Aktenzeichen AN 6 K 16.2472
GG Art. 3 Abs. 1
Leitsatz
1. Der Kläger erfüllt die Minimalvoraussetzungen für die Zulassung zur Zusatzqualifizierung für Lehrkräfte in Integrationskursen nicht. Er besitzt keine Sprachlehrererfahrung in der Erwachsenenbildung. (Rn. 30 – 35)
2. Der Kläger kann als Versicherungsbetriebswirt mit einer Prüfung im Jahre 2008 eine Gleichstellung mit einer Qualifikation nach Niveau 6 des Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR) nicht verlangen. (Rn. 36 – 42)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I.
Die Klage ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg, da der Bescheid der Beklagten vom 18. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2016 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Zulassung durch die Beklagte zum Unterrichten des Faches Deutsch in einem Integrationskurs gemäß § 15 der Verordnung über die Durchführung von Integrationskursen für Ausländer und Spätaussiedler (IntV) oder auch nur zur zunächst angestrebten Zulassung zur Zusatzqualifikation.
Gemäß § 15 Abs. 1 IntV müssen Lehrkräfte, die im Integrationskurs Deutsch als Zweitsprache unterrichten, ein erfolgreich abgeschlossenes Studium Deutsch als Fremdsprache oder Deutsch als Zweitsprache vorweisen. Soweit diese fachlichen Qualifikationen nicht vorliegen, ist eine Zulassung zur Lehrtätigkeit nach § 15 Abs. 2 IntV nur möglich, wenn die Lehrkraft an einer vom Bundesamt vorgegebenen Qualifizierung teilgenommen hat.
Die Zulassungskriterien für diese Zusatzqualifizierung nach § 15 Abs. 2 IntV hat das BAMF neben Regelungen zu einer verkürzten Zusatzqualifizierung und zum Verzicht auf eine Zusatzqualifizierung in einem generellen Regelwerk (Matrix) festgelegt, das über die Internetseiten des BAMF allgemein zugänglich ist.
Hiernach wird auch für den Weg einer Zulassung als Lehrkraft über eine zusätzliche unverkürzte Zusatzqualifizierung zumindest ein Hochschulabschluss oder ein sprachlicher Berufsabschluss kumulativ zu dem Nachweis praktischer Erfahrung als Sprachlehrer in der Erwachsenenbildung im Umfang von 500 Unterrichtseinheiten vorausgesetzt. Einem Hochschulabschluss werden gleichgestellt Abschlüsse mit Bachelor, Magister, Master, Diplom oder Staatsexamen sowie äquivalente Abschlüsse laut Deutschem Qualifikationsrahmen (DQR) mindestens der Stufe 6.
Dass der Verordnungsgeber nicht voraussetzungslos jedem Bewerber über eine Teilnahme an einer Zusatzqualifizierung eine Zulassungsmöglichkeit zur Berufsausübung als Lehrkraft in Integrationskursen ermöglichen wollte, kann auch der Vorschrift des § 15 Abs. 2 IntV selbst trotz seiner weiten Fassung in Zusammenschau mit § 15 Abs. 1 IntV hinreichend deutlich entnommen werden. Der Erfolg von Integrationskursen, dessen überragende Bedeutung für das Gemeinwohl im gegenwärtigen Zeitraum offenkundig ist, setzt gut qualifizierte Lehrkräfte voraus, welche sich neben hoher pädagogischer und interkultureller Kompetenz durch hohe sprachfachliche Qualifikation auszeichnen. Die in der Matrix festgelegten Zulassungskriterien dienen der Sicherstellung dieser hohen fachlichen Qualifikation der Lehrkräfte in Integrationskursen. Dieses Regelungswerk auf Verwaltungsebene mit seinen vielfältigen, detaillierten Vorgaben genügt zweifelslos dem Bestimmtheitsgrundsatz. Es ist auch geeignet, die Gleichbehandlung von Bewerbern für die Zulassung als Lehrkraft in Integrationskursen sicherzustellen.
Ein Anspruch auf direkte Zulassung als Lehrkraft in Integrationskursen gemäß § 15 Abs. 1 IntV wurde vom Kläger, der kein abgeschlossenes Studium Deutsch als Fremdsprache oder Deutsch als Zweitsprache vorweisen kann, letztlich nicht zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens gemacht.
Dem Kläger steht jedoch auch die streitgegenständlich begehrte Zulassung zur Zusatzqualifizierung für die Lehrtätigkeit in Integrationskursen mit anschließender Zulassung zur Lehrtätigkeit in Integrationskursen gemäß § 15 Abs. 2 IntV nicht zu.
Der Kläger beruft sich für die Erfüllung dieser Voraussetzungen auf ein erstes juristisches Staatsexamen, für das er sämtliche Voraussetzungen erfüllt habe, auf die am … 2008 abgelegte Abschlussprüfung zum Versicherungsbetriebswirt DVA, für den der Fachwirt für Ver Sicherungen und Finanzen (Niveau 6 des deutschen Qualifikationsrahmens für lebenslanges Lernen – DQR -) Zugangsvoraussetzung gewesen sein soll, und für die Erfüllung der 500 Unterrichtseinheiten Sprachlehrererfahrung in der Erwachsenenbildung auf seine umfangreichen beruflichen Erfahrungen, die auch Schulungserfahrung im Erwachsenenbereich umfasse.
1. Die Voraussetzung eines Hochschulabschlusses nach der Matrix „Zulassungskriterien für Lehrkräfte in Integrationskursen“ der Beklagten erfüllt der Kläger nicht.
Einem Hochschulabschluss gleichgestellt wird unter anderen ein Abschluss mit einem Staatsexamen. Zwar hat der Kläger für sein im Lebenslauf von 10/1990 bis 09/2002 datiertes Studium der Rechtswissenschaften an der …-Universität … Nachweise betreffend den Zeitraum vom Wintersemester 1990/1991 bis 1995 vorgelegt und behauptet, er habe sämtliche Voraussetzungen zur Ablegung des ersten Staatsexamens erfüllt, allerdings hat er das Staatsexamen nicht oder nicht mit Erfolg abgelegt. Eine Gleichstellung mit einem Hochschulabschluss ist daher nicht möglich.
2. Die Ausbildung zum Versicherungsbetriebswirt DVA, die der Kläger in seinem Lebenslauf ab 03/2006 bis 06/2008 datiert und die er nach einem Zeugnis der Deutschen Versicherungsakademie vom … 2008 mit einer Abschlussprüfung erfolgreich beendet hat, kann weder einem Abschluss als Bachelor, Magister, Master oder einem Abschluss mit Diplom oder Staatsexamen gleichgestellt werden, noch einer äquivalenten Ausbildung der Stufe 6 nach dem Deutschen Qualifikationsrahmen(DQR).
Das Versicherungsbetriebswirtstudium wurde erst ab 2011 in den Bachelorstudiengang Insurance Management und damit in ein anerkanntes akademisches Hochschulstudium mit dem Abschluss Bachelor of Arts integriert. Der Abschluss Versicherungsbetriebswirt DVA kann im Rahmen dieses Studiums als Zwischenabschluss abgelegt werden, nachdem eine bestimmte Anzahl von Bachelorstudienmodulen absolviert und eine Abschlussprüfung der DVA abgelegt wurde. Erst mit dem Abschluss des Studiums Insurance Management, und nicht bereits mit dem Zwischenabschluss Versicherungsbetriebswirt, wird auch ab 2011 der Bachelor of Arts (B.A.) erreicht, der nach der Matrix der Beklagten einem Hochschulstudium vergleichbar wäre.
Im Jahre 2008, als der Kläger seine Abschlussprüfung abgelegt hat, war das Studium als 2-jähriger Lehrgang gestaltet, der mit einer DVA-Abschlussprüfung endete. Es handelte sich um einen brancheninternen, nicht öffentlichrechtlichen Abschluss, der nicht einem Hochschulstudium gleichgestellt ist. Dies wurde auch durch die … Consult AG, die für die DQR Zuordnung zuständig ist, bestätigt. Nur formale, also bundes- oder länderrechtlich geregelte Qualifikationen können (derzeit) dem DQR zugeordnet werden, der Versicherungsbetriebswirt DVA erfüllt diese Voraussetzungen nicht.
3. Soweit sich der Kläger darauf beruft, dass Voraussetzung für die Zulassung zum Studium bei der DVA mit dem Abschluss des Versicherungsbetriebswirts mindestens die Qualifikation des Fachwirts für Versicherungen und Finanzen gewesen sein soll, er für sich selbst aber diese Qualifikation nicht behauptet und vortragen lässt, dass er damals zum Studiengang Versicherungsbetriebswirt zugelassen wurde, da er sämtliche Voraussetzungen zur Ablegung des ersten Staatsexamens erfüllt hatte, macht er deutlich, dass auch Bewerber ohne diese Qualifikation als Fachwirt zugelassen wurden. Das Gericht entnimmt darüber hinaus dem in der Verfahrensakte enthaltenen Briefwechsel mit der Deutschen Versicherungs Akademie (DVA), dass erst ab 2011 die Qualifikation als Fachwirt für Versicherungen und Finanzen (IHK) zur Voraussetzung für das B.A. Studium und den Zwischenabschluss Versicherungsbetriebswirt geworden ist.
4. Der Kläger kann auch keine Gleichstellung seiner beruflichen Gesamtkompetenzen mit einer dem Niveau 6 des Deutschen Qualifikationsrahmens zugeordneten Kompetenz und mithin einem Hochschulabschluss im Sinne der Matrix durch die Beklagte nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz als absoluter und speziell begründeter Ausnahmefall verlangen. Auch nach diesen Erwägungen hat der Kläger keinen Anspruch auf Zulassung zur Zusatzqualifizierung für die Lehrtätigkeit in Integrationskursen.
Nach den Angaben der Beklagten in einem Parallelverfahren weitet das Bundesamt in Einzelfällen seine Matrix in absoluten und speziell begründeten, wenigen Ausnahmefällen zwar entgegen deren Wortlaut dahingehend auf, dass es nicht mehr nur auf das formale Vorliegen einer dem Niveau 6 des Deutschen Qualifikationsrahmens zugeordneten Qualifikation ankommt, sondern auch andere Abschlüsse nach Vornahme einer materiellen Vergleichsprüfung durch das Bundesamt einem Abschluss des Niveaus 6 des Deutschen Qualifikationsrahmens und mithin nach der Matrix einem Hochschulabschluss gleichgestellt wurden. Solche Ausnahmen werden vom Bundesamt ausnahmsweise dann ins Auge gefasst, wenn Inhalte, Dauer, Rahmenbedingungen und Qualitätssicherung einer Qualifizierungsmaßnahme mit einem Studium bzw. DQR 6-Abschluss vergleichbar sind.
Das Gericht weist an dieser Stelle darauf hin, dass es ein gleichmäßiges Verwaltungshandeln bei der Zulassung von Lehrkräften in Integrationskursen nach § 15 IntV in diesem Zusammenhang erst wieder als sichergestellt erachtet, wenn die Beklagte in diesem Punkt eine einheitliche Zulassungspraxis nachweislich entweder durch Überarbeitung ihrer Matrix oder Erlass einer entsprechenden Dienstanweisung herbeigeführt hat.
Der Kläger kann jedoch selbst bei Vornahme einer materiellen Vergleichsprüfung durch das BAMF eine Gleichstellung seines Abschlusses in der dargestellten Weise nicht verlangen. Selbst bei entsprechender Ausweitung der Bundesamtsmatrix können die Kompetenzen des Klägers keinem Abschluss laut Deutschem Qualifikationsrahmen des Niveaus 6 gleichgestellt werden.
Niveau 6 beschreibt Kompetenzen, die zur Planung, Bearbeitung und Auswertung von umfassenden fachlichen Aufgaben- und Problemstellungen sowie zur eigenverantwortlichen Steuerung von Prozessen in Teilbereichen eines wissenschaftlichen Faches oder in einem beruflichen Tätigkeitsfeld benötigt werden. Die Anforderungsstruktur ist durch Komplexität und häufige Veränderungen gekennzeichnet und wird im Internetauftritt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (https://www.dqr.de/content/2336.php) wie folgt beschrieben:
Fachkompetenz Wissen
Über breites und integriertes Wissen einschließlich der wissenschaftlichen Grundlagen, der praktischen Anwendung eines wissenschaftlichen Faches sowie eines kritischen Verständnisses der wichtigsten Theorien und Methoden (entsprechend der Stufe 1 [Bachelor-Ebene] des Qualifikationsrahmens für Deutsche Hochschulabschlüsse) oder über breites und integriertes berufliches Wissen einschließlich der aktuellen fachlichen Entwicklungen verfügen.
Kenntnisse zur Weiterentwicklung eines wissenschaftlichen Faches oder eines beruflichen Tätigkeitsfeldes besitzen.
Über einschlägiges Wissen an Schnittstellen zu anderen Bereichen verfügen.
Fertigkeiten
Über ein sehr breites Spektrum an Methoden zur Bearbeitung komplexer Probleme in einem wissenschaftlichen Fach, (entsprechend der Stufe 1 [Bachelor-Ebene] des Qualifikationsrahmens für Deutsche Hochschulabschlüsse), weiteren Lernbereichen oder einem beruflichen Tätigkeitsfeld verfügen.
Neue Lösungen erarbeiten und unter Berücksichtigung unterschiedlicher Maßstäbe beurteilen, auch bei sich häufig ändernden Anforderungen.
Personale Kompetenz Sozialkompetenz
In Expertenteams verantwortlich arbeiten oder Gruppen oder Organisationen verantwortlich leiten.
Die fachliche Entwicklung anderer anleiten und vorausschauend mit Problemen im Team umgehen.
Komplexe fachbezogene Probleme und Lösungen gegenüber Fachleuten argumentativ vertreten und mit ihnen weiterentwickeln.
Selbständigkeit
Ziele für Lern- und Arbeitsprozesse definieren, reflektieren und bewerten und Lern- und Arbeitsprozesse eigenständig und nachhaltig gestalten.
Dies umfasst Unternehmen, Verwaltungseinheiten oder gemeinnützige Organisationen.
Der berufliche Werdegang des Klägers ist neben dem ohne Staatsexamen beendeten Studium der Rechtswissenschaften von einer zweijährigen Ausbildung zum Versicherungsbetriebswirt, einer Qualifikation zum Ausbilder von Auszubildenden und einer 6-monatigen Trainerausbildung geprägt. Diese Ausbildung des Klägers ist am ehesten Niveau 3 oder 4 der DQR-Qualifikation zuzuordnen und kann nicht allein aufgrund der längeren Berufserfahrung des Klägers, seiner Trainerausbildung oder unter Berücksichtigung des Studiums der Rechtswissenschaften einem höheren Qualifikationsniveau zugeordnet werden, zumal eine Sprachlehrererfahrung nicht vorhanden ist. Seine beruflichen Qualifikationen (Ausbilderlehrgang und Trainerausbildung) rechtfertigen unter Berücksichtigung von Inhalten, Ausbildungsdauer, Rahmenbedingungen und Qualitätssicherung auch nicht ausnahmsweise eine Gleichstellung mit einem Studium bzw. mit einem DQR 6-Abschluss.
Zuletzt sei angemerkt, dass der Kläger keine abweichende Einzelfallentscheidung der Beklagten in gänzlicher Abkehr von den Vorgaben der Matrix verlangen kann, da die Beklagte nach den vorliegenden Erkenntnissen ihre Matrix mit Ausnahme obig dargestellter Ausweitung – deren Voraussetzungen der Kläger nicht erfüllt – zur Beurteilung der Zulassung von Lehrkräften in Integrationskursen im Übrigen weiterhin gleichmäßig anwendet.
5. Über die fehlende Ausbildungsqualifikation hinaus fehlt dem Kläger zusätzlich jegliche Sprachlehrererfahrung in der Erwachsenenbildung und diese kann nicht durch pädagogische Erfahrungen in anderen Bereichen ersetzt werden. Soweit der Kläger auf seine langjährige Berufserfahrung als Ausbilder der Auszubildenden und als Trainer für die Ausbildung im Vertrieb und Marketing verweist, ist anzumerken, dass neben Schulungserfahrungen im Erwachsenenbereich, die beim Kläger vorliegen dürften, von der Matrix ausdrücklich und in der Sache nachvollziehbar Sprachlehrererfahrung gefordert wird, die der Kläger nicht nachweisen kann.
Die Matrix verlangt somit als Mindestvoraussetzung zur Zulassung zu einer unverkürzten Zusatzqualifizierung kumulativ einen formalen Berufsabschluss im Sprachbereich bzw. einen Hochschulabschluss und praktische Sprachlehrerfahrung, wobei Defizite an tatsächlicher Erfahrung in der Sprachlehre nicht durch ein Mehr im Bereich der geforderten formalen Qualifikation (und umgekehrt) ausgeglichen werden können.
Der Kläger hat nach alledem auch schon keinen Anspruch auf die begehrte Zulassung zur Zusatzqualifizierung für die Lehrtätigkeit in Integrationskursen mit anschließender Zulassung zur Lehrtätigkeit in Integrationskursen gemäß § 15 Abs. 2 IntV durch die Beklagte.
II.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1, Abs. 2 VwGO i. V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Gründe, die Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO zuzulassen, bestehen nicht.