Aktenzeichen 7 Sa 124/19
ZPO § 138 Abs. 2
SGB IX § 84 Abs. 2, § 167 Abs. 2 S. 1, S. 2, S. 3, § 168
EU-DSGVO Art. 9 Abs. 1
BDSG § 26 Abs. 3
Leitsatz
1. Bestreitet der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess, dass ein BEM-Verfahren ordnungsgemäß eingeleitet und durchgeführt wurde, so muss der Arbeitgeber dies entsprechend darlegen. (Rn. 83 – 84)
2. Es liegt keine ordnungsgemäße Einladung des Arbeitnehmers zum BEM-Verfahren vor, wenn im Einladungsschreiben mitgeteilt wird, dass sich der Arbeitnehmer vor dem BEM-Termin beim Werksarzt einzufinden hat zur Erstellung eines positiven Leistungsprofils ohne Aufklärung darüber, dass der Arbeitnehmer auch auf den Besuch beim Werksarzt verzichten kann. (Rn. 88 – 90)
Verfahrensgang
10 Ca 6765/17 2019-01-24 Endurteil ARBGNUERNBERG ArbG Nürnberg
Tenor
I. Die Berufung gegen das Endurteil des Arbeitsgerichtes Nürnberg vom 24.01.2019 – 10 Ca 6765/17 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Zulässigkeit
Die Berufung ist statthaft nach §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2c ArbGG.
Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden nach §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO und damit insgesamt zulässig.
II. Begründetheit
Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg, sie ist unbegründet.
Das Arbeitsgericht Nürnberg hat der Kündigungsschutzklage der Klägerin im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die ordentliche krankheitsbedingte Kündigung der Beklagten vom 24.11.2017 nicht zum 31.05.2018 aufgelöst worden.
Die Kündigung ist sozial nicht gerechtfertigt und damit nicht rechtswirksam, § 1 Abs. 1 KSchG. Sie ist nicht durch Gründe in der Person der Klägerin bedingt, § 1 Abs. 2 KSchG.
1. Nach der Rechtsprechung des BAG ist die Kündigung wegen häufigen Kurzerkrankungen – wie hier – in mehreren Stufen auf ihre Rechtswirksamkeit hin zu prüfen. Bei häufigen (Kurz-)Erkrankungen ist, damit sie eine Kündigung sozial rechtfertigen können, zunächst eine negative Gesundheitsprognose erforderlich. Es müssen im Kündigungszeitpunkt objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen – erste Stufe -. Die prognostizierten Fehlzeiten müssen außerdem zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen, was als Teil des Kündigungsgrundes – zweite Stufe – festzustellen ist. Diese Beeinträchtigungen können sowohl in Betriebsablaufstörungen als auch in zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten liegen, sofern die Zahlungen einen Umfang von sechs Wochenlöhnen übersteigen. Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung – dritte Stufe – ist schließlich zu prüfen, ob die Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber gleichwohl hingenommen werden müssen, BAG, Urteil vom 20.11.2014 – 2 AZR 755/13 -, dort Rdz. 16, zitiert nach juris.
Treten während der letzten Jahre des Arbeitsverhältnisses, insbesondere den letzten drei Jahren vor der Kündigung, jährlich mehrere (Kurz-)Erkrankungen auf, spricht dies für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankheitsbildes, es sei denn, die Krankheiten sind ausgeheilt. Der Arbeitgeber darf sich deshalb auf der ersten Prüfungsstufe zunächst darauf beschränken, die Fehlzeiten der Vergangenheit darzustellen und zu behaupten, in Zukunft seien Krankheitszeiten in entsprechendem Umfang zu erwarten. Alsdann ist es Sache des Arbeitnehmers, gemäß § 138 Abs. 2 ZPO darzulegen, weshalb im Kündigungszeitpunkt mit einer baldigen Genesung zu rechnen war. Er genügt dieser prozessualen Mitwirkungspflicht schon dann, wenn er vorträgt, die behandelnden Ärzte hätten seine gesundheitliche Entwicklung positiv beurteilt und wenn er diese von ihrer Schweigepflicht entbindet. Je nach Erheblichkeit des Vortrags ist es dann Sache des Arbeitgebers, den Beweis für die Berechtigung einer negativen Gesundheitsprognose zu führen. Der Arbeitnehmer kann aber im Verfahren auch selbst die Krankheitsursachen benennen und so eine gerichtliche Beurteilung ermöglichen, ob die zugrundeliegenden Fehlzeiten für eine negative Zukunftsprognose herangezogen werden können oder als ausgeheilt betrachtet werden müssen. Auch hier ist es dann Sache des Arbeitgebers, den Beweis für die Berechtigung einer negativen Gesundheitsprognose zu führen.
2. Für den vorliegenden Fall ergibt sich hieraus:
a. Kündigungsrelevante Fehlzeiten wegen Krankheit und eine negative Prognose – erste Stufe – liegen vor.
Die Beklagte hat die Fehlzeiten der Klägerin nur jährlich kumuliert vorgetragen ohne Aufgliederung der Krankheitszeiten nach Zahl, Dauer und zeitlicher Abfolge. Danach war die Klägerin in erheblichem und kündigungsrelevantem Umfang wegen Krankheit arbeitsunfähig. Die Klägerin hat dazu unter Befreiung ihres langjährig behandelnden Hausarztes von der ärztlichen Schweigepflicht vorgetragen,
die Fehlzeiten im Jahr 2013 hätten sich aus einer letztlich Fehldiagnose des Verdachtes auf Brustkrebs ergeben,
die Fehlzeiten im Jahr 2014 hätten im Wesentlichen auf der endogenen Asthma-Erkrankung und einem leichtgradigen Schlafapnoe-Syndrom beruht,
die Fehlzeiten im Jahr 2015 hätten im Wesentlichen auf einer zweimaligen Kur beruht sowie auf einem Bauchwanddeckenriss im November und Dezember, der operativ habe versorgt werden müssen,
die Fehlzeiten im Jahr 2016 hätten im Wesentlichen auf der Asthma-Erkrankung und den Schlafstörungen beruht sowie einem Wiederauftreten des Bauchwanddeckenrisses, der ein weiteres Mal habe operativ versorgt werden müssen und die Fehlzeiten im Jahr 2017 hätten im Wesentlichen wieder auf der Asthma-Erkrankung, einer Mutter-Kind-Kur im Zusammenhang damit und den Schlafstörungen beruht.
Dem ist die Beklagte entgegengetreten mit dem Einwand fehlender Substantiierung und Bestreiten mit Nichtwissen.
Insoweit liegt eine Verkennung der Darlegungs- und Beweislast der Beklagten vor. Es ist nicht Sache der Klägerin, das unvollständige Vorbringen der Beklagten zu den krankheitsbedingten Fehlzeiten unterjährig nach Zahl, Dauer und zeitlicher Abfolge zu ergänzen und zu vervollständigen. Es ist auch nicht Sache der Klägerin, Beweis für bestimmte Krankheiten anzutreten. Es ist Sache der Beklagten, zu den krankheitsbedingten Fehlzeiten als Teil des Kündigungsgrundes konkret nach deren zeitlicher Lage vorzutragen und im Bestreitensfalle Beweis anzubieten, § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG. Ebenso ist es Sache der Beklagten, bei sachgerechtem Vortrag der Klägerin zu den Krankheitsursachen vorzutragen und im Bestreitensfalle Beweis dafür anzubieten, dass es sich nicht um ausgeheilte Krankheiten handelt, sondern um Krankheiten, mit deren Wiederauftreten zu rechnen ist. Auch die negative Prognose ist Teil des Kündigungsgrundes und vom Arbeitgeber zu beweisen, § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG.
Für die Entscheidungsfindung des Gerichtes ist deshalb auf Grund des Sachvortrages der Klägerin davon auszugehen, dass es sich bei den Schlafstörungen und dem endogenen Asthma bronchiale um Erkrankungen handelt, die grundsätzlich auch in Zukunft auftreten werden.
Eine neuerliche Arbeitsunfähigkeit der Klägerin in Folge des Bauchwanddeckenrisses ist dagegen nicht zu besorgen. Ebenso wenig ist mit einer neuerlichen Fehldiagnose einer Brustkrebserkrankung bei der Klägerin mit damit einhergehenden psychischen Problemen zu rechnen. Beides ist bisher nur einmal aufgetreten. Für eine negative Zukunftsprognose können daher nur die krankheitsbedingten Fehlzeiten wegen Asthma bronchiale und wegen Schlafstörungen und sonstigen von der Klägerin nicht näher bezeichneten Erkrankungen herangezogen werden.
Damit liegen für die Kalenderjahre 2011 bis 2012 keine kündigungsrelevanten Fehlzeiten vor, da die Fehlzeiten schon vom Gesamtvolumen her jeweils weniger als sechs Wochen betragen haben. Auch für das Kalenderjahr 2013 liegen weniger als sechs Wochen prognoserelevante Fehlzeiten vor, da die Fehlzeiten wegen der fehler-haften Diagnose von Brustkrebs nicht berücksichtigt werden können.
Für die Jahre 2014 bis 2017 liegen dagegen krankheitsbedingte Fehlzeiten vor, die für eine negative Zukunftsprognose ausreichend sind.
Im Jahr 2014 hatte die Klägerin 52 krankheitsbedingte Fehltage, die nach ihrem eigenen Vorbringen im Wesentlichen auf Asthma bronchiale und Schlafstörungen zurückzuführen sind.
Im Jahr 2015 hatte die Klägerin unstreitig 209 krankheitsbedingte Fehltage. Bei Auftreten des Bauchwanddeckenrisses im November und Dezember können nur die 43 Arbeitstage und Feiertage in diesen beiden Monaten auf diese Krankheitsursache zurückzuführen sein. Mithin verbleiben 166 Krankheitstage, zu denen die Klägerin keine anderen Krankheitsursachen neben dem Asthma bronchiale und den Schlafstörungen benennt.
Im Jahr 2016 ergibt sich dies daraus, dass bei 197 krankheitsbedingten Fehltagen nach Vortrag der Klägerin wegen des Bauchwanddeckenrisses zwar eine Nachoperation erforderlich war, aber auch Krankheitszeiten wegen des Asthmas und der Schlafstörungen vorlagen.
Im Jahr 2017 ergibt sich dies aus 201 Krankheitstagen, die die Klägerin in Gänze auf das Asthma bronchiale und die Schlafstörungen zurückführt.
Von einer negativen Zukunftsprognose, dass die Klägerin auch in Zukunft wegen dieser beiden Leiden mehr als sechs Wochen pro Jahr arbeitsunfähig sein wird, ist daher auszugehen.
b. Es ist nicht ersichtlich, dass die prognostisch zu erwartenden Fehlzeiten der Klägerin zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Beklagten – zweite Stufe – führen werden.
aa. Neben Betriebsablaufstörungen können auch wirtschaftliche Belastungen, etwa für Entgeltfortzahlungskosten für einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen pro Jahr, zu einer derartigen erheblichen Beeinträchtigung führen, BAG, Urteil vom 10.12.2009 – 2 AZR 400/08 -, dort Rdz. 15, zitiert nach juris.
Die Beklagte konnte nicht darlegen, dass sie zukünftig erhebliche betriebliche Beeinträchtigungen im Sinne einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung erleidet, weil sie erhebliche Entgeltfortzahlungskosten von mehr als sechs Wochen pro Jahr treffen werden. Den – seitens der Klägerin bestrittenen – Vortrag der Beklagten als zutreffend unterstellt, hat sie in der Vergangenheit Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall an die Klägerin über die Grenze von sechs Wochen hinaus leisten müssen in mehreren Jahren.
Die Klägerin hat ihre endogene asthmatische Erkrankung unstreitig gestellt. Das gleiche gilt für die Schlafstörung. Beide Erkrankungen und die daraus fließende Entgeltfortzahlung kann deshalb herangezogen werden für die Beurteilung der künftig voraussichtlich auflaufenden Entgeltfortzahlungskosten.
Für die Jahre 2011 und 2012 blieben die krankheitsbedingten Fehltage unter 30 und damit die Entgeltfortzahlung ebenfalls unter der Vergütung für sechs Wochen.
Für das Jahr 2013 hat die Klägerin eine psychische Erkrankung wegen einer Fehldiagnose vorgetragen. Eine solche Erkrankung ist in den Folgejahren nicht mehr aufgetreten. Die dadurch verursachten Kosten können daher für die künftig zu erwartende Belastung mit Entgeltfortzahlungskosten nicht berücksichtigt werden.
Für das Jahr 2014 hat die Klägerin Schlafstörungen und Asthma-Erkrankung als Krankheitsursache vorgetragen. Die in diesem Jahr aufgelaufenen Entgeltfortzahlungskosten von 7.839,00 € brutto können daher berücksichtigt werden für die künftig zu erwartende Belastung der Beklagten.
Für das Jahr 2015 hat die Klägerin für die Fehlzeiten bis einschließlich Oktober die Asthma-Erkrankung als Krankheitsursache vorgetragen und für die Zeit ab November einen Bauchwanddeckenriss. Die gesamten Entgeltfortzahlungskosten betrugen in diesem Jahr 5.179,00 € brutto. Werden davon sechs Wochen Entgeltfortzahlung für die einmalige Erkrankung im November und Dezember saldiert, so bleibt für die künftig zu erwartende Belastung der Beklagten in diesem Jahr nur ein Betrag von ca. 500,00 € brutto.
Für das Jahr 2016 ergab sich insgesamt nur eine Entgeltfortzahlung von 459,00 € brutto.
Für das Jahr 2017 hat die Klägerin wieder ausschließlich Asthma-Erkrankung und Schlafstörungen als Krankheitsursache vorgetragen. Die in diesem Jahr bis zur Kündigung aufgelaufenen Entgeltfortzahlungskosten von 8.000,00 € brutto können daher berücksichtigt werden für die künftig zu erwartende Belastung der Beklagten.
Es bleiben mithin berücksichtigungsfähig für eine künftig drohende wirtschaftliche Belastung der Beklagten mit Entgeltfortzahlungskosten 7.839,00 € brutto (2014), ca. 500,00 € brutto (2015), 459,00 € brutto (2016) und 8.000,00 € brutto (2017), in Summe 16.798,00 € brutto. Dies ergibt einen durchschnittlichen Betrag von 4.199,50 € brutto pro Jahr.
Eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung für die Beklagte für die Zukunft ergibt sich daraus nicht, da die Grenze von 4.954,00 € brutto (3.578,29 € x 3 Monate: 13 Wochen x 6 Wochen) Entgeltfortzahlung pro Jahr nicht erreicht wird.
In diesem Zusammenhang ergibt sich auch kein anderes Ergebnis unter Berücksichtigung der Kosten des Zeitarbeitnehmers. Dieser wurde durchgängig beschäftigt vom 01.09.2015 bis 31.12.2016 mit Gesamtkosten von 76.054,82 € brutto. Da die Klägerin in diesem Zeitraum nicht durchgängig arbeitsunfähig erkrankt war, können diese Kosten der Leiharbeit schon nicht in Gänze im Rahmen der wirtschaftlichen Belastung der Beklagten durch die krankheitsbedingten Fehlzeiten der Klägerin berücksichtigt werden. Bereinigt um die MwSt, die für die Beklagte nur ein durchlaufender Posten ist, verbleiben noch 63.911,61 € netto, also ein Monatsbetrag von 3.994,47 € netto. Dieser Betrag bleibt hinter dem Monatsverdienst der Klägerin zurück, der unter Berücksichtigung des Arbeitgeberbeitrages bei über 4.000,00 € im Monat lag. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Beklagte in den Jahren 2015 und 2016 mit den langen krankheitsbedingten Fehlzeiten der Klägerin ohne Entgeltfortzahlung keine wirtschaftliche Belastung stemmen musste, die die Annahme rechtfertigen könnte, dass die Beklagte bei Weiterbeschäftigung der Klägerin künftig eine erhebliche wirtschaftliche Belastung zu besorgen hätte.
bb. Die Beklagte konnte auch nicht darlegen, dass sie zukünftig erhebliche betriebliche Beeinträchtigungen in Gestalt betrieblicher Ablaufstörungen zu besorgen hat.
Betriebsablaufstörungen können sich beispielsweise ergeben aus Maschinenstillstand, Störungen im Produktionsablauf, Störungen des Betriebsfriedens wegen sich häufig wiederholenden Vertretungsbedarfes oder dadurch bedingter Mehrarbeit oder Störungen im Verhältnis zu den Kunden, weil Liefertermine nicht eingehalten werden.
Solche erheblichen Betriebsablaufstörungen, die auf die Fehlzeiten der Klägerin zurückgehen, sind aus dem Beklagtenvortrag nicht ersichtlich. Die Beklagte hat geltend gemacht, eine vorausschauende Personal- und Kapazitätsplanung sei kaum möglich und es sei mit einem hohen Zeitaufwand für die Vorgesetzten verbunden, die Einsatzzeiten entsprechend um zu planen und die Schichtpläne zu ändern. Dabei handelt es sich um allgemeine Ausführungen, nicht um eine hinreichend konkrete Darlegung, welcher zusätzliche unproduktive Zeitaufwand sich jeweils zusätzlich für den Vorgesetzten ergeben hat, weil er in Folge einer Erkrankung der Klägerin personelle Umplanungen leisten musste. Die Beklagte hat auch geltend gemacht, die betrieblichen Interessen seien auch durch das unzumutbare Verhalten der Klägerin gegenüber Kollegen, Vorgesetzten und Kunden – bis hin zur Verweigerung der Zusammenarbeit – erheblich beeinträchtigt. Dieses Vorbringen betrifft, selbst bei unterstellter Richtigkeit, nicht betriebliche Belastungen, die durch krankheitsbedingte Ausfallzeiten der Klägerin entstanden sind. Es handelt sich offensichtlich um ein Verhalten der Klägerin während der Zeiten, in denen sie nicht ärztlich attestiert arbeitsunfähig war, sondern im Betrieb beschäftigt worden ist. Dass die Verhaltensweisen der Klägerin auf krankheitsbedingte Ursachen zurückgehen, hat die Beklagte, die vorgetragen hat, sie stünden „mutmaßlich“ im Zusammenhang mit ihren Erkrankungen, nur vermuten können, ohne dass ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Richtigkeit dieser Behauptung ersichtlich geworden wären. Ob ein krankheitsbedingtes (Fehl-)Verhalten der Klägerin zur Begründung betrieblicher Ablaufstörungen geeignet wäre, kann deshalb dahinstehen.
c. Vorsorglich weist das Gericht noch auf Folgendes hin:
aa. Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung – dritte Stufe – ist zu prüfen, ob die Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber gleichwohl hingenommen werden müssen. In diesem Zusammenhang ist auch zu prüfen, ob der Arbeitgeber mit der Kündigung das objektiv geeignete, für den Arbeitnehmer mildeste und für den Arbeitgeber zumutbare Mittel gewählt hat, künftigen Störungen im Betrieb durch die häufigen krankheitsbedingten Fehlzeiten vorzubeugen. In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, ob nicht eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer mit voraussichtlich reduzierten krankheitsbedingten Fehlzeiten besteht auf einem freien leidensgerechten Arbeitsplatz, einem durch Versetzung freiräumbaren leidensgerechten Arbeitsplatz oder einem mit zumutbarem finanziellen und organisatorischen Aufwand umrüstbaren Arbeitsplatz.
Es ist hier nicht ersichtlich, dass die Beklagte das ihrerseits Erforderliche getan hat, um die Kündigung zu vermeiden. Die Kündigung ist deshalb auch unverhältnismäßig.
Die Beklagte trägt als Arbeitgeberin nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Darle-gungs- und Beweislast für die Verhältnismäßigkeit der ausgesprochenen Kündigung.
bb. Die Beklagte hat das in § 167 Abs. 2 SGB IX gesetzlich vorgesehene betriebliche Eingliederungsmanagement nicht ordnungsgemäß eingeleitet. Sie hat deshalb auch nicht ausreichend dargelegt, es habe im Kündigungszeitpunkt kein milderes Mittel als die Kündigung gegeben, um kündigungsrelevante krankheitsbedingte Fehlzeiten mit einer entsprechenden Belastung zu vermeiden. Die fehlerbehaftete Einleitung des BEM-Verfahrens führt dazu, dass die Kündigung vom 24.11.2017 unverhältnismäßig ist.
aaa. Die ordnungsgemäße Durchführung des BEM-Verfahrens ist zwar keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung. § 167 Abs. 2 SGB IX konkretisiert aber den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mit Hilfe des BEM-Verfahrens können geeignete, mildere und zumutbare Mittel als die Kündigung erkannt und entwickelt werden. Nur wenn auch die Durchführung eines BEM-Verfahrens keine positiven Ergebnisse hätte zeitigen können, ist sein Unterbleiben unschädlich. Insoweit hat der Arbeitgeber eine erweiterte Darlegungs- und Beweislast. Um darzutun, dass die Kündigung dem Verhältnismäßigkeitsprinzip genügt und ihm keine milderen Mittel zur Überwindung der krankheitsbedingten Störungen des Arbeitsverhältnisses als die Beendigung offenstanden, muss der Arbeitgeber die objektive Nutzlosigkeit des nicht erfolgten oder nicht ordnungsgemäß durchgeführten BEM-Verfahrens darlegen. Hierzu hat er umfassend und detailliert vorzutragen, warum ein BEM-Verfahren in keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerliche Krankheitszeiten bzw. der Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit entgegen zu wirken. Er hat dazu im Einzelnen darzulegen, warum weder ein weiterer Einsatz auf dem bisherigen Arbeitsplatz noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen sind und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit hätte eingesetzt werden können, warum also ein BEM-Verfahren in keinem Fall dazu hätte beitragen können, das Arbeitsverhältnis durch die Reduzierung der Fehlzeiten zu erhalten. Wenn es denkbar ist, dass ein BEM-Verfahren ein positives Ergebnis gebracht und das gemeinsame Suchen nach Maßnahmen zum Abbau von Fehlzeiten bzw. zur Überwindung der Arbeitsunfähigkeit, also Erfolg gehabt hätte, muss sich der Arbeitgeber regelmäßig vorhalten lassen, er habe „vorschnell“ gekündigt, BAG, Urteil vom 13.05.2015 – 2 AZR 565/14 -, dort Rdz. 24f, zitiert nach juris.
Diese erhöhte Vortragslast des Arbeitgebers besteht nicht nur dann, wenn der Arbeitgeber kein BEM-Verfahren durchgeführt hat, sondern auch, wenn er ein BEM-Verfahren durchgeführt hat, das nicht den gesetzlichen Mindestanforderungen des § 167 Abs. 2 SGB IX genügt hat, zur alten Regelung des wortgleichen § 84 Abs. 2 SGB IX BAG, Urteil vom 24.03.2011 – 2 AZR 170/10 -, dort Rdz. 22, zitiert nach juris.
Zu diesen Mindestanforderungen zählen schon bei der Einladung des Arbeitnehmers zum BEM-Verfahren die Hinweise nach § 167 Abs. 2 Satz 3 SGB IX auf dessen Ziele sowie Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten, BAG, Urteil vom 24.03.2011, aaO., Rdz. 23, zitiert nach juris. Dabei geht es u.a. um den Schutz von Gesundheitsdaten als besondere Kategorie personen-bezogener Daten nach Art. 9 Abs. 1 EU-DSGVO, § 26 Abs. 3 BDSG.
Zu den Mindestanforderungen an ein BEM-Verfahren zählt ferner eine Aufklärung des Arbeitnehmers in der Einladung oder in einem Informationsgespräch dazu, dass der Arbeitnehmer über den denkbaren Teilnehmerkreis am BEM-Verfahren und über seine Möglichkeit, über diesen Teilnehmerkreis mitzubestimmen, informiert wird.
Nach § 167 Abs. 2 Satz 1 SGB IX nimmt am BEM-Verfahren der Betriebsrat und bei schwerbehinderten Menschen die Schwerbehindertenvertretung nur teil, wenn der Arbeitnehmer dies wünscht. Darüber ist der Arbeitnehmer zu informieren und ihm die Entscheidung über deren Teilnahme freizustellen, BAG, Urteil vom 22.03.2016 – 1 ABR 14/14 -, dort Rdz. 30ff, zitiert nach juris. Es ist Sache des Arbeitnehmers, ob er eine Begleitung durch seine betriebliche Interessenvertretung im BEM-Verfahren wünscht. Er kann auf diese Begleitung verzichten.
Nach § 167 Abs. 2 Satz 2 SGB IX wird der Werks- oder Betriebsarzt hinzugezogen, soweit erforderlich. Bei der gemeinsamen Suche von Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach einer Beschäftigungsmöglichkeit im Betrieb, mit der bestehende Arbeitsunfähigkeit überwunden werden kann oder erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden kann, kann die Zuziehung eines Werks- oder Betriebsarztes regelmäßig sinnvoll und erforderlich sein, muss es aber nicht, weil beispielsweise hinreichende Entscheidungshilfen dazu bereits aus den Stellungnahmen der den Arbeitnehmer behandelnden Ärzte vorliegen oder weil es vor dem Hintergrund unstreitiger gesundheitlicher Einschränkungen der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers nur um Art und Ausmaß der Leistungen und Hilfen des Arbeitgebers geht. Schließlich muss es dem Arbeitnehmer auch möglich sein, auf die Zuziehung des Werks- oder Betriebsarztes ganz zu verzichten und selber die erforderliche arbeitsmedizinische Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit über einen Arzt seines Vertrauens im BEM-Verfahren beizubringen.
bbb. Nach diesen Grundsätzen genügten die Einladungsschreiben der Beklagten nicht den gesetzlichen Mindestanforderungen.
Dem BEM-Verfahren vorausgegangen war das Informationsgespräch vom 07.11.2016, zu dem die Klägerin mit Schreiben vom 28.10.2016 eingeladen worden war. Der Verlauf dieses Gespräches ist zwischen den Parteien streitig, insbesondere zu der Frage, ob die Klägerin in diesem Gespräch hinreichend aufgeklärt wurde im Zusammenhang mit dem möglichen Teilnehmerkreis. Einer Klärung bedurfte dies nicht. Denn bereits im Einladungsschreiben vom 10.11.2016 bestimmt die Beklagte einseitig das weitere Verfahren und den Teilnehmerkreis. Zum Teilnehmerkreis wird festgelegt, dass der Personalreferent, die Führungskraft, ein Betriebsratsmitglied und die Schwerbehindertenvertretung, soweit bei der Klägerin eine Schwerbehinderung oder Gleichstellung vorliegt, teilnehmen werden. Diese Festlegung wäre nur möglich, wenn die Klägerin im Informationsgespräch vom 07.11.2016 einen entsprechenden Willen bekundet hätte, dass ihre betriebliche Interessenvertretung beteiligt sein soll. Zum Verfahren wird festgelegt, dass sie sich vorab beim Werksarzt einzufinden hat zur Erstellung eines „positiven Leistungsprofils“. Beides kann in dieser bestimmenden Form nur möglich sein, wenn die Klägerin dazu im Informationsgespräch vom 07.11.2016 bereits ihr Einverständnis erteilt hätte. Dies behauptet die Beklagte selbst nicht. Sie macht nur geltend, in diesem Informationsgespräch wäre der Klägerin erläutert worden, dass der Teilnehmerkreis nicht einseitig vom Arbeitgeber festgelegt wird, sondern dieser nach den Wünschen der Klägerin definiert werden kann und die Klägerin in der Folgezeit auch entsprechend Einfluss genommen hätte. Die Klägerin hat dazu unwidersprochen vorgetragen, der Kreis der Teilnehmer am BEM-Verfahren sei in diesem Termin nicht festgelegt worden. Diesem wechselseitigen Vorbringen lässt sich nicht entnehmen, dass die Klägerin mit dem vorgeschalteten Verfahren der Vorstellung beim Werks- bzw. Betriebsarzt zur Erstellung des „positiven Leistungsprofils“ einverstanden war. Eben diese Vorstellung beim Betriebsarzt vorab war aber zwingend vorgesehen nach dem Einladungsschreiben vom 10.11.2016 wie auch nach dem beigefügten Formularschreiben zur Erklärung der Teilnahme am BEM-Verfahren. Diese formalisierte Teilnahmeerklärung sieht vor, dass der Arbeitnehmer durch Ankreuzen erklären kann, am BEM nicht teilzunehmen. Alternativ ist vorgesehen, dass der Arbeitnehmer ankreuzen kann, am BEM teilzunehmen und zur Erstellung eines „positiven Leistungsprofils“ einen Termin beim Werksarzt wahrzunehmen.
Auch beim Einladungsschreiben vom 16.12.2016 ist dieses Verfahren schon im Einladungsschreiben ausdrücklich vorgegeben. Bei den Einladungsschreiben vom 05.04.2017 und vom 15.05.2017 ergibt sich dieses vorgesehene Verfahren nicht mehr aus dem Einladungsschreiben selbst, sondern nur aus der beigefügten Teilnahmeerklärung.
Im Hinblick darauf, dass die Einladung der Klägerin zum BEM-Verfahren nicht ordnungsgemäß war, kommt es nicht darauf ob, ob die Klägerin gar nicht bereit war, an dem BEM-Verfahren konstruktiv mitzuwirken. Insoweit leitet die Beklagte auch nur aus der wiederholten Absage eines Termines zum BEM-Gespräch wegen Erkrankung durch die Klägerin deren fehlende Bereitschaft dazu ab. Dieser Schluss ist nicht zwingend. Die Klägerin kann auch nur rechtsirrig der Auffassung sein, sie könne vereinbarte Termine zum BEM-Gespräch nur deshalb absagen, weil sie arbeitsunfähig erkrankt ist.
Das fehlerbehaftete Einladen zum BEM-Verfahren steht dem Unterlassen eines BEM-Verfahrens gleich und führt dazu, dass eine Verschärfung der Darlegungs- und Beweislast der Beklagten hinsichtlich einer fehlenden alternativen und leidensgerechten Beschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin eingetreten ist. Dieser gesteigerten Darlegungslast ist die Beklagte nicht gerecht geworden. Sie hat nicht dargelegt, dass ein BEM-Verfahren in jedem Fall aussichtslos gewesen wäre.
Sie macht im Berufungsverfahren im Gegenteil geltend, dass der vorhandene und zugewiesene Arbeitsplatz leidensgerecht ist und den Vorgaben der Ärzte entspricht, die vom Inklusionsamt im Rahmen des Verfahrens nach § 168 SGB IX hinzugezogen wurden. Danach soll kein Kontakt mit Reizstoffen erfolgen, kein Akkord bestehen, keine Überkopfarbeit erforderlich sein sowie kein schweres Heben, Tragen, häufiges Bücken und keine Zwangshaltung. Diesem Vorbringen tritt die Klägerin grundsätzlich bei. Auch sie geht davon aus, dass ihre Beschäftigung nach den Arbeitsbedingungen leidensgerecht ist. Der Dissens der Parteien besteht nur hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit. Dabei geht die Klägerin von ihren subjektiven Vorstellungen aus, dass ein Abhusten der Verschleimungen im Zusammenhang mit der Asthmaerkrankung in den Vormittagsstunden ihrer Arbeitsfähigkeit in der Frühschicht entgegensteht, in der Spät- und Nachtschicht dagegen nicht. Darauf kann entscheidungserheblich nicht abgestellt werden, nachdem die behandelnden Ärzte überwiegend eine Beschäftigung in Früh- und Spätschicht für geeignet halten. Auf die subjektiven Vorstellungen der Klägerin, die möglicherweise auch geprägt sind von ihrer Situation als alleinerziehende Mutter, kommt es für die Frage des leidensgerechten Arbeitsplatzes jedoch nicht an. Entscheidend ist die ärztliche Beurteilung, die nach dem Widerspruchsbescheid übereinstimmend eine Beschäftigung in der Frühschicht bis Spätschicht befürwortet. Der über die Jahre gehandhabte Einsatz der Klägerin am leidensgerechten Arbeitsplatz in Wechselschicht in Früh- und Spätschicht hat aber, wie oben ausgeführt, noch zu keiner kündigungsrelevanten erheblichen Belastung der Beklagten geführt.
Die Berufung der Beklagten hat daher insgesamt keinen Erfolg.
III.
Der Beklagte trägt die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels, § 97 Abs. 1 ZPO.
IV.
Die Revision war nicht zuzulassen nach § 72 Abs. 1 und 2 Nr. 1 ArbGG.