Arbeitsrecht

Zustandekommen eines bestimmten Tarifs im Zusammenhang mit dem Abschluss einer betrieblichen Altersversorgung wegen Berufsunfähigkeit

Aktenzeichen  7 Sa 576/16

Datum:
29.9.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 139544
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 145, § 151
BetrAVG § 4a

 

Leitsatz

Leistungsausweise sind reine Wissenserklärungen ohne eigenständige rechtliche Bedeutung. Auch wenn entsprechende Gehaltsabhebungen erfolgt sind, ersetzt dies nicht eine Vereinbarung über einen bestimmten Tarif, der zudem eine Gesundheitsprüfung voraussetzt, die der Kläger verweigert hat. (Rn. 45 und 39)

Verfahrensgang

5 Ca 14357/15 2016-06-22 Urt ARBGMUENCHEN ArbG München

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 22.06.2016 – 5 Ca 14357/15 – wird auf seine Kosten
zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

i. Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6, 519, 520 ZPO).
ii. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend darauf verwiesen, dass die streitgegenständlichen sog. Leistungsausweise lediglich als Wissenserklärung iSv. § 4 a BetrAVG zu bewerten sind und dass ihnen keine eigenständige rechtliche Bindungswirkung zukommt. Weiter hat es zutreffend darauf abgestellt, dass zwischen den Parteien keine vertragliche Bindung über das Zustandekommen eines Versorgungsvertrags mit Tarif A6 erfolgt ist.
1. Auf der Grundlage des vorliegenden Sachverhalts ist nicht feststellbar, dass zwischen den Parteien ein Vertrag zur arbeitnehmerfinanzierten betrieblichen Altersversorgung mit Leistungsoption A6 zustande gekommen ist. Der Kläger unterliegt dem Anwendungsbereich des „Leistungsplans Life-Cycle-Modell“ der Beklagten, in der unter Ziff. III. (1) auch eine Leistungsoption A6 mit einer Berufsunfähigkeitsrente von 500% der Altersrente geregelt ist. Verweise auf das vormalige M.-C.-Concept zur Begründung der Klage gehen aber ins Leere, denn die darin enthaltenen Regelungen sind durch die bei der Streitverkündeten zu 2 bestehenden „Ablösende Gesamtbetriebsvereinbarung zur betrieblichen Absicherung und Altersversorgung“ abgelöst worden (siehe dazu Präambel und § 2 (1) a) der Gesamtbetriebsvereinbarung).
a) Aus der Benutzung des in § 4 der Gesamtbetriebsvereinbarung beschriebenen Softwaretools, wonach Versorgungsleistungen und Leistungsoptionen ausgewählt werden können, ergibt sich noch keine Rechtsverbindlichkeit gegenüber der Beklagten.
Dem Kläger ist die Nutzung dieses Tools zwar zur Beantragung der Versorgungsleistungen vorgeschrieben, doch die Befolgung dieses Formzwangs – gleichzusetzen mit einem Schriftformzwang – bedeutet für den gestellten Antrag nicht gleichzeitig quasi automatisch, dass damit bereits eine rechtsverbindliche Vereinbarung begründet wird. Eine solche Rechtsfolge regelt § 4 der Gesamtbetriebsvereinbarung nicht, noch lässt sich dies ihrem Sinn und Zweck entnehmen, zumal auch in dem Leistungsplan Life-Cycle-Modell auf den die Gesamtbetriebsvereinbarung verweist, das Nichtzustandekommen von gewählten Leistungsoptionen aus gesundheitlichen Gründen (Ziff. IV. (1)) erwähnt wird. Für einen Umkehrschluss, dass immer dann, wenn eine Gesundheitsprüfung, aus welchen Gründen auch immer, bei der Beantragung unter Verwendung des Tools nicht gefordert wird, bereits eine verbindliche Vereinbarung bzw. Zusage für die Leistungsoption vorliegen soll, wäre willkürlich und nicht interessengerecht. Durch die Nutzung des Tools soll vielmehr offensichtlich ein Papier Weg umgangen werden und der Arbeitnehmer in die Lage versetzt werden, ohne großes Nachfragen und ohne Fremdunterstützung möglichst umfassend Informationen zu erhalten. Dieser elektronische Informations Weg fingiert aber nicht das Zustandekommen einer Vereinbarung und damit auch nicht die Einigung auf einen bestimmten Tarif bzw. eine bestimmte Leistungsoption. Letztlich zeigt das Tool nur auf, was an finanzielle Leistungen zu erwarten ist, falls eine verbindliche Vereinbarung erfolgen sollte. So ist insbesondere auch über die Vorgehensweise mit der Benutzung des Tools nicht einmal gewährleistet, dass damit ein verbindlicher Antrag einhergeht. Und Ziff. IV. (1) des Leistungsplans Life-Cycle-Modell zeigt eindeutig, dass die Wahl der Leistungsoption lediglich eine Erklärung gegenüber M., der Streitverkündeten zu 2) ist, die der Arbeitnehmer im Rahmen der Entgeltumwandlungsvereinbarung abzugeben hat. Die erst danach zu treffende Entgeltumwandlungsvereinbarung ist aber weder ersichtlich, noch ist eine solche zwischen dem Kläger und der Streitverkündeten zu 2) feststellbar.
b) Auch wenn zu Gunsten des Klägers unterstellt wird, das mit der Nutzung des Tools und der Eingabe von Daten und der Wahl einer Leistungsoption nicht nur auf elektronischem Weg eine unverbindliche Voranfrage erfolgt ist, sondern ein Antrag iSv. § 145 BGB vorliegt, steht damit noch nicht fest, dass dieser von der Beklagten oder der Streitverkündeten zu 2) angenommen wurde. Die Annahme ist eine einseitige empfangsbedürftige, in Form der §§ 151, 152 BGB ausnahmsweise nicht empfangsbedürftigen Willenserklärung. Ihr Inhalt besteht aus der vorbehaltlosen Bejahung des Antrags (vgl. Palandt, BGB, § 147 Rn. 1).
aa) Eine förmliche Annahmeerklärung zum Abschluss einer arbeitnehmerfinanzierten betrieblichen Altersversorgung mit Leistungsplan A6 liegt seitens der Beklagten nicht vor. Es kann auch nicht gem. § 151 BGB davon ausgegangen werden, dass eine Annahme ohne Erklärung – konkludent – gegenüber dem Antragenden erfolgt ist. Gemäß § 151 BGB kommt ein Vertrag durch die Annahme des Antrags zustande, ohne dass die Annahme den Antragenden gegenüber erklärt zu werden braucht, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende auf sie verzichtet hat. Dass hier seitens der Beklagten oder der Streitverkündeten zu 2) auf eine Erklärung verzichtet wurde, ist dem vorliegenden Sachverhalt nicht zu entnehmen. Es kann aber auch nicht nach der Verkehrssitte erwartet werden, dass auf eine solche Erklärung verzichtet wurde, denn vorliegend geht es um den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 500% der Altersrente, für die gem. Ziff. VIII. (2) des Leistungsplans Life-Cycle-Modell der Begünstigte – hier der Kläger – die Verpflichtung hat, alle für den Abschluss einer Versicherung notwendigen Unterlagen vorzulegen und er danach zudem verpflichtet ist, seine Einwilligung zum Abschluss des Versicherungsvertrages zu erklären, die Gesundheitsfragen des Versicherers zu beantworten und sich ggf. ärztlich untersuchen zu lassen. Weiter ist festgelegt, dass die Gewährung von Leistungen nach diesem Leistungsplan ausgeschlossen ist, wenn der Begünstigte seine Mitwirkung beim Abschluss oder der Durchführung eines Versicherungsvertrages verweigert. Damit ist es offensichtlich, dass jedenfalls auf eine stillschweigende Annahme nicht abzustellen ist und es vielmehr einer ausdrücklichen Annahmeerklärung zum Zustandekommen eines entsprechenden Vertrages bedarf.
bb) Da die Leistungsoption A6 – was der Kläger auch selbst nicht bestreitet – einer Gesundheitsprüfung für ihren Abschluss bedarf, die er unstreitig verweigert hat, ist auch ein entsprechender Vertrag zwischen den Parteien nicht zustande gekommen, da die Voraussetzung dafür, eine Gesundheitsprüfung, nicht eingehalten wurde. In diesem Zusammenhang ist es auch unerheblich, dass bei der Eingabe unter Anwendung des Tools und dem Anklicken der Leistungsoption A6 keine Sperre, Zurückweisung oder ein sonstiger Hinweis erfolgt, dass Voraussetzung für den Abschluss nach Leistungsoption A6 die Durchführung einer Gesundheitsprüfung ist. Denn die Durchführung einer Gesundheitsprüfung ist unabdingbare Voraussetzungen für das Zustandekommen eines entsprechenden Vertrages mit Leistungsoption A6. Dass darauf, wohl fehlerhaft, bei der Verwendung des Tools nicht hingewiesen wurde, macht die notwendige Annahmeerklärung der Beklagten nicht entbehrlich. Und dass zwischen den Parteien letztlich ein Vertrag zur arbeitnehmerfinanzierten betrieblichen Altersversorgung nach Leistungsplan A2 zustande gekommen ist, ist für das Nichtzustandekommen eines entsprechenden Vertrages nach Leistungsplan A6 unerheblich, denn für dessen Zustandekommen ist der Kläger darlegungs- und beweispflichtig.
cc) Dass in Gehaltsabrechnungen der Streitverkündeten zu 2) bestimmte Beträge in Zusammenhang mit einer Entgeltumwandlung bezeichnet wurden, führt für den Kläger zu keinem günstigeren Ergebnis. Eine Lohnabrechnung stellt regelmäßig nur eine Wissens- und keine rechtsgestaltende Willenserklärung dar (vgl. BAG 05.07.2017 – 4 AZR 867/16; 10.03.1987 – 8 AZR 610/84). Daher kann der Kläger aus den Abläufen in Zusammenhang mit den Gehaltsabrechnungen das Zustandekommen eines Vertrags mit Leistungsoption A6 nicht begründen.
dd) Dass trotz der fehlenden vertraglichen Vereinbarung über das Zustandekommen eines vertraglichen Vereinbarung zur arbeitnehmerfinanzierten betrieblichen Altersversorgung mit Leistungsoption A6 im Rahmen einer Entgeltumwandlung die Streitverkündeten zu 2) bestimmte Beträge an die Beklagte weitergeleitet hat, ist unschädlich und begründet ebenfalls nicht den Abschluss des vom Kläger begehrten Vertrags. Diese Zahlungsvorgänge erfolgten lediglich im Vorgriff auf das Zustandekommen eines Vertrags, der gerade noch nicht vorlag mangels der dazu zwingend durchzuführenden (positiven) Gesundheitsprüfung. Die im Vorgriff erfolgten Zahlungen waren daher jederzeit für eine Rückabwickelung offen, wie es auch im Rahmen der Anpassung an die Leistungsoption A2 für die keine Gesundheitsprüfung Voraussetzung ist, erfolgte. Diese Handhabung hat auch der Zeuge T., an dessen Glaubwürdigkeit keinerlei Veranlassung für Zweifel bestand, bestätigt. Er hat wörtlich ausgesagt, dass es auch sein kann, dass Beiträge schon erhoben werden, obwohl noch kein Vertrag zustande gekommen ist.
2. Der Kläger kann sich, worauf das Arbeitsgericht bereits zutreffend verwiesen hat, auch nicht darauf berufen, dass die von der Beklagten erstellen Leistungsausweise eine rechtliche Bindungsqualität haben, noch dass sie als Annahmeerklärungen zu bewerten sind.
a) Das Bundesarbeitsgericht hat bereits zur Vorgängerreglung des § 4 a BetrAVG, § 2 Abs. 6 BetrAVG entschieden, dass die Auskunft nach § 2 Abs. 6 BetrAVG weder ein abstraktes noch ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis ist. Sie ist eine Wissenserklärung, die dem Arbeitnehmer Klarheit über die Höhe der zu erwartenden Betriebsrente verschaffen soll. Hingegen dient die Auskunft nicht dazu, einen Streit über den Inhalt des Versorgungsanspruchs zu beseitigen. Sie soll lediglich Meinungsverschiedenheiten über die Berechnungsgrundlagen aufdecken und den ausgeschiedenen Arbeitnehmern Gelegenheit geben, derartige Streitigkeiten noch vor Eintritt des Versorgungsfalles durch eine Klage auf Feststellung des Inhalts und der Höhe der Versorgungsanwartschaft zu bereinigen (vgl. BAG 09.12.1997 – 3 AZR 695/96; ebenso 17.06.2003 – 3 AZR 462/02).
b) Dem Kläger ist zuzustimmen, dass es irritierend ist, dass die Beklagte ihm mit Schreiben vom 01.10.2010, 20.07.2011 und 24.08.2011 jeweils einen Leistungsausweis zur arbeitnehmerfinanzierten betrieblichen Altersversorgung übersandt hat, in denen unter dem gewählten Leistungsplan A6 stand. Dies ist aber zunächst im Zusammenhang mit der bereits zitierten Ziff. IV. (1) des „Life-Cycle-Modells“ zu sehen, wonach die Leistungsoptionen vom Mitarbeiter durch schriftliche Erklärung zu wählen sind. Insofern gibt der Leistungsausweis auch nur das wieder, was der Kläger gewählt hat, aber nicht, dass durch seine Wahl ein entsprechend verbindlicher Vertrag zustande gekommen ist.
c) Dass es sich bei diesen als Leistungsausweisen bezeichneten Mitteilungen um eine reine Wissenserklärung und um keine rechtsverbindliche Auskunft handelt, zeigt bereits die Formulierung am Ende, in der steht: „Die Höhe der tatsächlich fällig werdenden Versorgungsleistungen wird endgültig bei Eintritt des Versorgungsfalles ermittelt.“ Für die Rechtsunverbindlichkeit der Wissenserklärungen spricht zudem der weitere Passus in dem Schreiben, wonach „im Übrigen die jeweiligen Leistungspläne und die Kollektivrahmenverträge gelten“. Somit ergibt sich aus dem Text des Leistungsausweises ohne weiteres, dass ein gewählter Leistungsplan detaillierten Regelungen nach den Kollektivrahmenverträgen unterliegt und sich daher gerade nicht bereits aus der Erwähnung zu „gewählter Leistungsplan“ eine verbindliche Festlegung auf einen bestimmten Tarif, hier A6, ergibt. Somit ergibt sich aus der gebotenen Auslegung, dass die vorliegenden Leistungsausweise von ihrer rechtlichen Qualität her reine Wissenserklärungen iSv. § 4 a BetrAVG sind und ihnen keine Geschäftswille des Ausstellers, der Beklagten zukommt.
3. Schadenersatzansprüche des Klägers insbesondere unter dem Gesichtspunkt eines Vertrauensschadens wegen des Nichtzustandekommens eines Vertrags mit einem Leistungsplan nach A6 bestehen nicht, denn der Kläger hat das Zustandekommen des Vertrags durch die Verweigerung einer Gesundheitsprüfung vereitelt und der Kläger hat auch nicht dargelegt, wie bei dieser Sachlage und bei Berücksichtigung seines Gesundheitszustandes ein entsprechenden Vertrag hätte zustande kommen können.
III.
Der Kläger hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

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