Arbeitsrecht

Wichtiger Grund für einen Fachrichtungswechsel

Aktenzeichen  M 15 K 15.4800

Datum:
30.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BAföG BAföG § 7 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, § 46 Abs. 5 S. 1 u. 2, § 48 Abs. 1

 

Leitsatz

Ausbildungsförderung für eine neue Ausbildung kann nur bei einem wichtigen Grund für den Fachrichtungswechsel gewährt werden, auch wenn die aufgegebene Ausbildung überhaupt nicht mit BAföG-Mitteln gefördert wurde. (redaktioneller Leitsatz)
Gegen einen wichtigen Grund für einen Fachrichtungswechsel unter dem Gesichtspunkt des ernstzunehmenden Neigungswandels spricht es, wenn ein aufgegebenes Lehramtsstudium nur auf Drängen der Eltern aufgenommen wurde und der Student sich eine Tätigkeit als Lehrer nicht vorstellen konnte. (redaktioneller Leitsatz)
Der Pflicht, das Studium nach Gewissheit über den Neigungswandel unverzüglich abzubrechen, genügt nicht, wer noch zwei Semester weiterstudiert.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte ihm unter Aufhebung seines Bescheids vom 26. Mai 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. September 2015 für sein Bachelor-Studium „Management erneuerbarer Energien“ an der Hochschule … Anspruch Ausbildungsförderung dem Grunde nach (vgl. § 46 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. Satz 2 BAföG) bewilligt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Bescheid des Beklagten vom 26. Mai 2015, durch den der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Ausbildungsförderung abgelehnt worden ist, erweist sich als rechtmäßig, denn die Voraussetzungen, unter denen nach einem Fachrichtungswechsel Ausbildungsförderung geleistet wird, liegen hier nicht vor. Nach § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BAföG wird Ausbildungsförderung für eine andere Ausbildung geleistet, wenn der Auszubildende bis zum Beginn des vierten Fachsemesters aus wichtigem Grund die Fachrichtung gewechselt hat.
Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten des Klägers ist diese Vorschrift nicht nur anwendbar, wenn für eine vorangegangene Ausbildung bereits Ausbildungsförderung in Anspruch genommen wurde. Fehlt es an einem wichtigen Grund im Sinn von § 7 Abs. 3 Satz 1 BAföG, so kann die neue Ausbildung überhaupt nicht gefördert werden, auch dann nicht, wenn die aufgegebene Ausbildung überhaupt nicht mit Mitteln des BAföG gefördert worden ist (Tz. 7.3.6. BAföG-VwV; Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 5. Aufl. 2014, § 7 Rn. 11; Rothe/Blanke, BAföG, Stand Mai 2015, § 7 Rn. 38; BVerwG, st. Rsprch., vgl. z. B. U.v. 14.7.1977 – V C 51.76 – FamRZ 1978, 70; BVerwG, U.v. 15.5.1986 – 5 C 183/83 – FamRZ 1986, 932; BVerwG, U.v. 22.6.1989 – 5 C 42/88 – BVerwGE 82, 163). Selbst wenn der Auszubildende einen Teil seiner Ausbildung selbst finanziert und erst später Ausbildungsförderung beantragt hat, ist die bisherige Ausbildung, sofern sie die abstrakten Merkmale einer förderungsfähigen Ausbildung aufweist, förderungsrechtlich in vollem Umfang zu berücksichtigen (BVerwG, U.v. 15.5.1986 a. a. O.). Ziel des Bundesausbildungsförderungsgesetzes ist es, jedem jungen Menschen den Erwerb einer Berufsqualifikation durch eine der Neigung, Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung zu ermöglichen, wenn dem Auszubildenden die für seinen Lebensunterhalt und die Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen (§ 1 BAföG), nicht aber ist es Zweck des Gesetzes, jedem wirtschaftlich Bedürftigen mindestens eine Ausbildung zu ermöglichen (BVerwG, U.v. 22.6.1989 a. a. O.). Genauso wie für die Anwendung von § 48 Abs. 1 BAföG unerheblich ist, ob vorher Förderleistungen in Anspruch genommen wurden, kommt es auch bei § 7 Abs. 3 BAföG hierauf nicht an (BVerwG, U.v. 15.5.1986 a. a. O.). Daher könnte dem Kläger, der erstmals für den Studiengang „Management erneuerbarer Energien“ an der Hochschule … Ausbildungsförderung beantragt hat, Ausbildungsförderung nur bewilligt werden, wenn es einen wichtigen Grund für den Fachrichtungswechsel geben würde (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BAföG). Dies ist nicht der Fall.
Wichtig im Sinne dieser Vorschrift ist ein Grund, wenn dem Auszubildenden die Fortsetzung der bisherigen Ausbildung nach verständiger Wertung unter Berücksichtigung aller im Rahmen des BAföG erheblichen Umstände, insbesondere der vom Amt für Ausbildungsförderung wahrzunehmenden, an Ziel und Zweck der Ausbildungsförderung orientierten öffentlichen Interessen und der Interessen des Auszubildenden nicht mehr zugemutet werden kann (BVerwG, U.v. 23.2.1994 – 11 C 10.93 – juris; BayVGH, B.v. 13.3.2012 – 12 CE 11.2829 – juris; VG München, U.v. 20.11.2014 – M 15 K 13.3227 – juris).
Ein solcher Grund kann ein ernstzunehmender Neigungswandel sein. Nach dem Vorbringen des Klägers sieht das Gericht aber keinen Neigungswandel beim Wechsel vom Lehramtsstudium zum Studium „Management erneuerbarer Energien“. Der Kläger hat vorgetragen, er habe im ersten Semester seines Geographiestudiums bemerkt, dass ihm dieses Studium nicht liege, so dass er auf Drängen seiner Eltern hin ein Lehramtsstudium aufgenommen habe, zumal ihm die Ferien und die guten Berufsaussichten gefallen hätten. Er habe sich aber das Studentenleben anders vorgestellt, nämlich Freiheit vom Elternhaus und das Studium von etwas, was ihm Freude bereitet. Als Lehrer glücklich zu werden, habe er sich nicht vorstellen können. Dies alles deutet darauf hin, dass der Kläger schon bei Aufnahme des Lehramtsstudiums keine ernsthafte Neigung zu diesem Studium verspürt hat. Dabei hätte sich der Kläger vor Aufnahme des Lehramtsstudiums darüber klar werden müssen, ob dieses Studium seinen Neigungen entspricht, zumal er bereits sein Geographiestudium wegen eines Neigungsmangels aufgegeben hatte. Da er sich nach eigenen Angaben keine zufriedenstellende Tätigkeit als Lehrer vorstellen kann, dürfte das Lehramtsstudium seinen Neigungen von Anfang an nicht entsprochen haben. Somit lag beim Kläger kein Neigungswandel vor.
Aber selbst wenn man einen Neigungswandel bejahen würde, hätte der Kläger keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung, weil er das Lehramtsstudium nicht unverzüglich nach Erkennen eines etwaigen Neigungswandels abgebrochen hat. Ein wichtiger Grund für einen Fachrichtungswechsel kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur anerkannt werden, wenn der Auszubildende unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern, die erforderlichen Konsequenzen zieht, sobald er Gewissheit über den Grund für den Fachrichtungswechsel erlangt hat. Wenn also ernsthafte Zweifel an der Neigung für das gewählte Fach aufkommen, muss sich der Auszubildende Gewissheit darüber verschaffen, ob diese der Fortsetzung der gewählten Ausbildung entgegenstehen. Die Notwendigkeit zu unverzüglichem Handeln ergibt sich aus der Pflicht des Auszubildenden, seine Ausbildung umsichtig zu planen und zielstrebig durchzuführen (BVerwG, U.v. 27.3.1980 – 5 C 52/78 – juris; BVerwG, U.v. 21.6.1990 – 5 C 45/87 – juris). Das bedeutet, dass der Auszubildende bereits im Vorfeld der Entscheidung, welches Fach er studieren möchte, gründlich überlegen muss, ob dieses das Richtige für ihn ist. Es bedeutet ferner, dass der Auszubildende eine Ausbildung sofort abbrechen muss, wenn er seine gewandelte oder fehlende Neigung erkannt hat und die Ausbildung nicht mehr berufsqualifizierend abschließen will. Eine Weiterführung der Ausbildung trotz erkanntem Neigungswandel in diesem Stadium ist mit dem gesetzlichen Förderungszweck unvereinbar.
Der Kläger ist seiner Verpflichtung, unverzüglich die erforderlichen Konsequenzen aus seiner fehlenden Neigung für das Lehramtsstudium zu ziehen, nicht nachgekommen. Er hat ausweislich der von ihm vorgelegten Modul- und Lehrgangsbestätigung der Universität … Studienleistungen im Lehramtsstudium ausschließlich im Sommersemester 2013 erbracht, war aber noch während des Wintersemesters 2013/2014 und während des Sommersemesters 2014 im Lehramtsstudium eingeschrieben. In seinem Schreiben vom 23. März 2015 an den Beklagten führt er dazu aus, er sei weiterhin zur Uni gegangen, sei aber keineswegs glücklich mit dem Studienfach und dem Studienalltag gewesen. Somit hätte der Kläger schon nach dem Sommersemester 2013 das Lehramtsstudium aufgeben müssen und nicht noch zwei Semester weiterstudieren dürfen. Allerspätestens hätte der Kläger sich im März 2014, als er nach eigenen Angaben den Entschluss zum zweiten Fachrichtungswechsel gefasst hat, unverzüglich vom Lehramtsstudium beurlauben lassen oder sich sofort exmatrikulieren lassen müssen. Dies hat er aber nicht getan.
Nach alledem fehlt es an einem wichtigen Grund für den zweiten Fachrichtungswechsel im Sinne von § 7 Abs. 3 Satz 1 BAföG, so dass der Kläger für das Studium „Management erneuerbarer Energien“ an der Hochschule … keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung hat.
Daher ist die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Gerichtskostenfreiheit beruht auf § 188 Satz 2 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Befristeter Arbeitsvertrag – Regelungen und Ansprüche

Dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit einem befristeten Vertrag eingestellt werden, ist längst keine Seltenheit mehr. Häufig taucht der Arbeitsvertrag auf Zeit bei jungen Mitarbeitenden auf. Über die wichtigsten Regelungen und Ansprüche informieren wir Sie.
Mehr lesen

Krankschreibung – was darf ich?

Winterzeit heißt Grippezeit. Sie liegen krank im Bett und fragen sich, was Sie während ihrer Krankschreibung tun dürfen und was nicht? Abends ein Konzert besuchen? Schnell ein paar Lebensmittel einkaufen? Wir geben einen Überblick über die wichtigsten Regeln.
Mehr lesen