Aktenzeichen BayAGH III – 4 – 6/17
Leitsatz
Eine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Syndikusrechtsanwalt ist durch ein Angestelltenverhältnis im öffentlichen Dienst nicht generell ausgeschlossen; vielmehr hat immer eine Einzelfallprüfung je nach der ausgeübten Tätigkeit zu erfolgen. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist für die Beklagte vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags.
IV. Der Streitwert wird auf 50.000,- € festgesetzt.
V. Die Berufung zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.
Gründe
I.
1. Die Klage ist zulässig.
Die zulässige Anfechtungsklage (§ 112 c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO) wurde fristgerecht erhoben (§ 112 c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO).
Ein Widerspruchsverfahren war nicht durchzuführen (§ 112 c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO, § 15 BayAGVwGO).
2. Die Anfechtungsklage ist nicht begründet. Die Zulassung der Beigeladenen zur Rechtsanwaltschaft als Syndikusrechtsanwältin ist zu Recht erfolgt, weil sie für ihre Arbeitgeberin aufgrund des Arbeitsvertrags vom 28.03.2011/13.12.2012 anwaltliche Tätigkeiten gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Nrn. 1-4 BRAO fachlich unabhängig und eigenverantwortlich erbringt.
a. Die Beigeladene arbeitet als angestellte Volljuristin der Stadt L. fachlich unabhängig und eigenverantwortlich, wie in der Tätigkeitsbeschreibung vom 22.03.2016/23.03.2016 unter Ziffer 3, Beschreibung 10, und in der Ergänzung vom 22.03.2016 zum Arbeitsvertrag in § 2, Abs. 1 jeweils vereinbart.
Der fachlichen Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit stehen deshalb auch die arbeitsvertraglich vereinbarte Anwendung von Dienst-/Betriebsvereinbarungen und Dienstanweisungen/-ordnungen sowie das Weisungsrecht der Arbeitgeberin im Übrigen nicht entgegen, da dies nicht die juristische Tätigkeit der Beigeladenen betrifft, sondern lediglich die Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses im Übrigen.
b. Die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 Nr. 1-4 BRAO sind erfüllt.
In den an sie herangetragenen juristischen Fragestellungen, vor allem auf dem Gebiet des Zivilrechts, recherchiert die Beigeladene die Tatsachengrundlagen, prüft die Rechtslage, erarbeitet Vertrags- und gegebenenfalls auch Satzungsentwürfe sowie Lösungsvorschläge, erteilt den Mitarbeitern der Stadtverwaltung juristischen Rat, überprüft bestehende Verträge und Satzungen auf Änderungsbedarf. Die Beigeladene führt u.a. auch Vertragsverhandlungen, unterzeichnet in gewissem Umfang (vorbehaltlich der Zeichnung durch den Oberbürgermeister) eigenverantwortlich, korrespondiert in Angelegenheiten der Arbeitgeberin mit Vertragspartnern und Bürgern sowie deren anwaltschaftlichen Vertretern, stellt bei Bedarf Strafanzeigen und vertritt ihre Arbeitgeberin auch in Verfahren vor dem Amtsgericht.
Die Beigeladene vertritt bei Bedarf ihre Abteilungsleiterin, allerdings nur im juristischen Bereich. Für deren sonstige Zuständigkeiten und Verwaltungstätigkeiten sind als Vertreter zwei weitere Mitarbeiter der Stadt L. zuständig.
Die Tätigkeit der Beigeladenen ergibt sich aus der vereinbarten Ergänzung vom 22.03.2016 zum Arbeitsvertrag und der vereinbarten Tätigkeitsbeschreibung vom 22.03.2016/23.03.2016 sowie aus den ergänzenden Tätigkeitsbeschreibungen der Beigeladenen in ihren Stellungnahmen vom 10.01.2017 und 11.07.2017. Etwaige abweichende Regelungen im Verwaltungsgliederungs- und Geschäftsverteilungsplan vom 01.07.2014 der Stadt L. wurden abbedungen durch den abgeschlossenen Arbeitsvertrag samt den Ergänzungen und die darin vereinbarten speziellen Tätigkeitsbereiche und Zuständigkeiten der Beigeladenen. Die Beigeladene ist daher arbeitsvertraglich nicht zur Übernahme hoheitlicher Tätigkeiten verpflichtet und kann zu deren Wahrnehmung auch nicht durch ihre Arbeitgeberin angewiesen/beauftragt werden. Ihre gesamte Tätigkeit verrichtet die Beigeladene somit nicht im Über-/Unterordnungsverhältnis, d.h. im Kernbereich der öffentlichen Verwaltung. Keinerlei hoheitliche Befugnisse werden ausgeübt. Insbesondere erlässt die Beigeladene keine Verwaltungsakte und sonstigen Bescheide und ist nicht mit Verwaltungstätigkeit für ihre Arbeitgeberin betraut. Vielmehr prüft die Beigeladene lediglich die Rechtslage und erarbeitet Lösungs-/Entscheidungsvorschläge, wie es jeder externe Rechtsanwalt im Auftrag der Stadt L. auch machen könnte. Ein Grund für die Versagung der Zulassung gemäß §§ 46 a Abs. 1 Nr. 2, 7 Nr. 8 BRAO liegt daher ebenfalls nicht vor. Die anwaltliche Prägung ihrer Tätigkeit und die fachliche Unabhängigkeit der Beigeladenen sind durch die arbeitsvertragliche Bindung an die Stadt L. nicht tangiert (vgl. hierzu: Urteil BayAGH vom 25.09.2017, BayAGH I-1-12/16; Urteil HessAGH vom 13.03.2017, 1 AGH 10/16; Urteil AGH Nordrhein Westfalen vom 28.04.2017, AGH 66/16; jeweils mit weiteren Nachweisen). Eine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Syndikusrechtsanwalt ist durch ein Angestelltenverhältnis im öffentlichen Dienst nämlich nicht generell ausgeschlossen. Vielmehr hat immer eine Einzelfallprüfung je nach der ausgeübten Tätigkeit zu erfolgen. Auch § 47 BRAO, dessen Anwendbarkeit gemäß § 46 c Abs. 3 BRAO nicht ausgeschlossen ist, steht der Zulassung der Beigeladenen zur Rechtsanwaltschaft als Syndikusrechtsanwältin nicht entgegen. Die Beigeladene ist nämlich ausschließlich für ihre Arbeitgeberin tätig, nicht zusätzlich neben einer Tätigkeit als Rechtsanwältin. Schließlich kann auch keine Rede davon sein, dass die Beklagte vor Erlass des Zulassungsbescheides die Tatsachengrundlagen nicht ausreichend geprüft hätte. Denn sämtliche Arbeitsverträge sowie ergänzende Tätigkeitsbeschreibungen sind jeweils auch von der Arbeitgeberin der Beigeladenen mitunterzeichnet. Selbst eine Nachfrage/Bitte um nähere Erläuterung bei der Stadt L. hätte daher keine anderen Auskünfte als Entscheidungsgrundlage für die Beklagte erbracht. Nach alledem ist der Bescheid der Beklagten am 21.02.2017 zu Recht ergangen.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112 c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 1 und Abs. 3 VwGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 112 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 167 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO, § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
Der Streitwert wurde gemäß § 194 Abs. 1 BRAO, § 52 Abs. 1 GKG festgesetzt.
Die Berufung war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 112 e BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).