Arbeitsrecht

Zur Rechtmäßigkeit der Rentenanpassung zum 01.07.2014

Aktenzeichen  L 14 R 200/15

Datum:
11.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 29507
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

S 17 R 1070/14 2015-02-05 Urt SGAUGSBURG SG Augsburg

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 05.02.2015 wird zurückgewiesen.
II. Die dem Kläger in der Berufungsinstanz entstandenen notwendigen Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung erweist sich als nicht begründet.
Das Sozialgericht Augsburg hat die Klage mit Urteil vom 05.02.2015 zu Recht abgewiesen. Denn die Rentenanpassung zum 01.07.2014 und der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 16.09.2014 sind nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine höhere Rentenanpassung.
Streitgegenstand ist hier nur die Rentenanpassung zum 01.07.2014 gemäß der Mitteilung vom 01.07.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.09.2014. Eine Rentenanpassungsmitteilung stellt einen Verwaltungsakt dar. Durch die Anpassung wird der bestehende Verwaltungsakt der Rentenfestsetzung gemäß der in der Anpassungsmitteilung genannten Veränderungsformel erhöht (vgl. BSG, Urteil vom 23.03.1999, SozR 3-1300 § 31 Nr. 13).
1. Nach § 69 Abs. 1 SGB VI hat die Bundesregierung den jeweils ab dem 1. Juli eines Jahres maßgeblichen aktuellen Rentenwert durch Rechtsverordnung zu bestimmen. Entsprechend dieser Verpflichtung hat die Bundesregierung mit der Verordnung vom 20.06.2014 zur Bestimmung der Rentenwerte in der gesetzlichen Rentenversicherung und in der Alterssicherung der Landwirte zum 01.07.2014 (BGBl. I, 1573) den ab 01.07.2014 auch für den Kläger maßgeblichen aktuellen Rentenwert (West) auf 28,61 € und den aktuellen Rentenwert (Ost) auf 26,39 € festgesetzt. Damit kam es zu einer Rentensteigerung um 1,67% bzw. um 2,53% (neue Länder). Die von der Beklagten vorgenommene Anpassung der Rente des Klägers entspricht den gesetzlichen Vorgaben gem. §§ 63 Abs. 7, 65, 68, 68a, 69, 255e SGB VI. Ein Verstoß gegen diese gesetzlichen Bestimmungen ist für den Senat nicht ersichtlich. Ein solcher wurde vom Kläger auch nicht behauptet. Einfachgesetzlich ist die Rentenanpassung zum 01.07.2014 damit nicht zu beanstanden. Im einzelnen:
2. Die jährlichen Rentenanpassungen werden maßgeblich von den folgenden drei Faktoren,
1.Entwicklung der beitragspflichtigen Entgelte,
2.Belastungsveränderung bei den Altersvorsorgeaufwendungen (Beitragssatz zur Rentenversicherung und private Altersvorsorge) – Riesterfaktor -,
3.Nachhaltigkeitsfaktor bestimmt.
Die Rentenanpassung zum 01.07.2014 war dadurch gekennzeichnet, dass der Unterschied zwischen der Anpassung in den alten und in den neuen Bundesländern erheblich war. Dieser Unterschied war zum einen darauf zurückzuführen, dass es eine deutlich stärkere Lohnentwicklung in den neuen Bundesländern als in den alten Bundesländern gab, wobei die beitragspflichtigen Entgelte weniger stark zunahmen als der Bruttolohnanstieg der Arbeitnehmer. Anpassungssteigernd wirkten sich die Belastungsveränderungen bei den Altersvorsorgeaufwendungen der Aktiven aus. Demgegenüber führte der Nachhaltigkeitsfaktor zu einer Reduzierung des Anpassungssatzes. Zum anderen mussten in den alten Bundesländern noch Abschläge infolge der Rentenschutzklausel nachgeholt werden, die in den neuen Bundesländern bei der Rentenanpassung 2012 bereits abschließend berücksichtigt worden waren.
3. Die Bruttolöhne der Arbeitnehmer stiegen im Jahre 2013 gegenüber 2012 um 2,18% bzw. 2,36% (neue Länder). Die Werte sind zwar um so genannte „Ein-Euro-Jobs“ bereinigt, beinhalten aber ansonsten alle Entgeltbestandteile, so vor allem auch nicht beitragspflichtige Entgeltteile (z.B. Entgeltteile oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze; beitragsfreie Entgeltumwandlung in Betriebsrentenanwartschaften). § 68 Abs. 2 SGB VI legt jedoch fest, dass die Entgeltentwicklung nur die Veränderung der beitragspflichtigen Entgelte widerspiegeln darf. Diese haben sich im Betrachtungszeitraum, wie schon zuvor, schwächer entwickelt als die Bruttolöhne der Arbeitnehmer. Der dies bereinigende sog. „Entgeltfaktor“ dämpft den Wert der beitragspflichtigen Entgelte um 0,8% bzw. um 0,58% (neue Länder) auf 1,38% bzw. 1,68% (neue Länder).
Mit anderen Worten hätte die Rentenanpassung nur 1,38% betragen dürfen, wenn diese, wie der Kläger wohl fordert, allein an die Entwicklung der beitragspflichtigen Arbeitnehmerentgelte anknüpfen würde.
3. Um die volle Riester-Förderung zu erhalten, müssen Beschäftigte seit 2003 einen prozentualen Eigenbetrag ihres Bruttoeinkommens aufwenden. Gegenwärtig beträgt dieser Anteil vier Prozent. Die steigende Belastung der Aktiven für Altersvorsorge ist nach dem Willen des Gesetzgebers an die Rentner in Form geringerer Rentensteigerung weiterzugeben. Allerdings ist der jahresdurchschnittliche Beitragssatz zur Rentenversicherung, die zweite Größe des sog. „Riesterfaktors“ im Jahr 2013 gegenüber 2012 von 19,6% auf 18,9% gesunken. Bei unterschiedlicher Gewichtung der beiden Faktoren ergibt sich insgesamt ein anpassungsteigender Wert von 0,92%.
4. Der 2004 eingeführte Nachhaltigkeitsfaktor berücksichtigt das zahlenmäßige Verhältnis zwischen Rentenbeziehern und Erwerbstätigen bei der Rentenanpassung. Steigt die Zahl der Erwerbstätigen (und damit der Beitragszahler) im Vergleich zu den Beziehern, erhöhen sich im Folgejahr die Renten. Umgekehrt: Sinkt die Zahl der Beitragszahler im Vergleich zu der der Rentner, ergibt sich eine Absenkung. Für die Rentenanpassung 2014 ergibt sich aufgrund der leicht gestiegenen Zahl der Rentner ein anpassungsdämpfender Wert von 0,19%.
Als Zwischenergebnis ergibt sich bei Multiplikation der Faktoren mit dem aktuellen Rentenwert 2013 (West): 28,14 € x 1,0138×1,0092x 0,9981 = 28,74 €. Dies entspricht einer Steigerung von 2,13%.
5. Indes wird die Rentenanpassung vorübergehend zusätzlich durch den sog. Ausgleichsbedarf (Nachholfaktor) bestimmt, der sich aufgrund von in der Vergangenheit infolge der Schutzklausel unterbliebener Anpassung dämpfend auswirkt.
2009 hat die Bundesregierung die bestehende Schutzklausel um eine „erweiterte Rentenschutzklausel“ ergänzt. Den Rentnerinnen und Rentnern wird gesetzlich garantiert, dass allein ein sinkendes Lohnniveau nicht zu sinkenden Renten führt. Somit gibt es eine faktische Rentengarantie. Die Rentnerinnen und Rentner müssen daher seit Einführung 2005 keine Kürzung ihrer Altersbezüge befürchten.
Die gesetzlichen Schutzklauseln kamen in den Jahren 2005, 2006 und 2010 zur Anwendung. Das verhinderte Kürzungen bei der Rentenanpassung. Dadurch baute sich aber im Laufe der Jahre ein „Ausgleichsbedarf“ auf. Um die Jüngeren im Sinne der Generationengerechtigkeit nicht einseitig zu belasten, findet der Abbau nach und nach statt. Rentenerhöhungen wurden deshalb so lange halbiert, bis der Ausgleich erreicht ist. 2011 startete diese schrittweise Rückführung. Die neuen Bundesländer haben die Rückführung bereits 2012 erreicht. In den alten Bundesländern setzt sich der Abbau mit der diesjährigen Rentenanpassung fort. Der Ausgleichsbedarf im Westen betrug zum 30.06.2014 noch 0,46% (West) beträgt. Nach der diesjährigen Anpassung besteht auch in den alten Ländern zunächst kein weiterer Ausgleichsbedarf mehr.
Damit ergibt sich ein Anpassungssatz (West) von 2,13% – 0,46% = 1,67%.
6. Eine Verfassungswidrigkeit der Rentenanpassung zum 01.07.2014 ist für den Senat nicht erkennbar.
Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 03.06.2014 (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 03.06.2014 – 1 BvR 79/09, 1 BvR 1235/09, 1 BvR 1298/09, 1 BvR 1701/09, 1 BvR 3148/10 -, juris; zur Rentenanpassung 2005).
Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Beschluss ausgeführt, dass dem Gesetzgeber eine ausreichende Flexibilität erhalten bleiben müsse, um das Rentenversicherungssystem und insbesondere dessen Finanzierung zu gewährleisten. Gesetzliche Maßnahmen, die der Erhaltung der Funktions- und Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung dienen, müssten allerdings von einem gewichtigen öffentlichen Interesse getragen sein. Verstöße gegen das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 oder gegen Art. 3 GG seien nicht ersichtlich. Wo konkret der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung seine Grenze finde, weil die Rente ihre Funktion als substantielle Alterssicherung verlöre, bedürfe mit Blick auf die angegriffene Rentenanpassung (hier: zum 01.05.2005) keiner Entscheidung. Denn es sei offensichtlich, dass diese Grenze hierdurch nicht erreicht werde.
Dies Ausführungen beanspruchen nach Ansicht des Senats auf für die Anpassung 2014 weiterhin Gültigkeit.
Die Berufung kann daher keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.

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