Aktenzeichen BayAGH I – 5 – 30/17
Leitsatz
1 Arbeitsverträge mit Syndikusanwälten müssen Klauseln enthalten, die die von § 46 Abs. 3 BRAO geforderte fachliche Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit widerspiegeln. Dementsprechend müssen sich Arbeitgeber und Syndikusanwalt darüber einigen, dass die ursprüngliche Weisungsgebundenheit aus dem Arbeitsvertrag für die Zukunft in rechtlicher Hinsicht durch eine fachliche Unabhängigkeit ersetzt wird. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine vor Inkrafttreten des neuen Syndikusrechts zum 1.1.2016 getroffene Verständigung zwischen Rechtsanwalt und Arbeitgeber kann sich inhaltlich nicht auf die Anforderungen des § 46 BRAO erstrecken. Es bedarf für die Zulassung als Syndikusanwalt deshalb entweder des Abschlusses eines neuen Arbeitsvertrages oder aber jedenfalls einer Vertragsergänzung. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist in Ziff. II vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
IV. Der Streitwert für das Verfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klage, mit der der Kläger die Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 10.10.2017 und die Verurteilung der Beklagten zu seiner Zulassung als Syndikusrechtanwalt erstrebt, ist als Verpflichtungsklage zulässig (§§ 112 c Abs. 1 S. 1 BRAO, 42 Abs. 1, 2. Alt. VwGO). Sie ist auch fristgerecht erhoben (§§ 112 c Abs. 1 BRAO, 74 Abs. 2, Abs. 1 S. 2 VwGO); die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens war nicht veranlasst (Art. 15 BayAGVwGO).
II.
In der Sache bleibt die Klage jedoch ohne Erfolg, da der streitgegenständliche Ablehnungsbescheid vom 10.10.2017 zu Recht ergangen ist.
Nach § 46 a Abs. 1 BRAO ist die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt zu erteilen, wenn
1.) die allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen zum Beruf des Rechtsanwalts gem. § 4 erfüllt sind,
2.) kein Zulassungsversagungsgrund nach § 7 vorliegt und
3.) die Tätigkeit den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 entspricht.
Die ersten beiden Voraussetzungen sind vorliegend gegeben, § 46 a Abs. 1 Nr. 1, 2 BRAO. Der Senat hat auch keine Zweifel, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bzw. dessen Tätigkeit als solche grundsätzlich von den Merkmalen im Sinn von § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO geprägt ist. Er konnte sich jedoch keine Überzeugung von der fachlichen Unabhängigkeit der Berufsausübung des Klägers im Sinn von § 46 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 2 BRAO verschaffen.
Das Gesetz verlangt für die Zulassung als Syndikusanwalt neben einer anwaltlichen Tätigkeit im Sinn von § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO, der der Rechtsanwalt für seinen Arbeitgeber nachgeht, dass diese fachlich unabhängig und eigenverantwortlich ausgeübt wird, § 46 Abs. 3, 1. Hs. BRAO. Hierbei handelt es sich um Kernelemente des Berufs des Rechtsanwaltes (BeckOK BORA/ Römermann/ Günther, § 46 BRAO, Rn. 11). Die fachliche Unabhängigkeit ist zudem vertraglich und tatsächlich zu gewährleisten, § 46 Abs. 4 BRAO. Arbeitsverträge mit Syndikusanwälten müssen deshalb Klauseln enthalten, die diese gesetzlichen Vorgaben widerspiegeln. Dementsprechend müssen sich Arbeitgeber und Syndikusanwalt darüber verständigen bzw. Einigkeit erzielen, ob künftig von beiden Seiten tatsächlich eine Beschäftigung als Syndikusanwalt gewollt ist, mithin die ursprüngliche Weisungsgebundenheit aus dem Arbeitsvertrag für die Zukunft in rechtlicher Hinsicht durch eine fachliche Unabhängigkeit ersetzt wird (BeckOK BORA/ Römermann/ Günther, § 46 BRAO, Rn. 19; Schuster, Syndikusanwälte: Folgen des neuen Rechts für das Arbeitsverhältnis, AnwBl 2016, S. 121f.). Eine etwaige, vor Inkrafttreten des neuen Syndikusrechts zum 01.01.2016 getroffene, bisherige Verständigung zwischen Rechtsanwalt und Arbeitgeber kann sich zwangsläufig inhaltlich nicht auf die Anforderungen des § 46 BRAO erstrecken. Deshalb bedarf es für eine Zulassung als Syndikusanwalt entweder des Abschlusses eines neuen Arbeitsvertrages oder aber jedenfalls einer Vertragsergänzung (Schuster, aaO, AnwBl 2016, S. 121). Den Antragsteller trifft insoweit eine Mitwirkungspflicht, da es ihm gem. § 46 a Abs. 3 S. 1 BRAO obliegt eine Ausfertigung eines aktuellen Arbeitsvertrages bzw. dessen Ergänzung vorzulegen.
Der Kläger hat diese Vorgaben des Gesetzgebers nicht erfüllt, da er weder schlüssig zu seiner fachlichen Unabhängigkeit vorgetragen noch nachgewiesen hat, dass diese vertraglich gewährleistet ist:
– Der von ihm vorgelegte Arbeitsvertrag vom 26.06.2013 sowie dessen ergänzende Vereinbarung vom 30.12.2014, die nur die Befristung zum Wegfall brachte, enthalten weder eine Tätigkeitsbeschreibung noch eine Aussage zur fachlichen Unabhängigkeit und sind, ebenso wie die vom Kläger auf S. 3 seines Schriftsatzes vom 06.03.2018 in Bezug genommene Tätigkeitsbeschreibung aus dem Jahr 2013, die aus der Akte nicht ersichtlich ist, für die Zulassung als Syndikusanwalt nicht relevant, da sie aus der Zeit vor der Einführung des neuen Syndikusrechts stammen.
– Die weiter in Bezug genommene Tätigkeitsbeschreibung vom 25.07.2016 (grün markiert im Anlagenkonvolut, Bl. 27) wurde ausweislich der vom Kläger vorgelegten E – Mail von Hr. S. vom 25.07.2016 (nach Bl. 25) auf Wunsch des Klägers deklariert als „Tätigkeitsbeschreibung eines Rechtsschutzsekretärs“ formuliert. Hr. S. ist ausweislich des vom Kläger vorgelegten Organigramms (nach Bl. 25) nicht Leiter Personal, so dass nicht ersichtlich ist, dass dieser überhaupt für den Arbeitgeber des Klägers bindend diese Tätigkeitsbeschreibung erstellen konnte. Sie kann angesichts der Umstände des vorliegenden Einzelfalls keine vertragliche Gewährleistung der fachlichen Unabhängigkeit abbilden, da sie nicht gleichzusetzen ist mit einer Änderung des Arbeitsvertrages bzw. einer Vertragsergänzung im Sinne obiger Ausführungen. Für den Arbeitgeber bindend ist dadurch die fachliche Unabhängigkeit des Klägers nicht nachgewiesen, so dass der Arbeitgeber weiterhin uneingeschränkt von seinem Weisungsrecht nach § 106 GewO Gebrauch machen kann (zumal sich auch im Arbeitsvertrag aus dem Jahr 2013 keinerlei Stellenbeschreibung befindet).
– Für diese Sichtweise spricht auch der insoweit widersprüchliche Sachvortrag des Klägers, der nach § 46 a Abs. 3 BRAO die erforderlichen Nachweise für seine Zulassung erbringen muss. Denn noch mit Schreiben vom 28.06.2017, also zeitlich nach der Tätigkeitsbeschreibung vom 25.07.2016, teilte er der Beklagten mit, dass sein Arbeitgeber „aktuell keine Unterschrift unter das Formular zur Zulassung als Syndikusrechtsanwalt leisten wird“. Er hat also offensichtlich gerade noch keine vertraglich dokumentierte Einigkeit mit seinem Arbeitgeber erzielt, dass von diesem tatsächlich eine Tätigkeit des Klägers als Syndikusanwalt und mithin dessen fachlich unabhängige und eigenverantwortliche Tätigkeit gewollt ist.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 112 c Abs. 1 S. 1 BRAO i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO (ein gesonderter Ausspruch zu Kosten der Beigeladenen war nicht veranlasst, da diese sich am Verfahren nicht beteiligt hat, mithin Kosten nicht erkennbar sind), der Ausspruch über die vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 112 Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m. §§ 167 VwGO, § 709 ZPO.
Der Streitwert wurde gemäß §§ 194 Abs. 2 BRAO, 52 Abs. 3 GKG festgesetzt.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung nach §§ 112 e BRAO, § 124 Abs. 2 VwGO waren nicht gegeben: Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, die nach Auffassung des Senats weder besondere Schwierigkeiten noch eine grundsätzliche Bedeutung im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 2, 3 VwGO aufweist.