Aktenzeichen 2 C 66/17
AVBayJG § 24 Abs. 1, § 27 Abs. 1 S. 2, § 29 Abs. 2
BayJagdG Art. 17 Abs. 1 S. 1
Leitsatz
1. Der Jagdgast (Art. 17 Abs. 1 Satz 1 BayJagdG) ist nicht Jagdausübungsberechtigter iSd Bundesjagdgesetzes. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Nichtladung eines Beteiligten zum Termin mit dem Schadensschätzer im Rahmen des Vorverfahrens begründet einen Verstoß gegen die Parteiöffentlichkeit der Beweisaufnahme und führt zur Unverwertbarkeit des Schätzgutachtens. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Vorbescheid der Gemeinde K. vom 14.12.2016, Aktenzeichen 7541-01/2016, in der Wildschadenssache Flur-Nr. 2187, Gemarkung K., wird aufgehoben und der Anspruch der Beklagten gegenüber dem Kläger wird abgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Vorverfahrens sowie die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 643,70 Euro festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Klage erweist sich als begründet.
1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das angegangene Gericht sachlich und örtlich (vgl. § 26 ZPO) zuständig. Die Klage ist fristgerecht erhoben (§ 24 Abs. 1 AVBayJG) und entspricht auch im Übrigen den Erfordernissen des § 29 Abs. 2 AVBayJG.
2. Der Sache nach erweist sich die Klage als begründet. Entsprechend ist der Vorbescheid aufzuheben, der Anspruch auf Wildschadensersatz abzuweisen.
a) Der Kläger ist vorliegend nicht passivlegitimiert.
Nach § 29 Abs. 2 BJagdG ist Wildschaden an Grundstücken, die – wie unstreitig hier – einem Eigenjagdbezirk angegliedert sind, vom Eigentümer oder Nutznießer des Eigenjagdbezirks zu ersetzen. Im Falle der Verpachtung haftet der Jagdpächter, wenn er sich im Pachtvertrag zum Ersatz des Wildschadens verpflichtet hat. Zweifelsfrei ist der Kläger nicht Eigentümer des Grundstücks. Er ist aber auch weder Nutznießer noch Jagdpächter. Stattdessen ist dem Kläger lediglich eine entgeltliche Jagderlaubnis nach Art. 17 BayJagdG erteilt worden. Nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 BayJagdG kann der Revierinhaber einem Dritten (Jagdgast) eine Jagderlaubnis erteilen. Art. 17 Abs. 4 BayJagdG stellt fest, dass der Jagdgast nicht Jagdausübungsberechtigter im Sinne des Bundesjagdgesetzes ist. Insoweit unterscheidet sich der Inhaber eines Jagderlaubnisscheins vom Jagdpächter (§ 11 BJagdG, Art. 14 ff. BayJG), dem ein Jagdausübungsrecht zusteht.
Die Vereinbarungen, die hier zwischen dem W. A. und dem Kläger gemäß Jagderlaubnisschein vom 24.06.2016 geschlossen wurden, können nicht als Jagdpachtvertrag im Sinne der oben genannten Vorschriften ausgelegt werden. Dagegen spricht zum einen der Wortlaut der vertraglich getroffenen Regelung, die eindeutig mit „Jagderlaubnisschein“ überschrieben ist, und in der der Begehungsscheininhaber wiederholt als Jagdgast bezeichnet ist. Nach den unstreitig Vertragsbestandteil gewordenen „Bestimmungen für Begehungsscheininhaber“, dort Ziff. 1, sind nämlich die Forstbediensteten weiterhin berechtigt, in dem Jagdgebiet des Klägers die Jagd auszuüben. Gemäß Ziffer 3 hat der Kläger auf die jagdlichen Interessen der Mitglieder des königlichen Hauses Rücksicht zu nehmen. Nach Ziffer 5 ist das erlegte Wild Eigentum des Jagd(ausübungs) berechtigten und nicht des Klägers. In Ziffer 6 ist jeder vom Kläger abgegebene Schuss sowie erlegtes Wild umgehend dem Revierleiter zu melden. Nach Ziffer 7 erfordert die Anlage von Jagdeinrichtungen sowie das Ankirren und Füttern des Wildes der Rücksprache. Der Kläger ist nicht deswegen passivlegitimiert nach § 29 Abs. 2 BJagdG, weil nach Ziffer 11 Wildschaden auf den landwirtschaftlich genutzten Flächen vom Begehungsscheininhaber nach Rücksprache mit dem zuständigen Revierleiter zu ersetzen ist. Diese Regelung betrifft nämlich nur das Innenverhältnis zwischen dem Kläger und dem Streitverkündeten. Gleiches gilt im Hinblick auf den auf Seite 1 des Vertrags geregelten Freistellungsanspruch, der den Jagdgast verpflichtet, den Wittelsbacher Ausgleichsfonds und dessen Bedienstete und Beauftragte von allen Schadensersatzansprüchen freizustellen, die von Dritten im Zusammenhang mit der Jagdausübung geltend gemacht werden. Diese vertraglichen Regelungen wirken, wie bei Verträgen üblich, ausschließlich zwischen den Vertragsparteien und haben keine Außenwirkung. Dafür, dass – letztlich auch in Abweichung von der gesetzlichen Regelung – ein sogenannter Vertrag zu Gunsten Dritter vorliegen würde, fehlen jegliche Anhaltspunkte. Daran ändert auch § 29 Abs. 3 BJagdG nichts, wonach sich die Verpflichtung zum Ersatz von Wildschaden „nach dem zwischen dem Geschädigten und dem Jagdausübungsberechtigten bestehenden Rechtsverhältnis“ richtet. Denn um einen Jagdausübungsberechtigten handelt es sich, wie dargestellt, bei dem Kläger gerade nicht. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass eine Haftung für Wildschäden des Klägers entgegen der Auffassung der Beklagten nicht gegeben ist, so dass es an der Passivlegitimation fehlt (vgl. auch AG Siegburg, Urteil vom 13.03.2015, 121 C 85/14). Aufgrund der zitierten Bestimmungen zum Jagderlaubnisschein, insbesondere im Hinblick auf die Regelung unter Ziff. 5, kann der Kläger auch nicht als Nutznießer gem. § 29 Abs. 2 BJagdG angesehen werden.
b) Der Vorbescheid kann aber auch deswegen keinen Bestand haben, weil die notwendigen Formalien nicht eingehalten sind. Es fehlt an einem ordnungsgemäßen Vorverfahren. Nach § 26 Abs. 1 AVBayJG hat zunächst ein Ortstermin mit den Beteiligten stattzufinden, zu dem bereits ein Schätzer hinzugezogen werden kann. Dieser Ortstermin fand offenbar ohne Beiziehung des Schätzers am 13.10.2016 statt. Der Kläger ließ sich bei diesem Termin – zulässigerweise – vertreten. Kommt so die Regelung in § 27 Abs. 1 AVBayJG bei dem genannten Termin keine gütliche Einigung zustande, so hat die Gemeinde, falls noch nicht geschehen, unter Hinweis auf die dadurch entstehenden höheren Kosten unverzüglich einen Schätzer beizuziehen; erforderlichenfalls ist ein neuer Termin anzusetzen, zu dem auch der Schätzer zu laden ist. Unstreitig fand der Termin vom 14.10.2016, in dem das Schätzungsprotokoll entstand, in Anwesenheit der Beklagten, aber ohne den Kläger statt (vgl. Anlage K2). Wie der Kläger im Rahmen seiner informatorischen Befragung glaubhaft angegeben hat, hatte er von diesem Termin keine Kenntnis. Der Kläger wurde somit, wie zur Überzeugung des Gerichts feststeht, zu dem Termin, bei dem der Sachverständige seine Feststellungen traf, nicht geladen. Der Kläger hatte damit keine Möglichkeit, sich bei der Entstehung der Feststellung des Sachverständigen mit einzubringen auf Art und Umfang der Feststellungen des Sachverständigen vor Ort Einfluss zu nehmen. Dies stellt einen Verstoß gegen den Grundsatz der Parteiöffentlichkeit der Beweisaufnahme dar. Da vorliegend die Anknüpfungstatsachen sowie auch die der Schätzung zugrunde liegenden Feststellungen des Sachverständigen im Streit sind, ist von einem Verstoß gegen das rechtliche Gehör auszugehen, der einen erheblichen Mangel des Vorbescheids begründet. § 27 Abs. 1 Satz 2 AVBayJG setzt nämlich voraus, dass bei dem Termin mit dem Schätzer nicht nur dieser selbst, sondern auch den Parteien die Möglichkeit der Anwesenheit gegeben wird (AG Coburg, Endurteil vom 19.11.1998, 15 C 904/98; zur Parteiöffentlichkeit der Beweisaufnahme bei Ortsterminen durch den Sachverständigen siehe auch BVerwG, Beschluss vom 18.03.2014 – 10 B 11/14). Das Schätzprotokoll war daher unverwertbar und rechtfertigte den hierauf gestützten Vorbescheid nicht. Inwieweit der Mangel noch geheilt bzw. Feststellungen nachgeholt werden können, braucht nicht entschieden zu werden, da der Anspruch, wie dargestellt, ohnehin an der fehlenden Passivlegitimation des Klägers scheitert.
c) Darauf, ob die Anmeldung des Wildschadens tatsächlich rechtzeitig erfolgt ist (§ 34 BJagdG), ob die elektronische Form den Anforderungen des § 25 Abs. 1 Satz 1 AVBayJG genügt und ob der Umfang des Wildschadens inhaltlich zutreffend festgestellt wurde, kommt es nicht an, da die Klage bereits aus anderen Gründen Erfolg hat und die Haftung des Klägers aus rechtlichen Gründen abzulehnen ist. Einer Beweiserhebung bedarf es daher nicht.
3. Als Unterlegene hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO). Das gilt auch im Hinblick auf die Kosten des Vorverfahrens, über die das Gericht nach billigem Ermessen zu entscheiden hat (§ 29 Abs. 2 Satz 2 AVBayJG). Da eine Haftung des Klägers bereits aus Rechtsgründen scheitert, erscheint es angemessen, die Kosten auch insoweit der Beklagten aufzuerlegen.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.