Aktenzeichen 25 O 3873/16
VAG aF § 10a
BGB § 812 Abs. 1 S. 1
Leitsatz
Die in einem Policenbegleitbeschreiben einer im sog. Policenmodell abgeschlossenen Lebens- oder Rentenversicherung enthaltene Belehrung über das Widerspruchsrecht gem. § 5a Abs. 1 S. 1 VVG aF, nach der die Widerspruchsfrist “ab Erhalt dieser Unterlagen” beginnt, ist inhaltlich nicht zu beanstanden, wenn dem Versicherungsnehmer die maßgeblichen und im Policenbegleitschreiben in Bezug genommenen Unterlagen (Versicherungsschein, AVB, Verbraucherinformation) mit diesem übersandt wurden (s. auch OLG Hamm BeckRS 2015, 5944). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 13.330,72 € festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet, da ein Rückzahlungsanspruch des Klägers gemäß §§ 812, 818 BGB über den bereits von der Beklagten erstatteten Rückkaufswert hinaus nicht besteht. Sämtliche Beitragsleistungen des Klägers erfolgten mit Rechtsgrund. Dieser ist auch nicht im Nachhinein durch einen wirksamen Widerspruch entfallen.
Auf den vorliegenden Fall ist das VVG in seiner Fassung bis zum 31.12.2007 anzuwenden, da es sich um einen sogenannten Altvertrag (Abschluss und Vertragsbeginn 2004) handelt, Art. 1 Abs. 1 und 2 EGVVG.
Der Widerspruch des Klägers vom 29.01.2016 betreffend den zum 01.11.2004 beginnenden und mit Schreiben vom 01.09.2010 gekündigten Versicherungsvertrag, für welchen der Kläger unstreitig Versicherungsbeiträge in Höhe von € 11.167,36,- gezahlt hat, war nicht rechtzeitig im Sinne von § 5 a VVG a.F. Die 2-Wochenfrist wurde nicht eingehalten, so dass der Vertrag der Parteien wirksam zustande gekommen ist und Rückforderungsansprüche über den Rückkaufswert hinaus nicht bestehen.
§ 5 a Abs. 1 VVG a.F. in der bis zum 07.12.2004 gültigen Fassung bestimmt, dass, wenn der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei Antragsstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben oder eine Verbraucherinformation nach § 10 a VAG unterlassen hat, der Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformationen als abgeschlossen gilt, wenn nicht der Versicherungsnehmer innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung der Unterlagen in Textform widerspricht, wobei gemäß § 5 a Abs. 2 S. 1 VVG a.F. die Frist erst zu laufen beginnt, wenn Versicherungsschein und die sonstigen in Absatz 1 genannten Unterlagen vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist.
Unstreitig wurden dem Kläger die nach § 5 a I VVG a.F. erforderlichen Unterlagen zusammen mit dem Versicherungsschein und dem Policen-Begleitschreiben übersandt. Der Versicherungsvertrag zwischen den Parteien wurde daher wirksam gemäß § 5 a VVG a.F. im Wege des Policenmodells geschlossen.
Der Widerspruch im Schriftsatz vom 29.01.2016 ist unwirksam, da er nicht innerhalb der in § 5 a Abs. 1 S. 1 VVG a.F. normierten Frist erfolgte.
Der Kläger wendet ein, er sei nicht ausreichend über sein Widerspruchsrecht belehrt worden, weil die ihm zu übergebenden Unterlage in dem Policen-Begleitschreiben nicht aufgezählt seien, sondern nur der „Erhalt dieser Unterlagen“ benannt worden sei. Nach § 5 a VVG II 1 VVG a.F. ist der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer zu belehren.
Die Widerspruchsbelehrung im Zuleitungsschreiben ist wirksam. Sie ist in der erforderlichen drucktechnisch hervorgehobenen Form erfolgt. Bei der Belehrung handelt es sich um den dritten Absatz eines einseitigen Schreibens, der als einziger unterstrichen und damit hervorgehoben ist. Die Belehrung ist auch inhaltlich ausreichend und zutreffend. Der Inhalt der Belehrung muss nicht nur zutreffend, sondern auch unmissverständlich sein, um den Versicherungsnehmer über sein Widerspruchsrecht klar und eindeutig belehren. Hierbei dürfen keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden.
Über den Fristbeginn für den Widerspruch wird zutreffend informiert, in dem es heißt „ab Erhalt dieser Unterlagen schriftlich widersprechen.“. Offensichtlich und für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer unzweifelhaft sind durch die Bezugnahme auf diese Unterlagen die mit dem Policen Begleitschreiben übersandten Unterlagen gemeint. Wenn – wie vorliegend unstreitig – mit dem Policen-Begleitschreiben die weiteren nach § 5 a VVG a.F. erforderlichen Unterlagen (Versicherungsschein, AVB, Verbraucherinformationen) übersandt wurden, genügt das für eine ordnungsgemäße Belehrung. Der Kläger kannte daher den Fristbeginn. Für die Widerspruchsbelehrung genügt die Benennung des die Frist auslösenden Ereignisses (ständige Rechtsprechung des 25. Senats des OLG München, vgl. statt aller Hinweis vom 11.05.2016, 25 U 371/16).
Die von der Beklagten verwandte Belehrung unterscheidet sich von derjenigen, die Grundlage der Entscheidung des BGH vom 10.02.2016 war, da in dieser allein auf den Erhalt des Versicherungsscheins abgestellt wurde. Die streitgegenständliche Belehrung nimmt nicht auf den Versicherungsschein, sondern auf die übersandten Unterlagen, die unstreitig alle erforderlichen Unterlagen nach § 5 a VVG umfassten, Bezug und benennt damit das die Frist auslösende Ereignis zutreffend. Soweit der Kläger auf das Urteil des BGH vom 22.7.2015, IV ZR 257/13 Bezug nimmt, in der der BGH ist die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung als unzureichend beurteilt, steht dem der Beschluss des BGH vom 11. November 2015 (Anlage B 2) entgegen, mit dem die Revision gegen eine Entscheidung des OLG München zurückgewiesen wurde, in der die streitgegenständliche Widerspruchsbelehrung als ausreichend beurteilt wurde, was ausweislich der Erwiderung auf die Nichtzulassungsbeschwerde auch Gegenstand des Verfahrens war.
Damit hat der Kläger den zwischen den Parteien bestehenden der Vertrag nicht wirksam widerrufen, die Zahlung der Versicherungsbeiträge erfolgte mit Rechtsgrund, so dass ein Anspruch aus § 812 BGB nicht besteht.
Mangels Anspruchs in der Hauptsache besteht auch kein Anspruch auf die geltend gemachte Nebenforderung. Darüber hinaus wurde bereits das Widerspruchsschreiben von dem Klägervertreter verfasst, so dass schon zu diesem Zeitpunkt sämtliche Gebühren angefallen sind. Selbst bei einem wirksamen Widerspruch würde es also am Verzug der Beklagten fehlen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO. Der Streitwert entspricht der bezifferten Klageforderung.