Anrechts der Antragsgegnerin bei der … unter der … ist entsprechend des Beschwerdebegehrens der Ausgleichswert auf 4.010,72 Euro herabzusetzen.
Dem liegt zu Grunde, dass nach Ansicht des Senats die ehemals bei der … bestandene Versorgung und die den nunmehr zu teilenden Anrechten zugrundeliegende Versorgung bei der … als einheitliche Versorgung und die betreffenden Anrechte auch als einheitliches Anrecht der Antragsgegnerin im Sinne des § 2 VersAusglG anzusehen sind. Das ursprünglich bei der … bestandene Anrecht beruht ebenfalls wie das nunmehr bei der … bestehende Anrecht auf einer nach dem Altersvermögensgesetz (AVmG) geförderten und gemäß dem Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz (AltZertG) zertifizierten Versorgung.
Zwar ist eine private Rentenversicherung, die ein Ehegatte mit Mitteln seines vorehelich erworbenen Privatvermögens begründet hat, grundsätzlich in den Versorgungsausgleich einzubeziehen, weshalb es regelmäßig nicht darauf ankommt, dass das in Versicherungen eingezahlte Kapital aus einem bereits vor der Ehezeit erwirtschafteten Vermögen des betreffenden Ehegatten stammt. Denn nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 VersAusglG ist nur erforderlich, dass das Geld, mit dem der Ehegatte die Beiträge entrichtete, zu seinem Vermögen gehörte. Auf die Herkunft des Geldes kommt es nicht an. Insbesondere ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 VersAusglG keine Unterscheidung getroffen, ob das Vermögen, mit dem der Ehegatte die Beiträge entrichtete, Vermögen darstellt, das vor oder während der Ehe erworben wurde (vgl. BGH FamRZ 2012, 434; BGH FamRZ 2011, 877). In den Versorgungsausgleich fallen daher auch solche Anrechte, die u. a. mit vorehelich erwirtschaftetem Vermögen des Ehegatten, das als Anfangsvermögen im Zugewinnausgleich einzustellen ist, begründet wurden.
Hiervon zu unterscheiden ist jedoch vorliegende Fallgestaltung, bei der vorehelich erworbene Anrechte aus einem zertifizierten Altersvorsorgevertrag in einen in der Ehezeit abgeschlossen, den vorherigen Vertrag ablösenden neuen, ebenfalls zertifizierten Altersvorsorgevertrag unmittelbar übertragen werden. Hierbei handelt es sich um einen bloßen Anbieterwechsel. Die Zweckbestimmung des erwirtschafteten Anrechts für die Altersvorsorge bleibt gänzlich unberührt. Insbesondere erfolgt insoweit auch keine zwischenzeitliche Auszahlung eines Kapitalbetrages an den Versicherungsnehmer. Der Versicherungsnehmer kann daher vorliegend nicht zu anderen Zwecken das Kapital einsetzen. Die Übertragung von gefördertem Altersvorsorgevermögen auf einen anderen auf den Namen des Zulageberechtigten lautenden Altersvorsorgevertrag ist vielmehr ausdrücklich gemäß § 93 EStG keine für die Zulageberechtigung schädliche Verwendung. Ein solcher Anbieterwechsel hat somit keinen Einfluss auf die Zulageberechtigung gemäß §§ 83 ff. EStG. Damit hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass der Anbieterwechsel -z. B. aus Renditegründen – möglich sein soll, ohne dass der Versicherungsnehmer seinen Anspruch auf eine Altersvorsorgezulage verliert.
Wird seitens des Versicherungsnehmers dieser unmittelbare und zulagenunschädliche Übertragungs Weg eingehalten, hält es der Senat daher auch für gerechtfertigt, den vormaligen und den nachfolgenden zertifizierten Altersvorsorgevertrag als eine einheitliche Versorgung und damit die sich daraus ergebenden Anrechte als ein einheitliches Anrecht im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG anzusehen. In Folge dessen ist das bei der … zum Ehebeginn bestehende Kapital von 1.089,84 Euro vom zum Ehezeitende bei der … bestehenden Deckungskapital von 9.111,28 Euro in Abzug zu bringen, womit sich unter Berücksichtigung des Halbteilungsgrundsatzes (§ 1 VersAusglG) ein Ausgleichswert gemäß § 5 VersAusglG von 4.010,72 Euro ergibt.
Da das Anrecht der Antragsgegnerin bei der … aus einer fondsbasierten Versorgung stammt, ist eine Verzinsung des an die … als Zielversorgungsträger zu zahlenden Betrages nicht anzuordnen.
c) Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in § 150 FamFG. Die Festsetzung des Verfahrenswertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 40, 50 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. FamGKG. Von der Beschwerde sind drei Anrechte betroffen.
Im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Frage, ob bei Übertragung des Kapitals aus einem auch vorehelich angesparten zertifizierten Altersvorsorgevertrag in einen neuen zertifizierten Altersvorsorgevertrag der vorehelich angesparte Kapitalbetrag des Altvertrages für den Ehezeitanteil im Versorgungsausgleich unberücksichtigt bleibt, wird die Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 1 Nr. 2 FamFG zugelassen.

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