Arbeitsrecht

Zur Erstattung der Kosten eines auswärtigen Rechtsanwalts

Aktenzeichen  RN 8 M 17.491

Datum:
26.6.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 141771
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 162 Abs. 1, Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

1 Die Reisekosten eines sog. „auswärtigen“ Rechtsanwaltes, der seinen Kanzleisitz weder am Gerichtssitz noch in der näheren Umgebung des Wohnsitzes seines Mandanten hat, stellen sich grundsätzlich nicht als erstattungsfähige notwendige Auslagen dar. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2 Besondere Gründe, welche aus der Sicht des Mandanten die Beauftragung eines „auswärtigen“ Rechtsanwaltes angezeigt erscheinen lassen können, sind anzuerkennen, wenn dieser über besondere Fachkenntnisse verfügt und der Streitfall Fragen aus dem betreffenden Fachgebiet von solcher Schwierigkeit aufwirft, dass eine verständige Partei zur angemessenen Wahrnehmung ihrer Rechte die Heranziehung gerade eines solchen Anwalts für ratsam halten muss, oder aber wenn ein zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Auftraggeber bereits entstandenes Vertrauensverhältnis einen objektiven Grund für eine verständige und das Kosteninteresse des Prozessgegners berücksichtigende Partei abgeben kann, den bereits gewählten Prozessbevollmächtigten auch mit der gerichtlichen Vertretung zu betrauen (Anschluss an BayVGH BeckRS 9998, 82818). (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
3 Ob dem Prozessgegner vorher schon bekannt war, dass eine Vertretung durch eine auswärtige Kanzlei erfolgen würde, ist für die Beurteilung unerheblich. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des gerichtsgebührenfreien Verfahrens zu tragen.
III. Der Gegenstandswert des Erinnerungsverfahrens wird auf 369,46 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 8. November 2016, soweit die Kosten eines auswärtigen Anwalts sowie die darauf entfallende Mehrwertsteuer nur bis zur Höhe fiktiver Kosten als erstattungsfähig festgesetzt worden sind.
Der Kläger stellte mit E-Mail vom 30. September 2014 und nochmals mit Telefax vom 14. Oktober 2014 einen Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen, konkret begehrte er die Übermittlung des „Zwischenberichts zum Energiemanagement des Landkreises Kelheim“. Trotz mehrfacher Nachfrage wurde dem Kläger die begehrte Information nicht übermittelt. Im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens legte der Beklagte mit Schriftsatz vom 17. März 2016 eine Powerpoint-Präsentation zur „Sitzung des Umweltausschusses am 25.06.2014 Energie + Klima 2020 Energiemanagement Zwischenbericht VIII“ vor. In der mündlichen Verhandlung vom 11. April 2016 im Verfahren RN 8 K 15.274 erklärte die Beklagtenvertreterin hierzu, dass außer der übermittelten Powerpoint-Präsentation keine weiteren Unterlagen vorlägen. Die Klägervertreterin erklärte daraufhin in der mündlichen Verhandlung den Rechtsstreit für erledigt. Die Beklagtenvertreterin stimmte der Erledigungserklärung zu. Die Klägerbevollmächtigte reiste zur mündlichen Verhandlung am 11. April 2016 aus … nach Regensburg an. Der Kläger ist in R* … wohnhaft.
Auf Antrag des Klägervertreters setzte die Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts – nach vorheriger Anhörung – mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 8. November 2016 die Kosten fest. Es wurden dabei nur fiktive Fahrtkosten für eine fiktive Fahrstrecke von R* … nach Regensburg und zurück angesetzt. Auf die Begründung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 8. November 2016 wird Bezug genommen.
Gegen diese fiktive Festsetzung von Reisekosten wendet sich der Klägervertreter und beantragte mit Schriftsatz vom 18. November 2016 eine Entscheidung des Gerichts. Er trägt unter Bezugnahme auf seinen Schriftsatz vom 15. Juni 2016 vor, dass der Kläger ein besonderes Vertrauensverhältnis zu den Anwälten der vertretenden Kanzlei aufgebaut habe und zudem vor Ort keine Kanzlei mit vergleichbarer Expertise und praktischer Erfahrung im Umweltinformationsrecht gefunden habe. Beim Umweltinformationsrecht handle es sich um eine Nischenmaterie, mit der selbst im Verwaltungsrecht tätige Anwälte selten zu tun hätten. Zudem sei dem Beklagten bekannt gewesen, dass der Kläger von einer Kanzlei aus L* … vertreten werde. Dennoch habe sich der Beklagte nicht veranlasst gesehen mitzuteilen, dass die vor Gericht begehrten Umweltinformationen nicht existierten. Der Rechtsstreit habe deshalb in der mündlichen Verhandlung nach 10 Minuten für erledigt erklärt werden müssen.
Die Urkundsbeamtin hat dem Antrag nicht abgeholfen und diesem dem Gericht zur Entscheidung vorgelegt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten verwiesen.
II.
Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 8. November 2016 im Verfahren RN 8 K 15.274 wird zurückgewiesen.
Das Gericht hat über die Erinnerung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss in der Besetzung zu entscheiden, in der die zugrundeliegende Kostenentscheidung getroffen wurde. Da die Kostenentscheidung im Verfahren RN 8 K 15.274 durch einen Beschluss der Kammer erfolgt ist, ist auch die Kammer in der Besetzung mit drei Berufsrichtern für die Entscheidung über die Kostenerinnerung zuständig.
Die Erinnerung ist gemäß §§ 164, 165 und 151 VwGO zulässig, aber unbegründet.
Zu den vom Urkundsbeamten auf Antrag festzusetzenden erstattungsfähigen Kosten des Klägers gehören die gesetzlichen Gebühren und Auslagen seines Rechtsanwaltes (§§ 164, 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
Die Urkundsbeamtin hat die vom Klägerbevollmächtigten beantragten Aufwendungen, insbesondere die vom Kläger beanstandeten Positionen „Fahrtkosten“ und „Abwesenheitsgeld“, zutreffend festgesetzt. Diese unter Nrn. 7003 und 7005 VV RVG (Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG) aufgeführten Positionen hat die Urkundsbeamtin zu Recht gekürzt. Denn nach § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts erstattungsfähig, soweit sie zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im Sinne von § 162 Abs. 1 VwGO notwendig sind. Die Erstattungsfähigkeit der Auslagen der Anwälte richtet sich nach der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG, Teil 7. Die Urkundsbeamtin des Gerichts hat in ihrem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 8. November 2016 und in ihrer Nichtabhilfeentscheidung vom 22. März 2017 die maßgeblichen Rechtsgrundlagen und die relevanten Erwägungen dazu zutreffend aufgeführt. Ergänzend sei noch darauf hingewiesen, dass die Reisekosten eines sog „auswärtigen“ Rechtsanwaltes, der seinen Kanzleisitz weder am Gerichtssitz noch in der näheren Umgebung des Wohnsitzes seines Mandanten hat, sich grundsätzlich nicht als notwendige Auslagen iSd § 162 Abs. 1 VwGO darstellen. Eine hiervon abweichende Beurteilung kommt nur dann in Betracht, wenn besondere Gründe aus der Sicht des Mandanten für die Beauftragung des betreffenden „auswärtigen“ Rechtsanwaltes angezeigt erscheinen lassen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der von dem Beteiligten beauftragte Rechtsanwalt über besondere Fachkenntnisse verfügt und der Streitfall Fragen aus dem betreffenden Fachgebiet von solcher Schwierigkeit aufwirft, dass eine verständige Partei zur angemessenen Wahrnehmung ihrer Rechte die Heranziehung gerade eines solchen Anwalts für ratsam halten muss, oder aber wenn ein zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Auftraggeber bereits entstandenes Vertrauensverhältnis einen objektiven Grund für eine verständige und das Kosteninteresse des Prozessgegners berücksichtigende Partei abgeben kann, den bereits gewählten Prozessbevollmächtigten auch mit der gerichtlichen Vertretung zu betrauen (vgl. BayVGH B.v. 29.2.1996 – 8 C 94.2697, BayVBl. 1996, 476f).
Zwar kann das Umweltinformationsrecht wohl noch als „Nischenmaterie“ bezeichnet werden. Allerdings ist dem Gericht bekannt, dass sich auch am Gerichtssitz des Verwaltungsgerichts Regensburg Anwälte niedergelassen haben, die sich speziell mit dieser Materie beschäftigen; dies nicht nur in der Praxis, sondern ebenso in Veröffentlichungen etc.. Auch ist im konkreten Fall des Klägers nicht ersichtlich, dass es sich um einen besonders schwierigen Fall aus dem Bereich des Umweltinformationsrechts handelte. Vielmehr wurde die Klage als sog. Untätigkeitsklage eingereicht, da die Beklagtenseite im vorgerichtlichen Verfahren dem Informationsgesuch des Klägers nicht nachgekommen ist.
Auch kann sich der Kläger nicht darauf berufen, dass zwischen ihm und der von ihm beauftragten Kanzlei ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht. Nach der Aktenlage bestand vorliegend ein übliches Mandantenverhältnis, ohne dass abweichend vom Regelfall ein besonderes Vertrauen aufgebaut worden ist. Es ist nicht zu erkennen, dass sich der Klägerbevollmächtigte schon im Vorfeld der Klageerhebung erheblich und über das gewöhnliche Maß hinaus für die Belange des Klägers eingesetzt hat oder die Kanzlei den Kläger fortlaufend und immer wieder vertritt. Vielmehr hat sich der Kläger in verschiedenen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Regensburg von unterschiedlichen Anwaltskanzleien vertreten lassen. Allein aus der Tatsache, dass der Klägerbevollmächtigte vorbringt, dass er den Kläger auch in einem Normenkontrollverfahren gegen den Landkreis K* … vertritt, lässt sich ein solches besonderes Vertrauensverhältnis nicht herleiten. Vielmehr hat das Gericht den Eindruck, dass es sich um ein normales Anwalts-Mandanten-Verhältnis gehandelt hat, das nicht die Kontaktierung eines auswärtigen Rechtsanwalts auf Kosten der Beklagtenseite rechtfertigt. Dabei ist nochmals klarzustellen, dass der Kläger seinen Anwalt beliebig und frei wählen konnte, jedoch kann dies bei der Kostenerstattung nicht zu Lasten der Beklagtenseite gehen. Unerheblich ist dabei, ob dem Beklagten vorher schon bekannt war, dass der Kläger von einer auswärtige Kanzlei vertreten wird. Die von der Urkundsbeamtin vorgenommene Kürzung der der erstattungsfähigen Kosten ist damit rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Die Festsetzung des Gegenstandswertes erfolgt entsprechend § 47 Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz.

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