Arbeitsrecht

Wiedereinstellungsanspruch aufgrund eines vereinbarten Rückkehrrechts – Anspruch auf Abgabe einer Angebotserklärung mit Rückwirkung – AGB-Kontrolle

Aktenzeichen  7 AZR 669/10

Datum:
13.6.2012
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 305 Abs 1 S 1 BGB
§ 307 Abs 1 S 1 BGB
§ 133 BGB
§ 157 BGB
§ 894 S 1 ZPO
§ 145 BGB
§ 1 Abs 2 KSchG
§ 145ff BGB
Spruchkörper:
7. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Hamburg, 24. September 2009, Az: 17 Ca 596/08, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamburg, 31. August 2010, Az: 2 Sa 203/09, Urteil

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 31. August 2010 – 2 Sa 203/09 – teilweise aufgehoben.
2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 24. September 2009 – 17 Ca 596/08 – wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Verurteilung der Beklagten zur Wiedereinstellung des Klägers richtet; das bezeichnete Urteil wird insoweit zur Klarstellung wie folgt gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, das Angebot des Klägers auf Abschluss eines Arbeitsvertrags als vollzeitbeschäftigter Fernmeldehandwerker zum 1. August 2009 anzunehmen.
3. Im Übrigen wird die Revision des Klägers zurückgewiesen.
4. Die Kosten des ersten Rechtszugs haben der Kläger und die Beklagte jeweils zur Hälfte zu tragen. Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu zwei Dritteln, die Beklagte zu einem Drittel zu tragen. Die Kosten der Revision hat der Kläger bis zur Rücknahme der Revision gegen die – vormalige – Beklagte zu 2. zu zwei Dritteln, die Beklagte zu einem Drittel zu tragen. Die danach entstandenen Kosten haben der Kläger und die Beklagte jeweils zur Hälfte zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der – vormaligen – Beklagten zu 2. hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über einen Wiedereinstellungsanspruch.
2
Der Kläger war seit dem 1. April 1972 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Fernmeldehandwerker beschäftigt. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts gliederte die Beklagte 1999 ihr Breitbandkabelgeschäft „auf den K Konzern“ aus; ab dem 1. Oktober 1999 begründete der Kläger ein Arbeitsverhältnis mit der K Vertrieb & Service GmbH & Co. KG (K), der vormaligen Beklagten zu 2.
3
Die Beklagte, mehrere Kabelgesellschaften – ua. die K – und die Gewerkschaft ver.di trafen am 8. April 2005 eine sog. Schuldrechtliche Vereinbarung (SV). Sie lautet auszugsweise:
        
„1.     
Die Deutsche Telekom AG räumt den Arbeitnehmern einzelvertraglich ein Rückkehrrecht zur Deutschen Telekom AG ein
        
        
a.    
innerhalb eines Zeitraums von 24 Monaten (berechnet ab dem 1. Januar 2004) ohne das Vorliegen besonderer Gründe (allgemeines Rückkehrrecht),
        
        
b.    
nach Ablauf des allgemeinen Rückkehrrechts für weitere 36 Monate ein Rückkehrrecht unter besonderen Bedingungen (besonderes Rückkehrrecht).
        
        
…       
        
        
2.    
Besondere Bedingungen (im Sinne des Absatzes 1.b) liegen vor, wenn
        
        
a.    
das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Absatz 2 ff KSchG aus dringenden betrieblichen Gründen wirksam gekündigt wird
        
        
        
oder   
        
        
…       
        
        
3.    
Der Arbeitnehmer kann von seinem Rückkehrrecht nach der Ziffer 1 frühestens 6 Monate nach Beginn des Rückkehrzeitraums für das allgemeine Rückkehrrecht Gebrauch machen. Es ist bei dem Rückkehrrecht nach Ziffern 1 a. und b. eine Ankündigungsfrist von 3 Monaten einzuhalten. Im Falle des besonderen Rückkehrrechts nach Ziffer 1 b. i.V.m. 2 a. findet eine Rückkehr jedoch erst nach Ablauf der für den Arbeitgeber (Kabelgesellschaft bzw. Rechtsnachfolger) geltenden jeweiligen individuellen Kündigungsfrist statt, soweit diese länger ist als die dreimonatige Ankündigungsfrist.
        
        
…       
        
4.    
Im Falle der Rückkehr finden ab diesem Zeitpunkt die Bestimmungen der jeweils geltenden Rationalisierungsschutz-Tarifverträge der Deutschen Telekom AG Anwendung. Der Arbeitnehmer wird hinsichtlich der zu vereinbarenden Arbeitsvertragsbedingungen und anzuwendenden tarifvertraglichen Regelungen so gestellt, als wäre er ohne Unterbrechung bei der Deutschen Telekom AG weiter beschäftigt worden.
        
        
…     
        
5.    
Das Rückkehrrecht besteht nicht, wenn das Arbeitsverhältnis aufgrund einer Kündigung bzw. eines Aufhebungsvertrags beendet wird und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund verhaltensbedingter Gründe des Arbeitnehmers oder aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen erfolgt und ein eventueller Rechtsstreit nicht zu Gunsten des Arbeitnehmers entschieden hat.
        
        
…     
        
6.    
Derzeit noch von der Deutschen Telekom AG zu einer Kabelgesellschaft beurlaubte Arbeitnehmer erhalten ein Angebot zur Annahme dieser schuldrechtlichen Vereinbarung bei gleichzeitiger Beendigung der Beurlaubung sowie Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Deutschen Telekom AG.“
4
Der Kläger war für seine Tätigkeit bei einer anderen Arbeitgeberin von der Beklagten zunächst beurlaubt. Am 30. April 2005 schlossen die Parteien einen Auflösungsvertrag, dem als Anlage 1 die SV beigefügt war und in dem es ua. heißt:
        
„§ 1 Beendigung des Arbeitsverhältnisses
        
Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31.12.2005 einvernehmlich beendet wird, um das bei der K Vertrieb & Service GmbH & Co. KG, Region Hamburg/Schleswig-Holstein/Mecklenburg-Vorpommern bestehende Arbeitsverhältnis fortzusetzen.
        
§ 2 Regelungen zum Rückkehrrecht
        
1.    
Der Arbeitnehmer erhält in Zusammenhang mit dem bei der K Vertrieb & Service GmbH & Co. KG, Region Hamburg/Schleswig-Holstein/Mecklenburg-Vorpommern bzw. deren Rechtsnachfolger bestehenden Arbeitsverhältnis ein zeitlich begrenztes Rückkehrrecht zur Deutschen Telekom AG, dessen Modalitäten sich abschließend aus der diesem Vertrag beigefügten Anlage 1 (Schuldrechtliche Vereinbarung vom 08. April 2005), die Bestandteil dieses Vertrages ist, ergeben.
        
…       
        
        
§ 4 Einverständniserklärung zur Personaldatenweitergabe
        
Herr R ist damit einverstanden, dass im Falle der Inanspruchnahme des Rückkehrrechts die K Vertrieb & Service GmbH & Co. KG, Region Hamburg/Schleswig-Holstein/Mecklenburg-Vorpommern der Deutschen Telekom AG die Daten mit Bezug auf sein Arbeitsverhältnis offen legt sowie die entsprechenden Unterlagen zur Verfügung stellt, aus denen sich die Voraussetzungen für das und die Folgen aus dem geltend gemachten Rückkehrrecht ergeben. Im Falle der Rückkehr auf Grund Ziffer 2a der schuldrechtlichen Vereinbarung erfasst dies auch die soziale Rechtfertigung, Wirksamkeit und Zulässigkeit der Kündigung.
        
…“    
5
§ 5 Abs. 1 bis Abs. 3 des Tarifvertrags Rationalisierungsschutz und Beschäftigungssicherung (TV Ratio) zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft ver.di idF vom 15. März 2004 lautet auszugsweise:
        
„(1)   
Der nach den §§ 3 und 4 ausgewählte Arbeitnehmer erhält ein Angebot auf Abschluss eines Änderungsvertrags. Inhalt dieses Vertrags ist die Bereitschaft, eine Tätigkeit im Vermittlungs- und Qualifizierungsbetrieb Vivento der Deutschen Telekom AG zu den in Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 (nebst Anlagen) genannten Bedingungen aufzunehmen. Im Übrigen bleibt das Arbeitsverhältnis unverändert. Für die Annahme des Änderungsvertrags wird dem Arbeitnehmer eine Frist von zwei Wochen eingeräumt. Nach Abschluss des Änderungsvertrags wird der Arbeitnehmer in Vivento versetzt.
        
        
…     
        
(2)     
Als Alternative zum Abschluss eines Änderungsvertrags kann der Arbeitnehmer einen Auflösungsvertrag mit Abfindungsregelung wählen. …
        
(3)     
Lehnt der Arbeitnehmer die Angebote nach Absatz 1 und Absatz 2 ab, so erfolgt eine Kündigung unter Aufrechterhaltung des Vertragsangebots zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen nach Absatz 1. …“
6
Mit Schreiben vom 9. Dezember 2008 kündigte die K das – aufgrund tariflichen Sonderkündigungsschutzes ordentlich nicht mehr kündbare – Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen wegen Wegfalls seines Arbeitsplatzes außerordentlich unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist zum 31. Juli 2009. Der Kläger machte mit Schreiben vom 22. Dezember 2008 gegenüber der Beklagten eine „Rückkehr … entsprechend der schuldrechtlichen Vereinbarung vom 8.5.2005“ geltend und verwies auf einen bereits am 12. Dezember 2008 übersandten „Fragebogen für Rückkehrer“. Die Beklagte lehnte eine Wiedereinstellung des Klägers mit Schreiben vom 18. Dezember 2008 ab.
7
Der Kläger hat mit am 22. Dezember 2008 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz zunächst Kündigungsschutz- und Weiterbeschäftigungsklage gegen die K erhoben. Mit der Beklagten am 10. Februar 2009 zugestellter Klageerweiterung und -änderung vom 3. Februar 2009 hat er die Feststellung eines („übergegangenen“) Arbeitsverhältnisses mit ihr erstrebt und Beschäftigung verlangt; für den Fall des Unterliegens hat er den Kündigungsschutz- und den Weiterbeschäftigungsantrag gegenüber der K weiterverfolgt. Im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht hat er in erster Linie die Feststellung begehrt, dass ihm ein Rückkehrrecht zu der Beklagten zustehe, und die Verurteilung der Beklagten zu einer Wiedereinstellung beantragt. Den gegen die Beklagte gerichteten Feststellungsantrag aus der Klageerweiterung und -änderung vom 3. Februar 2009 hat er hilfsweise weiterverfolgt, ebenso wie die gegen die K gerichteten Hilfsanträge. Den gegen die Beklagte gerichteten Leistungsantrag auf Beschäftigung hat er zurückgenommen.
8
Der Kläger hat vor allem die Auffassung vertreten, ihm stehe ein Rückkehrrecht zur Beklagten aufgrund der SV zu.
9
Er hat – soweit für das Revisionsverfahren zuletzt noch von Bedeutung – beantragt
        
1.    
festzustellen, dass ihm ein Rückkehrrecht zur Beklagten entsprechend der Schuldrechtlichen Vereinbarung vom 8. April 2005 zusteht;
        
2.    
die Beklagte zu verurteilen, ihn entsprechend Ziff. 4 der Schuldrechtlichen Vereinbarung vom 8. April 2005 mit Wirkung vom 1. August 2009 wieder einzustellen.
10
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat sich auf den Standpunkt gestellt, dem Kläger stehe kein Anspruch auf eine (Wieder-)Einstellung zu. Er habe nicht bis 31. Dezember 2008 tatsächlich zu ihr zurückkehren können, weil er durch die Auslauffrist noch bis 31. Juli 2009 an das Arbeitsverhältnis mit der K gebunden gewesen sei. Die Voraussetzungen des in der SV geregelten Rückkehrrechts seien auch im Übrigen nicht erfüllt. Insbesondere das Erfordernis einer wirksamen Kündigung, die aus dringenden betrieblichen Gründen ausgesprochen worden sei – dh. die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG erfülle – sei nicht gewahrt.
11
Das Arbeitsgericht hat den Anträgen entsprochen. Die Beklagte hat gegen das arbeitsgerichtliche Urteil Berufung eingelegt. Nach Zustellung der Berufungsbegründung hat der Kläger „Anschlussberufung“ eingelegt, mit der er „für den Fall der Stattgabe der Berufung“ die gegen die K gerichteten Hilfsanträge weiterverfolgt hat. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts „auf die Berufung der Beklagten unter Zurückweisung der Anschlussberufung des Klägers“ abgeändert und „die Klage abgewiesen, soweit sie sich gegen die Beklagte richtet“. In den Gründen seiner Entscheidung hat es ua. ausgeführt, die Anschlussberufung sei unzulässig. Nach Rücknahme der zunächst auch die Zurückweisung der Anschlussberufung umfassenden Revision begehrt der Kläger mit seinem Rechtsmittel zuletzt noch die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

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