Arbeitsrecht

Wiedereinstellungsanspruch aufgrund eines vereinbarten Rückkehrrechts – Anspruch auf Abgabe einer Angebotserklärung mit Rückwirkung – AGB-Kontrolle

Aktenzeichen  7 AZR 537/10

Datum:
13.6.2012
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 894 S 1 ZPO
§ 305 Abs 1 S 1 BGB
§ 307 Abs 1 S 1 BGB
§ 133 BGB
§ 157 BGB
§ 145 BGB
§ 145ff BGB
§ 1 Abs 2 KSchG
Spruchkörper:
7. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Hamburg, 24. September 2009, Az: 17 Ca 593/08, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamburg, 30. Juni 2010, Az: 3 Sa 96/09, Urteil

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 30. Juni 2010 – 3 Sa 96/09 – teilweise aufgehoben.
2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 24. September 2009 – 17 Ca 593/08 – wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Verurteilung der Beklagten zur Wiedereinstellung des Klägers richtet; das bezeichnete Urteil wird insoweit zur Klarstellung wie folgt gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, das Angebot des Klägers auf Abschluss eines Arbeitsvertrags als vollzeitbeschäftigter Fernmeldehandwerker zum 1. August 2009 anzunehmen.
3. Im Übrigen wird die Revision des Klägers zurückgewiesen.
4. Die Kosten des ersten Rechtszugs und der Revision haben der Kläger und die Beklagte jeweils zur Hälfte zu tragen. Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu zwei Dritteln, die Beklagte zu einem Drittel zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der – vormaligen – Beklagten zu 2. hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über einen Wiedereinstellungsanspruch des Klägers.
2
Der am 3. Februar 1953 geborene Kläger war seit dem 1. April 1968 bei der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin als Fernmeldehandwerker beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung die Tarifverträge für Angestellte der Deutschen Telekom Anwendung, ua. der Manteltarifvertrag für den Bereich der Deutschen Telekom AG zuletzt idF vom 1. März 2004 (MTV). Nach § 26 MTV war das Arbeitsverhältnis mit Vollendung des 50. Lebensjahres nur noch außerordentlich kündbar, wenn es mindestens 15 Jahre bestand. Der Kläger wurde infolge von Restrukturierungsmaßnahmen von der Beklagten beurlaubt. Er wurde seit 1. Oktober 1999 von der K GmbH beschäftigt. In der Folge wurde er von der K Vertrieb und Service GmbH & Co. KG (K) „übernommen“.
3
Die Beklagte, mehrere Kabelgesellschaften – ua. die K – und die Gewerkschaft ver.di trafen am 8. April 2005 eine sog. Schuldrechtliche Vereinbarung (SV). Sie lautet auszugsweise:
        
„1.     
Die Deutsche Telekom AG räumt den Arbeitnehmern einzelvertraglich ein Rückkehrrecht zur Deutschen Telekom AG ein
        
        
a.    
innerhalb eines Zeitraums von 24 Monaten (berechnet ab dem 1. Januar 2004) ohne das Vorliegen besonderer Gründe (allgemeines Rückkehrrecht),
        
        
b.    
nach Ablauf des allgemeinen Rückkehrrechts für weitere 36 Monate ein Rückkehrrecht unter besonderen Bedingungen (besonderes Rückkehrrecht).
        
        
…       
        
        
2.    
Besondere Bedingungen (im Sinne des Absatzes 1.b) liegen vor, wenn
        
        
a.    
das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Absatz 2 ff KSchG aus dringenden betrieblichen Gründen wirksam gekündigt wird
        
        
        
oder   
        
        
…       
        
        
3.    
Der Arbeitnehmer kann von seinem Rückkehrrecht nach der Ziffer 1 frühestens 6 Monate nach Beginn des Rückkehrzeitraums für das allgemeine Rückkehrrecht Gebrauch machen. Es ist bei dem Rückkehrrecht nach Ziffern 1 a. und b. eine Ankündigungsfrist von 3 Monaten einzuhalten. Im Falle des besonderen Rückkehrrechts nach Ziffer 1 b. iVm. 2 a. findet eine Rückkehr jedoch erst nach Ablauf der für den Arbeitgeber (Kabelgesellschaft bzw. Rechtsnachfolger) geltenden jeweiligen individuellen Kündigungsfrist statt, soweit diese länger ist als die dreimonatige Ankündigungsfrist.
        
        
…       
        
4.    
Im Falle der Rückkehr finden ab diesem Zeitpunkt die Bestimmungen der jeweils geltenden Rationalisierungsschutz-Tarifverträge der Deutschen Telekom AG Anwendung. Der Arbeitnehmer wird hinsichtlich der zu vereinbarenden Arbeitsvertragsbedingungen und anzuwendenden tarifvertraglichen Regelungen so gestellt, als wäre er ohne Unterbrechung bei der Deutschen Telekom AG weiter beschäftigt worden.
        
        
…     
        
5.    
Das Rückkehrrecht besteht nicht, wenn das Arbeitsverhältnis aufgrund einer Kündigung bzw. eines Aufhebungsvertrags beendet wird und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund verhaltensbedingter Gründe des Arbeitnehmers oder aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen erfolgt und ein eventueller Rechtsstreit nicht zu Gunsten des Arbeitnehmers entschieden hat.
        
        
…     
        
6.    
Derzeit noch von der Deutschen Telekom AG zu einer Kabelgesellschaft beurlaubte Arbeitnehmer erhalten ein Angebot zur Annahme dieser schuldrechtlichen Vereinbarung bei gleichzeitiger Beendigung der Beurlaubung sowie Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Deutschen Telekom AG.“
4
§ 5 Abs. 1 bis Abs. 3 des Tarifvertrags Rationalisierungsschutz und Beschäftigungssicherung (TV Ratio) zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft ver.di idF vom 15. März 2004 lautet auszugsweise:
        
„(1)   
Der nach den §§ 3 und 4 ausgewählte Arbeitnehmer erhält ein Angebot auf Abschluss eines Änderungsvertrags. Inhalt dieses Vertrags ist die Bereitschaft, eine Tätigkeit im Vermittlungs- und Qualifizierungsbetrieb Vivento der Deutschen Telekom AG zu den in Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 (nebst Anlagen) genannten Bedingungen aufzunehmen. Im Übrigen bleibt das Arbeitsverhältnis unverändert. Für die Annahme des Änderungsvertrags wird dem Arbeitnehmer eine Frist von zwei Wochen eingeräumt. Nach Abschluss des Änderungsvertrags wird der Arbeitnehmer in Vivento versetzt.
        
        
…     
        
(2)     
Als Alternative zum Abschluss eines Änderungsvertrags kann der Arbeitnehmer einen Auflösungsvertrag mit Abfindungsregelung wählen. …
        
(3)     
Lehnt der Arbeitnehmer die Angebote nach Absatz 1 und Absatz 2 ab, so erfolgt eine Kündigung unter Aufrechterhaltung des Vertragsangebots zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen nach Absatz 1. …“
5
Der Kläger und die Beklagte schlossen am 30. April 2005 einen Auflösungsvertrag zum 31. Dezember 2005. Dem Vertrag war als Anlage 1 die SV beigefügt. In ihm ist ua. geregelt:
        
„§ 2 Regelungen zum Rückkehrrecht
        
1.    
Der Arbeitnehmer erhält in Zusammenhang mit dem bei der K Vertrieb & Service GmbH & Co. KG, Region Hamburg/Schleswig-Holstein/Mecklenburg-Vorpommern bzw. deren Rechtsnachfolger bestehenden Arbeitsverhältnis, ein zeitlich begrenztes Rückkehrrecht zur Deutschen Telekom AG, dessen Modalitäten sich abschließend aus der diesem Vertrag beigefügten Anlage 1 (Schuldrechtliche Vereinbarung vom 8. April 2005), die Bestandteil dieses Vertrages ist, ergeben.
        
…     
        
        
        
        
        
§ 4 Einverständniserklärung zur Personaldatenweitergabe
        
Herr … ist damit einverstanden, dass im Falle der Inanspruchnahme des Rückkehrrechtes die K Vertrieb & Service GmbH & Co. KG, Region Hamburg/Schleswig-Holstein/Mecklenburg-Vorpommern der Deutschen Telekom AG die Daten mit Bezug auf sein Arbeitsverhältnis offenlegt sowie die entsprechenden Unterlagen zur Verfügung stellt, aus denen sich die Voraussetzungen für das und die Folgen aus dem geltend gemachten Rückkehrrecht ergeben. Im Falle der Rückkehr auf Grund Ziffer 2a der Schuldrechtlichen Vereinbarung erfasst dies auch die soziale Rechtfertigung, Wirksamkeit und Zulässigkeit der Kündigung.
        
Die Deutsche Telekom AG gewährleistet bezüglich der ihr von der K Vertrieb & Service GmbH & Co. KG, Region Hamburg/Schleswig-Holstein/Mecklenburg-Vorpommern übermittelten personenbezogenen Daten die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der personenbezogenen Daten.“
6
Die K kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger unter dem 9. Dezember 2008 nach Anhörung des Betriebsrats „aus betriebsbedingten Gründen“ außerordentlich unter Einhaltung einer „sozialen Auslauffrist“ von sieben Monaten zum 31. Juli 2009. Der Betriebsrat hatte zu der beabsichtigten Kündigung keine Stellungnahme abgegeben. Die Kündigung war Teil einer umfangreichen Restrukturierung im Bereich Technical Operations, in deren Verlauf ein Interessenausgleich und ein Sozialplan geschlossen wurden. Abschn. B § 1 Buchst. a des Sozialplans vom 12. November 2008 nahm von der Beklagten beurlaubte Mitarbeiter von dem Abfindungsanspruch aus, wenn sie nicht wirksam auf ihre Rechte aus der Rechtsbeziehung zur Beklagten, insbesondere ihr Rückkehrrecht nach Widerruf der Beurlaubung, verzichteten.
7
Mit Schreiben vom 15. Dezember 2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die K habe die Rückkehr des Klägers zu ihr angezeigt. Sie wies den Kläger darauf hin, dass ihm kein Rückkehranspruch zustehe. Unter dem 22. Dezember 2008 machte der Kläger dieses Recht gegenüber der Beklagten geltend.
8
Mit der am 22. Dezember 2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger zunächst Kündigungsschutzklage gegen die K erhoben. Anschließend hat er mit Klageerweiterung vom 3. Februar 2009 ein Rückkehrrecht zur Beklagten geltend gemacht und den Kündigungsschutz- sowie Weiterbeschäftigungsantrag nur noch hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Hauptantrag gegenüber der K weiterverfolgt. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch der gegenüber der Beklagten geltend gemachte Rückkehranspruch.
9
Dazu hat der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Wiedereinstellung aus dem Vertrag vom 30. April 2005 iVm. der SV vom 8. April 2005. Die aus dringenden betrieblichen Gründen ausgesprochene Kündigung der K sei wirksam, auch bedürfe es keiner entsprechenden gerichtlichen Entscheidung. Er sei gegenüber der Beklagten auch nicht darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass die Kündigung der K wirksam sei.
10
Der Kläger hat zuletzt – soweit für die Revision noch von Bedeutung – beantragt
        
1.    
festzustellen, dass ihm ein Rückkehrrecht zur Beklagten entsprechend der Schuldrechtlichen Vereinbarung vom 8. April 2005 zusteht;
        
2.    
die Beklagte zu verurteilen, ihn entsprechend Ziffer 4 der Schuldrechtlichen Vereinbarung vom 8. April 2005 mit Wirkung vom 1. August 2009 wieder einzustellen.
11
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hält den Feststellungsantrag für unzulässig, weil dafür kein Feststellungsinteresse vorhanden sei. Der unbestimmte Wiedereinstellungsantrag bezeichne weder den Inhalt der vom Kläger geforderten Beschäftigung näher, noch enthalte er Angaben über die zu zahlende Arbeitsvergütung. Auch in der Sache stehe dem Kläger kein Rückkehrrecht zu. Er habe nicht bis 31. Dezember 2008 tatsächlich zu ihr zurückkehren können, weil er durch die Auslauffrist noch bis 31. Juli 2009 an das Arbeitsverhältnis mit der K gebunden gewesen sei. Durch die Beendigung des Kündigungsrechtsstreits mit der K werde zwar die Wirksamkeit der Kündigung nach § 13 Abs. 1 iVm. § 7 Abs. 1 KSchG fingiert, nicht aber das Vorliegen dringender betrieblicher Gründe nach § 1 Abs. 2 ff. KSchG. Dafür sei der Kläger im Wiedereinstellungsrechtsstreit darlegungs- und beweispflichtig. Stattdessen habe der Kläger eine Überprüfung der Kündigungsgründe dadurch unmöglich gemacht, dass er die Kündigungsschutzklage nur hilfsweise verfolge. Darin liege ein rechtsmissbräuchliches Verhalten. Schließlich bestehe eine Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger lediglich noch in der Vermittlungs- und Qualifizierungseinheit Vivento.
12
Das Arbeitsgericht hat nach den Klageanträgen erkannt. Über die gegen die K gerichteten Hilfsanträge erging keine Entscheidung. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Anträge abgewiesen und die gegen die K gerichtete Anschlussberufung des Klägers, mit der er für den Fall der Stattgabe der Berufung der Beklagten die Feststellung der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung der K begehrt hat, als unzulässig verworfen. Es hat dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt und die Revision zugelassen, soweit die Berufung der Beklagten Erfolg hatte. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung, soweit sich diese gegen die Beklagte richtet. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

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