Aktenzeichen 5 HK O 21026/16
ZPO § 256 Abs. 1
AktG § 76 Abs. 1, § 84 Abs. 1, Abs. 3
Leitsatz
1. Bei der Frage der Auflösung oder Nichtauflösung eines Vorstandsdienstvertrages handelt es sich um ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO, weil es dabei um die Beziehung zwischen zwei Personen geht, die subjektive Rechte enthält. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein wichtiger Grund für die fristlose Beendigung kann in einer unberechtigten Amtsniederlegung durch einen Vorstand liegen, da hierin ein Verstoß gegen wesentliche Vertragspflichten liegt. Er begibt sich dadurch der Möglichkeit, die Vorstandsaufgaben gerade im Außenverhältnis für die Gesellschaft wahrzunehmen und verengt damit den rechtsgeschäftlichen Handlungsspielraum der Gesellschaft in für diese unzumutbarer Weise. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Grund für die Amtsniederlegung kann nicht darin liegen, wie der Aufsichtsrat nach bekannt werden von Fehlverhalten eines anderen Vorstandmitglieds reagiert. Nur der Aufsichtsrat ist für die Abberufung eines Organs wie auch für die Beendigung des Vorstandsdienstvertrages zuständig. Einem anderen Vorstandsmitglied kommt hierfür keinerlei Zuständigkeit zu. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Dauer der Verlängerung der Anstellung eines Vorstands fällt gem. § 84 Abs. 1 AktG in die alleinige Kompetenz des Aufsichtsrates – unterschiedliche Ansichten oder Meinungsverschiedenheiten diesbezüglich können jedenfalls keine Zerrüttung des Verhältnisses begründen. Zwar ist die Beteiligung des Vorstandes im Vorbereitungsstadium der Neubesetzung zulässig – eine Bindung kann daraus jedoch nicht abgeleitet werden; die endgültige Entscheidung muss dem Aufsichtsrat vorbehalten bleiben. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
5. Wenn ein Vorstand in wirtschaftlich kritischer Situation sein Amt als Organ der Aktiengesellschaft niederlegt, obwohl die aus seiner Sicht mangelnde Eignung des vom Aufsichtsrat bestellten Finanzvorstandes objektiv nicht feststehen kann, bedeutet dies eine schwerwiegende Pflichtverletzung. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klagen werden abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 105 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
IV. Der Streitwert wird auf € 1.200.000,– festgesetzt
Gründe
I.
Die Feststellungsklagen sind zulässig, jedoch nicht begründet.
1. Die auf Feststellung der fehlenden Beendigung und damit des weiteren Fortbestands des Vorstandsdienstvertrages bis zum 31.12.2018 gerichteten Klagen sind zulässig.
a. Bei der Frage der Auflösung oder Nichtauflösung eines Vorstandsdienstvertrages handelt es sich um ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO, weil es dabei um die Beziehungen zwischen zwei Personen geht, die subjektive Rechte enthält.
b. Ebenso muss das Interesse an der alsbaldigen Feststellung bejaht werden, weil die Beklagte von der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung ausgeht und somit eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit für das subjektive Recht des Klägers besteht (vgl. nur Zöller-Greger, ZPO, 31. Aufl., § 256 Rdn. 7) und nur über eine Feststellungsklage mit Rechtskraft entschieden wird, ob der Vorstandsdienstvertrag beendet ist oder nicht.
2. Die Klagen sind indes nicht begründet, weil der zwischen den Parteien bestehende Vorstandsdienstvertrag durch die dem Kläger unstreitig am 3.12.2016 zugegangene außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 2.12.2016 beendet wurde, nachdem die Voraussetzungen von § 626 Abs. 1 BGB sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht erfüllt sind.
a. Der Beschluss des Aufsichtsrats der Beklagten vom 2.12.2016 über die außerordentliche Kündigung des Vorstandsdienstvertrages mit dem Kläger ist formell wirksam zustande gekommen.
(1) Allein der Umstand, dass das Aufsichtsratsmitglied Dr. H. an der Sitzung persönlich nicht teilnahm, sondern ausweislich des Protokolls, an dessen Richtigkeit kein vernünftiger Zweifel besteht, seine Zustimmung zu der intendierten Beschlussfassung im Wege der Stimmbotschaft übermittelte, steht der Wirksamkeit nicht entgegen. § 108 Abs. 3 AktG sieht diese Form der Teilnahme an der Sitzung und insbesondere der Stimmabgabe ausdrücklich vor. Die Stimmbotschaft von Herrn Dr. H. wurde von ihm unterschrieben und damit in Schriftform übermittelt. Ebenso macht sie genau deutlich, in welche Richtung abgestimmt werden soll (vgl. hierzu nur Israel in: Bürgers/Körber, AktG, 4. Aufl., § 108 Rdn. 13; Hüffer/Koch, AktG, 12. Aufl., § 108 Rdn. 19; Habersack in: Münchener Kommentar zum AktG, 4. Aufl., § 108 Rdn. 56) – Einverständnis mit der Durchführung der Aufsichtsratssitzung unter Verzicht auf alle Form- und Fristvorschriften sowie genauer Inhalt des Beschlusses, dem zugestimmt werden soll, ohne dass dem Stimmrechtsboten irgendein eigener Entscheidungsspielraum zukommen würde. Ein Ausschluss dieser Art der Stimmabgabe ist weder vorgetragen noch nach dem Inhalt der vorgelegten Satzung ersichtlich.
(2) An der Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrates kann nicht gezweifelt werden. Durch die wirksame Stimmabgabe von Herrn Dr. H. haben alle fünf amtierenden Aufsichtsratsmitglieder an der Beschlussfassung mitgewirkt, nachdem der Aufsichtsrat das sechste Aufsichtsratsmitglied H. M. aufgrund von § 105 Abs. 2 AktG nach der Amtsniederlegung durch den Kläger mit Beschluss vom 24.11.2016 unstreitig in den Vorstand delegiert wurde. Damit ist bei fünf Mitgliedern auch nach der vorgelegten Regelung aus § 11 Abs. 2 der Satzung der Aufsichtsrat beschlussfähig, wobei dies selbst dann gelten würde, wenn die Stimmabgabe von Herrn Dr. H. unwirksam sein sollte. Angesichts der Frist von zwei Wochen in § 626 Abs. 2 BGB wäre nämlich die Dringlichkeit zu bejahen, weshalb die zweiwöchige Frist aus § 11 Abs. 1 der Satzung für die Einberufung einer Aufsichtsratssitzung und der Kenntniserlangung des Gremiums am 24.11.2016 nicht eingehalten werden musste.
Das bloße Bestreiten der ordnungsgemäßen Ladung zur Sitzung wie auch des gesamten Inhalts des Protokolls muss als unsubstantiiert bezeichnet werden, nachdem dem Kläger sowohl der Inhalt des Protokolls als auch der Stimmrechtsbotschaft von Herrn Dr. H. zusammen mit der Kündigungserklärung am 3.12.2012 zugestellt wurde. Angesichts dessen gilt der tatsächliche Vortrag zur Einberufung und zum Inhalt der Sitzung gem. § 138 Abs. 3 ZPO auch als zugestanden. Abgesehen davon ist auch nicht erkennbar, warum der Inhalt des Protokolls unrichtig sein sollte.
b. Der Beschluss ist auch materiell wirksam, weil der Vorstandsdienstvertrag durch die außerordentliche Kündigung vom 2.12.2016 beendet wurde, nachdem ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB bejaht werden muss. Nach dieser Vorschrift kann das Dienstverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung nicht zugemutet werden kann. Von einer derartigen Situation muss vorliegend ausgegangen werden, weil der Kläger gravierend seine Pflichten als Vorstand der Beklagten verletzt hat, indem er das Amt als Vorstand und Sprecher des Vorstands mit der E-Mail vom 21.11.2016 und anschließendem Schreiben vom 24.11.2016 niedergelegt hat.
(1) Der wichtige Grund ist in der Amtsniederlegung durch den Kläger zu sehen, weil es hierfür keinen rechtfertigenden Grund gab. Zwar bedarf es für die Wirksamkeit der Amtsniederlegung, die sich ausschließlich auf die Organstellung bezieht, keines wichtigen Grundes. Doch hat der Kläger dadurch gegen wesentliche Vertragspflichten verstoßen – er hat sich nämlich dadurch der Möglichkeit begeben, die Vorstandsaufgaben gerade im Außenverhältnis für die Gesellschaft wahrzunehmen und damit den rechtsgeschäftlichen Handlungsspielraum der Gesellschaft in für diese unzumutbarer Weise verengt, auch wenn diese angesichts des Vorhandenseins eines weiteren Vorstandsmitglieds und der Möglichkeit des Verfahrens nach § 105 Abs. 2 AktG nicht gänzlich handlungsunfähig geworden ist (vgl. BGH DStR 1995, 1359 m. Anm. Goette; OLG Celle NZG 2004, 475, 477 = GmbHR 2004, 425, 427 jeweils für den vergleichbaren Fall der GmbH; Fleischer in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl., § 84 Rdn. 155; Hüffer/Koch, AktG, a.a.O., § 84 Rdn. 45; Oltmanns in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., § 84 Rdn. 52; Seibt in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl., § 84 Rdn. 67; Spindler in: Münchener Kommentar zum AktG, 4. Aufl., § 84 Rdn. 178).
Ein rechtfertigender Grund für die Amtsniederlegung lässt sich vorliegend nicht bejahen, weil dem Aufsichtsrat und dabei insbesondere auch dem damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden kein gravierendes Fehlverhalten in Richtung auf die Tätigkeit des Klägers als Vorstand angelastet werden kann.
(a) Soweit es um die Aufnahme des Aufsichtsratsvorsitzenden in die Gruppen-Unfallversicherung der Beklagten geht, kann ein Fehlverhalten nicht bejaht werden. Zum einen kann die Entrichtung der Prämien durch die Beklagte nicht Herrn Z. in seiner Eigenschaft als damaliger Vorsitzender des Aufsichtsrates zugerechnet werden. Bereits bei Aufnahme der Versicherung war unstreitig – und zudem durch Anlage B 6 belegt – die Übermittlung der Rechnung an die Privatadresse von Herrn Z. vereinbart worden. Auch wurde die Frage gutachterlich durch eine Rechtsanwaltskanzlei überprüft, inwieweit diese Vorgehensweise der Aufnahme des Aufsichtsratsvorsitzenden in die Gruppen-Unfallversicherung rechtlich zulässig war. Das Gutachten gelangte unter Hinweis auf mehrere Literaturstellen zu dem nachvollziehbaren Ergebnis, es bestünden keine Bedenken. Bei einer Übernahme durch die Beklagte müsse indes nach dem Inhalt des Gutachtens auf die Zuständigkeit der Hauptversammlung für Vergütungsfragen geachtet werden – angesichts dessen kann gerade nicht von einem Gefälligkeitsgutachten ausgegangen werden, selbst wenn es der Sohn des damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden erstellte, nachdem dort auch rechtlich nicht gänzlich unbedenkliche Aspekte zutreffend angesprochen wurden. Vor allem aber sah auch der Kläger im Jahr 2015 insbesondere nach dem Erhalt der anwaltlichen Stellungnahme keinerlei Anlass, Konsequenzen für seine Tätigkeit als Vorstand der Beklagten zu ziehen – dann kann aber dieser Umstand rund 1 ½ Jahre nach Erhalt des Gutachtens und über zwei Jahre nach der versehentlich erfolgten Zahlung der Prämien durch die Beklagte entgegen den getroffenen Vereinbarungen mit der Versicherungsgesellschaft bzw. dem Versicherungsmakler keinerlei Grund für die Amtsniederlegung im November 2006 gesehen werden.
(b) Die Vorgehensweise des Aufsichtsrats im Zusammenhang mit dem Ausscheiden von Herrn L. aus dem Vorstand und dessen Zeitpunkt begründet keinen wichtigen Grund für die Amtsniederlegung. Zum einen kann dem Aufsichtsrat bereits keine Untätigkeit nach Bekanntwerden der Veranlassung unberechtigter Zahlungen vorgeworfen werden. Die Bezüge wurden von Herrn L. zurückgefordert, weshalb bereits aus diesem Grund der Vorwurf der Untätigkeit des Aufsichtsrates nicht aufrechterhalten werden kann. Vor allem aber ist die Frage, wie eine Aktiengesellschaft auf ein Fehlverhalten eines Vorstandsmitglieds reagiert, angesichts der Regelung in § 84 Abs. 3 AktG ausschließlich Aufgabe des Aufsichtsrates. Nur der Aufsichtsrat ist danach für die Abberufung eines Organs wie auch für die Beendigung des Vorstandsdienstvertrages zuständig. Einem anderen Vorstandsmitglied wie dem Kläger kommt hierfür keinerlei Zuständigkeit zu. Abgesehen davon gilt auch hier, dass der Kläger im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit den Vorgängen um Herrn L., die wiederum etwa zwei Jahre zurücklagen, keinerlei Anlass zur Amtsniederlegung sah.
(c) Die Verlängerung des Vorstandsdienstvertrages mit Frau P. vermag eine Zerrüttung des Verhältnisses zwischen dem Kläger und dem Aufsichtsrat der Beklagten oder dessen damaligen Vorsitzenden nicht zu begründen. Die Dauer der Verlängerung der Anstellung wie auch des Vorstandsdienstvertrages fällt gem. § 84 Abs. 1 AktG wiederum in die alleinige Kompetenz des Aufsichtsrates – unterschiedliche Ansichten oder Meinungsverschiedenheiten diesbezüglich können jedenfalls keine Zerrüttung des Verhältnisses begründen, zumal die Entscheidung zur Verlängerung ebenfalls längere Zeit zurücklag.
(d) Die Zahlung der Sonderprämie an die damalige Vorstandssekretärin von Frau P. und die Reaktion des Aufsichtsrats in Bezug auf die Stellung des Vorstandsmitglieds Elisabeth P. rechtfertigt gleichfalls keinen Grund zur Amtsniederlegung. Abgesehen davon, dass die Kompetenz für eine Sonderzahlung an Angestellte nicht beim Aufsichtsrat liegt, hatte der Kläger die Anwaltskanzlei Seitz mit einer gutachterlichen Würdigung beauftragt, die zu dem Ergebnis kam, dass nach Abwägung aller Aspekte im Rahmen der Business Judgement Rule die überwiegenden Gesichtspunkte gegen eine Kündigung von Frau P. durch den Aufsichtsrat in diesem Zusammenhang der Zusage einer Sonderprämie für die frühere Vorstandssekretärin sprechen – dann aber kann ein gravierendes Fehlverhalten des Aufsichtsrates daraus ebenfalls nicht abgeleitet werden. Zudem sah der Kläger nach Erhalt des Schreibens der Anwaltskanzlei Seitz keinen Anlass zu Konsequenzen hinsichtlich seiner Organstellung – auch dieser Sachverhalt lag im Zeitpunkt der Amtsniederlegung mehr als acht Monate zurück.
(e) Die Geschehnisse im Vorfeld der Hauptversammlung vom 14.6.2016 und im Zusammenhang mit der Aktionärsvereinbarung vom 10.6.2016 führen nicht zur Bejahung eines wichtigen Grundes für die Amtsniederlegung durch den Kläger.
(aa) Die Einschaltung der a. GmbH als Kommunikationsberater vor der Hauptversammlung am 14.6.2016 diente den Interessen der Gesellschaft. Angesichts der angekündigten Gegenanträge des Klägers bzw. der S. GmbH sowie der M. D. B.V. ist es nachvollziehbar, wenn eine Vorbereitung angesichts derartiger Gegenanträge und einer damit als kritisch erwarteten Hauptversammlung durch eine professionelle Kommunikationsberatung erfolgt. Dies kommt der Gesellschaft insgesamt zugute, wenn deren Organe einschließlich des Aufsichtsrates samt seines Vorsitzenden, der die Versammlungsleitung nach der Satzung übernimmt, auf eine kritische Hauptversammlung vorbereitet werden.
(bb) Die Abrechnung durch die Rechtsanwaltskanzlei H. rechtfertigt keinen Grund zur Amtsniederlegung. Die Rechnung dieser Anwaltskanzlei umfasste die Vorbereitung und Begleitung der Hauptversammlung vom 14.6.2016 im Zeitraum vom 25.5. bis zum 14.6.2016. Allein aus der Prüfung von Herrn Rechtsanwalt D. in Bezug auf die Zurechnung von Stimmrechten aufgrund des Gentlemen’s Agreement vom 10.6.2016 kann nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, hier sei es zu einer Abrechnung privat veranlasster Kosten des Aufsichtsratsvorsitzenden gekommen. Die Beklagte ist börsennotiert, weshalb es aufgrund solcher Vereinbarungen zum Nichtbestehen von Stimmrechten gem. §§ 28 Abs. 1 Satz 1, 22 Abs. 2 Satz 1 WpHG kommen könnte. Dies kann gegebenenfalls Auswirkungen auf die Abstimmungsergebnisse während der Hauptversammlung haben. Dann aber profitiert die Beklagte von einer derartigen Prüfung unmittelbar, weil dies Anfechtungsrisiken reduziert.
(cc) Aufgrund der Tätigkeit von Herrn Rechtsanwalt Dr. U. ist eine Zerrüttung des Verhältnisses zwischen dem Kläger und dem Aufsichtsratsvorsitzenden nicht zu begründen, wobei dies selbst dann gilt, wenn der Vortrag des Klägers zugrunde gelegt wird, Herr Dr. U. sei für den Beklagten und nicht als Moderator mit seinem Einverständnis für die Gesellschaft aufgetreten. Sollte der Kläger insoweit tatsächlich Bedenken gehabt haben, inwieweit hier eine Abrechnung einer Tätigkeit für den Aktionär … Z. in rein privater Funktion erfolgt ist, hätte er nämlich als gem. § 76 Abs. 1 AktG verantwortlicher Vorstand der Gesellschaft nachfragen müssen, inwieweit die Honorarrechnung der nunmehrigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten derartiges umfasst, als diese ihm im Juni 2016 vorgelegt wurde. Zudem kann – abgesehen von dem Zeitfaktor von rund fünf Monaten bis zur Niederlegung des Amtes – auch nicht berücksichtigt bleiben, dass eine Vereinbarung von Aktionären zur Beilegung eines Konflikts im Vorfeld der Hauptversammlung zu einzelnen dort zu behandelnden Tagesordnungspunkten zumindest mittelbar auch der Gesellschaft zugutekommt, weil dadurch Anfechtungsrisiken reduziert werden. Folglich war eine Beweisaufnahme zu der Frage, inwieweit das Auftreten von Herrn Rechtsanwalt Dr. U. einvernehmlich erfolgte und als unmittelbare Tätigkeit für die Beklagte angesehen wurde oder ob er ausschließlich für Herrn … Z. auftrat, mangels Entscheidungserheblichkeit nicht veranlasst.
(f) Aus der unmittelbar vor der Amtsniederlegung durch den Kläger erfolgten Bestellung von Herrn Di. zum Finanzvorstand der Beklagten kann kein Rückschluss auf einen wichtigen Grund zur Amtsniederlegung gezogen werden. Die Bestellung von Vorstandsmitgliedern ist angesichts der eindeutigen Regelung in § 84 Abs. 1 AktG ausschließlich Aufgabe des Aufsichtsrates, dem insoweit die alleinige Personalkompetenz zukommt (vgl. Kort in: Großkommentar zum AktG, 5. Aufl., § 84 Rdn. 2). Auch wenn ein Machtkampf innerhalb des Vorstandes dem Gesellschaftsinteresse nicht förderlich sein wird, vermag das Gericht nicht zu erkennen, inwieweit ein derartiger Machtkampf zwingend absehbar sein könnte. Die Frage der Beurteilung der Kompetenz eines Kandidaten ist wiederum originäre Aufgabe des Aufsichtsrates und nicht des anderen Vorstandsmitglieds. Wenn es insoweit unterschiedliche Auffassungen gibt, liegt die Entscheidung über die Eignung der Kandidaten nach der gesetzlichen Konzeption beim Aufsichtsrat, der sich dann im Zweifel durchsetzt. Diese Entscheidung ist vom Vorstand hinzunehmen.
Soweit der Kläger geltend macht, es habe zwischen dem Aufsichtsratsvorsitzenden und dem Kläger Einvernehmen bestanden, den neuen Finanzvorstand gemeinsam auszuwählen, vermag dies eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Zwar ist die Beteiligung des Vorstandes im Vorbereitungsstadium der Neubesetzung zulässig – eine Bindung kann daraus jedoch nicht abgeleitet werden; die endgültige Entscheidung muss dem Aufsichtsrat vorbehalten bleiben (vgl. Kort in: Großkommentar zum AktG, a.a.O., § 84 Rdn. 28; Drinhausen/Marsch-Barner AG 2014, 337, 346), wobei dies insbesondere auch zu gelten hat, wenn er den vom Vorstand präferierten Kandidaten für weniger gut geeignet einschätzt als den eigenen. Wenn der Kläger diese Entscheidung nicht mitträgt, kann er – wie geschehen – sein Amt niederlegen. Ein wichtiger Grund hierfür lässt sich angesichts der vom Aktiengesetz vorgesehenen Kompetenzverteilung zwischen Aufsichtsrat und Vorstand aber nicht ableiten.
(g) Ebenso wenig kann sich aus einer Gesamtschau der einzelnen vom Kläger angeführten Argumente ein wichtiger Grund ableiten, weil aus einem rechtmäßigen Verhalten auch insgesamt kein rechtswidriges, eine Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zwischen Vorstand und Aufsichtsrat begründendes Verhalten abgeleitet werden kann. Allein die nach dem – bestrittenen – Vortrag des Klägers nicht eindeutige Abrechnung der Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek könnte einen Fehler des Aufsichtsrats begründen – hieraus kann indes entsprechend den obigen Ausführungen kein wichtiger Grund abgeleitet werden.
Angesichts dessen kommt es nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, inwieweit der Kläger im Zuge der Aufnahme von Verhandlungen mit chinesischen Investoren eine die außerordentliche Kündigung rechtfertigende Pflichtverletzung durch Übergehen des Aufsichtsrates und die Vorbereitung einer feindlichen Übernahme begangen hat.
(2) Eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses war der Beklagten bis zur regulären Beendigung des Vorstandsdienstvertrages am 31.12.2018 auch unter Berücksichtigung der Belange des Klägers nicht möglich. Der Kläger selbst wies auf die wirtschaftlich schwierige Situation der Beklagten hin. Wenn er in einer solchen Situation sein Amt als Organ der Aktiengesellschaft niederlegt, obwohl die aus seiner Sicht mangelnde Eignung des vom Aufsichtsrat bestellten Finanzvorstandes objektiv nicht feststehen kann, weil dies nur auf Rückschlüssen aus einem Gespräch zwischen dem Kläger und dem vom Aufsichtsrat favorisierten und dann bestellten Kandidaten beruht, bedeutet dies eine schwerwiegende Pflichtverletzung. Die den Kläger treffenden Aufgaben können dann über einen Zeitraum von etwas mehr als zwei Jahren nicht wahrgenommen werden; er erbringt der Gesellschaft nicht die mit den Vorstandsaufgaben verbundenen Organtätigkeiten. Bei bis zum Vertragsende erwarteten Gehaltszahlungen von rund € 1,5 Mio., deren Umfang die Beklagte auch nicht bestritten hat und der gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt, ist der Beklagten angesichts ihrer schwierigen wirtschaftlichen Lage ein Fortbestand des Dienstvertrages nicht zumutbar, weil sie keine Gegenleistung des Klägers enthält und dennoch ein weiteres Vorstandsmitglied beschäftigen muss.
(3) Die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 BGB wurde eingehalten. Nach diesen Vorschriften kann die Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen; die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Bei einer Aktiengesellschaft, in der die Gesellschaft gegenüber dem Vorstand aufgrund von § 112 AktG durch den Aufsichtsrat vertreten wird, ist für den Beginn der Frist auf die Kenntnis des Aufsichtsrats als Kollegialorgan, nicht auf die Kenntnis einzelner Mitglieder oder des Aufsichtsratsvorsitzenden abzustellen (st. Rspr.; vgl. nur BGHZ 139, 98, 92 für die vergleichbare Situation der GmbH; BGH NZG 2002, 46, 47 für den Aufsichtsrat einer GmbH; KG NZG 2004, 1165, 1167; LG München I AG 2011, 258, 261 = ZIP 2011, 2451, 2455; ebenso Hüffer, AktG, a.a.O., § 84 Rdn. 54; Fleischer in: Spindler/Stilz, AktG, a.a.O., § 84 Rdn. 159; Spindler in: Münchener Kommentar zum AktG, a.a.O., § 84 Rdn. 171; Bürgers in: Bürgers/Körber, AktG, 4. Aufl., § 84 Rdn. 39; Seyfarth, Vorstandsrecht, § 20 Rdn. 36). Dabei bedeutet Kenntnis umfassendes und sicheres Wissen um den Kündigungssachverhalt. Der Kündigungsberechtigte muss alles erfahren haben, was ihm nach verständigem Urteil für eine das Für und Wider abwägende Entscheidung über den Fortbestand oder die Beendigung des Dienstverhältnisses erforderlich erscheinen muss (vgl. BGH NJW 1996, 1403 f.; DStR 1997, 1338, 1339; OLG Karlsruhe NZG 1999, 1012; Fleischer in: Spindler/Stilz AktG, a.a.O., § 84 Rdn. 161; Spindler in: Münchener Kommentar zum AktG, a.a.O., § 84 Rdn. 171). Der Aufsichtsrat erhielt umgehend nach der am 21.11.2014 per E-Mail gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden und sodann am 24.11.2014 schriftlich erfolgten Amtsniederlegung Kenntnis am 24.11.2014 im Verlaufe der Sitzung des Aufsichtsrates. Wenn dann die Kündigung am 3.12.2016 dem Kläger zugeht, ist die Frist von zwei Wochen gewahrt, wobei dies selbst dann gelten würde, wenn auf den Zeitpunkt des 21.11.2016 abgestellt würde.
Angesichts dessen war die Klage abzuweisen, weil der Vorstandsdienstvertrag bereits durch die außerordentliche Kündigung beendet wurde und folglich auch die Anträge II. und III. keinen Erfolg haben können.
II.
1. Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO; als Unterlegener hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.
3. Der Streitwert war gem. §§ 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO festzusetzen. Wesentlich ist der noch ausstehende Vergütungsanspruch des Klägers bis zum Ende der Vertragslaufzeit, den dieser mit insgesamt € 1.501.000,– bezifferte. Weil der Kläger „nur“ Feststellung begehrte, ist ein Abschlag zu machen, woraus sich dann der Streitwert von € 1,2 Mio. errechnet, wie er auch in dem Beschluss vom 14.12.2016 über die vorläufige Streitwertfestsetzung angenommen wurde.