Arbeitsrecht

Vorlageanspruch des Betriebsrats betreffend Unterlagen über die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen – funktionelle Zuständigkeit

Aktenzeichen  8 TaBV 39/16

Datum:
12.10.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 134896
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BetrVG § 80 Abs. 1 Nr. 1
SBG IX § 71 Abs.1, § 80 Abs. 2 S. 3
BDSG § 3 Abs. 7, Abs. 8 S. 2
ArbGG § 72 Abs. 2 Nr. 2

 

Leitsatz

Erfolglose Beschwerde der AGin: der örtliche BR hat Anspruch auf Übermittlung einer Kopie der Anzeige nach § 80 Abs. 1 Satz 1 SGB IX und des Verzeichnisses nach § 80 Abs. 1 SGB IX, bezogen auf das ganze Unternehmen (wie LAG Nürnberg vom 18.08.2016 – 1 TaBV 2/16; entgegen LAG München vom 21.06.2016 – 6 TaBV 16/16, vom 28.07.2016 – 3 TaBV 90/15, und vom 11.10.2016 – 9 TaBV 49/16). (Rn. 40 – 41)

Verfahrensgang

32 BV 103/15 2016-02-25 Bes ARBGMUENCHEN ArbG München

Tenor

1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 25.02.2016 – 32 BV 103/15 – wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten über Auskunftsansprüche des antragstellenden Betriebsrats.
Die Arbeitgeberin ist ein Einzelhandelsunternehmen mit zahlreichen Betriebsstätten in Deutschland. Die Betriebsräte haben einen Gesamtbetriebsrat gebildet.
Der Betriebsrat hat von der Arbeitgeberin erstinstanzlich zuletzt noch Auskunft über Anzahl, Namen und Betriebsstätte der in ihrem Unternehmen beschäftigten schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Menschen begehrt. Des Weiteren hat er verlangt, einmal jährlich eine Kopie der Anzeige gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 SGB IX sowie eine Kopie des Verzeichnisses gemäß § 80 Abs. 1 SGB IX, gesondert für jeden Betrieb, übermittelt zu bekommen.
Mit Schreiben vom 27.02.2014 (Anlage AGG2, Bl. 30 f. d. A.) übersandte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat eine „Übersicht schwerbehinderte oder gleichgestellte Mitarbeiter“. Diese Übersicht ist auf die Betriebsstätte A-Stadt beschränkt.
Mit Schreiben vom 10.09.2014 (Anlage AGG1, Bl. 27 bis 29 d. A.) übermittelte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat ein Verzeichnis gemäß § 80 Abs. 1 SGB IX. Auch dieses Verzeichnis ist auf die Betriebsstätte A-Stadt beschränkt. Ausdrücklich ausgenommen sind Arbeitsplätze, auf denen die Beschäftigten weniger als 18 Stunden wöchentlich beschäftigt werden.
Mit Schreiben vom 29.10.2015 (Anlage AGG3, Bl. 39 bis 40 d. A.) erteilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat Auskunft über sämtliche schwerbehinderte und gleichgestellte Mitarbeiter, einschließlich der unter 18 Stunden Beschäftigten. Auch diese Auskunft ist auf die Betriebsstätte A-Stadt beschränkt.
Mit Schreiben vom 02.11.2015 (Anlage AGG4, Bl. 41 bis 43 d. A.) übermittelte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat eine – so das Begleitschreiben – „Kopie des Verzeichnisses nach § 80 Abs. 1 SGB IX“. Entgegen dem Begleitschreiben handelt es sich nicht um eine Kopie „des“ Verzeichnisses, sondern um eine Kopie eines Teils des Verzeichnisses. Dieser Teil betrifft nur die Betriebsstätte A-Stadt.
Der Betriebsrat hat vor dem Arbeitsgericht die Ansicht vertreten, er habe einen weitergehenden Auskunftsanspruch hinsichtlich der im Unternehmen der Arbeitgeberin beschäftigten schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Menschen. Weiter habe er einen Anspruch auf Vorlage einer vollständigen Kopie der Anzeige sowie des Verzeichnisses gemäß § 80 Abs. 1 SGB IX.
Der Beteiligte zu 1. hat vor dem Arbeitsgericht zuletzt beantragt,
1.) Die Beteiligte zu 2) wird verpflichtet, dem Antragsteller Auskunft über Anzahl, Name und Betriebsstätte der in ihrem Unternehmen beschäftigten Schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Menschen i. S. d. § 2 SGB IX zu erteilen.
2.) Die Beteiligte zu 2) wird verpflichtet, dem Antragsteller einmal jährlich eine Kopie der Anzeige der Daten, die zur Berechnung des Umfangs der Beschäftigungspflicht, zur Überwachung deren Erfüllung und der Ausgleichabgabe i. S. d. § 80 Abs. 2 Satz 1 SGB IX an die für die Beteiligte zu 2) zuständige Agentur für Arbeit gemacht wurden, sowie eine Kopie des Verzeichnisses der bei der Beteiligten zu 2) beschäftigten Schwerbehinderten, ihnen gleichgestellten Behinderten und sonstigen anrechnungsfähigen Personen, gesondert für jeden Betrieb, zu übermitteln.
Die Beteiligte zu 2. hat beantragt,
Abweisung der Anträge
Sie hat vor dem Arbeitsgericht die Ansicht vertreten, ein unternehmensweiter Auskunftsanspruch und ein weitergehender Anspruch auf Übersendung von Kopien stünden dem Betriebsrat nicht zu.
Mit Beschluss vom 25.02.2016 – 32 BV 193/15 – hat das Arbeitsgericht München unter Abweisung im Übrigen die Arbeitgeberin verpflichtet, dem Betriebsrat einmal jährlich eine Kopie der Datenanzeige, die zur Berechnung des Umfangs der Beschäftigungspflicht, zur Überwachung ihrer Erfüllung und der Ausgleichsabgabe im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 SGB IX an die für die Arbeitgeberin zuständige Agentur für Arbeit abgegeben wurde, sowie eine Kopie des Verzeichnisses der bei der Arbeitgeberin beschäftigten schwerbehinderten, ihnen gleichgestellten behinderten Menschen und sonstigen anrechnungsfähigen Personen, gesondert für jeden Betrieb, zu übermitteln.
Zur Begründung der Entscheidung wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Antrag 2.) sei begründet. Die von der Kammer vorgenommenen Änderungen berücksichtigten lediglich die Fassung des Gesetzes und dienten der Verständlichkeit.
Gemäß § 80 Abs. 1 SGB IX habe der Arbeitgeber, gesondert für jeden Betrieb, ein Verzeichnis der bei ihm beschäftigten schwerbehinderten, ihnen gleichgestellten behinderten Menschen und sonstigen anrechnungsfähigen Personen laufend zu führen und dieses den Vertretern der Bundesagentur für Arbeit und des Integrationsamtes, die für den Sitz des Betriebes zuständig sind, auf Verlangen vorzulegen. Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 SGB IX habe der Arbeitgeber der für seinen Sitz zuständigen Agentur für Arbeit einmal jährlich bis spätestens zum 31. März für das vorangegangene Kalenderjahr, aufgegliedert nach Monaten, die Daten anzuzeigen, die zur Berechnung des Umfangs der Beschäftigungspflicht, zur Überwachung ihrer Erfüllung und der Ausgleichsabgabe notwendig sind.
Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 3 SGB IX sei dem Betriebsrat je eine Kopie der Anzeige und des Verzeichnisses zu übermitteln.
Bei Anwendung dieser Grundsätze habe der Betriebsrat einen Anspruch gegenüber der Arbeitgeberin auf Überlassung einer Kopie der Anzeige, die die Arbeitgeberin an die Bundesagentur für Arbeit gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 SGB IX zu übermitteln hat, sowie auf Überlassung einer Kopie des Verzeichnisses, das die Arbeitgeberin gemäß § 80 Abs. 1 SGB IX zu führen hat.
Die Arbeitgeberin habe dem Betriebsrat die Informationen bezogen auf das ganze Unternehmen mitzuteilen. Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass die in § 80 Abs. 2 Satz 1 SGB IX normierten Mitteilungen in erster Linie dazu dienten, die Überprüfung der Einhaltung der Beschäftigungspflicht gemäß §§ 71 ff. SGB IX zu ermöglichen. Denn nach § 80 Abs. 2 Satz 1 SGB IX beziehe sich die Mitteilungspflicht auf diejenigen Daten, die zur Berechnung des Umfangs der Beschäftigungspflicht, zur Überwachung ihrer Erfüllung und der Ausgleichsabgabe notwendig seien. Maßgebend für die Berechnung der Beschäftigungspflicht sei dabei nicht der einzelne Betrieb, maßgeblich seien vielmehr die vom Arbeitgeber insgesamt beschäftigten Mitarbeiter. Dies ergebe sich aus den §§ 71 ff. SGB IX, die als Adressaten der Pflicht ausdrücklich den Arbeitgeber nennen. Maßgeblich sei, über wie viele Arbeitsplätze der Arbeitgeber insgesamt verfügt. Es würden dabei sämtliche Arbeitsplätze des Arbeitgebers zusammengezählt, gleichgültig, auf wieviele Betriebe oder sonstige Arbeitsstätten sie verteilt seien (so Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, Kommentar zum SGB IX, 12. Aufl., § 71 Rn. 13). So habe der Arbeitgeber die Ausgleichsabgabe (§ 77 SGB IX) auch nur dann zu zahlen, wenn er die gemäß § 71 Abs. 1 SGB IX vorgeschriebene Quote nicht erfülle. Es sei also unschädlich, wenn in einem Betrieb die Quote nicht erfüllt werde, sofern die entsprechenden Zahlen, bezogen auf alle Betriebe des Unternehmens, eingehalten würden (vgl. etwa Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. Aufl., § 72 SGB IX Rn. 7).
Auch die Verpflichtung, ein Verzeichnis der beschäftigten schwerbehinderten, ihnen gleichgestellten behinderten Menschen und sonstigen anrechnungsfähigen Personen laufend zu führen, treffe nach § 80 Abs. 1 SGB IX den Arbeitgeber. Die Verpflichtung nach § 80 Abs. 1 SGB IX sei nicht auf die einzelne Betriebsstätte beschränkt.
Nach der ausdrücklichen Regelung des § 80 Abs. 2 Satz 3 SGB IX stehe der Anspruch auf Übermittlung der Kopien der Anzeige und des Verzeichnisses dem Betriebsrat zu. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Pflicht gemäß § 80 Abs. 2 Satz 3 SGB IX sich nur auf den Gesamtbetriebsrat bezöge, sofern ein solcher bestehe. Denn berechtigt nach dem Wortlaut der Norm sei der Betriebsrat. Auch systematische Gründe rechtfertigten kein weites Verständnis des Begriffs im Sinne der jeweils zuständigen Interessenvertretung bzw. eine analoge Anwendung der Norm auf den Gesamtbetriebsrat. Das Gegenteil sei der Fall. Denn nach § 80 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sei das Verzeichnis gesondert für jeden Betrieb zu führen (LAG München, Beschluss vom 17.06.2015 – 8 TaBV 8/15 – II. 2.1 der Gründe).
§ 80 Abs. 2 Satz 3 SGB IX enthalte auch keine Einschränkung dahingehend, dass dem Betriebsrat die Kopien nur auszugsweise, nämlich nur insoweit, als die Arbeitnehmer der jeweiligen Betriebsstätte betroffen seien, auszuhändigen wären.
Somit sei die Arbeitgeberin verpflichtet, dem Betriebsrat die Kopien gemäß § 80 Abs. 2 Satz 3 SGB IX jeweils bezogen auf das gesamte Unternehmen zu übermitteln.
Antrag 1.) sei dagegen abzuweisen. Eine Anspruchsgrundlage für dieses Begehren des Betriebsrats enthalte weder das SGB IX noch das BetrVG.
Ergänzend wird wegen der Feststellungen und Erwägungen des Arbeitsgerichts auf den angefochtenen Beschluss verwiesen.
Gegen diese Entscheidung, die ihr am 18.03.2016 zugestellt wurde, wendet sich die Beteiligte zu 2. mit ihrer am 15.04.2016 eingelegten und am 17.05.2016 begründeten Beschwerde.
Zur Begründung Ihres Rechtsmittels bringt die Beteiligte zu 2. im Wesentlichen Folgendes vor: Die Auffassung des Arbeitsgerichts sei nicht nachvollziehbar und in sich widersprüchlich. Einerseits sei dem Betriebsrat der unternehmensweite Auskunftsanspruch verwehrt worden, andererseits aber die Übersendung einer Kopie des Verzeichnisses und der Daten nach § 80 Abs. 2 SGB IX zugesprochen worden, aus denen sich unternehmensweite Namen und Daten der Schwerbehinderten und der ihnen gleichgestellten Menschen, gesondert für jeden Betrieb, ergäben. Sofern dem örtlichen Betriebsrat tatsächlich diese unternehmensweit aufgelisteten Angaben zu übermitteln wären, käme dies faktisch einem unternehmensweiten Auskunftsanspruch hinsichtlich der Schwerbehinderten und der ihnen gleichgestellten Menschen gleich. Diesen Anspruch habe das Arbeitsgericht jedoch richtigerweise abgelehnt. Zudem hätte der Beschluss des Arbeitsgerichts zur Konsequenz, dass der Betriebsrat für seine Betriebsstätte Auskunft über die Schwerbehinderten mit einer Wochenarbeitszeit von weniger als 18 Stunden erhalte, für das Gesamtunternehmen jedoch nicht, weil diese in der Anzeige an die Agentur für Arbeit nicht enthalten seien. Insoweit sei die Entscheidung ebenfalls unstimmig.
Das Arbeitsgericht begründe seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die in § 80 Abs. 2 SGB IX normierten Mitteilungen in erster Linie dazu dienten, die Überprüfung der Einhaltung der Beschäftigungspflichten zu ermöglichen. Dies überzeuge nicht. Denn die Überwachungspflichten nach § 71 ff. SGB IX stünden gerade nicht dem örtlichen Betriebsrat, sondern aufgrund der unternehmensbezogenen Quote dem Gesamtbetriebsrat zu. Für die unternehmensbezogen ausgestaltete Quote gemäß § 71 SGB IX komme es ausschließlich darauf an, wie viele Arbeitnehmer ein „Arbeitgeber“ beschäftige. Damit sei zweifelsfrei das gesamte Unternehmen und nicht der jeweilige Betrieb gemeint. Daher stehe auch dem örtlichen Betriebsrat nicht die Überwachung zu.
Auch die Tatsache, dass in § 80 Abs. 2 S. 3 SGB IX lediglich vom „Betriebsrat“ die Rede sei, sei kein überzeugendes Argument dafür, dass der Gesamtbetriebsrat dieses Recht nicht beanspruchen könne. Denn die Einhaltung der Quote sei, wie ausgeführt, unternehmensbezogen geregelt, sodass dem GBR zwangsläufig ein solches Recht zustehen müsse.
Ergänzend sei auszuführen, dass ein örtlicher Betriebsrat keinen Anspruch auf Mitteilung vertraulicher Daten, wie der Schwerbehinderung, von Mitarbeitern aus anderen Betrieben haben könne. Der Betriebsrat einer anderen Filiale sei Dritter im Sinne des § 3 Abs. 8 S. 2 BDSG, sodass die Arbeitgeberin insoweit keine Auskünfte erteilen dürfe.
Die Beteiligte zu 2. beantragt,
Der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 25.02.2016, Az. 32 BV 103/15, wird abgeändert und die Anträge insgesamt abgewiesen.
Der Beteiligte zu 1. beantragt,
Die Beschwerde der Beteiligten zu 2. vom 15. April 2016 gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichtes D-Stadt vom 25. Februar 2016, Az.: 32 BV 103/15, wird zurückgewiesen.
Der Beteiligte zu 1. verteidigt die Ausgangsentscheidung. Die Arbeitgeberin gehe bereits von einer falschen Grundüberlegung aus. Sie verkenne, dass der Auskunftsanspruch und der Übermittlungsanspruch auf zwei unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen beruhten, sodass sowohl der Gesamtbetriebsrat als auch der örtliche Betriebsrat Inhaber eines Anspruchs sein könnten.
Soweit die Arbeitgeberin den Übermittlungsanspruch nach § 80 Abs. 2 S. 3 SGB IX mit der Überwachung der Beschäftigungsquote verknüpfe und diese Verpflichtung ausschließlich in der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats sehe, stünden diese Ausführungen in einem erheblichen Widerspruch zu der von ihr bislang gegenüber dem GBR vertretenen Ansicht. Wenn sie ihre Argumentation danach ausrichte, welches Gremium gerade den Anspruch geltend mache, verstoße ihr Verhalten gegen § 2 Abs. 1 BetrVG.
Zu Unrecht berufe sich die Arbeitgeberin auf die Entscheidung des LAG München vom 17.06.2015 – 8 TaBV 18/15.
Der Anspruch des Beteiligten zu 1. ergebe sich aus § 80 Abs. 2 S. 3 SGB IX. Dies habe das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt. Der Wortlaut sei eindeutig, Anhaltspunkte dafür, dass sich die Pflicht nur auf den GBR beziehe, falls ein solcher bestehe, bestünden nicht.
Nach dem Wortlaut der Vorschrift bestehe der Anspruch des örtlichen Betriebsrats auf Übermittlung der gesamten gegenüber der Agentur für Arbeit abzugebenden Anzeige sowie des nach § 80 Abs. 2 S. 2 SGB IX beigefügten Verzeichnisses. Eine Einschränkung dahin, dass dem Betriebsrat die Kopien nur auszugsweise auszuhändigen wären, enthalte die Norm nicht. Der örtliche Betriebsrat benötige die gesamten Unterlagen, weil er nach § 93 S. 2 SGB IX darauf zu achten habe, dass die dem Arbeitgeber obliegenden Verpflichtungen erfüllt würden. Ferner ergebe sich nach § 99 SGB IX die Pflicht zur engen Zusammenarbeit unter den Arbeitnehmervertretungen und mit dem Arbeitgeber. Damit habe der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass eine höhere Intensität der Zusammenarbeit, als sie ansonsten erwartet werde, gefordert sei. Nachdem die vom Gesetzgeber vorgesehene enge Zusammenarbeit unweigerlich verbunden sei mit der gegenseitigen Information, der gemeinsamen Erörterung und der Suche nach Lösungen, sei es erforderlich, dass sämtliche Akteure der betrieblichen Gleichstellungspolitik über eine fortlaufend aktualisierte, einheitliche und gemeinsame Daten- und Arbeitsgrundlage verfügten. Dies sei nur dann gewährleistet, wenn sowohl der GBR als auch der örtliche Betriebsrat über eine Kopie der gesamten an die Agentur für Arbeit zu übermittelnden Unterlagen verfüge.
Datenschutzrechtliche Bestimmungen könnten nicht eingreifen, wie sich aus der Rechtsprechung des BAG ergebe. Im Übrigen sei auf die Verschwiegenheitsverpflichtung der Betriebsratsmitglieder hinzuweisen.
Ergänzend wird wegen des Vortrags der Beteiligten im Beschwerdeverfahren auf den Schriftsatz der Beteiligten zu 2 vom 17.05.2016, auf die Schriftsätze des Beteiligten zu 1 vom 17.06.2016 und vom 22.08.2016 sowie auf die Niederschrift der Anhörung vom 24.08.2016 Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 2. hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Beteiligten zu 1., ihm einmal jährlich eine Kopie der Anzeige der Daten im Sinne von § 80 Abs. 2 S. 1 SGB IX sowie eine Kopie des Verzeichnisses nach § 80 Abs. 1 SGB IX zu übermitteln, zu Recht stattgegeben.
Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass sich der Anspruch sowohl hinsichtlich der Anzeige der Daten als auch hinsichtlich der Übermittlung des Verzeichnisses aus § 80 Abs. 2 S. 3 SGB IX ergibt. Zutreffend hat es angenommen, dass hierfür schon der Wortlaut der Norm spricht: Der Betriebsrat ist als ein Adressat von Kopie und Verzeichnis ausdrücklich genannt.
Es kann hier – da nicht entscheidungserheblich – dahinstehen, ob der Wortlaut des § 80 Abs. 2 S. 3 SGB IX eine Übermittlung an andere als die ausdrücklich genannten Gremien im Rahmen der funktionellen Zuständigkeitsverteilung, namentlich an den GBR, ausschließt; eine Auslegung dahingehend, dass die Pflicht nur gegenüber dem Gesamtbetriebsrat und nicht auch gegenüber dem örtlichen Betriebsrat bestehen könnte, ist jedenfalls nicht veranlasst. Denn die Überwachung der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften, die durch die Übermittlung einer Kopie der Anzeige und des Verzeichnisses erleichtert werden soll, ist gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG den örtlichen Betriebsräten übertragen. Sie kommt den Gesamtbetriebsräten auch dann nicht nach § 50 Abs. 1 BetrVG zu, wenn die gesetzliche Pflicht nicht auf den einzelnen Betrieb, sondern auf mehrere Betriebe oder das gesamte Unternehmen bezogen ist. Die funktionelle Aufgabenübertragung beschränkt sich nämlich schon nach ihrem Wortlaut auf „die Behandlung von Angelegenheiten“, die nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Bereiche „geregelt“ werden können. Bei der Überwachungsaufgabe nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX geht es aber nicht um Regelungen, also um die Ausübung von Mitbestimmungsrechten mit dem Ziel der Schaffung von Normen. Vielmehr soll auf die Einhaltung der bereits bestehenden Regelungen hingewirkt werden. Hierauf bezieht sich die funktionelle Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats nicht. Insoweit bleibt es bei der funktionellen Zuständigkeit der jeweiligen Einzelbetriebsräte (vgl. zum Ganzen: LAG Nürnberg, Beschluss vom 18.08.2016 – 1 TaBV 2/16, m.w.N.).
Den datenschutzrechtlichen Bedenken der Beteiligten zu 2. vermag sich die Beschwerdekammer nicht anzuschließen. Der Betriebsrat steht nicht im Sinne von § 3 Abs. 8 S. 2 BDSG außerhalb des Unternehmens als verantwortlicher Stelle im Sinne von § 3 Abs. 7 BDSG.
Dem Rechtsmittel der Beteiligten zu 2. musste daher der Erfolg versagt werden.
III.
Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 92 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG mit Blick auf die abweichenden Entscheidungen der 6. Kammer (vgl. Beschluss vom 21.06.2016 – 6 TaBV 16/16), der 3. Kammer (vgl. Beschluss vom 28.07.2016 – 3 TaBV 90/15) und der 9. Kammer (vgl. Beschluss vom 11.10.2016 – 9 TaBV 49/16) des Landesarbeitsgerichts München zuzulassen.
Dem Beteiligten zu 1. steht dieses Rechtsmittel gleichwohl nicht zur Verfügung, da er durch die vorliegende Entscheidung nicht beschwert ist.
Die Beteiligte zu 2 wird verwiesen auf nachfolgende

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