Bankrecht

Anforderungen an Widerrufsbelehrung

Aktenzeichen  5 U 4604/18

Datum:
14.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 48054
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
EGBGB Art. 247 § 6 Abs. 2, § 12 Abs. 1
BGB § 314, § 492 Abs. 2

 

Leitsatz

Verfahrensgang

22 O 10510/18 2018-11-29 LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 29.11.2018, Aktenzeichen 22 O 10510/18, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 44.255,05 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit des von dem Kläger gegenüber der beklagten Bank erklärten Widerrufs eines Kfz-Finanzierungsdarlehens.
Der Kläger hat in erster Instanz geltend gemacht, sein am 16.03.2018 erklärter Widerruf des am 08.04.2015 geschlossenen Darlehensvertrags sei wirksam, weil die Beklagte ihn nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht informiert habe.
Er hat beantragt,
1.Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 44.255,05 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen nach Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs BMW 220d Coupé mit der Fahrzeugidentifikationsnummer …66 nebst Fahrzeugschlüsseln und Fahrzeugpapieren.
2.Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des unter Ziffer 1 genannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
3.Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 865,37 € freizustellen.
Die Beklagte hat
Klageabweisung beantragt.
Die Klage sei teilweise schon unzulässig und im Übrigen unbegründet. Hilfsweise werde mit Gegenansprüchen aufgerechnet.
Das Landgericht hat die Klage mit Endurteil vom 29.11.2018 abgewiesen. Der Widerruf sei verfristet. Die Beklagte könne sich auf die Schutzwirkung des Musters nach Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB in der Fassung vom 13.06.2014 – 20.03.2016 berufen. Die Beklagte habe bei der Zinsangabe 0,00 € den Tageszinssatz, nicht den Sollzinssatz angegeben. Mit der Passage zur Wertersatzpflicht des Darlehensnehmers habe die Beklagte zulässigerweise von der Möglichkeit des Gestaltungshinweises (5c) Gebrauch gemacht. Die Vertragsunterlagen enthielten alle gemäß § 492 Abs. 2 BGB a.F. erforderlichen Pflichtangaben. Die „Europäischen Standardinformationen zum Verbraucherkredit“ seien Teil der Vertragsurkunde geworden.
Dagegen richtet sich die nach Zustellung am 05.12.2018 am 19.12.2018 eingelegte Berufung, die der Kläger am 05.02.2019 begründet hat. Die Widerrufsfrist sei noch nicht abgelaufen, weil der Kläger nicht alle Pflichtangaben gemäß § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB erhalten habe. Insbesondere die Einordnung der Europäischen Standardinformationen seien vom Landgericht fehlerhaft vorgenommen worden. Es handele sich hierbei um vorvertragliche Informationen, die nicht Vertragsbestandteil geworden seien. Speziell zu der Pflichtangabe „einzuhaltendes Verfahren bei Kündigung des Vertrages“ übergehe das Landgericht obergerichtliche Rechtsprechung. Eine Wertersatzpflicht des Klägers komme aus Rechtsgründen nicht in Betracht. Die Beklagte habe über eine rechtlich nicht existierende Rückzahlungsverpflichtung, eine (teilweise) nicht existierende Zinszahlungsverpflichtung des Darlehensnehmens und über ein tatsächlich nicht existierendes verbundenes Geschäft belehrt.
Der Kläger beantragt,
das Ersturteil abzuändern und nach seinen erstinstanzlichen Anträgen zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat mit dem Kläger am 25.02.2019 zugestellten Beschluss vom 11.02.2019 darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Die Beklagte habe dem Kläger alle gemäß § 492 Abs. 2 BGB (Fassung 13.6.2014 bis 20.3.2016) i.V.m. Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB erforderlichen Pflichtangaben erteilt. Zu den auf Seite 4 der Berufungsbegründung aufgezählten fehlenden oder unzureichenden Pflichtangaben zeige die Berufungsbegründung keine Rechtsfehler auf. Die Beklagte könne sich auf die Gesetzlichkeitsfiktion der Musterwiderrufsbelehrung berufen. Die „Europäischen Standardinformationen seien wirksam in den Vertrag einbezogen worden, der aus 10 fortlaufend paginierten Seiten bestehe. Ebenso, wie der Unternehmer zur Erfüllung seiner vertraglichen Informationspflichten extra zu diesem Zweck vorbereitete Informationsblätter in den Vertrag einfügen könnte, sei es ihm unbenommen, stattdessen die bereits zur Erfüllung der vorvertraglichen Informationspflichten vorhandenen „Standardinformationen“ in den Vertrag einzufügen. Der Kläger werde auf Seite 5 des Darlehensvertrages unter „Wichtige Hinweise“ unter der Rubrik „Kündigung“ deutlich auf die Ziffern 4 und 5 der allgemeinen Darlehensbedingungen hingewiesen, in denen es unter Ziff. 4.4. heiße: „Das Recht des Darlehensnehmers/Mitdarlehensnehmers zur Kündigung aus wichtigem Grund bleibt unberührt.“. Der Darlehensnehmer werde dadurch darüber informiert, dass ihm ein Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund zustehe. Auch durch die Nennung der Vorschrift des § 314 BGB würde nicht deutlicher, worin ein solcher wichtiger Grund liegen könnte. Insofern sei es nicht Aufgabe der Pflichtangabe, die Einholung von Rechtsrat im Einzelfall zu ersetzen. Auf den Umstand, dass eine solche Kündigung „fristlos“ wäre, habe die Beklagte nicht hinweisen müssen. Es handele sich hierbei nicht um eine einzuhaltende Modalität oder ein einzuhaltendes Verfahren, sondern um eine Rechtsfolge, nämlich dass eine Kündigung sofortige Wirkung entfalten würde. Insbesondere handelt es sich nicht um die (Verfahrens-)Frage, innerhalb welcher Frist die Kündigungserklärung abzugeben wäre. Aus den vom Kläger zitierten Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte ergebe sich nichts anderes. Soweit der Kläger einwende, dass eine Wertersatzpflicht (§ 357 Abs. 7 BGB) nur bei ordnungsgemäßer Belehrung in Betracht komme, habe er schon nicht dargelegt, dass es sich um ein Fernabsatzgeschäft handele, so dass hinsichtlich der Gesetzlichkeitsfiktion der Musterwiderrufsbelehrung nicht auf die Muster für die Widerrufserklärungen und -belehrungen bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen über Finanzdienstleistungen (siehe Anlage 3 zu Art. 246b § 3 Abs. 3 EGBGB), sondern auf das Muster für eine Widerrufsinformation für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge (Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB) abzustellen sei. Die Beklagte könne sich auf die Gesetzlichkeitsfiktion der von ihr verwendeten Widerrufsbelehrung berufen.
Dagegen wendet sich der Kläger mit Schriftsatz vom 08.03.2019. Der Darlehensvertrag enthalte eine Vielzahl von Fehlern. Das Landgericht München I habe fehlerhaft angenommen, dass die Angabe, dass der pro Tag zu zahlende Zins 0,00 € betrage, nicht widersprüchlich sei. Soweit innerhalb der Widerrufsbelehrung der zu zahlende Zinssatz zwischen Abschluss des Darlehens und Widerruf des selbigen beziffert werde, sei dies fehlerhaft. Zunächst werde dargestellt, dass der Darlehensnehmer für diesen Zeitraum den vertraglich vereinbarten Zins zu zahlen habe. Im Anschluss werde der täglich zu entrichtende Betrag mit 0,00 € beziffert. Dieser Fehler würde unter anderem von mehreren Landgerichten und dem OLG Düsseldorf I-7 U 99/17 als maßgeblich angesehen. Wegen nicht einheitlicher Rechtsprechung und grundsätzlicher Bedeutung der Sache sei die Revision zuzulassen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Ersturteil, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze und den bereits zitierten Hinweisbeschluss Bezug genommen.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 29.11.2018, Aktenzeichen 22 O 10510/18, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen. Die weiteren Ausführungen des Klägers mit Schriftsatz vom 08.03.2019 veranlassen nicht zu einer geänderten Beurteilung.
Der Senat schließt sich der vom Kläger zitierten Rechtsprechung des Landgerichts Düsseldorf nicht an. Die Beklagte kann sich auf die Gesetzlichkeitsfiktion der Musterwiderrufsbelehrung beziehen. Die erteilte Information wird nicht dadurch undeutlich, dass die Beklagte als Betrag des täglich anfallenden Zinses für den Zeitraum zwischen Auskehrung des Darlehens und Rückzahlung des Darlehens im Fall eines Widerrufs „0,00 €“ angegeben hat, während im Satz davor von einer Verzinsung in Höhe des vereinbarten Sollzinssatzes und in dem Satz danach von einer anteiligen Reduzierung des Zinsbetrags bei nicht vollständiger Auszahlung die Rede ist. Denn der normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Verbraucher vermag zu erkennen, dass mit der Angabe „0,00 Euro“ ganz offensichtlich nicht der Tageszins entsprechend dem Sollzinssatz berechnet wurde, da der Tageszins nur dann 0,00 Euro betragen würde, wenn auch der Sollzins 0% beträgt. Damit kann er erkennen, dass die Bank jedenfalls in seinem konkreten Fall abweichend von ihrer sonst üblichen Praxis, auf der das Muster beruht, überhaupt keinen Zins für die Zeit zwischen Auszahlung und Rückzahlung nach Widerruf verlangen möchte. Auch vermag er zu erkennen, dass die Beklagte zum einen das geltende Muster für die Widerrufsinformation verwenden wollte, andererseits aber auf eine Erhebung eines Zinses im Falle des Widerrufs verzichten wollte. Dies steht ihr frei und wirkt sich zugunsten des Verbrauchers aus, der dadurch gerade nicht von der Ausübung seines Widerrufsrechts abgehalten wird. Würde man von der Bank verlangen, deswegen den vorhergehenden und den nachfolgenden Satz zu streichen, würde dies eine inhaltliche Bearbeitung des Musters darstellen und die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3, 5 EGBGB entfallen lassen. Dies kann von der darlehensgebenden Bank nicht verlangt werden. Ebenso wäre es keine Lösung, in der Widerrufsinformation den Tageszinsbetrag entsprechend des vereinbarten Sollzinses auszuweisen, aber an anderer Stelle aufzunehmen, dass man abweichend von der erteilten Widerrufsinformation keinen Tageszins verlangen würde. In diesem Fall würde sich die Beklagte dem Vorwurf aussetzen, in der Widerrufsinformation unzutreffende Angaben gemacht zu haben, was ebenfalls für sie nachteilige Konsequenzen haben könnte.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen, § 543 Abs. 2 ZPO. Obergerichtliche Rechtsprechung, von der mit dieser Auffassung abgewichen würde, ist dem Senat nicht bekannt und wird von der Berufung auch nicht vorgetragen. Soweit sich der Kläger auf eine Entscheidung des OLG Düsseldorf I-7 U 99/17 bezieht (vorgelegt mit Schriftsatz vom 08.03.2019) handelt es sich hierbei lediglich um einen in der Sitzung erteilten Hinweis. Der Umstand, dass eine einheitliche Entscheidung des Revisionsgerichts in mehreren denselben Sachverhaltskomplex betreffenden Parallelverfahren angestrebt wird, gibt der Sache keine allgemeine, mithin grundsätzliche Bedeutung. Dies gilt auch dann, wenn es sich zwar um eine Vielzahl von Einzelverfahren handelt, es aber nicht ersichtlich ist, dass deren tatsächliches oder wirtschaftliches Gewicht Allgemeininteressen in besonderem Maße berührt (vgl. BGH, Beschluss vom 21.11.2018 – VII ZR 1/18, Rn. 13, m.w.N.)
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.

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