Arbeitsrecht

Zeitpunkt für die Bestimmung von Grund und Höhe der Urlaubsabgeltung

Aktenzeichen  5 A 392/19 MD

Datum:
22.2.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG Magdeburg 5. Kammer
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:VGMAGDE:2022:0222.5A392.19MD.00
Normen:
§ 7 UrlV ST 2014
§ 7 UrlV ST 2014
Spruchkörper:
undefined

Leitsatz

Nach § 7 Abs. 4 Satz 1 UrlVO LSA (juris: UrlV ST 2014) ist für die Bestimmung von Grund und Höhe des Urlaubsabgeltungsanspruches auf den Zeitpunkt des Eintritts in die Freistellungsphase der Altersteilzeit abzustellen.(Rn.13)

Tenor

Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin Urlaubsabgeltung für weitere 13 Tage aus dem Jahr 2016 zu gewähren. Der Bescheid der Beklagten vom 05.07.2019 und ihr Widerspruchsbescheid vom 16.10.2019 werden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche auf Urlaubsabgeltung geltend. Sie war bei der beklagten Stadt im Range einer Stadtamtsfrau (BesGr A 11 LBesO) beschäftigt. Ihr wurde Altersteilzeit mit einer Ansparphase vom 31.12.2016 bis zum 30.12.2017 und einer Freistellungsphase vom 31.12.2017 bis 31.12.2018 bewilligt. Im Anschluss trat sie in den Ruhestand. Im Jahr 2016 nahm die Klägerin 7 Tage Erholungsurlaub. Den weiteren Jahresurlaub in Höhe von 23 Tagen konnte sie krankheitsbedingt nicht antreten. Entsprechendes galt für den Jahresurlaub für das Jahr 2017.
Auf den Urlaubsabgeltungsantrag der Klägerin gewährte die Beklagte der Klägerin für 20 Tage Mindesturlaub aus dem Jahr 2017 2.927,80 €, die sie i. H. v. 679,26 € mit Rückforderungsansprüchen wegen einer Besoldungsüberzahlung verrechnete. Ferner stellte sie fest, dass der Klägerin für das Jahr 2016 keine Abgeltungsansprüche zustünden. Die Urlaubsansprüche für das Jahr 2016 seien verfallen, weil die Klägerin den Urlaub nicht bis zum 30.09.2017 in Anspruch genommen habe. Dass die Klägerin den Urlaub krankheitsbedingt nicht habe antreten können, ändere nichts, weil der Urlaub dann bis zum 31.03.2018 hätte angetreten werden müssen.
Mit dem an die Bürgermeisterin gerichteten Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie habe Anspruch auf die Abgeltung des Urlaubs aus dem Jahr 2016, weil der Urlaubsanspruch im Zeitpunkt des Eintritts in die Freistellungsphase der Altersteilzeit noch nicht verfallen gewesen sei. Für das Jahr 2017 habe sie Anspruch auf Abgeltung des Jahresurlaubs von 30 Tagen.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.10.2019, zugestellt am 18.10.2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Widerspruch sei zulässig, auch wenn er an die namentlich bezeichnete Bürgermeisterin persönlich gerichtet sei, weil er in der Dienststelle eingegangen sei und davon ausgegangen werden dürfe, dass der Widerspruch an die Bürgermeisterin in ihrer Eigenschaft als Hauptverwaltungsbeamtin der Beklagten gerichtet sei. Der Widerspruch sei unbegründet. Urlaubsabgeltungsansprüche könne die Klägerin nur im Umfang des unionsrechtlichen Mindesturlaubs geltend machen. Wegen der für das Jahr 2016 geltend gemachten Ansprüche wiederholte die Beklagte ihre Begründung aus dem angefochtenen Bescheid.
Mit der dagegen am 18.11.2019 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin Ansprüche wegen der Abgeltung von 13 Urlaubstagen für das Jahr 2016 weiter und macht geltend, der Urlaubsanspruch sei im maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts in die Freistellungsphase der Altersteilzeit nicht erloschen gewesen.
Sie beantragt,
die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 05.07.2019 und ihres Widerspruchsbescheides vom 16.10.2019 zu verpflichten, der Klägerin Urlaubsabgeltung für weitere 13 Urlaubstage aus dem Jahr 2016 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint, der Klägerin stünden Ansprüche für Urlaubstage aus dem Urlaubsjahr 2016 nicht zu, weil sie den Urlaub nicht bis zum Ablauf der aufgrund ihrer Erkrankung kraft Gesetzes verlängerten Ausschlussfrist zum 31.03.2018 in Anspruch genommen habe.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig. Das vor Erhebung der Klage durchzuführende Widerspruchsverfahren (vgl. § 68 VwGO) ist ordnungsgemäß abgeschlossen worden. Dass die Klägerin den Widerspruch an die im Adressfeld namentlich bezeichnete Bürgermeisterin gerichtet hat, ändert an der Zulässigkeit des Widerspruchs nichts. Dass die Bürgermeisterin der beklagten Stadt in ihrer Eigenschaft als Amtswalterin der Beklagten angesprochen worden ist, ergibt sich klar und deutlich aus dem Inhalt des Widerspruchs, mit dem sich die Klägerin gegen die teilweise Ablehnung ihrer Urlaubsabgeltungsansprüche wendet.
Die statthafte Verpflichtungsklage ist begründet, weil die Ablehnung des beantragten Verwaltungsaktes rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Abgeltung des Erholungsurlaubs ist § 7 Abs. 4 Satz 1 UrlVO LSA. Danach ist krankheitsbedingt vor Eintritt in die Freistellungsphase der Altersteilzeit nicht genommener Erholungsurlaub von Amts wegen im Rahmen des unionsrechtlich zu gewährleistenden Mindestjahresurlaubs von 4 Wochen abzugelten, soweit er nicht verfallen ist. Im maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts der Klägerin in die Freistellungsphase der Altersteilzeit am 31.12.2017 war der im Jahr 2016 entstandene Mindesturlaubsanspruch in einem Umfang von 7 Urlaubstagen erfüllt. Im Übrigen – für weitere 13 Tage – war der im Jahr 2016 entstandene Mindesturlaubsanspruch nicht abgegolten und in dem nach der Regelung maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts in die Freistellungsphase der Altersteilzeit am 31.12.2017 entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht verfallen. Gemäß § 7 Abs. 2 UrlVO LSA verfällt Erholungsurlaub, der nicht innerhalb von 9 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres genommen worden ist. Der im Jahr 2016 entstandene Urlaub wäre demnach am 01.09.2017 verfallen. Indes sieht § 7 Abs. 3 Satz 1 UrlVO LSA eine Ausnahme vor. Danach verfällt Erholungsurlaub nicht, soweit er wegen Erkrankung bis zum Ablauf der Verfallfrist nach § 7 Abs. 2 UrlVO LSA nicht genommen werden konnte. Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass die Klägerin infolge andauernder Erkrankung gehindert gewesen ist, ihren im Jahr 2016 entstandenen Urlaub bis zum 01.09.2017 in Anspruch zu nehmen.
Zwar verfällt der Urlaubsanspruch gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 UrlVO LSA nach Ablauf weiterer 6 Monate, wenn er nicht innerhalb dieser Frist angetreten wurde. Es kann dahinstehen, ob der Urlaubsanspruch der Klägerin unter Zugrundelegung dieser Regelung am 31.03.2018 verfallen wäre. Abzustellen ist für den Urlaubsabgeltungsanspruch auf den Zeitpunkt des Eintritts in die Freistellungsphase der Altersteilzeit. Das war im vorliegenden Fall der 31.12.2017. Der in diesem Zeitpunkt vorhandene Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2016 im Umfang von 13 Urlaubstagen ist nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 4 Satz 1 UrlVO LSA abzugelten. Das entspricht auch dem Zweck der Regelung. In der Freistellungsphase der Altersteilzeit ist der Beamte genauso wie beim Eintritt in den Ruhestand zur Dienstleistung nicht verpflichtet. Deshalb macht es keinen Sinn, ihn durch Gewährung von Erholungsurlaub unter Fortzahlung der Bezüge von der Dienstleistungspflicht zu befreien. Dass der dem Grunde und der Höhe nach im Zeitpunkt des Eintritts des Beamten in den Ruhestand feststehende Abgeltungsanspruch erst fällig wird, wenn der Anspruch durch Bescheid in betragsmäßiger Höhe festgestellt worden ist, ändert nichts daran, dass der maßgebliche Zeitpunkt für die Bestimmung von Grund und Höhe des Anspruchs nach § 7 Abs. 4 Satz 1 UrlVO LSA der Zeitpunkt des Eintritts in die Freistellungsphase der Altersteilzeit ist und bleibt. Das folgt nicht zuletzt auch aus § 7 Abs. 4 Satz 4 UrlVO LSA, wonach der Urlaubsabgeltungsanspruch sich nach der durchschnittlichen gewöhnlichen Besoldung der letzten 3 Monate vor Eintritt in die Freistellungsphase der Altersteilzeit berechnet. Auch hier wird für die Bestimmung der Höhe des Urlaubsabgeltungsanspruchs auf den Zeitpunkt des Eintritts in die Freistellungsphase der Altersteilzeit abgestellt. Dieser Zeitpunkt fixiert nach der gesetzlichen Regelung somit abschließend die Sachlage, nach der Grund und Höhe des Anspruchs zu bestimmen sind.
Entgegen der Auffassung der Beklagten steht dem die Entscheidung des Gerichts vom 12.02.2019 – 5 A 12/19 MD – nicht entgegen. Der dort entschiedene Fall ist mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Denn dort war der Urlaub des Beamten im Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand bereits verfallen. Hier indes wäre der Urlaubsabgeltungsanspruch der Klägerin erst nach dem Eintritt in die Freistellungsphase der Altersteilzeit zum 31.12.2017 verfallen. Dass die Klägerin erst mit Ablauf des 31.12.2018 in den Ruhestand getreten ist, ändert nichts, weil der Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 UrlVO LSA im Zeitpunkt des Eintritts in die Freistellungsphase der Altersteilzeit oder vor Beendigung des Beamtenverhältnisses entsteht. Wenn in dem Urteil des Gerichts vom 12.02.2019 – 5 A 12/19 MD – auf den Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand abgestellt worden ist, so liegt dies daran, dass in dem dort entschiedenen Fall dem Eintritt in den Ruhestand eine Altersteilzeit nicht vorangegangen war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Verfahren im ersten Rechtszug auf 2.000,- € festgesetzt.
Gründe
Die Bemessung der Höhe des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.

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