Aktenzeichen 8 Ca 13085/18
Leitsatz
Tenor
I. Die Klagen werden abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Rechtstreits zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf € 2.807,47 festgesetzt.
IV. Die Sprungrevision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Klagen sind zulässig, aber unbegründet.
I.
Die Klagen sind zulässig, namentlich ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für die Leistungsklagen nach § 2 Abs. I Nr. 3 lit.a) ArbGG eröffnet und das Arbeitsgericht München als das am Sitz der Beklagten nach §§ 46 Abs. II ArbGG, 12, 17 ZPO für die Entscheidung zuständig.
II.
Die Klagen haben keinen Erfolg: Die Kläger können keine weitere Zahlung von Zuschlägen und keinen zusätzlichen Urlaub von den Beklagten verlangen.
1. Die Kläger haben keinen Anspruch auf (weitere) Zulagen nach § 8 Abs. 5 TVöD-AT.
a. Die tarifvertragliche Regelung findet aufgrund allseitiger Verbandszugehörigkeit Anwendung.
b. Der Anspruch ist nicht gegeben. Er setzt ständige Wechselschichtarbeit voraus. Daran fehlt es bei beiden Klägern.
(1) Nach § 8 Abs. 5 TVöD erhalten Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit leisten, eine Wechselschichtzulage von € 105.- monatlich.
Wechselschichtarbeit ist nach der Definition in § 7 Abs. 1 TVöD-AT die Arbeit nach einem Schichtplan ist, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten, bei denen der Arbeiter durchschnittlich längstens nach Ablauf eines Monats erneut zur Nachtschicht herangezogen wird, vorsieht. Dabei sind Wechselschichten als wechselnde Arbeitsschichten zu verstehen, in denen ununterbrochen „rund um die Uhr“ an allen Tagen des Jahres gearbeitet wird, Nachtschichten als solche, in denen mindestens zwei Stunden der Arbeit in der Nachtzeit zwischen 21 und 6 Uhr (§ 7 Abs. 5 TVöD-AT) liegen.
Unerheblich ist, in wie viele Schichten der 24-Stunden-Tag aufgeteilt wird oder ob in allen Schichten der Arbeitsanfall gleich groß ist und deshalb in jeder Schicht die gleiche Anzahl von Arbeitnehmern arbeitet. Die Arbeit muss nach einem Dienst- oder Schichtplan erfolgen, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten im genannten Sinn vorsieht. Der Beschäftigte muss schließlich zur Arbeit in allen Schichtarten eingesetzt und durchschnittlich längstens nach Ablauf eines Monats erneut zur Nachtschicht herangezogen werden (BAG v. 16.10.2013, 10 AZR 1053/12 Rz. 43- zitiert nach juris; BAG v. 13.01.2016, 10 AZR 792/14 Rz.16 – zitiert nach juris). Dabei kann regelmäßig auf einen Zeitraum von zwölf Kalendermonaten abgestellt werden, solange sich nicht aus betrieblichen Regelungen Anhaltspunkte für einen anderen Zeitraum ergeben (BAG 16.10.2013 – 10 AZR 1053/12 Rz. 52 – zitiert nach juris).
Ständig ist die Wechselschichtarbeit, wenn dem Beschäftigten diese Art von Tätigkeit kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung oder kraft Direktio(nsrechts dauerhaft und nicht lediglich vertretungsweise zugewiesen ist BAG v. 13.01.2016, 10 AZR 792/14 Rz.16 – zitiert nach juris).
(2) Vorliegend sind diese Voraussetzungen nicht gegeben: es fehlt an einem ständigen Einsatz der Kläger in Wechselschichtarbeit.
(a) Anders als die Beklagten sieht die Kammer zwar nur einen Arbeitsbereich gegeben.
Die Betriebsvereinbarungen vermögen keinen Bereich zu definieren; denn dem Wortverständnis nach bestimmt sich dieser nach den funktionellen, personellen und örtlichen Gegebenheiten, nicht aber nach der Arbeitszeit. Dem entspricht die höchstrichterliche Rechtsprechung, die die ersten drei Kriterien, nicht aber das letzte zitiert (BAG v. 13.01.2016, 10 AZR 792/14 Rz.18 – zitiert nach juris).
Im hiesigen Fall ist der Arbeitsbereich des Bodenverkehrsdienstes X. zu allen Uhrzeiten derselbe. Er besteht aus den Mitarbeitern der Bereiche Bus und Fracht und ist örtlich durch den Flughafen BStadt beschrieben. Dass nicht alle Mitarbeiter in der Zeit zwischen 1 und 3 Uhr eingesetzt werden, macht die Arbeit in diesem Zeitfenster nicht zu einem anderen Bereich. Dem entspricht auch die Diktion der Betriebspartner, die in Ziffer 2.3 der BV-WS von den Bereichen sprechen, in denen Freiwillige im Sinne der Vereinbarung nötig seien. Ein neuer, gewissermaßen „Notbereich“ sollte durch die Vereinbarung nicht geschaffen werden.
(b) Ebenfalls anders als die Beklagte geht die Kammer von einem einheitlichen Schichtplan dieses Arbeitsbereichs aus.
Die Arbeit des Bereichs Bodenverkehrsdienstes X ist in Schichten rund um die Uhr an 7 Tagen in der Woche ganzjährig organisiert. Dabei ist unerheblich, ob dies formell in zwei körperlich voneinander getrennten Plänen geschieht oder in einem Schriftstück zusammengefasst ist: Wie die Aufspaltung der Funktionseinheit X. in zwei Bereiche nach der Uhrzeit – 1 bis 3 Uhr einer- und 3 bis 1 Uhr andererseits – künstlich erscheint, ist die Darstellung der Einsätze in diesen Zeiten in zwei körperlichen Dienstplänen nicht maßgeblich (BAG v. 13.01.2016, 10 AzR 792/14 Rz.20 – zitiert nach juris).
(c) Vorliegend fehlt es jedoch an einer auch nur möglichen Einsetzbarkeit der Kläger zu allen Zeiten nach diesem einen Schichtplan.
Mit den Klägern geht die Kammer davon aus, dass es nicht auf den tatsächlichen Einsatz zu allen Zeiten ankommt, sondern allein auf einen Einsatz in allen tariflichen Schichtenarten (BAG v. 16.10.2013, 10 AZR 1053/12 Rz.43ffzitiert nach juris). Damit soll vermieden werden, dass durch feinziselierte Aufspaltung der Schichten – in der zitierten Entscheidung 96 – eine Zahlung unterbleibt, während die Belastung durch die wechselnde Einsetzbarkeit gegeben ist (ebenso BAG v. 16.10.2013, 10 AZR 1053/12 Rz.48 – zitiert nach juris).
Vorliegend aber fehlt es nicht allein an einem tatsächlichen Einsatz der Kläger zu allen Zeiten, sondern weitergehend an ihrer Einsetzbarkeit: Nach Ziffer 5.4. BV-AZ und 2.2. BV-WS scheidet ihre Einteilung zwischen 1 und 3 Uhr aus, weil sie nicht der Freiwilligenliste angehören. In diesem Fall aber stehen sie nicht im Risiko, wechselnd rund um die Uhr gefordert zu sein. In dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall war dies aber gegeben: die Mitarbeiter konnten alle zu jeder Zeit herangezogen werden.
Dass der Einsatz der Mitarbeiter rund um die Uhr rechtlich möglich ist, ist Anspruchsvoraussetzung. Die Zulage ist Kompensation echter Belastung durch die Disponibilität rund um die Uhr, nicht Aufwertung einer Zugehörigkeit zu einem Bereich, in dem rund um die Uhr gearbeitet wird. Entsprechend hat das Bundesarbeitsgericht bei der Frage des ständigen Einsatzes darauf abgestellt, dass dieser nicht nur vertretungsweise, sondern nach dem Arbeitsvertrag dauerhaft stattfinden kann (BAG v. 13.01.2016, 10 AZR 792/14 Rz.16 – zitiert nach juris). Wenn dies aber für die Dauer vorliegen soll, dann ist dieses Kriterium für den Anspruch selbst vorausgesetzt.
Anders als die Kläger sieht die Kammer dieses Verständnis nicht als Raum für Missbrauch der Gestaltungsform und Unterlaufen der tariflichen Regelung. Die Arbeitnehmer, die sich nicht freiwillig melden, sind eben nicht rund um die Uhr einzusetzen. Ein Rückgriff auf sie ist nach der insofern unbestrittenen Angabe der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 24.06.2019 angesichts der ausreichenden Freiwilligen- und Nachrückerliste nicht zu gewärtigen.
Dazu kommt, dass dieses Arbeitszeitmodell Gegenstand einer Absprache der Betriebsparteien war; es wäre Sache des Betriebsrats gewesen, einer solche Herausnahme von Zeiten entgegenzutreten, wenn er die Belastung der zu den übrigen Nachtzeiten eingesetzten Arbeitnehmer der in diesem Zeitfenster tätigen vergleichbar gefunden hätte. So hat er die Differenzierung mitbegründet.
2. Die Kläger können auch nicht mit Erfolg weitere drei Urlaubstage von den Beklagten verlangen.
Die Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 lit.a TVöD-AT sind nicht gegeben.
Danach ist ständige Wechselschichtarbeit nach § 7 Abs. 1 TVöD sowie der Anspruch auf Zulage nach § 8 Abs. 5 S. 1 TVöD-F nötig. An letzterem fehlt es nach den obigen Darstellungen.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 ZPO : Die Kläger haben als unterliegende Parteien die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Streitwert berücksichtigt für die Klagen die geltend gemachten Summen sowie den Wert der verlangten Freistellung bei einem für den einzelnen Urlaubstag zugrundegelegten Wert von € 207,70.
IV.
Gegen diese Entscheidung steht den Klägern als den unterliegenden Parteien nach § 64 Abs. II lit. b) ArbGG das Rechtsmittel der Berufung dann offen, wenn der Wert der Beschwer € 600,- übersteigt. Dazu wird auf die anliegende Rechtsmittelbelehrungverwiesen.
Für eine Zulassung der Sprungrevision, wie die Parteien sie übereinstimmend beantragt haben, sah die Kammer keine Veranlassung und keinen Raum.
Nach § 76 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG ist sie dann zuzulassen, wenn es um die AUslegung eines Tarifvertrags geht.
Vorliegend sind nach dem Verständnis der Kammer alle Auslegungsfragen höchstrichterlich entschieden, so dass es um die Anwendung dieser Auslegungen auf die konkreten Fallkonstellation ging. Für eine solche aber sind vorrangig die Tatsacheninstanzen zuständig.