Aktenzeichen 3 Sa 58/19
Leitsatz
Jedenfalls, wenn ein kleines handwerkliches Unternehmen nur über gelochtes Geschäftspapier verfügt, stellt die Verwendung des gelochten Geschäftspapiers für die Erteilung eines Zeugnisses kein nach § 109 Abs. 2 Satz 2 GewO verbotenes Geheimzeichen dar. (Rn. 21 – 22)
Verfahrensgang
3 Ca 615/18 2019-01-09 Endurteil ARBGWEIDEN ArbG Weiden
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Weiden, Kammer Schwandorf, vom 09.01.2019, Az.: 3 Ca 615/18, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Berufung ist zulässig.
Gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Weiden – Kammer Schwandorf – ist gemäß § 64 Abs. 1 ArbGG die Berufung statthaft. Die Berufungssumme gemäß § 64 Abs. 2 b ArbGG ist erreicht. Die Berufung ist form- und fristgerecht gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.
II.
Die zulässige Berufung ist aber unbegründet.
Das Landesarbeitsgericht Nürnberg folgt der sorgfältig und umfassend begründeten Entscheidung des Arbeitsgerichts Weiden – Kammer Schwandorf – in vollem Umfang und macht sich die Begründung zu eigen. Von einer lediglich wiederholenden Wiedergabe der Urteilsgründe wird abgesehen.
Lediglich ergänzend ist zum Berufungsvorbringen festzustellen, dass auch das Berufungsgericht davon ausgeht, dass im vorliegenden Fall die Beklagte durch Erteilen des Zeugnisses auf gelochtem Geschäftspapier ihre Verpflichtung aus § 109 Abs. 1 GewO vollständig erfüllt hat. Der Inhalt des Zeugnisses ist zwischen den Parteien nicht streitig, die Klägerin beanstandet allein die Erteilung des Zeugnisses auf gelochtem Geschäftspapier. Die Vernahme der Zeugen K… und P… hat zur Überzeugung des Erstgerichts ergeben, dass die Beklagte ausschließlich über gelochtes Geschäftspapier verfügt. Gegen diese Würdigung des Erstgerichts sind keine Angriffe in der Berufung erfolgt. Auch das Berufungsgericht geht davon aus, dass die Beklagte ausschließlich über gelochtes Geschäftspapier verfügt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts muss das Arbeitszeugnis auch nach seiner äußeren Form gehörig sein. Danach ist haltbares Papier von guter Qualität zu benutzen, das Zeugnis muss sauber und ordentlich geschrieben sein und darf keine Flecken, Radierungen, Verbesserungen, Durchstreichungen oder Ähnliches enthalten. Die äußere Form muss außerdem so gestaltet sein, dass es nicht einen seinem Wortlaut nach sinnentstellenden Inhalt gewinnt. Durch die äußere Form darf nicht der Eindruck erweckt werden, der ausstellende Arbeitgeber distanziere sich vom buchstäblichen Wortlaut seiner Erklärung. Hierbei handelt es sich um einen in § 113 Abs. 3 GewO (jetzt: § 109 Abs. 2 GewO) zum Ausdruck kommenden allgemeinen Grundsatz des Zeugnisrechts (BAG, Urteil vom 03.03.1993 – 5 AZR 182/92, NJW 1993, 2197 m. w. N.). Dabei geht das BAG davon aus, dass, wenn im Geschäftszweig des Arbeitgebers für schriftliche Äußerungen üblicherweise Firmenbögen verwendet werden und auch der Arbeitgeber solches Geschäftspapier verwende, das Zeugnis nur dann ordnungsgemäß ist, wenn es auf Firmenpapier geschrieben ist.
Unter zugrunde legen dieser Rechtsprechung des BAG, der das Berufungsgericht ausdrücklich beipflichtet, ist das streitgegenständliche Arbeitszeugnis formell ordnungsgemäß erteilt worden. Das Zeugnis ist sauber und ordentlich geschrieben. Es enthält keine Flecken oder Ähnliches. Der Arbeitgeber hat das bei ihm vorhandene Geschäftspapier verwendet, er verfügt nur über gelochtes Geschäftspapier.
Zur äußeren Form von Zeugnissen und daraus vermuteten Geheimzeichen liegt bereits umfangreich Rechtsprechung vor. Bereits mit Urteil vom 21.09.1999 (Az.: 9 AZR 893/98) hat das BAG entschieden, dass der Anspruch auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses auch mit einem Zeugnis erfüllt wird, das der Arbeitgeber zweimal faltet, um den Zeugnisbogen in einen Geschäftsumschlag üblicher Größe unterzubringen. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass der Arbeitnehmer bei einem mehrseitigen Zeugnis keinen Anspruch auf ein „ungetackertes“ Zeugnis habe. Das LAG stellt fest, dass es kein unzulässiges Geheimzeichen darstelle, wenn der Arbeitgeber die Blätter des Zeugnisses mit einem Heftgerät körperlich miteinander verbinde. Es gebe keinerlei Belege dafür, dass ein „getackertes Zeugnis“ einem unbefangenen Arbeitgeber mit Berufs- und Branchenkenntnis signalisiere, der Zeugnisaussteller sei mit dem Arbeitnehmer nicht zufrieden gewesen. Die Klägerin verkenne, dass es auf die Sicht des objektiven Empfängerhorizonts und nicht auf vereinzelt geäußerte Rechtsansichten ankomme, selbst wenn sie im Internet zu „Geheimcodes“ kursierten (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 09.11.2017 – 5 Sa 314/17, Beck RS 2017, 140033).
Auch beim gelochten Zeugnis liegt kein unzulässiges Geheimzeichen vor, insoweit ist die Klägerin der ihr obliegenden Darlegungs- und Beweislast nicht nachgekommen. Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast verweist das BAG in seinem Urteil vom 15.11.2011 (Az.: 9 AZR 386/10, NZA 2012, 448) auf die Ausführungen im Erfurter Kommentar, § 109 GewO, Rn. 85. Demnach trägt die Partei die Darlegungs- und Beweislast für die Verwendung verbotener Geheimzeichen im Sinne des § 109 Abs. 2 Satz 2 GewO, die hieraus Rechtsfolgen herleiten will. Trotz Hinweises der Kammer hat die Klägerin lediglich eine Auskunft der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz vom 19.06.2019 (Blatt 123 der Akten) vorgelegt, in der mitgeteilt wird, dass die Aushändigung eines gelochten Arbeitszeugnisses (unabhängig von der Mitarbeiterzahl des Betriebes) bei den der Handwerkskammer bekannten Vorgängen in der Praxis noch nicht vorgekommen sei. Grundsätzlich erfolge die Erteilung eines Arbeitszeugnisses auf sauberem Geschäftspapier.
Damit ist nicht dargelegt, dass es sich bei der Erstellung eines Arbeitszeugnisses auf gelochtem Geschäftspapier um ein Geheimzeichen handelt. Allein die Ungewöhnlichkeit eines Vorganges vermag ein Geheimzeichen des Inhalts, der Arbeitgeber distanziere sich von dem Zeugnis, nicht zu begründen. Auch ein gefaltetes oder ein getackertes Zeugnis mag ungewöhnlich sein, nach der Rechtsprechung liegt aber kein unzulässiges Geheimzeichen vor. Zu berücksichtigen ist hier, welche Gepflogenheiten in formeller Hinsicht in der betreffenden Branche bestehen, das heißt, welches Geschäftspapier sonst üblich ist. Es kommt aber entscheidend auf die Gepflogenheiten des ausstellenden Arbeitgebers und darauf an, welches Geschäftspapier dieser besitzt und benutzt (vgl. BAG vom 03.03.1993 – 5 AZR 182/92 a. a. O.). Die Beklagte verwendet das einzige Geschäftspapier, das sie besitzt, es ist gelocht. Das gelochte Arbeitszeugnis erweckt jedenfalls im hier vorliegenden handwerklichen Baubetrieb nicht den Eindruck, der Arbeitgeber distanziere sich vom buchstäblichen Wortlaut seiner Erklärungen.
Eine anderslautende, übereinstimmende Beurteilung von unbefangenen Arbeitgebern mit Berufs- und Branchenkenntnis konnte die Klägerin nicht substantiiert vortragen.
Auch nach Ansicht der Kammer stellt ein gelochtes Geschäftspapier ebenso wenig wie ein getackertes oder gefaltetes Zeugnis ein unzulässiges Geheimzeichen dar. Damit hat die Beklagte den Zeugnisanspruch der Klägerin vollständig erfüllt (§ 362 BGB). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses auf ungelochtem Geschäftspapier. Ob ein Arbeitgeber, der über gelochtes und ungelochtes Geschäftspapier verfügt, im Rahmen der nachvertraglichen Fürsorgepflicht gehalten wäre, das Zeugnis auf ungelochtem Papier zu erteilen, muss nicht entschieden werden. Die Beklagte musste jedenfalls nicht nur zur Erteilung des Zeugnisses der Klägerin ungelochtes Papier anschaffen.
Daher war die Berufung zurückzuweisen.
III.
1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO.
2. Eine Zulassung der Revision war gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG nicht veranlasst.