Arbeitsrecht

Wahl zum Gesamtbetriebsrat unter Beteiligung von Betriebsräten in Gemeinschaftsbetrieben

Aktenzeichen  9 TaBV 93/17

Datum:
22.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 147588
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BetrVG § 49 Abs. 9, § 50
ZPO § 81

 

Leitsatz

Die Errichtung eines Gesamtbetriebsrats, in den auch oder ausschließlich Betriebsräte aus Gemeinschaftsbetrieben entsandt werden, die zum Unternehmen, bei dem der Gesamtbetriebsrat gebildet wird, in keinem Arbeitsverhältnis stehen, ist zulässig. (Rn. 31 – 45)

Verfahrensgang

25 BV 1141/16 2017-05-30 Bes ARBGMUENCHEN ArbG München

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) und 3) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 30.05.2017, Az. 25 BV 1141/16, abgeändert.
Die Anträge werden zurückgewiesen.
2. Die Beschwerde des Beteiligten zu 4) wird verworfen.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

i. Die Antragstellerin und Beteiligte zu 1) (im Folgenden: Arbeitgeberin) gehört zur A.-Gruppe, die u. a. Halbleiterchips entwickelt, produziert und vertreibt. Sie hat ihren Sitz in A-Stadt.
Sowohl der Betrieb der Arbeitgeberin in A-Stadt als auch deren Betrieb in C-Stadt bilden jeweils mit der früheren F. GmbH, welche nunmehr D. GmbH & Co. KG heißt, einen Gemeinschaftsbetrieb. Im Gemeinschaftsbetrieb A-Stadt waren insgesamt 39 Mitarbeiter beschäftigt. Hiervon standen 32 mit der Arbeitgeberin und 7 mit der D. GmbH & Co. KG in einem Arbeitsverhältnis.
Im Gemeinschaftsbetrieb C-Stadt waren 184 Arbeitnehmer beschäftigt. Hiervon standen 171 mit der D. GmbH & Co. KG und 13 mit der Arbeitgeberin in einem Arbeitsverhältnis.
Im März 2014 wählten sowohl der Gemeinschaftsbetrieb C-Stadt als auch der Gemeinschaftsbetrieb A-Stadt jeweils einen lokalen Betriebsrat, den „Betriebsrat C-Stadt“ und den „Betriebsrat A-Stadt“. Der Beteiligte zu 3) ist der Betriebsrat A-Stadt, der Beteiligte zu 4) der Betriebsrat C-Stadt.
In den Betriebsrat C-Stadt wurden sieben ordentliche Mitglieder gewählt, die alle in einem Arbeitsverhältnis mit der D. GmbH & Co. KG standen.
Für den Gemeinschaftsbetrieb A-Stadt wurden Herr G., Frau H. und Herr I. als ordentliche Mitglieder in den Betriebsrat gewählt. Seit dem 01.01.2017 besteht der Betriebsrat nur noch aus dem Betriebsratsmitglied I., der in einem Arbeitsverhältnis zur D. GmbH & Co. KG steht. Ersatzmitglieder gab es keine.
Für die D. GmbH & Co. KG wurde im April 2014 ein Gesamtbetriebsrat errichtet, der aus vier Mitgliedern besteht.
Der Beteiligte zu 2) ist der für die Arbeitgeberin durch die Beteiligten zu 3) und 4) errichtete Gesamtbetriebsrat. Am 11.10.2016 unterrichtete der Gesamtbetriebsrat den Geschäftsführer der Arbeitgeberin über die konstituierende Sitzung des Beteiligten zu 2). In diesen wurden Herr G. aus dem Betriebsrat A-Stadt sowie Herr J. und Herr K. aus dem Betriebsrat C-Stadt entsandt.
Herr K. und Herr J. sind Mitarbeiter der D. GmbH & Co. KG C-Stadt, Herr G. war bei der Arbeitgeberin in A-Stadt angestellt. Am 28.11.2016 wurde die Arbeitgeberin durch Herrn I. in Kenntnis gesetzt, dass der Betriebsrat A-Stadt an diesem Tag beschlossen habe, ihn in den Gesamtbetriebsrat zu entsenden. Herr I. ist Mitarbeiter der D. GmbH & Co. KG am Standort A-Stadt und nicht Mitarbeiter der Arbeitgeberin.
Mit ihrem am 25.10.2016 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag begehrt die Arbeitgeberin die Feststellung der Nichtigkeit, hilfsweise der Unwirksamkeit der Errichtung des Gesamtbetriebsrats.
Sie hat geltend gemacht, die Errichtung eines „unternehmensübergreifenden“ Gesamtbetriebsrats verstoße gegen zwingende Organisationsvorgaben des BetrVG, konkret gegen § 47 BetrVG. Ein unternehmensübergreifender Gesamtbetriebsrat liege auch dann vor, wenn unternehmensfremde Betriebsratsmitglieder in den Gesamtbetriebsrat entsandt würden. Einem solchen von unternehmensfremden Betriebsratsmitgliedern errichteten Gesamtbetriebsrat fehle es an jeglicher demokratischer Legitimation, da die entsandten Mitglieder nicht Interessenvertreter der Arbeitnehmereigenschaft des Unternehmens, sondern eines anderen Unternehmens seien. In den Gesamtbetriebsrat dürften nur unternehmenszugehörige Betriebsratsmitglieder entsandt werden. Zudem sei der Beschluss über die Entsendung von Herrn I. in den Gesamtbetriebsrat nichtig, hilfsweise unwirksam.
Die Arbeitgeberin hat beantragt
1. festzustellen, dass die Errichtung des Beteiligten zu 2) nichtig ist;
hilfsweise:
2. die Errichtung des Beteiligten zu 2) für unwirksam zu erklären;
3. festzustellen, dass der Beschluss des Betriebsrats des gemeinsamen Betriebs der Antragstellerin und der F. GmbH in A-Stadt vom 28.11.2016 über die Entsendung des Betriebsratsmitglieds I. in den Gesamtbetriebsrat der Antragstellerin, d. h. in den Beteiligten zu 2), nichtig ist;
hilfsweise:
4. festzustellen, dass der Beschluss des Betriebsrats des gemeinsamen Betriebs der Antragstellerin und der F. GmbH in A-Stadt vom 28.11.2016 über die Entsendung des Betriebsratsmitglieds I. in den Gesamtbetriebsrat der Antragstellerin, d. h. in den Beteiligten zu 2), unwirksam ist.
Die Beteiligten zu 2) und 3) haben beantragt,
die Anträge abzuweisen.
Der Gesamtbetriebsrat hat die Ansicht vertreten, dass die Betriebsräte ihrer Verpflichtung nach § 47 Abs. 1 BetrVG ordnungsgemäß nachgekommen seien. § 47 Abs. 2 BetrVG enthalte gerade keine Verpflichtung, dass Mitglieder des Gesamtbetriebsrats in dem jeweiligen Unternehmen beschäftigt sein müssten. Alle diesbezüglichen Probleme stellten sich auch in einem gemeinsamen Betrieb.
Das Arbeitsgericht hat den Hauptanträgen stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Errichtung des Gesamtbetriebsrats sei durch die Entsendung unternehmensfremder Personen nichtig. Die Frage, ob unternehmensfremde Arbeitnehmer in den Gesamtbetriebsrat entsandt werden können, sei strittig. Die Kammer schließe sich der Auffassung an, dass nur Mitglieder in den Gesamtbetriebsrat entsandt werden können, die dem jeweiligen Unternehmen angehören. Dies müsse auch gelten, wenn der entsenden-de Betriebsrat derjenige eines Gemeinschaftsbetriebs sei. Es sei ein Systembruch, wenn auch unternehmensfremde Mitglieder einem Gesamtbetriebsrat angehören könnten. Dies hätte zur Folge, dass unternehmensfremde Arbeitnehmer, die mit dem Arbeitgeber in keiner rechtlichen Beziehung stehen, mitbestimmen könnten. Die Folgen der von ihnen aus-geübten Mitbestimmung würden sich auf sie selbst nicht auswirken. Die Errichtung des Gesamtbetriebsrats mit unternehmensfremden Mitgliedern sei deshalb nichtig. Dies führe auch zur Nichtigkeit der Entsendung des Herrn I. in den Gesamtbetriebsrat.
Hinsichtlich der Begründung des Arbeitsgerichts im Einzelnen wird auf die Seiten 5 bis 8 des erstinstanzlichen Beschlusses (Bl. 116 ff. d. A.) verwiesen.
Gegen diesen Beschluss vom 30.05.2017, den Beteiligten zu 2) und 3) zugestellt am 13.06.2017, legten diese am 10.07.2017 Beschwerde ein, die mit einem am 07.08.2017 eingegangenen Schriftsatz begründet wurde. Mit einem am 13.11.2017 eingegangenen Schriftsatz schloss sich der Beteiligte zu 4) den Ausführungen der Beteiligten zu 2) und 3) an.
Die Beteiligten zu 2) bis 4) machen geltend, jedes Betriebsratsmitglied eines Gemeinschaftsbetriebs könne im Gesamtbetriebsrat eines jeden am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmens Mitglied sein. Dies folge aus der Anerkennung des gemeinsamen Betriebs. Das Konstrukt des Gemeinschaftsbetriebs liefere die rechtfertigende rechtliche Beziehung. Betriebsverfassungsrechtlich seien alle betriebszugehörigen Arbeitnehmer bei allen beteiligten Unternehmen zugehörig. Die Gesamtbetriebsratstätigkeit betreffe die Betriebe und wirke sich daher für diese Gesamtbetriebsratsmitglieder in ihrem Betrieb aus.
Im Übrigen läge jedenfalls kein evidenter Verstoß gegen betriebsverfassungsrechtliche Vorschriften vor, sodass weder die Errichtung des Gesamtbetriebsrats noch die Entsendung des Herrn I. nichtig seien.
Die Beteiligten zu 2) bis 4) beantragen,
1.Der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 30.05.2017 – Az. 25 BV 1141/16 – wird abgeändert.
2.Die Anträge werden zurückgewiesen. Die Arbeitgeberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie rügt zunächst die ordnungsgemäße Einleitung des Beschwerdeverfahrens sowie die ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrats C-Stadt. Weiter führt sie aus, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein unternehmensübergreifender Betriebsrat nicht zulässig sei, ein solcher aber auch gegeben sei, wenn unternehmensfremde Betriebsratsmitglieder in den Gesamtbetriebsrat eines Unternehmens entsandt würden. Solchen unternehmensfremden Betriebsratsmitgliedern fehle es an jeglicher demokratischer Legitimation. In einem Fall wie dem vorliegenden, bei dem in den Gesamtbetriebsrat nur Betriebsratsmitglieder entsandt seien, die dem Unternehmen nicht angehörten, führe dies dazu, dass Gesamtbetriebsratsmitglieder die Mitbestimmung für Regelungen ausübten, von denen sie nicht betroffen seien. Dies sei absurd. Eine demokratische Legitimation dieser Mitglieder des Betriebsrats des Gemeinschaftsbetriebs erstrecke sich lediglich auf betriebliche Angelegenheiten. Dies verkenne auch Frau Schmidt in ihrem Aufsatz in der Festschrift für Küttner zum 70. Geburtstag. Schließlich hätten sich die Unternehmen ausschließlich auf betrieblicher Ebene zu einer gemeinsamen Führung, nicht aber auf Unternehmensebene verbunden.
Weder § 47 Abs. 9 BetrVG noch der Gesetzesbegründung hierzu könnten Aussagen zur Zulässigkeit der Entsendung unternehmensfremder Arbeitnehmer in den Gesamtbetriebsrat entnommen werden.
Die Zulassung einer derartigen Entsendung würde auch hinsichtlich der Kostentragung zu absurden Ergebnissen führen. Der jeweilige Vertragsarbeitgeber müsste die Kosten des Gesamtbetriebsrats eines fremden Unternehmens tragen.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten im Beschwerdeverfahren wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze vom 10.07.2017 (Bl. 150 f. d. A.), 07.08.2017 (Bl. 160 ff. d. A.), 22.09.2017 (Bl. 178 ff. d. A.), 09.11.2017 (Bl. 200 f. d. A.), 13.11.2017 (Bl. 204 f. d. A.), 04.12.2017 (Bl. 208 f. d. A.) und 15.12.2017 (Bl. 217 ff. d. A.) verwiesen.
II.
1. Gegen die Zulässigkeit der Beschwerde bestehen keine Bedenken. Sie ist nach § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 89 Abs. 1 und 2, 87 Abs. 2, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).
Soweit die Arbeitgeberin den fehlenden Beschluss hinsichtlich der Beschwerdeeinlegung und Bevollmächtigung des Verfahrensbevollmächtigten rügt, ist dies für die Beschwerde des Gesamtbetriebsrats und des Betriebsrats A-Stadt ohne Belang. Zur Einlegung eines Rechtsmittels gegen eine den Betriebsrat beschwerende Entscheidung durch einen ordnungsgemäß beauftragten Verfahrensbevollmächtigten bedarf es prinzipiell keiner geson-derten Beschlussfassung des Betriebsrats. Nach den auch im Beschlussverfahren gelten-den Vorschriften des § 81 ZPO i. V. m. § 46 Abs. 2 ArbGG ermächtigt die einmal erteilte Prozessvollmacht im Außenverhältnis – in den zeitlichen Grenzen des § 87 ZPO – zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen einschließlich der Einlegung von Rechtsmitteln (BAG 06.11.2013 – 7 ABR 84/11, Rn. 21, m. w. N.). Die Beschlüsse hinsichtlich der Beauftragung des Verfahrensbevollmächtigten wurden erstinstanzlich unstreitig gestellt und auch zweitinstanzlich nicht mehr angegriffen.
Soweit sich der Betriebsrat C-Stadt der Beschwerde angeschlossen hat, ist dies unzulässig. Die Arbeitgeberin hat die ordnungsgemäße Beschlussfassung hinsichtlich der Verfahrensbeteiligung und Bevollmächtigung des Verfahrensbevollmächtigten bestritten. Da eine erstinstanzliche Bevollmächtigung nicht vorliegt, greift im Verhältnis zum Betriebsrat C-Stadt § 81 ZPO i. V. m. § 46 Abs. 2 ArbGG nicht. Die damit erforderliche Darlegung einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung ist aber nicht erfolgt. So ist z. B. nicht dargelegt, dass der Betriebsrat C-Stadt rechtzeitig und ordnungsgemäß, d. h. unter konkreter Nennung des Beratungsgegenstandes zur Sitzung eingeladen hat.
2. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) und 3) ist auch begründet. Die Errichtung des Gesamtbetriebsrats ist weder nichtig noch unwirksam. Auch die Entsendung des Herrn I. in den Gesamtbetriebsrat ist nicht nichtig bzw. unwirksam.
2.1. Die Anträge der Arbeitgeberin sind zulässig. Das Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO ist hinsichtlich aller Feststellungsanträge gegeben.
Nach dem auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren anwendbaren § 256 Abs. 1 ZPO ist für die Zulässigkeit eines Feststellungsbegehrens ein besonderes rechtliches Interesse daran erforderlich, dass das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses durch eine gerichtliche Entscheidung alsbald festgestellt wird (BAG 09.11.2010 -1 ABR 76/09, Rn. 18). Die Beteiligten streiten bei zutreffender Auslegung nicht nur dar-über, ob der Gesamtbetriebsrat in der Vergangenheit wirksam errichtet und Herr I. wirksam in diesen entsandt wurde, sondern vor allem darüber, ob der Gesamtbetriebsrat gegenwärtig in der streitigen Zusammensetzung besteht. Hierbei handelt es sich um ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis, das Gegenstand eines Feststellungsantrags sein kann (BAG 23.08.2006 – 7 ABR 51/05, Rn. 39, zur Errichtung eines Konzernbetriebsrats).
2.2. Die Anträge sind jedoch nicht begründet. Weder die Errichtung des Gesamtbetriebsrats noch die Entsendung des Herrn I. in diesen scheitert an einer fehlenden arbeitsvertraglichen Beziehung der Gesamtbetriebsratsmitglieder zur Arbeitgeberin.
2.2.1. Beschränkungen bezüglich der Möglichkeit, Betriebsratsmitglieder ohne arbeitsvertragliche Beziehung zum Trägerunternehmen in den Gesamtbetriebsrat zu entsenden, können den Regelungen des BetrVG nicht entnommen werden.
Der Gesamtbetriebsrat wird nach § 47 Abs. 2 Satz 1 BetrVG gebildet, indem jeder Betriebsrat Mitglieder entsendet. Die einzige Vorgabe, die der Gesetzgeber hierfür macht, ist, dass hierbei die Geschlechter angemessen vertreten sein sollen. Vorgaben bezüglich arbeitsvertraglicher Beziehungen zum Trägerunternehmen enthält das Gesetz nicht, obwohl seit der Einfügung des § 47 Abs. 9 BetrVG anerkannt ist, dass auch Gemeinschaftsbetriebe Mitglieder in Gesamtbetriebsräte entsenden.
Ob es sich hierbei um eine Gesetzeslücke handelt, wie die Arbeitgeberin geltend macht, und eine fehlende arbeitsvertragliche Bindung an das Trägerunternehmen einer Entsendung in den Gesamtbetriebsrat entgegensteht, ist umstritten. So wird z. T. vertreten, dass Arbeitnehmer, die einem anderen am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen an-gehören, nicht in den Gesamtbetriebsrat entsandt werden können, selbst wenn dadurch im Einzelfall eine Beteiligung des gemeinsamen Betriebs am Gesamtbetriebsrat eines beteiligten Unternehmen nicht möglich sein sollte (Richardi/Annuß, BetrVG, § 47 Rn. 77, ohne Begründung). Die Entsendung solcher Mitglieder in den Gesamtbetriebsrat sei widersprüchlich und hätte mit einer interessengerechten Vertretung dieser Unternehmen nichts gemein (Hess/Glock, BetrVG, § 47 Rn. 76). Nach der Gegenansicht bedarf es für eine wirksame Entsendung keines Arbeitsverhältnisses zum Trägerunternehmen (Fitting, BetrVG, § 47 Rn. 81; GK/Kreutz, BetrVG, § 47 Rn. 116), da der Vertragsarbeitgeber vom Adressaten der Mitbestimmung zu unterscheiden sei (Däubler, BetrVG, § 47 Rn. 157). Die Möglichkeit der Entsendung unternehmensfremder Betriebsratsmitglieder folge konsequent der unternehmerischen Entscheidung zur Betriebsführung und behalte das Prinzip der durch das aktive Wahlrecht vermittelten Einflussnahme auf die Arbeitnehmerrepräsentation auf Unternehmensebene bei (Schmidt, Festschrift für Küttner zum 70. Geburtstag, 2006, S. 499, 502).
Der letztgenannten Auffassung ist zuzustimmen. Nur wenn man die Entsendung auch von Arbeitnehmern ohne Arbeitsverhältnis mit dem Trägerunternehmen zulässt, kann der Zweck der §§ 47 ff. BetrVG auch für Arbeitnehmer in Gemeinschaftsbetrieben verwirklicht werden. Ein Legitimationsdefizit steht dem nicht entgegen, da die arbeitsvertragliche Beziehung zum Trägerunternehmen nicht Teil der demokratischen Legitimation von Gesamtbetriebsratsmitgliedern ist.
2.2.1.1. Eine Vertretung der Arbeitnehmer in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten, die das Gesamtunternehmen oder jedenfalls mehrere Betriebe betreffen, ist nach der Konzeption des § 50 BetrVG nur durch einen Gesamtbetriebsrat möglich. Betriebsrat und Gesamtbetriebsrat haben jeweils einen eigenen Zuständigkeitsbereich (Richardi/Annuß, BetrVG, § 50 Rn. 1). Besteht kein Gesamtbetriebsrat, können betriebsübergreifende Angelegenheiten nicht vom Betriebsrat an sich gezogen werden. Das Anliegen des Gesetzgebers – die Beteiligung von Arbeitnehmern an Entscheidungen, die ausschließlich auf der Unternehmensebene getroffen werden – kann deshalb für Arbeitnehmer in einem Gemeinschaftsbetrieb nur gesichert werden, wenn auch diese Arbeitnehmer durch ihre Betriebsratsmitglieder im Gesamtbetriebsrat vertreten werden. Dies ist aber nur möglich, wenn man anerkennt, dass ein Arbeitsvertrag mit dem Trägerunternehmen keine Voraussetzung für die Entsendung in den Gesamtbetriebsrat ist.
Die Möglichkeit, dass ein Betriebsrat eines Gemeinschaftsbetriebs nur oder überwiegend Mitglieder aus einem der betriebsführenden Unternehmen hat, ergibt sich unmittelbar aus § 8 Abs. 1 BetrVG, der für Gemeinschaftsbetriebe keine Einschränkungen des Inhalts enthält, dass wählbar jeweils nur die Arbeitnehmer des eigenen Vertragsarbeitgebers wären. Auf die Frage, mit welchem den Gemeinschaftsbetrieb tragenden Unternehmen ein Arbeitnehmer des Gemeinschaftsbetriebs in einem Arbeitsverhältnis steht, kommt es für die Wählbarkeit in den Betriebsrat nicht an. Bei Betrieben mit bis zu 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern besteht der Betriebsrat immer aus einem Betriebsratsmitglied, das zu einem der den Gemeinschaftsbetrieb betreibenden Arbeitgeber in keinem Vertragsverhältnis steht. Würde man eine arbeitsvertragliche Beziehung zum Trägerunternehmen zur Voraussetzung für die Entsendung in den Gesamtbetriebsrat machen, bliebe deshalb zwangsläufig ein Teil der in einem Gemeinschaftsbetrieb tätigen Arbeitnehmer ohne Vertretung durch einen Gesamtbetriebsrat.
2.2.1.2. Ein derartiges der Konzeption der §§ 47 ff. BetrVG zuwider laufendes Ergebnis ist nicht dadurch gerechtfertigt, dass Gesamtbetriebsratsmitglieder, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Trägerunternehmen stehen, keine interessengerechte Vertretung dieser Unternehmen darstellen würden (Hess/Glock, BetrVG, § 47 Rn. 76) oder es an einer demokratischen Legitimation fehlt.
Aufgabe des Gesamtbetriebsrats ist es, die Arbeitnehmer des Gemeinschaftsbetriebs gegenüber dem Trägerunternehmen in Angelegenheiten zu vertreten, die das gesamte Unternehmen oder jedenfalls mehrere Betriebe betreffen. Die Frage, ob ein Gesamtbetriebsrat mit Mitgliedern, die zum Trägerunternehmen in keinem Arbeitsverhältnis stehen, eine interessengerechte Vertretung darstellt, ist deshalb unter Betrachtung der Interessen der vertretenen Arbeitnehmer des Gemeinschaftsbetriebs zu betrachten. Aus deren Perspektive ist aber die Vertretung durch ein in ihrem Betrieb gewähltes und von ihrem Betriebsrat entsandtes Mitglied unabhängig von der Unternehmenszugehörigkeit immer inte-ressengerechter als gar keine Vertretung.
Einem von einem Gemeinschaftsbetrieb in den Gesamtbetriebsrat entsandten Betriebsratsmitglied ohne Arbeitsvertrag zum Trägerunternehmen fehlt auch nicht die demokratische Legitimation für die Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer des Gemeinschaftsbetriebs, die einen Vertrag mit dem Trägerunternehmen haben. Die demokratische Legitimation eines Gesamtbetriebsratsmitglieds ergibt sich daraus, dass es ein im Betrieb – hier Gemeinschaftsbetrieb – gewähltes Mitglied des Betriebsrats ist, das von diesem durch Mehrheitsentscheidung in den Gesamtbetriebsrat entsandt wurde. Die arbeitsvertragliche Zuordnung ist für diese Fragen ohne Relevanz.
Zwar besteht die Möglichkeit, dass keiner der zum Trägerunternehmen gehörenden Arbeitnehmer des Gemeinschaftsbetriebs gerade das in den Gesamtbetriebsrat entsandte Betriebsratsmitglied gewählt hat. Dies stellt aber die demokratische Legitimation des in den Gesamtbetriebsrat entsandten Betriebsratsmitglieds nicht in Frage. Vielmehr ist dies gerade Ausfluss der Anerkennung von Mehrheitsentscheidungen.
Soweit die Arbeitgeberin ausführt, es könne nicht sein, dass Gesamtbetriebsratsmitglieder mit dem Unternehmen über Regelungen verhandeln, von denen sie mangels Unternehmenszugehörigkeit nicht betroffen sein können, so ist festzuhalten, dass die eigene Betroffenheit kein Kriterium demokratischer Legitimation ist. Eine persönliche Betroffenheit wird deshalb auch in anderen Fällen nicht gefordert. So ist es z. B. selbstverständlich, dass auch ein Gesamtbetriebsratsmitglied, das selbst nicht im Schichtbetrieb arbeitet, zweifelsohne Gesamtbetriebsvereinbarungen über die Verteilung der Arbeitszeit für Arbeitnehmer im Schichtbetrieb abschließen.
Letztlich hat der Gesetzgeber mit der Anerkennung der Entsendung von Gesamtbetriebsratsmitgliedern durch Gemeinschaftsbetriebe in § 47 Abs. 9 BetrVG die Möglichkeit anerkannt, dass im Gesamtbetriebsrat Mitglieder sind, die keine vertragliche Bindung zum Trägerunternehmen haben. Dass hierbei die Unternehmensgrenzen überschritten wer-den, ist eine Folge der unternehmerischen Entscheidung zur Betriebsführung (Schmidt, a. a. O., S. 502, m. w. N.). Der Arbeitgeberin ist zwar zuzugeben, dass diese unternehmerische Entscheidung auf die Betriebsebene beschränkt gewesen sein mag, das schließt aber nicht aus, dass sie infolge des Systems, dass der Gesamtbetriebsrat sich aus den Betriebsräten rekrutiert, auch zu Konsequenzen auf der Unternehmensebene führt.
Auch die Tatsache, dass die Anerkennung von Gesamtbetriebsratsmitgliedern ohne Arbeitsvertrag mit dem Trägerunternehmen zu Problemen bei einer interessengerechten Verteilung der Kosten für die Gesamtbetriebsratsmitglieder führen mag, führt nicht zu einen anderen Ergebnis. Gemeinschaftsbetriebe nützen per Definitionen gemeinsam Betriebsmittel und verfolgen einen gemeinsamen Betriebszweck. Hierbei sind viele Fragen der Kostentragung und Ertragsverteilung zu klären. Es ist nicht nachvollziehbar, warum es Unternehmen, die sich zur Führung eines gemeinsamen Betriebs vereinbaren, nicht auch möglich sein soll, hierzu eine interessengerechte Lösung zu finden. Dies müssen sie unter Umständen auch hinsichtlich der Kosten des Betriebsrats des Gemeinschaftsbetriebs, da es auch hier zu unproportionalen Belastungen kommen kann.
Da die Entsendung nicht unternehmensangehöriger Betriebsratsmitglieder in den Gesamtbetriebsrat einer wirksamen Errichtung eines Gesamtbetriebsrats nicht entgegen-steht, kann weder festgestellt werden, dass die Errichtung des Gesamtbetriebsrats nichtig war, noch kann die Errichtung des Gesamtbetriebsrats für unwirksam erklärt werden.
2.2.2. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Entsendung des Herrn I. in den Gesamtbetriebsrat nichtig bzw. unwirksam ist. Da ein fehlendes Arbeitsverhältnis zum Trägerunternehmen einer Entsendung in den Gesamtbetriebsrat nicht entgegensteht (s. o.), konnte der Betriebsrat A-Stadt Herrn I. wirksam in den Gesamtbetriebsrat entsenden.
3. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben (§§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG). Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 92 a ArbGG) wird hingewiesen.

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