Arbeitsrecht

Wettbewerbsverbot – Rücktrittserklärung

Aktenzeichen  4 Sa 564/16

Datum:
24.5.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
NWB – 2017, 3482
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 133, § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1, §§ 320 ff., § 323 Abs. 1
HGB § 74
ZPO § 92 Abs. 1 S. 1, § 97 Abs. 1, § 519, § 520
ArbGG § 64 Abs. 1, Abs. 2b, Abs. 6 S. 1, § 66 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Erklärt der Arbeitnehmer bei Zahlungsverzug des Arbeitgebers – hinsichtlich der vereinbarten Karenzentschädigung – und ergebnisloser Nachfristsetzung, sich künftig nicht mehr an das nachvertragliche Wettbewerbsverbot gebunden zu fühlen, kann hierin eine rechtsgeschäftlich relevante Rücktrittserklärung gesehen werden. Diese beseitigt den Anspruch auf die Karenzentschädigung mit Wirkung „ex nunc“. (Rn. 27 – 28)
2. Die Regeln über Leistungsstörungen im gegenseitigen Vertrag (§§ 320 ff. BGB) finden auf nachvertragliche Wettbewerbsverbote grundsätzlich Anwendung (Bestätigung BAG NJW 1983, 2896). Damit ist auch eine Rücktrittserklärung gem. § 323 Abs. 1 BGB für den Fall möglich, dass sich die Gegenseite mit einer Hauptleistung aus dem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot in Verzug befindet. Soweit sich aus dem Charakter dieser Wettbewerbsverbote als Dauerschuldverhältnis Besonderheiten ergeben, kann dem dadurch Rechnung getragen werden, dass der Rücktritt seine Wirkung nur „ex nunc“ entfaltet (Bestätigung LAG Hamm BeckRS 1995, 30752690). (Rn. 28) (red. LS Thomas Ritter)

Verfahrensgang

6 Ca 498/16 2016-10-31 Endurteil ARBGWUERZBURG ArbG Würzburg

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 31.10.2016, Az.: 6 Ca 498/16, – unter Zurückweisung
der Berufung im Übrigen – teilweise abgeändert.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 4.244,20 (in Worten: Euro viertausendzweihundertvierundvierzig 20/100) brutto zu bezahlen und Zinsen aus EUR 3.373,60 seit 01.03.2016 und aus weiteren
EUR 870,60 seit 01.04.2016.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 3/5 und die Beklagte 2/5 zu tragen.
4. Die Revision wird für den Kläger zugelassen.
Für die Beklagte wird die Revision nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Berufung ist zulässig.
Sie ist statthaft, § 64 Abs. 1, Abs. 2 b ArbGG, und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.
II.
Die Berufung ist teilweise sachlich begründet.
Dem Kläger steht aufgrund des von ihm am 08.03.2016 rechtswirksam erklärten Rücktritts vom vereinbarten nachvertraglichen Wettbewerbsverbot nur für die Zeit vom 01.02.2016 bis 08.03.2016 eine Karenzentschädigung in Höhe von EUR 4.244,20 brutto zuzüglich von Zinsen zu. Hinsichtlich der überschießenden Klageforderung ist auf die Berufung der Beklagten das Ersturteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
1. Die Beklagte schuldet dem Kläger für die Zeit ab dem 01.02.2016 aufgrund des vereinbarten nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes die im Vertrag festgeschriebene Karenzentschädigung von monatlich EUR 3.373,60 brutto.
Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen im Ersturteil verwiesen und von einer rein wiederholenden Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.
2. Der Kläger hat sich mit seiner E-Mail vom 08. März 2016 rechtswirksam von dem vereinbarten Wettbewerbsverbot für die Zukunft losgesagt und damit eine rechtsgeschäftliche Rücktrittserklärung gem. § 323 Abs. 1 BGB abgegeben. Diese bringt mit ihrem Zugang an die Beklagte das dem Kläger auferlegte nachvertragliche Wettbewerbsverbot zum Wegfall und gleichzeitig auch seinen Anspruch auf Zahlung einer Karenzentschädigung.
Die wörtliche Erklärung, dass er sich nicht mehr „an das Wettbewerbsverbot gebunden fühle“, gab der Kläger in Zusammenhang mit der nicht erfolgten Auszahlung der für Februar fälligen Karenzentschädigung seitens der Beklagten ab. Dies erfolgte im Nachgang seiner Fristsetzung zum 04.03.2016 in der E-Mail vom 01.03.2016.
Die Aussage, sich nicht mehr an das Wettbewerbsverbot „gebunden zu fühlen“, bedeutet, dass der Kläger die eingegangene vertragliche Verpflichtung nicht mehr als für ihn verbindlich betrachtet und künftig – rechtlich ungebunden – selbst bestimmen will, ob er Wettbewerb ausübt oder nicht.
Die Regeln über Leistungsstörungen im gegenseitigen Vertrag (§§ 320 ff BGB) finden auf nachvertragliche Wettbewerbsverbote grundsätzlich Anwendung (vgl. BAG vom 05.10.1982 – 3 AZR 451/80 – AP Nr. 42 zu § 74 HGB). Damit ist auch eine Rücktrittserklärung gem. § 323 Abs. 1 BGB für den Fall möglich, dass sich die Gegenseite mit einer Hauptleistung aus dem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot in Verzug befindet. Soweit sich aus dem Charakter dieser Wettbewerbsverbote als Dauerschuldverhältnis Besonderheiten ergeben, kann dem dadurch Rechnung getragen werden, dass der Rücktritt seine Wirkung nur „ex nunc“ entfaltet (so LAG Hamm vom 05.01.1995 – 16 Sa 2094/94 – LAGE Nr. 8 zu § 935 ZPO).
Die Voraussetzungen für die Ausübung des Rücktrittsrechts gem. § 323 Abs. 1 BGB sind vorliegend erfüllt. Die Beklagte befand sich mit der Zahlung der Karenzentschädigung für den Monat Februar 2016 seit dem 01.03.2016 in Verzug, § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB. Der Kläger hat ihr mit seiner E-Mail vom 01.03.2016 eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt, die verstrichen ist. Nach eigenem Sachvortrag des Klägers haben Vertreter der Beklagten nach erfolgter Fristsetzung die Bewirkung der geforderten Leistung ernsthaft und endgültig gem. § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB verweigert.
Damit stellt sich die Erklärung des Klägers in seiner E-Mail vom 08.03.2016 als rechtsgeschäftlich relevante Reaktion auf die von der Beklagten begangenen Pflichtverletzung dar.
Als unverbindliche „Trotzreaktion“ durfte die Beklagte die Erklärung des Klägers nicht gem. § 133 BGB auffassen. Die Erklärungen des Klägers in seinen E-Mails vom 01. und 08.03.2016 orientierten sich nämlich stringent an dem Inhalt des abgeschlossenen Vertrages und den gesetzlichen Vorgaben und waren nicht geeignet, Zweifel an seinem rechtsgeschäftlichen Willen zu begründen.
Mit seiner Lossagung reagierte der Kläger auf die ihm gegenüber zuvor erklärte verbindliche Leistungsverweigerung. Sie war nicht darauf gerichtet, diesen Willensentschluss der Beklagten zu korrigieren.
3. Für die Zeit des vom Kläger befolgten nachvertraglichen Wettbewerbsverbots vom 01.02. bis 08.03.2016 errechnet sich ein Hauptsachebetrag von insgesamt EUR 4.244,20 brutto.
Aus den Teilbeträgen von EUR 3.373,60 und EUR 870,60 schuldet die Beklagte den gesetzlichen Zinssatz, §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB ab dem jeweiligen vertraglich vereinbarten Fälligkeitstermin.
III.
1. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 ZPO.
2. Die Revision ist für den Kläger zuzulassen, denn die Anforderungen an eine vom Arbeitnehmer abgegebene Rücktrittserklärung von einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot wird gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG grundsätzliche Bedeutung beigemessen.

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