Arbeitsrecht

Zulage und Zusatzurlaub wegen Wechselschichtarbeit

Aktenzeichen  6 Sa 513/19

Datum:
28.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 12327
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
TVG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1
TVÜ-VKA § 23 Abs. 2
BMT-G § 24, § 67 Nr. 44
TVöD-AT § 7 Abs. 1 S. 3, Abs. 5, § 8 Abs. 5, Abs. 6, § 27 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Arbeitnehmer erhalten nach § 23 Abs. 2 TVÜ-VKA i.V.m. § 24 BMT-G eine Wechselschichtzulage, wenn sie nach einem Schichtplan zur Arbeit eingeteilt werden und Wechselschichtarbeit leisten müssen. Dafür ist es nicht erforderlich, dass sie tatsächlich in allen Schichten eingesetzt werden, sondern es reicht hin, dass sie in allen Schichtarten eingesetzt werden können. (Rn. 60)
2. Arbeitnehmer müssen allerdings regelmäßig monatlich einmal in Nachtschicht tätig werden. Es kommt allein auf die Einteilung zur Nachtschicht an, nicht darauf, ob diese tatsächlich geleistet worden war oder ggf. wegen Urlaubs, Krankheit oder Arbeitskampf ausgefallen war. (Rn. 49 – 50 und 54)
3. Nachtschichtarbeit liegt dann vor, wenn Arbeitnehmer “rund um die Uhr” eingesetzt werden können. Davon ist nicht die Rede, wenn sie in einem Zeitraum (hier: 01:00 Uhr bis 03:00 Uhr) nicht einplanbar sind; unerheblich ist, dass sie in dieser nur deswegen nicht eingeplant werden können, weil sie eine mögliche Option, auch zu dieser Zeit zu arbeiten, nicht ergriffen haben. Der Umstand, dass sie in erheblichem Umfang in Schichten arbeiten, die mehr als zur Hälfte während der tariflichen Nachtzeit abgeleistet werden, ändert daran nichts. (Rn. 60 – 63)
4. Erhalten Arbeitnehmer keine Wechselschichtzulage, steht ihnen auch kein Zusatzurlaub wegen Wechselschichtarbeit nach § 27 Abs. 1 TVöD-F zu. (Rn. 66)

Verfahrensgang

8 Ca 13087/18 2019-01-28 Endurteil ARBGMUENCHEN ArbG München

Tenor

I. Die Berufung der Kläger gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 28.01.2019 – 8 Ca 13087/18 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II. Die Revision wird hinsichtlich der Klage des Klägers zu 2 zugelassen; im Übrigen wird sie nicht zugelassen.

Gründe

Die statthaften Berufungen bleiben in der Sache ohne Erfolg.
I.
Die Berufungen sind nach § 64 Abs. 2 lit. b ArbGG statthaft und zulässig. Sie wurden form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 519 Abs. 2, § 520 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 66 Abs. 1 Sätze 1, 2, 5 ArbGG, § 222 ZPO).
II.
In der Sache bleiben die Berufungen ohne Erfolg.
Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht die geltend gemachten Ansprüche der beiden Kläger auf die Zahlung von Wechselschichtzulagen und zusätzlichen Urlaub wegen der Ableistung von Wechselschicht verneint. Denn die Klageparteien leisten keine Wechselschicht i.S.v. § 23 Abs. 2 TVÜ-VKA, § 24 BMT-G. So hat der Kläger zu 1 bereits nicht in erforderlichem Umgang Nachtarbeit geleistet. Der Kläger zu 2 hatte zwar Nachtarbeit im erforderlichen Umfang geleistet, war aber nicht, wie für Wechselschicht erforderlich, „rund um die Uhr“ einsetzbar gewesen.
1. Die Klagen sind zulässig.
Wenngleich diese am Tag des Abschlusses der BV-AZ und BV-WS auch eine Musterklagevereinbarung in Form einer Regelungsabrede (Anlage K30, Bl. 122 ff. d. A.) abgeschlossen haben, nimmt die erkennende Kammer noch an, dass die Kläger bzw. die dahinter stehenden Betriebspartner damit noch nicht ausschließlich prozessfremde Zwecke verfolgen.
a. Einer Klage fehlt das Rechtsschutzinteresse, wenn die Parteien mit ihr ausschließ lich betriebsfremde Zwecke verfolgen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn kein konkreter Streit entschieden, sondern den Parteien z.B. lediglich ein Gutachten erstattet werden soll. Ein nur auf die Klärung einer isolierten Rechtsfrage gerichteter (Feststellungs-)Antrag ist unzulässig, da die Gerichte nicht zur Erstellung eines Rechtsgutachtens berufen sind (BAG v. 19. 10. 2011 – 4 ABR 116/19, NZA-RR 2012, 417 Rz. 45; BAG v. 3. 5. 2006 – 1 ABR 63/04, NZA 2007, 285 – AP ArbGG 1979 § 81 Nr. 61). Ein bloßes Interesse an der Klärung streitiger Vorfragen ist nicht ausreichend (BAG 19. 10. 2011, a.a.O.; BAG v. 28. 4. 2009 – 1 ABR 7/08 – AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 99). Es bedarf aber jeweils konkreter Indizien, die im Rahmen einer Gesamtwürdigung einen sicheren Schluss erlauben, die Klage diene ausschließlich prozesszweckfremden Zielen (BGH v. 21. 10. 2016 – V ZR 230/15, NJW 2017, 674 Rz. 23).
b. Angesichts der zeitlichen Abfolge der Unterzeichnung der beiden Betriebsvereinba rungen und der Musterklagevereinbarung (Unterzeichnung am selben Tag) spricht vieles dafür, dass die Parteien primär die Klärung einer bereits in den Verhandlungen über die Betriebsvereinbarungen streitig gebliebenen Rechtsfrage im Wege der gutachterlichen gerichtlichen Entscheidung über die Auslegung der abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen begehren. Dafür spricht auch, dass die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende am Verfahren neben dem Kläger zu 1 hatte teilnehmen wollen, obschon ihr unter keinem denkbaren Gesichtspunkt eine wie auch immer geartete Funktion in diesen Klageverfahren zukommt.
Allerdings haben die beiden Kläger bereits über einen längeren Zeitraum ihre Arbeitsleistung tatsächlich erbracht. Von daher ist ein individuelles Interesse beider an der Entscheidung über einen ihnen evtl. zustehenden höheren Urlaubsanspruch und die ihnen evtl. zustehende Wechselschichtzulage durchaus ebenso gegeben. Zudem ist trotz der Vereinbarung in Nr. 2.1 der Musterklage-Regelungsabrede, derzufolge die Musterkläger von den Betriebspartnern ausgewählt werden, nicht zu erkennen, dass die beiden Kläger in diesem Verfahren nur als „Marionetten“ vorgeschoben worden waren. Das Gericht kann nicht erkennen, dass die Auswahl ggf. auch gegen den Willen der (potenziellen) Klageparteien hätte erfolgen können. Damit ist diesen, wie insbesondere auch den Klägern des vorliegenden Verfahrens, auch ein eigenes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits (noch) anzuerkennen.
2. In der Sache bleiben die Klagen ohne Erfolg.
Die Kläger haben keinen Anspruch auf Bezahlung von Wechselschichtzulagen nach § 23 Abs. 2 TVÜ-VKA vom 13. Sept. 2005 i.V.m. § 24 BMT-G vom 31. Jan. 1962 i.d.F. v. 1. Juli 1981. Die BV-WS verweist in ihrer Nr. 5 nur klarstellend auf die Tarifnormen. Der Kläger zu 1 hat bereits nicht im erforderlichen Umfang im zurückliegenden Zeitraum von 1 Jahr Nachtarbeit geleistet, weswegen keine Wechselschichtarbeit im tariflichen Sinne gegeben ist. Der Kläger zu 2 hat aber ebenso, obschon in hinreichendem Umfang ein Einsatz auch in Nachtschicht gegeben war, keine Wechselschichtarbeit erbracht, da er nicht „rund um die Uhr“ hatte eingesetzt werden können, also deswegen keine Wechselschichtarbeit gegeben ist.
a. Der Tarifvertrag findet kraft beidseitiger Tarifbindung auf die Arbeitsverhältnisse Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG). Die beiden Klageparteien waren bereits vor dem Stichtag des 30. Sept. 2005 beschäftigt.
b. Der Kläger zu 1 hat keinen Anspruch auf Wechselschichtzulagen im vorstehenden Sinne, da er im zurückliegenden repräsentativen Zeitraum von 1 Jahr nicht im erforderlichen Umfang Nachtarbeit geleistet hatte.
aa. § 67 Nr. 44 BMT-G definiert die Wechselschichtarbeit als Arbeit nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten vorsieht, bei denen der Arbeiter durchschnittlich längstens nach Ablauf eines Monats erneut zur Nachtschicht herangezogen wird.
Als Nachtschicht im Sinne sind nur Schichten anzuerkennen, bei denen der Anteil der Nachtarbeit wesentlich, d.h. in der jeweiligen Schicht zeitlich überwiegend ist (BAG v. 16. 10. 2013 – 10 AZR 1053/12, NZA-RR 2014, 361). Allein ein solches Verständnis entspreche, nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts, dem allgemeinen Sprachgebrauch einer Nachtschicht (BAG 7. 9. 1994 – 10 AZR 766/93, NZA 1995, 586). Dieser Ansicht schließt sich die erkennende Kammer an.
bb. § 7 Abs. 1 Satz 3 TVöD-F findet entgegen der Ansicht des Klägers keine Anwendung. Danach sind Schichten bereits dann als Nachtschicht anzusehen, wenn sie 2 Stunden Nachtarbeit umfassen. Diese Norm kommt allerdings erst ab der Überleitung des BMTG in den TVöD zur Anwendung. Auf bestandsgeschützte Arbeitsverhältnisse nach § 23 Abs. 2 TVÜ-VKA ist sie nicht anzuwenden, wie sich nach Auslegung dieser Vorschrift ergibt:
(1) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags erfolgt nach den bestehenden Regeln zur Auslegung von Gesetzen. Auszugehen ist zunächst vom Wortlaut des Tarifvertrages. Dabei ist der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Tarifwortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, wenn und soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Ferner ist auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, aus dem sich Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien ergeben können und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend zu ermitteln ist. Ergeben sich hieraus keine zweifelsfreien Auslegungsergebnisse, so können ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien, wie etwa die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung, ergänzend herangezogen werden. Jeweils ist aber die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse zu berücksichtigen, wobei im Zweifel derjenigen Tarifauslegung der Vorzug gebührt, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG v. 12. 8. 2015 – 7 AZR 592/13, NZA 2016, 173 Rz. 16; ferner BAG v. 10. 2. 2015 – 3 AZR 904/13, juris Rz. 27; BAG v. 22. 1. 2014 – 7 AZR 243/12, NZA 2014, 483 Rz. 28).
(2) Nach dem Wortlaut von § 23 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-VKA finden die Definitionen des § 7 Abs. 1 TVöD-F auf „alle übrigen Beschäftigten“, also alle Beschäftigten, die nicht unter Satz 1 fallen, Anwendung. Damit bringt die Norm hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass § 7 Abs. 1 TVöD-F nur auf die nicht bestandsgeschützten Arbeitsverhältnisse anzuwenden ist.
(3) Nichts anderes folgt aus dem zu berücksichtigenden wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien und dem damit beabsichtigten Sinn und Zweck der Tarifregelung, soweit er im Tarifvertrag seinen Niederschlag gefunden hat (BAG v. 12. 9. 1984 – 4 AZR 336/82, NZA 1985, 62). Mit der Bestandsschutzregelung erstrebten diesem die bisherige Rechtslage für die zum 30. Sept. 2005 bereits bestandenen Arbeitsverhältnisse aufrechtzuerhalten Demgegenüber regelt § 8 Abs. 5, 6 i.V.m. § 7 TVöD-F die Wechselschichtzulagen in einem eigenständigen System neu, wie schon daraus folgt, dass § 7 Abs. 5 TVöD-F die Nachtarbeit abweichend von § 67 Nr. 27 BMT-G regelt. Nach der Regelung des BMT-G ist dies die Arbeit zwischen 20:00 Uhr und 6:00 Uhr des Folgetages (§ 67 Nr. 27 BMT-G), während § 7 Abs. 5 TVöD-F Nachtarbeit zwischen 21:00 Uhr und 6:00 des Folgetages festlegt. Auch daraus folgt, dass die Nachtarbeit nur für die keinen Bestandsschutz genießenden Arbeitnehmer neu festgelegt werden sollte.
(3) Unerheblich ist es, entgegen der Ansicht der Beklagten, ob die nach dem Schichtplan vorgesehenen Schichten tatsächlich geleistet worden waren oder diese wegen Krankheit, Urlaub oder Arbeitskampf beispielsweise ausgefallen waren. Nach § 67 Nr. 44 BMTG kommt es, anders als etwa nach § 33a Abs. 1 BAT, da die Schichten tatsächlich geleistet worden sein müssen (BAG v. 7. 9. 1994, a.a.O.), allein auf die Festlegungen des Schichtplanes an; maßgebend ist, inwieweit dieser Nachtarbeit vorsieht. Ansonsten wäre ggf.
Wechselschicht schon dann zu verneinen, wenn ein Arbeitnehmer z.B. wegen eines längeren Urlaubs oder einer längeren Erkrankung nicht im mindestens monatlichen Turnus tatsächlich Nachtarbeit leistete.
Letztlich kommt es vorliegend auf diese Frage aber nicht entscheidungserheblich an. Selbst unter Zugrundelegung des weiten Normverständnisses hat der Kläger zu 1 nicht im erforderlichen Umfang Nachtarbeit geleistet. Er war im Zeitraum von Mai 2017 bis April 2018 für keine Schicht vorgesehen, in denen die Arbeit während der Nachtarbeitsstunden überwogen hätte.
(4) Zur Beurteilung der Heranziehung zur Nachtarbeit konnte auf dem zugrunde gelegten Zeitraum von 1 Jahr abgestellt werden. Das Bundesarbeitsgericht (Urt. v. 16. 10. 2013, a.a.O.) hält diesen Zeitraum für eine Beurteilung der Nacht- bzw. hier einer Wechselschichtarbeit für ausreichend.
c. Doch auch der Kläger zu 2 hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Wechselschicht zulage nach § 23 Abs. 2 TVÜ-VKA vom 13. Sept. 2005 i.V.m. § 24 BMT-G vom 31. Jan. 1962 i.d.F. v. 1. Juli 1981. Zwar war er auf Grund des Schichtplanes in hinreichender zeitlicher Abfolge für Schichten eingeteilt, die überwiegend Nachtarbeitszeiten enthielten, doch war er nicht „rund um die Uhr“ einteilbar, weswegen die Annahme einer Wechselschichtarbeit ausscheidet.
aa. Im Zeitraum vom Mai 2017 bis April 2018 war der Kläger zu 2 regelmäßig zu Schichten mit überwiegender Arbeitsverpflichtung in Nachtarbeitsstunden, herangezogen worden bzw. verpflichtet gewesen. Nach § 67 Nr. 44 BMT-G ist es ausreichend, wenn die Heranziehung durchschnittlich zu mindestens einer Nachtschicht pro Monat erfolgt. Der Kläger zu 2 war aber nach dem Schichtplan mehrfach monatlich zu Schichten zwischen 16:00 Uhr und 0:30 des Folgetages, also mit überwiegender Nachtarbeit, eingeteilt. Ungeachtet dessen, dass die Einteilung zu diesen Schichten ausreicht (vgl. oben II 2 b (3)), hatte er diese auch tatsächlich geleistet.
bb. Wenngleich im Betrieb der Beklagten teilweise Wechselschicht geleistet wird, gilt dies aber nicht für den Kläger, weswegen dieser keinen Anspruch auf Wechselschichtzulagen aus § 24 Abs. 1 BMT-G erfüllt. Vielmehr hätte er selbst in Wechselschicht gearbeitet haben müssen.
(1) Wechselschichtarbeit wird in § 67 Nr. 44 BMT-G als Arbeit nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten vorsieht, bei denen der Arbeiter durchschnittlich längstens nach Ablauf eines Monats erneut zur Nachtschicht herangezogen wird, definiert (vgl. oben II 2 b aa). § 67 Nr. 45 BMT-G spricht bei Wechselschicht von wechselnden Arbeitsschichten, bei denen Tag und Nacht ununterbrochen gearbeitet wird. Damit ist entgegen der klägerischen Ansicht ein Betrieb „rund um die Uhr“ erforderlich.
(2) Der Kläger arbeitet im Bereich „AET Fracht“. Da die beiden Beklagten – trotz unterschiedlicher Schichtpläne – einen einheitlichen Betrieb führen, unterscheidet sich die zu verrichtende Tätigkeit während der Schichten nach der BV-WS weder räumlich noch funktional von der Arbeit während der Arbeitszeiten nach der BV-AZ (vgl. BAG v. 13. 1. 2016 – 10 AZR 792/14, NZA-RR 2016, 333, zu § 7 TVöD). Nach Nr. 2 BV-WS können sich Arbeitnehmer freiwillig dazu bereit erklären, auch Schichten zu übernehmen, die den Zeitraum von 01:00 Uhr bis 03:00 Uhr abdecken. Die Tätigkeit ändert sich dann aber nicht und wird auch von denselben Personen ausgeübt. Die Schichten beginnen oder enden zwangsläufig stets auch zu einem Zeitpunkt, der von der BV-AZ abgedeckt wird. Die Schichtlänge beträgt nach Nr. 4.3 mindestens 6 Stunden, weswegen es ausgeschlossen ist, dass Arbeitnehmer in Schichten eingesetzt werden, die allein der BV-WS unterfielen. Vielmehr überlappen sich die Schichten nach der BV-WS stets auch mit der Arbeitszeit nach der BV-AZ.
(3) Wenngleich im einheitlichen Betrieb der beiden Beklagten auch in Wechselschichten gearbeitet wird, so leistet jedenfalls der Kläger zu 2 keine Wechselschichtarbeit, weswegen ihm nach § 24 Abs. 1 BMT-G keine Wechselschichtzulage zusteht. Nach dieser Norm erhalten nur Arbeitnehmer, welche tatsächlich auch Wechselschichtarbeit leisten die Zulage. Nur diese werden als Wechselschichtarbeitnehmer angesehen.
Der auf den Kläger zu 2 anzuwendende Schichtplan nach der BV-AZ sieht aber gerade keinen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschicht im vorstehenden Sinne vor, da dann „rund um die Uhr gearbeitet“ werden müsste. Allerdings sieht der Schichtplan nach der BV-AZ vor, dass zwischen 01:00 Uhr und 03:00 Uhr nicht arbeitet wird. Nur bei Geltung des Schichtplanes nach der BV-WS leistete der Kläger zu 2 Wechselschichtarbeit, wenn er sich freiwillig bereit erklärt hätte, im vorgenannten Zeitraum auch Arbeit zu leisten. Dies war aber gerade nicht der Fall.
(4) Zwar trifft es zu, dass ein Wechselschichtarbeitnehmer nicht zwingend in allen Schichten eingesetzt werden muss, sondern es reicht hin, dass er in allen Schichtarten eingesetzt wurde, da es ansonsten möglich wäre, den tariflichen Anspruch auf eine Wechselschichtvergütung durch Schaffung vielfältiger, zeitlich gering verschobener Schichten zu entziehen, obschon den Einzelnen doch Nachteile treffen, die mit einer Wechselschichtarbeit verbunden sind (BAG v. 16. 10. 2013, a.a.O.). Der Kläger zu 2 verkennt jedoch, dass in dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall (Urt. v. 16. 10. 2013, a.a.O.) der dortige Kläger in allen Schichten (Früh-, Spät- und Nachtschicht) hatte eingesetzt werden können, während vorliegend gerade kein Einsatz „rund um die Uhr“ möglich war und ist. Seine früheste Schicht kann um 03:00 Uhr beginnen, die späteste um 01:00 Uhr enden. Dabei bedarf es keines Blickes darauf, dass die tatsächlichen Einsatzzeiten beim Kläger zu 2 einen späteren Arbeitsbeginn in der Frühschicht und ein früheres Arbeitsende der Spätschicht vorsehen.
cc. Die in der BV-WS geregelte Gestaltung der Arbeitszeiten mittels einer Freiwilligenliste ist entgegen der Ansicht des Klägers zu 2 nicht rechtsmissbräuchlich. Insbesondere ist eine unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer, welche sich freiwillig auf die Liste haben setzen lassen und der anderen Beschäftigten, gerechtfertigt.
Die Wechselschichtzulage dient dazu, die Unannehmlichkeiten der Arbeitnehmer auszugleichen, die „rund um die Uhr“ eingesetzt werden. Diesen Unannehmlichkeiten sind Arbeitnehmer, welche zwischen 01:00 Uhr und 03:00 Uhr nicht eingesetzt werden können, nicht in gleicher Weise ausgesetzt. Insbesondere müssen sie nicht damit zu rechnen, die gesamte Nacht über zu arbeiten. Eine Schicht von 21:30 Uhr bis 06:00 Uhr des nächsten Tages ist damit ausgeschlossen. Die Arbeitnehmer und damit auch der Kläger zu 2 können mit einem, wenn auch ggf. späten, Arbeitsende in der Nacht kalkulieren, dass sie während der Nachtstunden ruhen/schlafen können. Darüber hinaus handelt es sich bei dem Zeitfenster, während dem der Kläger zu 2 nicht zu arbeiten braucht, um einen tatsächlich erheblichen Zeitraum, nicht lediglich um wenige Minuten, die allein dazu dienten. Einen Anspruch auf eine Wechselschichtzulage auszuschließen.
Andererseits war es dem Kläger zu 2 aber auch freigestanden, sich für eine freiwillige Wechselschicht bereit zu erklären. Damit hatte es in seiner Hand gelegen, eine Wechselschichtzulage zu erhalten.
dd. Auch wenn der Unterschied zur Wechselschichtarbeit aus Sicht des Klägers nicht sonderlich groß erscheinen mag, einen Unterschied in der Zahlung eines Lohnzuschlages zu rechtfertigen, so wäre es Sache der Betriebspartner, des Betriebsrats und der Arbeitgeber gewesen, ihm Rahmen des zwingenden Mitbestimmungsrechtes nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG auf eine – aus Sicht des Klägers zu 2 – gerechtere Arbeitszeitverteilung hinzuwirken.
c. Die Kläger haben zudem keinen Anspruch auf einen Zusatzurlaub wegen der Ableistung von Wechselschicht nach § 27 Abs. 1 TVöD-F. Diese Vorschrift ist anwendbar, da § 23 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-VKA die Ansprüche auf Zusatzurlaub unberührt lässt.
d. Nach § 27 Abs. 1 TVöD-F haben Arbeitnehmer, die ständig Wechselschicht leisten und denen eine Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 1 bzw. § 8 Abs. 6 Satz 1 TVöD-F zustehen, Anspruch auf Zusatzurlaub. An die Stelle der Zulagen nach diesen Tarifregelungen treten nach § 23 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-VKA die nach den weiter anzuwendenden Tarifverträgen geschuldeten Zulagen und Zuschläge. Damit richtet sich der Anspruch auf Zusatzurlaub nach dem BMT-G; er steht einem Arbeitnehmer dann zu, wenn dieser Wechselschicht leistet.
Mangels den Klägern zustehender Wechselschichtzulagen nach § 23 Abs. 2 Satz 1 TVÜVKA i.V.m. BMT-G steht diesen aber auch kein Anspruch auf Zusatzurlaub zu.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
IV.
Die Revision war allein in Bezug des Klägers zu 2 (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG) zuzulassen. Im Übrigen ist kein Grund für die Zulassung der Revision gegeben (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

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