Arbeitsrecht

Wirksamkeit eines Prozessvergleichs, Doppelnatur, kein Verstoß gegen gesetzliches Verbot, keine Nichtigkeit

Aktenzeichen  S 11 AS 70/15 FdV

Datum:
26.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Landshut
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGG SGG § 101 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit S 11 AS 79/14 durch den Vergleich der Beteiligten vom 28.08.2014 beendet ist.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung gemäß § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten hierzu angehört wurden.
Bei Streit über die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs ist das alte Verfahren, in dem der Vergleich geschlossen wurde, vor dem Gericht, vor dem das Verfahren anhängig war, fortzusetzen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 11. Auflage 2014, § 101 Rn. 17).
Hält das Gericht den Vergleich für wirksam, stellt es die Beendigung des Rechtsstreits fest. Anderenfalls entscheidet es in der Sache selbst.
Der am 28.08.2014 geschlossene Prozessvergleich ist wirksam.
Ein Prozessvergleich stellt nach herrschender Meinung eine Prozesshandlung der Beteiligten und gleichzeitig einen materiell-rechtlichen Vertrag dar (vgl. zu dieser Doppelnatur BSG, Urteil vom 26. April 1963 – 2 RU 228/59 -). Der Vergleich vom 28.08.2014 ist weder prozessrechtlich noch materiell-rechtlich unwirksam. Mängel der Prozesshandlung sind nicht ersichtlich. Durch die Erklärungen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 28.08.2014 haben die Beteiligten den Streit darüber beseitigt, in welcher Höhe die Kläger verpflichtet sind, Leistungen zu erstatten. Der Beklagte erklärte sich dazu bereit, vom Kläger lediglich 2.000,- EUR zu verlangen. Der Rechtsstreit ist folglich von den Beteiligten im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt worden.
Die Vereinbarung ist auch nicht aus anderen Gründen unwirksam. Insbesondere verstößt der Vergleich nicht gegen § 101 Abs. 1 SGG. Danach können die Beteiligten einen Vergleich nur schließen, soweit sie über den Gegenstand der Klage verfügen können (vgl. Meyer-Ladewig, aaO, § 101 Rn. 7af). Eine Behörde darf sich nicht zur Gewährung von Leistungen verpflichten, für welche die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind. Gleichwohl ist ein materiell-rechtlich unrichtiger Prozessvergleich nicht ohne weiteres unwirksam. Denn es muss bereits zwischen der Zulässigkeit und der Wirksamkeit eines materiell-rechtlich fehlerhaften Prozessvergleichs unterschieden werden. Das „Verfügen-können“ i.S. des § 101 SGG deckt sich nicht mit dem „Verfügen-dürfen“ (BSG, Urteil vom 17. Mai 1989 – 10 RKg 16/88 -).
Soweit Meinungsverschiedenheiten, die in der Frage des Bestehens eines Rechtsverhältnisses oder der sich daraus ergebenden Ansprüche und Verpflichtungen hervorgetreten sind, durch eine vergleichsweise Regelung ganz oder teilweise beigelegt werden, ist eine Regelung dennoch wirksam, auch wenn sie inhaltlich dem objektiven Recht widerspricht. Die Unwirksamkeit eines Vergleichs ist nur dann anzunehmen, wenn sein Inhalt gegen ein gesetzliches Verbot (vgl. §§ 134, 138 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) verstößt, nicht aber, soweit sein Inhalt mit sonstigen materiell-rechtlichen Vorschriften ganz oder teilweise im Widerspruch steht (vgl. Meyer-Ladewig, aaO). Denn nicht jede zwingende Norm des Verwaltungsrechts oder Sozialrechts hat die Bedeutung eines Verbotsgesetzes im Sinne von § 134 BGB (BSG aaO).
Ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot kann nicht erkannt werden.
Soweit der Kläger die Nichtigkeit des Vergleichs durch Anfechtung geltend gemacht hat, liegen deren Voraussetzungen ebenfalls nicht vor.
Eine Nichtigkeit gemäß § 142 BGB nach einer Anfechtung scheidet aus. Denn zum einen lag bei den Klägern bereits kein beachtlicher Rechts- oder Inhaltsirrtum vor, zum anderen ist die Anfechtung nicht unverzüglich erklärt worden.
Der Vergleich ist auch nicht gemäß §§ 58 Abs. 1, 54 SGB X i.V.m. § 779 BGB unwirksam. Hiernach wäre ein Vergleich unwirksam, wenn der nach dem Inhalt des Vertrags als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht. Dafür ist nichts ersichtlich.
Soweit der Kläger darlegt, das Gericht habe den Vergleich nicht hinreichend begründet oder unzutreffend formuliert, fehlt es zum einen an einer Pflicht des Gerichts einen Vergleich, den die Beteiligten schließen, zu begründen.
Der in der mündlichen Verhandlung vom 28.08.2014 geschlossene Vergleich einschließlich der übereinstimmenden Erledigterklärung der Beteiligten wurde ordnungsgemäß in der Sitzungsniederschrift protokolliert, vorgelesen und von den Beteiligten genehmigt sowie von dem Vorsitzenden und der Urkundsbeamtin unterschrieben. Anhaltspunkte für Geschäfts- oder Prozessunfähigkeit eines Beteiligten bestehen nicht. Außerdem wurden die Kläger durch eine Rechtsanwältin vertreten und haben sich laut Protokoll mit dieser besprochen.
Nach alledem ist der Prozessvergleich nicht nachträglich weggefallen. Der Rechtsstreit ist folglich durch Vergleich beendet worden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 105 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit § 193 SGG und folgt dem Ergebnis des Rechtsstreits in der Hauptsache. Eine Kostenregelung wurde im Vergleich vom 28.08.2014 getroffen.…

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