Aktenzeichen 7 AZR 344/11
§ 307 Abs 1 S 1 BGB
§ 1 Abs 2 KSchG
Verfahrensgang
vorgehend ArbG Berlin, 26. Januar 2010, Az: 54 Ca 11596/09, Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg, 24. November 2010, Az: 20 Sa 419/10, Urteil
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. November 2010 – 20 Sa 419/10 – aufgehoben, soweit das Landesarbeitsgericht über die Berufung gegen die arbeitsgerichtliche Entscheidung hinsichtlich des Antrages auf Abgabe eines Angebotes auf Abschluss eines Arbeitsvertrages entschieden hat.
Insoweit wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision des Klägers wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über einen Wiedereinstellungs- und einen Zahlungsanspruch.
2
Der Kläger war bis zum 30. September 1999 bei der Beklagten beschäftigt. Im Zuge von Restrukturierungsmaßnahmen gliederte die Beklagte im Jahr 1999 ihr Breitbandkabelgeschäft aus und verkaufte es an die K D GmbH (KDG). Wie andere Arbeitnehmer auch wurde der Kläger von der Beklagten für eine Tätigkeit bei der KDG beurlaubt. Zuletzt stand er in einem Arbeitsverhältnis mit der K D Vertrieb & Service GmbH & Co. KG (KDVS). Dieses Arbeitsverhältnis war aufgrund tariflicher Regelungen nicht mehr ordentlich kündbar. Der Kläger war als Servicetechniker eingesetzt.
3
Am 1. September 2003 schloss der Kläger, um in seinem neuen Arbeitsverhältnis zu verbleiben, mit der Beklagten einen Auflösungsvertrag zum 31. Dezember 2003. In dem Vertrag heißt es ua.:
„§ 2 Regelungen zum Rückkehrrecht
1.
Der Arbeitnehmer erhält … ein zeitlich begrenztes Rückkehrrecht zur Deutschen Telekom AG, dessen Modalitäten sich abschließend aus der diesem Vertrag beigefügten Anlage 1, die Bestandteil dieses Vertrages ist, ergeben.
…
Anlage 1 zum Auflösungsvertrag
‚Regelungen zum Rückkehrrecht – Stand 1.7.2003 -’
…
1.
Die Deutsche Telekom AG räumt den Arbeitnehmern ein Rückkehrrecht zur Deutschen Telekom AG ein
a.
innerhalb eines Zeitraums von 24 Monaten (berechnet ab dem 1. Januar 2004) ohne das Vorliegen besonderer Gründe (allgemeines Rückkehrrecht),
b.
nach Ablauf des allgemeinen Rückkehrrechts für weitere 18 Monate ein Rückkehrrecht unter besonderen Bedingungen (besonderes Rückkehrrecht).
2.
Besondere Bedingungen (im Sinne des Absatzes 1.b) liegen vor, wenn
a.
das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Absatz 2 ff KSchG aus dringenden betrieblichen Gründen wirksam gekündigt wird
oder
…“
4
Die Beklagte, mehrere Kabelgesellschaften – ua. KDVS – und die Gewerkschaft ver.di trafen am 8. April 2005 eine sog. Schuldrechtliche Vereinbarung (SV). Sie lautet auszugsweise:
„Für die am 1. Oktober 2002 beurlaubten tariflichen Arbeitnehmer mit Herkunft aus der Deutschen Telekom AG, die durch die Restrukturierung der KDG/DeTeKS (inklusive der Regionalgesellschaften) und MSG zum 1. Oktober 2002 in die K D GmbH, K D Management GmbH & Co. KG, K Bayern GmbH & Co KG, K Berlin Brandenburg GmbH & Co. KG, K Hamburg/Schleswig-Holstein/Mecklenburg-Vorpommern GmbH & Co KG, K Niedersachsen/Bremen GmbH & Co. KG, K Rheinland-Pfalz/Saarland GmbH & Co. KG, K Sachsen/Sachsen-Anhalt/Thüringen GmbH & Co. KG, D Zentrale Dienste GmbH & Co KG, gewechselt sind und bei der heutigen K D GmbH, K D Vertrieb & Service GmbH & Co. KG (6 Regionen) sowie Kabel Deutschland Breitband Services GmbH weiterbeschäftigt werden, wird in Zusammenhang mit den bei einer der genannten Gesellschaften bzw. deren Rechtsnachfolgern bestehenden Arbeitsverhältnissen ein befristetes Rückkehrrecht zur Deutschen Telekom AG mit folgendem Inhalt vereinbart:
1.
Die Deutsche Telekom AG räumt den Arbeitnehmern einzelvertraglich ein Rückkehrrecht zur Deutschen Telekom AG ein
a.
innerhalb eines Zeitraums von 24 Monaten (berechnet ab dem 1. Januar 2004) ohne das Vorliegen besonderer Gründe (allgemeines Rückkehrrecht),
b.
nach Ablauf des allgemeinen Rückkehrrechts für weitere 36 Monate ein Rückkehrrecht unter besonderen Bedingungen (besonderes Rückkehrrecht).
…
2.
Besondere Bedingungen (im Sinne des Absatzes 1.b) liegen vor, wenn
a.
das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Absatz 2 ff KSchG aus dringenden betrieblichen Gründen wirksam gekündigt wird
oder
…
3.
Der Arbeitnehmer kann von seinem Rückkehrrecht nach der Ziffer 1 frühestens 6 Monate nach Beginn des Rückkehrzeitraums für das allgemeine Rückkehrrecht Gebrauch machen. Es ist bei dem Rückkehrrecht nach Ziffern 1 a. und b. eine Ankündigungsfrist von 3 Monaten einzuhalten. Im Falle des besonderen Rückkehrrechts nach Ziffer 1 b. i.V.m. 2 a. findet eine Rückkehr jedoch erst nach Ablauf der für den Arbeitgeber (Kabelgesellschaft bzw. Rechtsnachfolger) geltenden jeweiligen individuellen Kündigungsfrist statt, soweit diese länger ist als die dreimonatige Ankündigungsfrist.
…
4.
Im Falle der Rückkehr finden ab diesem Zeitpunkt die Bestimmungen der jeweils geltenden Rationalisierungsschutz-Tarifverträge der Deutschen Telekom AG Anwendung. Der Arbeitnehmer wird hinsichtlich der zu vereinbarenden Arbeitsvertragsbedingungen und anzuwendenden tarifvertraglichen Regelungen so gestellt, als wäre er ohne Unterbrechung bei der Deutschen Telekom AG weiter beschäftigt worden.
…
5.
Das Rückkehrrecht besteht nicht, wenn das Arbeitsverhältnis aufgrund einer Kündigung bzw. eines Aufhebungsvertrags beendet wird und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund verhaltensbedingter Gründe des Arbeitnehmers oder aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen erfolgt und ein eventueller Rechtsstreit nicht zu Gunsten des Arbeitnehmers entschieden hat.
…
6.
Derzeit noch von der Deutschen Telekom AG zu einer Kabelgesellschaft beurlaubte Arbeitnehmer erhalten ein Angebot zur Annahme dieser schuldrechtlichen Vereinbarung bei gleichzeitiger Beendigung der Beurlaubung sowie Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Deutschen Telekom AG.“
5
§ 5 Abs. 1 bis Abs. 3 des Tarifvertrags Rationalisierungsschutz und Beschäftigungssicherung (TV Ratio) zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft ver.di idF vom 15. März 2004 lautet auszugsweise:
„(1)
Der nach den §§ 3 und 4 ausgewählte Arbeitnehmer erhält ein Angebot auf Abschluss eines Änderungsvertrags. Inhalt dieses Vertrags ist die Bereitschaft, eine Tätigkeit im Vermittlungs- und Qualifizierungsbetrieb Vivento der Deutschen Telekom AG zu den in Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 (nebst Anlagen) genannten Bedingungen aufzunehmen. Im Übrigen bleibt das Arbeitsverhältnis unverändert. Für die Annahme des Änderungsvertrags wird dem Arbeitnehmer eine Frist von zwei Wochen eingeräumt. Nach Abschluss des Änderungsvertrags wird der Arbeitnehmer in Vivento versetzt.
…
(2)
Als Alternative zum Abschluss eines Änderungsvertrags kann der Arbeitnehmer einen Auflösungsvertrag mit Abfindungsregelung wählen. …
(3)
Lehnt der Arbeitnehmer die Angebote nach Absatz 1 und Absatz 2 ab, so erfolgt eine Kündigung unter Aufrechterhaltung des Vertragsangebots zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen nach Absatz 1. …“
6
Der Kläger und die Beklagte schlossen am 30. April 2005 einen „Vertrag zur Abänderung des Auflösungsvertrages in Zusammenhang mit der Schuldrechtlichen Vereinbarung vom 08.08.2002“. Dem Vertrag war als Anlage 1 die SV beigefügt. In ihm ist ua. geregelt:
„§ 1 Regelungen zum Rückkehrrecht
Die Parteien sind sich darüber einig, dass für das zeitlich begrenzte Rückkehrrecht zur Deutschen Telekom AG gemäß § 2 Abs. 1 des Auflösungsvertrages in Zusammenhang mit der Schuldrechtlichen Vereinbarung vom 08.08.2002 ab dem 01. Juni 2005 die in der Anlage 1 (Schuldrechtliche Vereinbarung vom 08. April 2005), die Bestandteil dieses Vertrages ist, festgelegten Regelungen gelten. Die bisherigen Regelungen werden ohne Nachwirkung mit Ablauf des 31. Mai 2005 aufgehoben.
Darüber hinaus bleiben alle weiteren Regelungen des Auflösungsvertrages unverändert bestehen.
§ 2 Einverständniserklärung zur Personaldatenweitergabe
Herr J ist damit einverstanden, dass im Falle der Inanspruchnahme des Rückkehrrechtes die … der Deutschen Telekom AG die Daten mit Bezug auf sein Arbeitsverhältnis offen legt sowie die entsprechenden Unterlagen zur Verfügung stellt, aus denen sich die Voraussetzungen für das und die Folgen aus dem geltend gemachten Rückkehrrecht ergeben. Im Falle der Rückkehr auf Grund Ziffer 2a der schuldrechtlichen Vereinbarung erfasst dies auch die soziale Rechtfertigung, Wirksamkeit und Zulässigkeit der Kündigung.
Die Deutsche Telekom AG gewährleistet bezüglich der ihr … übermittelten personenbezogenen Daten die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der personenbezogenen Daten.“
7
Mit Schreiben vom 9. Dezember 2008 kündigte die KDVS das Arbeitsverhältnis des Klägers aus betriebsbedingten Gründen außerordentlich unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist von sieben Monaten zum 31. Juli 2009. Die Kündigung war Teil einer umfangreichen Restrukturierung im Bereich Technical Operations („M“), in deren Verlauf am 12. November 2008 durch Konzernbetriebsvereinbarung ein Interessenausgleich und Sozialplan geschlossen wurde. Mit der Beklagten übersandten Schreiben, das dort am 15. Dezember 2008 einging, beanspruchte der Kläger ein Rückkehrrecht; die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 15. Dezember 2008 ab. Die vom Kläger gegen die KDVS erhobene Kündigungsschutzklage nahm der Kläger später zurück.
8
Im vorliegenden Verfahren hat der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Abgabe eines Vertragsangebotes begehrt sowie für die Monate August 2009 bis Januar 2010 Arbeitsentgelt iHv. monatlich 3.546,00 Euro geltend gemacht. Er bringt insoweit vor, er sei in die Entgeltgruppe T 5 des Entgeltrahmentarifvertrags eingruppiert. Zudem habe er Anspruch auf eine Funktionszulage. Der Zahlungsanspruch stehe ihm zu, weil seit dem 1. August 2009 zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestehe.
9
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
1.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein Vertragsangebot als vollbeschäftigter Arbeitnehmer ab dem 1. August 2009 mit dem Inhalt zu unterbreiten, den das Arbeitsverhältnis gehabt hätte, wenn der Kläger ohne Unterbrechung weiter bei der Beklagten beschäftigt worden wäre,
hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm den Abschluss eines Arbeitsvertrags auf Grundlage des sich aus der schuldrechtlichen Vereinbarung vom 8. April 2005 ergebenden besonderen Rückkehrrechts mit Wirkung vom 1. August 2005 anzubieten.
2.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 21.276,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 3.564,00 Euro seit dem 17. September, 17. Oktober, 17. November, 17. Dezember 2009 sowie dem 17. Januar und 17. Februar 2010 zu zahlen.
10
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, dem Kläger stehe kein Rückkehrrecht zu. Er habe nicht bis 31. Dezember 2008 tatsächlich zu ihr zurückkehren können, weil er wegen der Kündigungsfrist noch bis 31. Juli 2009 an sein bei Ausscheiden bestehendes Arbeitsverhältnis gebunden gewesen sei. Jedenfalls sei das Erfordernis einer wirksamen Kündigung, die aus dringenden betrieblichen Gründen ausgesprochen worden sei, dh. die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG erfülle, nicht gewahrt. Der Kläger könne jedenfalls nur einen Vertragsschluss zu den Bedingungen einer Beschäftigung im Betrieb Vivento verlangen; als Servicetechniker könne ihn die Beklagte nicht beschäftigen. Sie hat bestritten, dass die vom Kläger angegebene Entgeltgruppe richtig ist.
11
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung – auch hinsichtlich weiter geltend gemachter Beträge für zwischenzeitliche Zeiträume – zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen zuletzt gestellten Antrag weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.