Aktenzeichen 25 U 2138/18
BGB § 242, § 812
Leitsatz
1. Der Versicherungsnehmer kann bei der Rückabwicklung einer im Policenmodell geschlossenen Lebensversicherung nur die vom Versicherer tatsächlich gezogenen Nutzungen herausverlangen (Anschluss an BGH BeckRS 2016, 10971). (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Versicherungsnehmer kann seinen Tatsachenvortrag nicht ohne Bezug zur Ertragslage des jeweiligen Versicherers auf eine tatsächliche Vermutung einer Gewinnerzielung in bestimmter Höhe stützen (Anschluss an BGH BeckRS 2015, 19296). Eine Berechnung, die einem gewichteten Durchschnitt aus Renditen für Deckungs- und Eigenkapital namhafter Versicherer entspricht und auf durchschnittliche Zinstabellen verweist, ist unzureichend. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Ausübung des Widerspruchsrechts ist trotz fehlerhafter Widerspruchsbelehrung rechtsmissbräuchlich, wenn der Vertrag über 12 Jahre durchgeführt und der Widerspruch erst fast 4 Jahre später erklärt wurde und der Versicherungsnehmer nach seiner Kündigung mit dem Rückkaufswert wesentlich mehr erhalten, als er an Prämien eingezahlt hat. (Rn. 10 – 19) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
26 O 2190/18 2018-05-23 Urt LGMUENCHENI LG München I
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 23.05.2018, Az. 26 O 2190/18, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
Nach einstimmiger Auffassung des Senats hat das Landgericht die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen.
1. Zutreffend hat das Landgericht darauf abgestellt, dass der Kläger schon 2013 (wesentlich) mehr als seine Beiträge von der Beklagten erhalten hat, dass Klagegegenstand damit ausschließlich gezogene Nutzungen sind und dass die Nutzungsberechnung des Klägers und damit seine Klage unschlüssig ist.
1.1. Die Berechnung der Nutzungen durch den Kläger in erster Instanz weist keinen konkreten Bezug zur Ertragslage der Beklagten auf.
Der Versicherungsnehmer kann nur vom Versicherer tatsächlich gezogene Nutzungen herausverlangen (BGH, Urteil vom 17.05.2017 – Az. IV ZR 403/15; BGH, Urteil vom 01.06.2016 – Az. IV ZR 482/14, BeckRS 2016, 10971; BGH, Beschluss vom. 30. Juli 2012 – Az. IV ZR 134/11) und trägt hierfür die Darlegungs- und Beweislast; er kann seinen Tatsachenvortrag nicht ohne Bezug zur Ertragslage des jeweiligen Versicherers auf eine tatsächliche Vermutung einer Gewinnerzielung in bestimmter Höhe stützen (BGH, Urteil vom 11.11.2015 – Az. IV ZR 513/14; OLG Köln, Urteil vom 15.08.2014 – 20 U 47/14, VersR 2015, 179). Eine die Ertragslage der Beklagten berücksichtigende Berechnung der Nutzungen hat der Kläger in erster Instanz unstreitig nicht vorgelegt, sondern nach seiner eigenen Behauptung eine solche, die einem gewichteten Durchschnitt aus Renditen für Deckungs- und Eigenkapital namhafter Lebensversicherungen entspricht und auf durchschnittliche Zinstabellen verwiesen (vgl. Bl. 50 d.A.). Damit war die Klage hinsichtlich der nur noch geltend gemachten Nutzungen – die Beiträge hatte der Kläger bereits 2013 zurückerhalten – unschlüssig. Eine solche unschlüssige Klage ist – in der Regel nach richterlichem Hinweis (§ 139 ZPO) – ohne Beweisaufnahme als unbegründet abzuweisen (Beck’scher Online-Kommentar ZPO, Stand: 01.01.2015, § 253 Rn. 23).
Das Landgericht hatte den Kläger mit Verfügung vom 23.04.2018 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass für die Nutzungsberechnung auf die konkrete Ertragslage der Beklagten Bezug zu nehmen ist, etwa anhand von veröffentlichten Geschäftszahlen (vgl. Bl. 33 d.A.). Auch die Beklagte hatte in ihrer Klageerwiderung auf die höchstrichterliche Rechtsprechung, nach der unter Bezug auf die konkrete Ertragslage der Beklagten vorzutragen ist, hingewiesen (Bl. 29 d.A.).
Ein nochmaliger Hinweis, darauf, dass die Klage unschlüssig ist, war nicht veranlasst; der vom Landgericht erteilte Hinweis war eindeutig, ohne weiteres verständlich und zutreffend. Es lag auf der Hand, dass der Vortrag in der Stellungnahme des Klägers vom 18.05.2018 nicht ausreichend war, da dort die konkrete Ertragslage der Beklagten gerade nicht berücksichtigt wurde. Eine Wiederholung des gerichtlichen Hinweises war nicht veranlasst (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 09.11.2016 – Az. XII ZB 227/15, NJW-RR 2017, 449).
Soweit der Kläger in der Berufungsinstanz eine neue Berechnung vornimmt und vorträgt, diese sei jetzt anhand der Ertragslage der Beklagten vorgenommen, kann das in der Berufungsinstanz nicht mehr berücksichtigt werden. Nach § 531 Abs. 2 ZPO sind in der Berufungsinstanz neue Angriffs- und Verteidigungsmittel nur zuzulassen, wenn sie einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist, wenn sie infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder wenn sie im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht. Der Sachvortrag der Klagepartei zur Nutzungsberechnung anhand der Ertragslage der Beklagten (wobei auch äußerst zweifelhaft ist, ob der Vortrag ausreicht, insbesondere weil die klägerische Berechnung von einer durchschnittlichen Verzinsung ausgeht und nicht die tatsächliche Verzinsung in den einzelnen Jahren zugrundelegt) erfolgte erst verspätet in 2. Instanz und entgegen § 531 Abs. 2 ZPO nicht schon in 1. Instanz. Die vorgetragene Tatsache betrifft auch weder einen Gesichtspunkt, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist, noch wurde sie infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht. Von der Klagepartei sind keine ausreichenden Gründe vorgetragen, warum der Vortrag erstmals in der Berufungsinstanz erfolgt; die Begründung, das Landgericht hätte einen weiteren Hinweis erteilen müssen, ist unzutreffend (s.o.) und entschuldigt die Verspätung nicht. Bei dieser Sachlage ist nicht dargetan, dass die fehlende rechtzeitige Geltendmachung nicht auf einer Nachlässigkeit der Klagepartei beruht (vgl. insoweit zur Darlegungslast: BGH, Urteil vom 06.12.2006 – Az. IV ZR 34/05- juris Rn. 24; Senat, Urteil vom 17.08.2018 – Az. 25 U 3639/17; Thomas Putzo, ZPO, 38. Auflage 2017, § 531 Rn.16 a.E. Zöller, ZPO, 30. Auflage 2014, § 531 Rn. 33). Der Vortrag der Klagepartei ist auch nicht unstreitig (vgl. Bl. 92 d.A.).
1.2. Zudem steht bei einer fondsgebundenen Lebensversicherung nur der mit der Anlage des Sparanteils in Fonds erzielte Gewinn dem Versicherungsnehmer als tatsächlich gezogene Nutzung zu (BGH, Urteil vom 01.06.2016 – Az. IV ZR 482/14, BeckRS 2016, 10971), wenn er nicht darlegt und im Bestreitensfall nachweist, dass Nutzungen in einer bestimmten Höhe aus weiteren Beitragsteilen gezogen wurden. Hierzu hat der Kläger weder in erster noch in zweiter Instanz vorgetragen. Davon, dass die streitgegenständliche Versicherung unstreitig fondsgebunden war, muss das Berufungsgericht ausgehen, da das im Tatbestand des Ersturteils, an den der Senat gebunden ist (BGH, Beschluss vom 02.12.2015 – Az. VII ZB 48/13), so festgehalten ist.
2. Darüberhinaus beruft sich die Klagepartei auch rechtsmissbräuchlich auf ein Widerspruchsrecht. Zwar entspricht die Widerspruchsbelehrung im vorliegenden Fall – wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat – nicht den gesetzlichen Anforderungen, da sie nicht in drucktechnisch deutlicher Form erfolgte und da kein Hinweis auf die erforderliche Form der Widerspruchseinlegung erteilt wurde. Der Senat hat allerdings im Einzelfall zu prüfen, ob eine Rechtsausübung rechtsmissbräuchlich ist. Die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben im Einzelfall obliegt grundsätzlich dem Tatrichter (BGH, Beschluss vom 11.11.2015 – Az. IV ZR 117/15; BGH, Hinweisbeschluss vom 27.9.2017 – Az. IV ZR 506/15, NJW-RR 2018, 161, vgl. auch BGH, Beschluss vom 23.01.2018 – Az. XI ZR 298/17, Rn. 9, juris, zu Verbraucherkreditverträgen). Ob ein schutzwürdiges Vertrauen des Versicherers auf den Bestand des Versicherungsvertrags angenommen werden kann, bleibt der tatrichterlichen Beurteilung vorbehalten (BGH, Urteil vom 01.06.2016 – IV ZR 482/14, NJOZ 2016, 1370).
2.1. Grundsätzlich kann der Versicherer bei nicht ordnungsgemäßer Belehrung kein schutzwürdiges Vertrauen für sich in Anspruch nehmen, da er die Situation selbst herbeigeführt hat. Die Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens kommt allerdings auch bei nicht ordnungsgemäßer Belehrung in Betracht (BGH, Beschluss vom 27.01.2016 – Az. IV ZR 130/15; BGH, Urteil vom 29.07.2015 – Az. IV ZR 384/14, r+s 2015, 435; OLG Hamm, Urteil vom 13.01.2017 – Az. 20 U 159/16 – die Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom BGH am 6.12.2017 unter Az. IV ZR 51/17 zurückgewiesen; BGH, Beschlüsse vom 11.11.2015 und 13.01.2016 – Az. IV ZR 117/15, BeckRS 2016, 02174, NJW 2016, 375 für die Belehrung nach § 8 VVG a.F.; BGH, Beschluss vom 23.01.2018 – Az. XI ZR 298/17, Rn. 16, juris, zu Belehrungen in Verbraucherdarlehensverträgen).
2.2. Vorliegend veranlassen folgende besondere Umstände den Senat, davon auszugehen, dass sich die Klagepartei rechtsmissbräuchlich auf ihr Widerspruchsrecht beruft:
Der Vertrag wurde hier über einen langen Zeitraum, nämlich vereinbarungsgemäß über 12 Jahre durchgeführt und nach seinem Auslaufen im Jahr 2013 abgerechnet und ausbezahlt; der Widerspruch erfolgte fast 16 Jahre nach Vertragsschluss.
Der Kläger hat im Jahr 2001 in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Vertragsabschluss seine Rechte aus dem Vertrag abgetreten und den Vertrag als Kreditsicherungsmittel benutzt (Anlage BLD 4); dadurch hat er der Beklagten gegenüber zum Ausdruck gebracht, am Vertrag festhalten zu wollen und nicht widerrufen zu wollen; der Kläger hat sodann nochmals eine Abtretung seiner diesbezüglichen Ansprüche im März 2013 erklärt (vgl. Anlage BLD 5). Die Beklagte hat dann allerdings mitgeteilt, sie könne in Hinblick auf den bevorstehenden Ablauf des Vertrages die Abtretung nicht bestätigen (Anlage BLD 6).
Offensichtlich ist es dann zu einer Kreditsicherung im Jahr 2013 nicht mehr gekommen. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22.03.2016 ist, wenn der Versicherungsnehmer (irgendwie) über sein Widerspruchsrecht belehrt wurde (im entschiedenen Fall war keine Belehrung über das Schriftformerfordernis erfolgt) und der Versicherungsnehmer seinen Anspruch (incl. Anspruch auf die Todesfallleistung) 2 Monate nach Erhalt des Versicherungsscheins als Sicherheit für ein Darlehen abgetreten hat, über mehr als 8 Jahre Prämien bezahlt hat, dann den Anspruch (incl. Anspruch auf die Todesfallleistung) nochmals als Sicherheit für ein Darlehen abgetreten hat und der Versicherer über die Abtretung in Kenntnis gesetzt wurde, die Berufung auf ein Widerspruchsrecht rechtsmissbräuchlich (BGH, Beschlüsse vom 27.01.2016 und vom 22.03.2016 – Az. IV ZR 130/15).
Der Vertrag ist im August 2013 abgelaufen und wurde einvernehmlich abgewickelt; der Kläger hat sich den vereinbarten Wert von 198.900,54 € ohne Einwände auszahlen lassen und dann noch bis August 2017 gewartet, bis er den Widerspruch erklärt hat.
Zwar schließt beispielsweise eine Kündigung und eine darauf folgende einvernehmliche Auszahlung des Rückkaufswertes einer Lebensversicherung – wenn der Versicherungsnehmer nicht ausreichend belehrt wurde oder auf andere Weise Kenntnis von seinem Widerrufsrecht hatte – den späteren Widerspruch/Widerruf des Vertrages nicht aus (BGH, Urteil vom 13.09.2017 – Az. IV ZR 445/14, zfs 2017, 629; BGH, Entscheidung vom 16.10.2013 – Az. IV ZR 52/12). Entsprechendes ist auch für eine Vertragsabwicklung nach vereinbarungsgemäßem Ende des Vertrages anzunehmen.
Das verbietet aber nicht, die einvernehmliche Vertragsabwicklung bei der Würdigung, ob die Ausübung des Widerspruchsrechts im Einzelfall rechtsmissbräuchlich ist, zu berücksichtigen. Der Zeitablauf zwischen Vertragsablauf und Widerspruch ist in die Bewertung miteinzubeziehen. Für Verbraucherdarlehensverträge hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die maßgebliche Frist für das Zeitmoment mit dem Zustandekommen des Verbraucherdarlehensvertrags anläuft, dagegen der Zeitraum zwischen der (einvernehmlichen – im entschiedenen Fall vorzeitigen) Beendigung des Verbraucherdarlehensvertrags und dem Widerruf nicht das Zeit-, sondern das Umstandsmoment betrifft; hierbei kann gerade bei beendeten Verbraucherdarlehensverträgen das Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben des Widerrufs schutzwürdig sein, auch wenn die von ihm erteilte Widerrufsbelehrung ursprünglich den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprach und er es in der Folgezeit versäumt hat, den Verbraucher nachzubelehren (BGH, Beschluss vom 23.01.2018 – Az. XI ZR 298/17, BeckRS 2018, 3224). Eine solche Konstellation ist vorliegend aufgrund der langjährigen Vertragsdurchführung, der erfolgten einvernehmlichen Abwicklung und des langen Zeitraums zwischen Abwicklung und Widerspruch gegeben. Die Beklagte konnte insbesondere auch nach Ablauf der regulären Verjährungsfrist erwarten, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden.
Hinzukommen hier weitere Umstände, die auch die Annahme rechtsmissbräuchlichen Verhaltens rechtfertigen:
Die Klagepartei hat wesentlich mehr (198.900,54 €) als die einbezahlten Beiträge (163.307,52 €) zurückerhalten. Sie zielt mit ihrem Vorgehen offensichtlich auf eine bloße Renditeerhöhung nach langjähriger Vertragsdurchführung ab; ein solches Ziel unter Berufung auf die auf eine Stärkung der Information des Versicherungsnehmers vor Vertragsschluss ausgerichteten gesetzlichen, insbesondere auch europarechtlichen Vorgaben erreichen zu können, entspricht nicht der Zwecksetzung dieser Vorgaben. Die gesetzliche Zielsetzung ist nach über 15 Jahren ohnehin nicht mehr erreichbar. Im Rahmen der Prüfung, ob die Berufung auf das Widerspruchsrecht rechtsmissbräuchlich ist, ist u.a. auch zu berücksichtigen, welche Zielsetzung durch den Widerspruch verfolgt wird. Hat der Versicherungsnehmer ohnehin im Ergebnis schon mehr erhalten, als er investiert hat, und zielt sein Vorgehen lediglich auf eine Erhöhung der Rendite ab, so ist dieser Gesichtspunkt in die Gesamtbewertung miteinzubeziehen. Eine trotz der hier gegebenen Umstände und trotz eines Ablaufs wie hier noch eingeräumte Lösungsmöglichkeit würde dem Versicherungsnehmer die Möglichkeit eröffnen, seine – als Kapitalanlage stets in gewissem Umfang spekulative – Entscheidung für eine bestimmte Lebens- oder Rentenversicherung nachträglich mit dem Wissensvorsprung um die zwischenzeitlichen Entwicklung des Zinsniveaus zu revidieren – wobei er daneben über viele Jahre den vorgesehenen Versicherungsschutz genossen hätte. Eine derartige Zweckbestimmung enthalten die zugrundeliegenden Richtlinien und gesetzlichen Regelungen ganz offensichtlich nicht; eine solche Zielsetzung ist auch nicht schützenswert. So hat der Versicherungsnehmer bei fondsgebundenen Lebensversicherungen nach der ursprünglichen Vereinbarung mit Gewinnchancen, aber auch mit Verlustrisiken zu rechnen; für diese Art der Anlage hat er sich entschieden und muss sich deshalb auch eventuelle Fondsverluste bei der Rückabwicklung nach Widerspruch anrechnen lassen (BGH, Urteil vom 21.03.2018 – Az. IV ZR 353/16). Mit der jetzigen Ausübung des Widerspruchsrechts versucht die Klagepartei, ihre Entscheidung rückgängig zu machen und mit dem nachträglichen Wissensvorsprung der tatsächlichen Zinsentwicklung ihre Rendite zu erhöhen; die Ausübung des Widerspruchsrechts trägt also hier nicht dem ursprünglichen Zweck der Einräumung des Rechts Rechnung, sondern zielt auf der Basis nachfolgender Erkenntnisse auf eine Erhöhung der Rendite zu Lasten der anderen Versicherungsnehmer ab.
Wie dargestellt hat der Kläger den Vertrag 12 Jahre durchgeführt, seit Vertragsschluss fast 16 Jahre bis zur Erklärung des Widerspruchs vergehen lassen und nach Abwicklung des Vertrages noch fast 4 Jahre. Je länger der Zeitablauf bis zur Ausübung des Widerspruchsrechts ist, umso höher ist das schutzwürdige Vertrauen des Vertragspartners in den Bestand des Vertrages und umso mehr Gewicht erhält dieses Vertrauen, während umgekehrt der gesetzliche Schutzzweck für die Einräumung des Widerspruchsrechts, den Vertrag (in zeitlichem Zusammenhang mit seinem Abschluss) widerrufen zu können, mit zunehmendem Zeitablauf immer mehr verblasst und in den Hintergrund tritt. Der Bundesgerichtshof hat zur Frage der (einen Unterfall des Rechtsmissbrauchs darstellenden) Verwirkung entschieden: Zwischen diesen Umständen und dem erforderlichen Zeitablauf besteht eine Wechselwirkung insofern, als der Zeitablauf umso kürzer sein kann, je gravierender die sonstigen Umstände sind, und dass umgekehrt an diese Umstände desto geringere Anforderungen gestellt werden, je länger der abgelaufene Zeitraum ist (BGH, Urteil vom 19. 10. 2005 – Az. XII ZR 224/03, NJW 2006, 219).
Sofern – wie im Fall einer nicht ordnungsgemäßen Belehrung – noch besondere Umstände vorhanden sein müssen, damit sich die Ausübung des Widerspruchsrechts als rechtsmissbräuchlich darstellt, kommt diesen Umständen mit zunehmendem Zeitablauf immer weniger Bedeutung zu. Bei (vorliegend) langer Vertragsdurchführung kommt die Annahme eines Rechtsmissbrauchs deshalb schon dann in Betracht, wenn an sich eher gering zu gewichtende Umstände für eine solche Annahme vorhanden sind. Nach der gesetzlichen Regelung, deren Wertung auch in die Beurteilung der Frage, ob treuwidriges Verhalten vorliegt, miteinzubeziehen ist, kann selbst bei arglistigem Verhalten eines Vertragspartners nach Ablauf von 10 Jahren eine Anfechtung nicht mehr erfolgen (§ 124 Abs. 3 BGB).
Daher kommt auch aus diesem Grund ein bereicherungsrechtlicher Anspruch des Klägers nicht in Betracht.
3. Keinen Bezug zum vorliegenden Fall haben offensichtlich die Darstellungen auf S. 2 der Berufungsbegründung, der Vertrag sei 2007 auf die Klägerseite übertragen worden und 2015 gekündigt worden.
Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt der Senat aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).