Arbeitsrecht

Zur Festsetzung einer vorgerichtlich angefallenen Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren

Aktenzeichen  4 W 41/18

Datum:
26.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
RPfleger – 2018, 641
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 3, § 91, § 98, § 103, § 278 Abs. 6
VV RVG Nr. 2300
GKG § 47, § 48

 

Leitsatz

1 Bei der vorgerichtlich angefallenen Geschäftsgebühr handelt es sich grundsätzlich nicht um eine Kostenposition, die der Festsetzung im Verfahren nach §§ 103 ff. ZPO zugänglich ist. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2 Etwas anderes gilt, wenn in einem Vergleich ausdrücklich bestimmt ist, dass auch die Gebühren eines Rechtsanwalts für seine außergerichtliche Tätigkeit erstattet werden sollen, und sich die Regelungen des Vergleichs für eine rasche und vereinfachte Bestimmung der zu erstattenden Geschäftsgebühr eignen.  (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
3 Eine Einbeziehung außergerichtlicher Anwaltsgebühren in die Kostenfestsetzung ist deshalb geboten, wenn in dem Vergleich die Geschäftsgebühr eindeutig beziffert wird oder eine Einigung über den Gebührensatz und den Gegenstandswert enthalten ist.  (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
4 Nicht ausreichend ist die Vereinbarung einer Kostenquote, die auch auf vorgerichtlich entstandene Kosten Anwendung finden soll (Anschluss an OLG Naumburg BeckRS 2012, 02510). Das gilt auch, wenn in dem einem Prozessvergleich zugrunde liegenden Rechtsstreit außergerichtliche Anwaltskosten aus dem Hauptsachestreitwert unter Ansatz einer 2,0-Gebühr berechnet und als Nebenforderung geltend gemacht wurden. (Rn. 2, 10 und 12 – 13) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

61 O 1262/17 Bau 2018-02-20 Bes LGWUERZBURG LG Würzburg

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Landgerichts Würzburg vom 20.02.2018, Az. 61 O 1262/17 Bau, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.059,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
In einem Rechtsstreit über die Zahlung von Werklohn haben die Parteien am 21.11.2017 vor dem Landgericht Würzburg folgenden Vergleich geschlossen:
„1. Der Beklagte zahlt an die Klägerin einen Betrag von 13.600,00 € zur Abgeltung der streitgegenständlichen Forderung.
(…)
2. Von den Kosten des Rechtsstreits, den vorgerichtlichen Kosten der Klägerin und des Vergleichs tragen die Klägerin 1/4 und der Beklagte 3/4.
In diesem Zusammenhang wird festgehalten, dass die vorgerichtlichen Kosten der Klägerin nicht Bestandteil der Ziffer 1 des Vergleichs sind.“
Der Wert des Rechtsstreits und des Vergleichs wurde vom Landgericht auf 18.187,35 € festgesetzt. Dieser Betrag entsprach der Höhe des eingeklagten Werklohns. Daneben hatte die Klägerin außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.412,00 € unter Ansatz einer 2,0 -Gebühr aus einem Wert von 18.187,35 € geltend gemacht.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20.02.2018, zugestellt an den Klägervertreter am 08.03.2018, hat die zuständige Rechtspflegerin des Landgerichts Würzburg die vom Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten festgesetzt. Den Ansatz der außergerichtlichen Kosten lehnte sie ab, da es sich nicht um eine im Streitverfahren entstandene Gebühr handele.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 22.03.2018. Die Klägerin verweist auf die im Vergleich unter Ziffer 2 getroffene Regelung: Mit dieser hätten die Parteien sicherstellen wollen, dass die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in der Kostenfestsetzung zu berücksichtigen seien.
Die Rechtspflegerin hat der Beschwerde mit Beschluss vom 05.04.2018 nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht Bamberg zur Entscheidung vorgelegt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Kostenfestsetzungsanträge der Parteien, den angefochtenen Beschluss vom 20.02.2018 sowie den Beschwerdeschriftsatz der Klägerin vom 22.03.2018 samt Anlage Bezug genommen.
II.
Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 104 Abs. 3 ZPO statthaft und gemäß §§ 567 Abs. 1 und 2, 569 ZPO zulässig.
In der Sache erweist sich die sofortige Beschwerde allerdings als unbegründet. Das Landgericht hat bei der Festsetzung – jedenfalls im Ergebnis – zu Recht davon abgesehen, die von der Klägerin geltend gemachten außergerichtlichen Kosten festzusetzen.
1. Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Landgerichts, wonach es sich bei einer vorgerichtlich angefallenen Geschäftsgebühr um eine Kostenposition handelt, welche der Festsetzung im Verfahren gemäß §§ 103 ff. ZPO grundsätzlich nicht zugänglich ist. Das Kostenfestsetzungsverfahren ist nur für „Prozesskosten“ vorgesehen, § 103 Abs. 1 ZPO. Rechtsanwaltsgebühren sind nur insoweit Prozesskosten, als sie eine Tätigkeit des Rechtsanwalts im gerichtlichen Verfahren vergüten. Hintergrund ist, dass das Kostenfestsetzungsverfahren nach seiner Ausgestaltung als stark formalisiertes Massenverfahren auf eine rasche, vereinfachte, anhand der Prozessakten vorzunehmende gebührenrechtliche Überprüfung der Tätigkeit des Rechtsanwalts zugeschnitten ist (Schulz in MüKo-ZPO, 5. Aufl., § 103, Rn. 1). Tätigkeiten des Rechtsanwalts aber, die außerhalb des Prozessgeschehens – gleichgültig ob vor oder während des Rechtsstreits – vorgenommen werden, sind aus den Prozessakten nicht ersichtlich. Noch viel weniger lässt sich im Kostenfestsetzungsverfahren klären, inwieweit solche außergerichtlichen Tätigkeiten des Rechtsanwalts für die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung seines Mandanten notwendig gewesen sind (BGH, Beschluss vom 22.12.2004, XII ZB 94/07, Rn. 11, zitiert – wie auch die folgenden Entscheidungen – nach juris; OLG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 01.11.2011, 10 W 58/11, Rn. 11).
Eine – vom Landgericht nicht in Erwägung gezogene – Ausnahme wird aus prozessökonomischen Gründen jedoch dann gemacht, wenn in einem Vergleich ausdrücklich bestimmt ist, dass auch die Gebühren eines Rechtsanwalts für seine außergerichtliche Tätigkeit erstattet werden sollen. Zusätzliche Voraussetzung ist nach überwiegender Meinung aber, dass die zu erstattende Geschäftsgebühr auch der Höhe nach in dem Vergleich eindeutig beziffert wird (BGH, a.a.O., Rn. 12; OLG Sachsen-Anhalt, a.a.O., Rn. 12; Schulz in MüKo-ZPO, 5. Aufl., § 98, Rn. 25). Bei der Frage, ob ein derartiger Ausnahmefall angenommen werden kann, ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Kostenfestsetzungsverfahren in erster Linie dem Schutz der jeweils kostenpflichtigen Partei dient. Stellt diese im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs die Entstehung und Prozessbezogenheit bestimmter Kosten unstreitig und erklärt sich zur Übernahme solcher Kosten bereit, besteht kein Grund, die Geltendmachung im Kostenfestsetzungsverfahren nicht zuzulassen. Entscheidendes Kriterium ist daher nicht, ob eine Bezifferung vorliegt, sondern ob sich die Regelungen im Kostenvergleich für eine rasche und vereinfachte Klärung eignen, auf die das Festsetzungsverfahren zugeschnitten ist (OLG Bamberg, Beschluss vom 26.02.2007, 8 W 1/07, Rn. 11; HK-ZPO/Gierl, 6. Aufl., § 104, Rn. 7). Vor diesem Hintergrund ist eine Einbeziehung außergerichtlicher Anwaltsgebühren auch dann geboten, wenn der Vergleich zwar keine Bezifferung, aber eine Einigung über den Gebührensatz und über den Gegenstandswert enthält (OLG Bamberg, a.a.O., Rn. 12). Nicht ausreichend ist es demgegenüber, wenn in einem Vergleich lediglich eine Kostenquote vereinbart wird, die auch auf vorgerichtlich entstandene Kosten Anwendung finden soll (OLG Sachsen-Anhalt, a.a.O., Rn. 15).
2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erweist sich die Entscheidung des Landgerichts im Ergebnis als zutreffend. Die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Einbeziehung der außergerichtlichen Kosten in das Kostenfestsetzungsverfahren liegen nicht vor.
Zwar wird im Vergleich ausdrücklich darauf hingewiesen, dass auch die vorgerichtlichen Kosten der Klägerin vom Beklagten mit einer Quote von 3/4 zu erstatten sind. Auf welchen Betrag diese Quote Anwendung finden soll, bleibt jedoch offen. Es wird weder eine Aussage darüber getroffen, ob der der angemeldeten Forderung zu Grunde liegende Gebührensatz von 2,0 angemessen ist, noch darüber, von welchem Gegenstandswert ausgegangen werden soll.
Die auch im Festsetzungsverfahren gebotene Auslegung des Vergleichs hilft nicht weiter. Es fehlen im Vergleichstext Anhaltspunkte dafür, dass sich die Einigung der Parteien auch auf die Höhe der von der Klägerin mit der Klageschrift rechtshängig gemachten Kosten bezieht, etwa eine Bezugnahme auf den Klageantrag oder die Benennung der Berechnungsgrundlage. Es bleibt daher unklar, in welchem Umfang sich der Beklagte zu einer Kostentragung bereit erklärt hat. Unter diesen Umständen ist die ausnahmsweise Einbeziehung der außergerichtlichen Kosten in das Kostenfestsetzungsverfahren nicht gerechtfertigt.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren bestimmt sich anhand der Differenz zwischen dem tatsächlich festgesetzten Betrag und jenem, der unter Beachtung der Rechtsauffassung des Klägers festzusetzen gewesen wäre, §§ 47, 48 GKG i.V.m. § 3 ZPO.
Die Voraussetzungen für eine Übertragung der Sache auf den Senat und eine Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor, §§ 568 S. 2, 574 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 ZPO.

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