Aktenzeichen 7 AZR 519/10
§ 307 Abs 1 S 1 BGB
§ 133 BGB
§ 157 BGB
§ 145 BGB
§ 145ff BGB
§ 1 Abs 2 KSchG
§ 894 S 1 ZPO
Verfahrensgang
vorgehend ArbG Mainz, 29. Oktober 2009, Az: 9 Ca 343/09, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, 20. Juli 2010, Az: 3 Sa 94/10, Urteil
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 20. Juli 2010 – 3 Sa 94/10 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über einen Wiedereinstellungsanspruch des Klägers.
2
Der am 24. Februar 1964 geborene Kläger war seit dem 1. September 1981 bei der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin als Fernmeldetechniker beschäftigt, zuletzt als Servicetechniker auf der Grundlage des Änderungsvertrags vom 13. Februar 1985. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung die Tarifverträge für Angestellte der Deutschen Telekom Anwendung, ua. der Manteltarifvertrag für den Bereich der Deutschen Telekom AG zuletzt idF vom 1. März 2004 (MTV).
3
Der Kläger wurde infolge von Restrukturierungsmaßnahmen von der Beklagten beurlaubt. Er wurde seit 1. Oktober 1999 von der K GmbH beschäftigt. In der Folge wurde er von der K Vertrieb und Service GmbH & Co. KG (K) „übernommen“ und dort als „Projektkoordinator“ eingesetzt.
4
Der Kläger und die Beklagte schlossen am 1. September 2003 einen Auflösungsvertrag zum 31. Dezember 2003, der Regelungen über ein vertragliches Rückkehrrecht enthält. In ihm heißt es ua.:
„§ 2 Regelungen zum Rückkehrrecht
1.
Der Arbeitnehmer erhält in Zusammenhang mit dem bei der K Rheinland-Pfalz/Saarland GmbH & Co. KG bzw. deren Rechtsnachfolger bestehenden Arbeitsverhältnis ein zeitlich begrenztes Rückkehrrecht zur Deutschen Telekom AG, dessen Modalitäten sich abschließend aus der diesem Vertrag beigefügten Anlage 1, die Bestandteil dieses Vertrags ist, ergeben.
…
Anlage 1 zum Auflösungsvertrag
‚Regelungen zum Rückkehrrecht – Stand 1.7.2003 -’
…
1.
Die Deutsche Telekom AG räumt den Arbeitnehmern ein Rückkehrrecht zur Deutschen Telekom AG ein
a.
innerhalb eines Zeitraums von 24 Monaten (berechnet ab dem 1. Januar 2004) ohne das Vorliegen besonderer Gründe (allgemeines Rückkehrrecht),
b.
nach Ablauf des allgemeinen Rückkehrrechts für weitere 18 Monate ein Rückkehrrecht unter besonderen Bedingungen (besonderes Rückkehrrecht).
2.
Besondere Bedingungen (im Sinne des Absatzes 1.b) liegen vor, wenn
a.
das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Absatz 2 ff KSchG aus dringenden betrieblichen Gründen wirksam gekündigt wird
oder
…“
5
Die Beklagte, mehrere Kabelgesellschaften – ua. die K – und die Gewerkschaft ver.di trafen am 8. April 2005 eine sog. Schuldrechtliche Vereinbarung (SV). Sie lautet auszugsweise:
„1.
Die Deutsche Telekom AG räumt den Arbeitnehmern einzelvertraglich ein Rückkehrrecht zur Deutschen Telekom AG ein
a.
innerhalb eines Zeitraums von 24 Monaten (berechnet ab dem 1. Januar 2004) ohne das Vorliegen besonderer Gründe (allgemeines Rückkehrrecht),
b.
nach Ablauf des allgemeinen Rückkehrrechts für weitere 36 Monate ein Rückkehrrecht unter besonderen Bedingungen (besonderes Rückkehrrecht).
…
2.
Besondere Bedingungen (im Sinne des Absatzes 1.b) liegen vor, wenn
a.
das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Absatz 2 ff KSchG aus dringenden betrieblichen Gründen wirksam gekündigt wird
oder
…
3.
Der Arbeitnehmer kann von seinem Rückkehrrecht nach der Ziffer 1 frühestens 6 Monate nach Beginn des Rückkehrzeitraums für das allgemeine Rückkehrrecht Gebrauch machen. Es ist bei dem Rückkehrrecht nach Ziffern 1 a. und b. eine Ankündigungsfrist von 3 Monaten einzuhalten. Im Falle des besonderen Rückkehrrechts nach Ziffer 1 b. iVm. 2 a. findet eine Rückkehr jedoch erst nach Ablauf der für den Arbeitgeber (Kabelgesellschaft bzw. Rechtsnachfolger) geltenden jeweiligen individuellen Kündigungsfrist statt, soweit diese länger ist als die dreimonatige Ankündigungsfrist.
…
4.
Im Falle der Rückkehr finden ab diesem Zeitpunkt die Bestimmungen der jeweils geltenden Rationalisierungsschutz-Tarifverträge der Deutschen Telekom AG Anwendung. Der Arbeitnehmer wird hinsichtlich der zu vereinbarenden Arbeitsvertragsbedingungen und anzuwendenden tarifvertraglichen Regelungen so gestellt, als wäre er ohne Unterbrechung bei der Deutschen Telekom AG weiter beschäftigt worden.
…
5.
Das Rückkehrrecht besteht nicht, wenn das Arbeitsverhältnis aufgrund einer Kündigung bzw. eines Aufhebungsvertrags beendet wird und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund verhaltensbedingter Gründe des Arbeitnehmers oder aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen erfolgt und ein eventueller Rechtsstreit nicht zu Gunsten des Arbeitnehmers entschieden hat.
…
6.
Derzeit noch von der Deutschen Telekom AG zu einer Kabelgesellschaft beurlaubte Arbeitnehmer erhalten ein Angebot zur Annahme dieser schuldrechtlichen Vereinbarung bei gleichzeitiger Beendigung der Beurlaubung sowie Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Deutschen Telekom AG.“
6
§ 5 Abs. 1 bis Abs. 3 des Tarifvertrags Rationalisierungsschutz und Beschäftigungssicherung (TV Ratio) zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft ver.di idF vom 15. März 2004 lautet auszugsweise:
„(1)
Der nach den §§ 3 und 4 ausgewählte Arbeitnehmer erhält ein Angebot auf Abschluss eines Änderungsvertrags. Inhalt dieses Vertrags ist die Bereitschaft, eine Tätigkeit im Vermittlungs- und Qualifizierungsbetrieb Vivento der Deutschen Telekom AG zu den in Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 (nebst Anlagen) genannten Bedingungen aufzunehmen. Im Übrigen bleibt das Arbeitsverhältnis unverändert. Für die Annahme des Änderungsvertrags wird dem Arbeitnehmer eine Frist von zwei Wochen eingeräumt. Nach Abschluss des Änderungsvertrags wird der Arbeitnehmer in Vivento versetzt.
…
(2)
Als Alternative zum Abschluss eines Änderungsvertrags kann der Arbeitnehmer einen Auflösungsvertrag mit Abfindungsregelung wählen. …
(3)
Lehnt der Arbeitnehmer die Angebote nach Absatz 1 und Absatz 2 ab, so erfolgt eine Kündigung unter Aufrechterhaltung des Vertragsangebots zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen nach Absatz 1. …“
7
Der Kläger und die Beklagte schlossen am 30. April 2005 einen „Vertrag zur Abänderung des Auflösungsvertrages in Zusammenhang mit der Schuldrechtlichen Vereinbarung vom 08.08.2002“. Dem Vertrag war als Anlage 1 die SV beigefügt. In dem Vertrag ist ua. geregelt:
„
§ 1 Regelungen zum Rückkehrrecht
Die Parteien sind sich darüber einig, dass für das zeitlich begrenzte Rückkehrrecht zur Deutschen Telekom AG gemäß § 2 Abs. 1 des Auflösungsvertrages in Zusammenhang mit der Schuldrechtlichen Vereinbarung vom 08.08.2002 ab dem 1. Juni 2005 die in der Anlage 1 (Schuldrechtliche Vereinbarung vom 8. April 2005), die Bestandteil dieses Vertrages ist, festgelegten Regelungen gelten. Die bisherigen Regelungen werden ohne Nachwirkung mit Ablauf des 31. Mai 2005 aufgehoben.
Darüber hinaus bleiben alle weiteren Regelungen des Auflösungsvertrages unverändert bestehen.
§ 2 Einverständniserklärung zur Personaldatenweitergabe
Herr … ist damit einverstanden, dass im Falle der Inanspruchnahme des Rückkehrrechtes die K Vertrieb & Service GmbH & Co. KG, Region Rheinland-Pfalz/Saarland bzw. deren Rechtsnachfolger der Deutschen Telekom AG die Daten mit Bezug auf sein Arbeitsverhältnis offenlegt sowie die entsprechenden Unterlagen zur Verfügung stellt, aus denen sich die Voraussetzungen für das und die Folgen aus dem geltend gemachten Rückkehrrecht ergeben. Im Falle der Rückkehr auf Grund Ziffer 2a der Schuldrechtlichen Vereinbarung erfasst dies auch die soziale Rechtfertigung, Wirksamkeit und Zulässigkeit der Kündigung.
Die Deutsche Telekom AG gewährleistet bezüglich der ihr von der K Vertrieb & Service GmbH & Co. KG, Region Rheinland-Pfalz/Saarland bzw. deren Rechtsnachfolger übermittelten personenbezogenen Daten die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der personenbezogenen Daten.“
8
Die K kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger unter dem 9. Dezember 2008 nach Anhörung des Betriebsrats „aus betriebsbedingten Gründen“ außerordentlich unter Einhaltung einer „sozialen Auslauffrist“ von sieben Monaten zum 31. Juli 2009. Der Betriebsrat hatte zu der beabsichtigten Kündigung keine Stellungnahme abgegeben. Der Kläger griff die Kündigung nicht gerichtlich an. Die Kündigung war Teil einer umfangreichen Restrukturierung im Bereich Technical Operations, in deren Verlauf ein Interessenausgleich und ein Sozialplan geschlossen wurden. Abschn. B § 1 Buchst. a des Sozialplans vom 12. November 2008 nahm von der Beklagten beurlaubte Mitarbeiter von dem Abfindungsanspruch aus, wenn sie nicht wirksam auf ihre Rechte aus der Rechtsbeziehung zur Beklagten, insbesondere ihr Rückkehrrecht nach Widerruf der Beurlaubung, verzichteten.
9
Der Kläger machte im Dezember 2008 sein Rückkehrrecht außergerichtlich geltend. Die Beklagte lehnte die Rückkehr unter dem 16. Dezember 2008 ab. Mit der am 17. Februar 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger sein Rückkehrrecht gegenüber der Beklagten gerichtlich geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, er habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Wiedereinstellung aus dem Vertrag vom 30. April 2005 iVm. der SV. Die aus dringenden betrieblichen Gründen ausgesprochene Kündigung der K sei wirksam. Er sei gegenüber der Beklagten weder darlegungs- und beweispflichtig für die Wirksamkeit dieser Kündigung, noch sei er gehalten gewesen, die Kündigungsschutzklage durchzuführen.
10
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
1.
die Beklagte zu verurteilen, sein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrags für die Zeit ab dem 1. August 2009 zu den bis zum 30. September 1999 geltenden Bedingungen anzunehmen;
2.
hilfsweise festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis mit der K Vertrieb & Service GmbH & Co. KG aufgrund der fristgerechten Ausübung des Rückkehrrechts durch den Kläger mit Schreiben vom „17. Dezember 2008“ auf die Beklagte übergeht und zwischen der Beklagten und dem Kläger ein Arbeitsverhältnis besteht;
3.
weiter hilfsweise für den Fall, dass die Anträge zu 1. und 2. erfolglos sind, die Beklagte zu verurteilen, ihm am Standort T ein Vertragsangebot als vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer ab dem 1. August 2009 mit dem Inhalt des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags vom 13. Februar 1985 und gemäß § 10 des Entgeltrahmentarifvertrags zu unterbreiten mit der Maßgabe, dass für das Arbeitsverhältnis die Bestimmungen der Tarifverträge für die Deutsche Telekom AG in ihrer jeweiligen Fassung als unmittelbar zwischen den Parteien vereinbart gelten.
11
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Dem Kläger stehe kein Rückkehrrecht zu. Er habe nicht bis 31. Dezember 2008 tatsächlich zu ihr zurückkehren können, weil er durch die Auslauffrist noch bis 31. Juli 2009 an das Arbeitsverhältnis mit der K gebunden gewesen sei. Nach § 13 Abs. 1 Satz 2, § 7 KSchG werde zwar die Wirksamkeit der Kündigung fingiert, nicht aber das Vorliegen dringender betrieblicher Gründe nach § 1 Abs. 2 ff. KSchG. Dafür sei der Kläger im Wiedereinstellungsrechtsstreit darlegungs- und beweispflichtig. Stattdessen habe der Kläger eine Überprüfung der Kündigungsgründe durch die Nichterhebung der Kündigungsschutzklage unmöglich gemacht und sich damit rechtsmissbräuchlich verhalten. Schließlich bestehe eine Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger lediglich noch in der Vermittlungs- und Qualifizierungseinheit Vivento.
12
Das Arbeitsgericht hat der Klage – nach entsprechender Antragsauslegung – stattgegeben und die Beklagte verurteilt, das Angebot des Klägers auf Abschluss eines Arbeitsvertrags zu den bis zum 30. September 1999 zwischen den Parteien geltenden Bedingungen anzunehmen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und den Urteilstenor teilweise folgendermaßen neu gefasst: Die Beklagte wird verurteilt, das ihr vom Kläger gemäß der Schuldrechtlichen Vereinbarung vom 8. April 2005 unterbreitete Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrags für die Zeit ab dem 1. August 2009 – unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis gemäß den Arbeitsvertragsbedingungen und den tarifvertraglichen Regelungen, wie sie in Ziffer 4 der Schuldrechtlichen Vereinbarung genannt werden – anzunehmen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.