Arbeitsrecht

Zulassung als Syndikusrechtsanwalt – Beratung von Kunden des Arbeitgebers

Aktenzeichen  BayAGH I – 1 – 33/17

Datum:
16.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 12991
Gerichtsart:
Anwaltsgerichtshof
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BRAO § 46, § 46a
SGB VI § 231 Abs. 4b

 

Leitsatz

1 Das Beschäftigungsverhältnis wird iSd § 46 Abs. 3 BRAO von der anwaltlichen Tätigkeit geprägt, wenn diese eindeutig den Schwerpunkt der ausgeübten Tätigkeit ausmacht und die Tätigkeit beherrscht. Hiervon kann ausgegangen werden, wenn die anwaltliche Tätigkeit mehr als die Hälfte der Arbeitszeit in Anspruch nimmt (so auch AGH NRW BeckRS 2017, 137074 Rn. 17). (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2 Als Syndikusrechtsanwalt kann grundsätzlich nur derjenige zugelassen werden, dessen anwaltliche Tätigkeit – hier insbesondere: die Erteilung von Rechtsrat – sich auf die Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers bezieht (so auch AGH RhPf BeckRS 2017, 128707 Rn. 35 ff.). (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist im Kostenausspruch gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Streitwert wird auf 50.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klage ist form- und fristgerecht erhoben worden, § 74 Abs. 1 S. 2 VwGO i.V.m. §§ 112 c Abs. 1, 215 Abs. 3 BRAO. Gemäß Art. 15 Abs. 2 BayAGVwGO war ein Vorverfahren nach § 68 VwGO nicht durchzuführen.
II.
Die Klage ist jedoch unbegründet und war abzuweisen. Der streitgegenständliche Bescheid vom 10.11.2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO analog.
1. Die Voraussetzungen dafür, den Kläger als Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt) gem. §§ 46 Abs. 2, 46 a BRAO für die von ihm ausgeübte Tätigkeit bei der … Versicherungsmakler GmbH aufgrund des Antrags vom 14.03.2016 zuzulassen, liegen nicht vor.
2. a. Die anwaltliche Tätigkeit des Klägers ist nicht durch Tätigkeiten im Sinne von § 46 Abs. 3 Nrn. 1 bis 4 BRAO geprägt, die direkt gegenüber seiner Arbeitgeberin ausgeübt werden, insbesondere nicht durch die direkte rechtliche Beratung der …-Versicherungsmakler GmbH. Davon ist der Senat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der informatorischen Anhörung des Klägers überzeugt.
b. Eine Prägung des Beschäftigungsverhältnisses durch die anwaltliche Tätigkeit liegt vor, wenn sie im Rahmen des Anstellungsverhältnisses eindeutig den Schwerpunkt der ausgeübten Tätigkeit ausmacht und die Tätigkeit beherrscht. Hiervon kann dann ausgegangen werden, wenn die anwaltliche Tätigkeit mehr als die Hälfte der Arbeitszeit in Anspruch nimmt (vgl. AGH Hamm Urteil vom 24.11.2017 – 1 AGH 1/17, AnwBl Online 2018, 416 unter 2).
c. Bereits nach seinem eigenen Vortrag in der Anlage zum Schriftsatz vom 08.05.2018, der in der Sitzung vom 16.05.2018 übergeben wurde, beträgt die arbeitgeberbezogene Anwaltstätigkeit nur 34 % und prägt damit die Gesamttätigkeit des Klägers für die … Versicherungsmakler GmbH nicht.
Es kommt daher nicht mehr darauf an, dass dieser Prozentsatz nach der Überzeugung des Senats noch wesentlich niedriger anzusetzen ist. Nach dem Arbeitsvertrag vom 14.09.2011 wird der Kläger „ab dem 15.09.2011 für unser Haus als Mitarbeiter in den Sparten SUH-K tätig sein“. Aus der Stellenbeschreibung vom 14.09.2011 ergibt sich, dass er dort insbesondere zur Unterstützung der Betreuung von Firmenkunden tätig ist. Dies wird in der Stellenbeschreibung vom 05.03.2012 und in der Tätigkeitbeschreibung vom 14.03.2016 bestätigt. Bei seiner Anhörung hat der Kläger seine Tätigkeitsbeschreibung dadurch eingeleitet, dass er Leiter des Schadensbüros sei und alle Schadensfälle bearbeite, also auch die der Schwestergesellschaften. Dass die Beratung des Arbeitgebers darin liegt, dass der Kläger die Kunden der …-Versicherungsmakler GmbH, also die Versicherungsnehmer berät, bringt der Kläger im Schriftsatz vom 08.05.2018 (dort S. 2 drittletzter Absatz, Bl. 33 d.A.) selbst nochmals auf den Punkt. Von den 34 % „arbeitgebereigenen Rechtsfragen“ entfällt daher ein Großteil nochmals auf „kundenbezogene Rechtsfragen“, und zwar unabhängig davon, ob man die Auffassung des Klägers teilt, das Aushandeln von Versicherungsbedingungen mit Versicherungen falle – als Hauptposten – unter die „arbeitgebereigenen Rechtsfragen“. Insgesamt ist der Senat davon überzeugt, dass die anwaltlichen Tätigkeiten des Klägers, auf die gute 70 % seiner Arbeitszeit entfallen, weit überwiegend in der unmittelbaren Beratung der (Firmen)Kunden der …-Versicherungsmakler GmbH bestehen.
3. Aus dem Wortlaut (§ 46 Abs. 5 und Abs. 3 Nr. 2, § 46 a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BRAO) und der Systematik des Gesetzes sowie der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 18/5201) ergibt sich eindeutig, dass als Syndikusrechtsanwalt nur derjenige zugelassen werden kann, dessen anwaltliche Tätigkeit und hier insbesondere die Erteilung von Rechtsrat sich – abgesehen von den hier nicht einschlägigen Ausnahmen des § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO – sich auf die Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers bezieht (Anwaltsgerichtshof Koblenz Urteil vom 11.08.2017 – 1 AGH 17/16, juris Rn. 39 ff). Dies ergibt sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut: Gemäß § 46 a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BRAO muss die Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO entsprechen. Gemäß § 46 Abs. 2 S. 1 BRAO muss der Syndikusrechtsanwalt für seinen Arbeitgeber anwaltlich tätig sein. Gemäß § 46 Abs. 3 BRAO liegt eine anwaltliche Tätigkeit im Sinne des § 46 Abs. 2 S. 1 BRAO nur vor, wenn das Arbeitsverhältnis durch die in § 46 Abs. 3 Ziff. 1 bis 4 aufgeführten Tätigkeiten und Merkmale geprägt ist. Die Erteilung von Rechtsrat gemäß § 46 Abs. 3 Nr. 2 BRAO bezieht sich dabei nach dem unmissverständlichen Wortlaut des § 46 Abs. 5 S. 1 BGB auf die Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers; die Ausnahmen des § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO liegen hier nicht vor. Bereits die Gesetzesbegründung zu § 46 BRAO n.F. sieht die Aufgabe des Unternehmenssyndikusrechtsanwalts darin, seinem Arbeitgeber in dessen eigenen Angelegenheiten als Rechtsberater zur Seite zu stehen (vgl. BT-Drs. 18/5201, S. 18 vorletzter Absatz); die in § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO geregelte Tätigkeit dessen, der seine Arbeitskraft dazu verwendet, um im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses zu einem Verband Rechtsrat an dessen Mitglieder in deren Rechtsangelegenheiten zu erteilen, liegt hier unstreitig nicht vor. Die grundsätzliche Beschränkung der anwaltlichen Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts auf die Beratung und Vertretung seines Arbeitgebers wird auch an weiteren Stellen der Gesetzesbegründung hervorgehoben (vgl. BT-Drs. 18/5201, S. 21 dritter Absatz, S. 26 vorletzter Absatz, S. 28 dritter und vorletzter Absatz; S. 29 insb. zweiter Absatz und vor allem S. 30/31). Auch die Systematik der Neuregelung der BRAO führt zu diesem Ergebnis. Das Kriterium der Tätigkeit für den Arbeitgeber erschließt sich nämlich auch aus der Regelung des § 46 Abs. 2 S. 1 BRAO. Der Regelung des § 46 Abs. 5 S. 2 (und dort insbesondere der Nummern 2 und 3) BRAO hätte es nicht bedurft, wenn Rechtsdienstleistungen des Arbeitsgebers gegenüber seinen Kunden generell zugleich Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers im Sinne des § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO wären. Angesichts des eindeutigen Wortlauts des Gesetzes, der Gesetzessystematik und des klar erkennbaren Willens des Gesetzgebers, wonach sich die anwaltliche Tätigkeit und hier insbesondere die Erteilung von Rechtsrat auf die Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers bezieht, kommt schließlich auch eine ergänzende Auslegung des § 46 Abs. 5 S. 2 BRAO dahingehend, dass auch die Tätigkeit des Klägers von § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO umfasst wird, nicht in Betracht.
4. Eine andere Sichtweise ergibt sich auch nicht im Hinblick auf § 231 Abs. 4 b SGB VI.
a. Nach § 231 Abs. 4 b SGB VI wirkt eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI, die unter Berücksichtigung der Bundesrechtsanwaltsordnung in der ab dem 01.01.2016 geltenden Fassung erteilt wurde, auf Antrag vom Beginn derjenigen Beschäftigung an, für die die Befreiung von der Versicherungspflicht erteilt wird. Sie wirkt nach der genannten Bestimmung auch vom Beginn davor liegender Beschäftigungen an, wenn während dieser Beschäftigungen eine Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk bestand. Die Befreiung wirkt frühestens ab dem 01.04.2014. Sie wirkt jedoch auch für Zeiten vor dem 01.04.2014, wenn für diese Zeiten einkommensbezogene Pflichtbeiträge an ein berufsständisches Versorgungswerk gezahlt wurden. Der Antrag auf rückwirkende Befreiung kann nur bis zum Ablauf des 01.04.2016 gestellt werden.
b. Ob § 231 Abs. 4 b SGB VI aus Gründen der Gleichstellung dahin auszulegen ist, dass auch solchen Personen eine rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht zu erteilen ist, die ihre – befreiungsfähige – Syndikustätigkeit beendet haben, bevor sie als Syndikusrechtsanwalt nach neuem Recht zugelassen werden konnten, kann dahinstehen. Selbst wenn dies zu verneinen sein sollte, hat ein Bewerber grundsätzlich keine rentenversicherungsrechtlichen Nachteile zu befürchten. Soweit nach der am 03.04.2014 ergangenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu der vor dem 01.01.2016 geltenden Rechtslage bei nichtanwaltlichen Arbeitgebern beschäftigte Rechtsanwälte nicht gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien waren (vgl. BSG Urteil vom 03.04.2014 – B 5 RE 13/14 R, NJW 2014, 2743 unter 6 = Rn. 28 ff.), haben zumindest Inhaber einer begünstigenden Befreiungsentscheidung – bezogen auf die jeweilige Beschäftigung, für die die Befreiung ausgesprochen wurde – ein rechtlich geschütztes Vertrauen in den Bestand dieser Entscheidung (BSG a.a.O. Rn. 58).
c. Auch wenn der Kläger nicht Inhaber einer auf seine ab dem 15.09.2011 ausgeübte Tätigkeit bezogenen Befreiungsentscheidung ist, sondern sein diesbezügliches sozialgerichtliches Berufungsverfahren derzeit ruht, besteht keine verfassungswidrige „Lücke“ zwischen dem anwaltlichen Berufsrecht und dem Sozialrecht. Zwar sieht das anwaltliche Berufsrecht in der Zeit einer vorübergehenden berufsfremden Tätigkeit keine Erstzulassung als Syndikusrechtsanwalt vor, während im Unterschied hierzu das Sozialrecht eine durchgehende Befreiung von der Versicherungspflicht ermöglicht. Etwaige berufsrechtliche Nachteile (keine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt) werden jedoch durch das Sozialrecht und seine Regelungen zur Kontinuität der Befreiung von der Versicherungspflicht in der Regel aufgefangen (vgl. insgesamt zu II 4 BGH Urteil vom 29.01.2018 – AnwZ (Brfg) 12/17, WM 2018, 445 unter I 2 c insb. Rn. 26 ff).
5. Es kommt deshalb nicht mehr darauf an, ob gegen die Einbeziehung der Tätigkeit des Klägers in den Anwendungsbereich von § 46 Abs. 5 BRAO – wie die Beklagte im Schriftsatz vom 08.02.2018 (dort unter Ziffer II 3) meint – auch unter dem Gesichtspunkt des § 4 RDG Bedenken bestehen (vgl. BGH Urteil vom 14.01.2016 – I ZR 107/14, NJW-RR 2016, 1056 unter II 2 c = Rn. 31/35).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 167 VwGO, 709 S. 2 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 194 Abs. 2 BRAO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung waren nicht gegeben, § 124 Abs. 2 VwGO.

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