Aktenzeichen 23 O 1263/19 Fin
Leitsatz
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Streitwert wird auf EUR 28.250,00 festgesetzt.
Gründe
Die Klage ist unzulässig.
1. Für den in Antrag 1) geltend gemachten Feststellungsantrag besteht kein Feststellungsinteresse.
Vom Fehlen des Feststellungsinteresses ist auszugehen, wenn dem Kläger ein einfacherer und zumindest gleich effektiver Weg zur Erreichung seines Rechtsschutzziels zur Verfügung steht (BGHZ 27, 190, 194). Eine Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses kann nach § 256 ZPO nur erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird.
Ein solches Feststellungsinteresse ist nur dann gegeben, wenn durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag der Streit insgesamt beseitigt wird und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann. Es fehlt, wenn durch die Entscheidung kein Rechtsfrieden geschaffen wird. Die Rechtskraft der Entscheidung muss weitere gerichtliche Auseinandersetzungen über die zwischen den Parteien strittigen Fragen um denselben Fragenkomplex ausschließen (vgl. BAG, Urteil vom 7.2.2019 – 6 AZR 84/18 = NJW 2019, 1833, Rn. 15 beckonline). Ist es dem Kläger möglich und zumutbar, Klage auf Leistung zu erheben, gebietet es die Prozessökonomie, sogleich ein vollstreckungsfähiges Urteil zu erwirken (BGHZ 134, 201, 208 f; NJW-RR 16, 1404, 1405; NJW 14, 939, 943). So ist eine positive Feststellungsklage unzulässig, die auf Feststellung gerichtet ist, der Darlehensvertrag habe sich durch den Widerruf in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt (BGH NJW 17, 1823, 1825). Mangels Vorrangs der Leistungsklage soll dagegen eine negative Feststellungsklage zulässig sein, die auf die Feststellung gerichtet ist, der Darlehensgeber habe infolge des Widerrufs keine Ansprüche mehr aus § 488 I 2 BGB (BGH NJW 17, 2340, 2341).
Vorliegend hat der Kläger zwar eine derartige negative Leistungsklage formuliert, da er in Antrag 1) die Feststellung begehrt, selbst nicht mehr zu weiteren Zahlungen an die Beklagte verpflichtet zu sein. An einer solchen negative Feststellungsklage wäre ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses in der Regel gegeben, wenn der Beklagte sich eines Anspruchs gegen den Kläger berühmte. Die Rechtsstellung des Klägers ist nämlich schon schutzwürdig betroffen, wenn der Beklagte geltend macht, aus dem bestehenden Rechtsverhältnis könne sich unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch gegen den Kläger ergeben.
Die Beklagte hat hier die Wirksamkeit des Widerrufs vorgerichtlich bestritten. In diesem Bestreiten kann jedoch kein sich Berühmen einer Forderung in einem Sinne gesehen werden, das ein rechtliches Interesse an der Erhebung einer negativen Feststellungsklage begründet. Denn der Kläger hat mit Erklärung des Widerrufs auch die Zahlung der vereinbarten Raten eingestellt. Dennoch erfolgte durch die Beklagte bis auf ihre Zurückweisung des Widerrufs keine weitere Zahlungsaufforderung mehr an den Kläger. Ein weiteres sich Berühmen der Forderung, das ein rechtliches Interesse des Klägers an einer Feststellung rechtfertigt, ist nicht ersichtlich. Vielmehr zeigt die Reaktion der Beklagten, die nach dem Widerruf untätig blieb, dass der Widerruf offensichtlich akzeptiert wurde und sie sich gerade keiner weitergehender Forderungen gegen den Kläger berühmt.
Hinzu kommt, dass der Kläger vorliegend nur aus prozesstaktischen Gründen, nämlich um an seinem allgemeinen Gerichtsstand eine Zuständigkeit zu begründen, eine negative Feststellungsklage formuliert. Sein tatsächliches Begehr erschöpft sich nicht in der im Antrag 1) formulierten Feststellung, selbst nicht mehr zur Zahlung weitere Raten verpflichtet zu sein, sondern geht darüber hinaus und betrifft letztlich die komplette Rückabwicklung des Vertrags aufgrund des erklärten Widerrufs.
Die prozesstaktische Antragsstellung ergibt sich deutlich aus der bedingten Stellung der Anträge 2) – 4). Es soll nur Antrag 1) unbedingt gestellt werden, um einen Gerichtsstand vor dem LG Kempten zu begründen, während die Anträge 2) – 4), für die es eine örtliche Zuständigkeit hier in keinem Fall gilt, als bedingte Anträge in den Hintergrund rücken sollen, obwohl sie das wahre Ziel des Klägers, nämlich die Rückgewähr bereits geleisteter Zahlungen zu erreichen, spiegeln.
Aus den weiter (nun bedingt) gestellten Anträgen, insbesondere Antrag 2. in Zusammenhang auch mit der Angabe des Streitwerts wird jedoch deutlich, dass es dem Kläger wirtschaftlich um die Rückabwicklung des Darlehensvertrags geht. Dieses wirtschaftliche Ziel kann mit der negativen Feststellungsklage weder befriedigt noch auch nur gefördert werden. Selbst wenn der Kläger mit seiner negativen Feststellungsklage Erfolg hätte und die Beklagte sich an die in diesem Urteil getroffene Feststellung, dass der Widerruf wirksam war, gebunden fühlte, würde ein Streit über die Höhe des von der Beklagten zurück zu gewährenden Betrags nicht vermieden werden. Der dem Kläger offen stehende einfacherer und effektivere Weg, um sein wahres und wirtschaftliches Rechtsschutzziel zu erreichen, ist die Erhebung der Leistungsklage auf Rückgewähr gegenüber der Beklagten. Es ist davon auszugehen, dass die Beklagte, wenn ihr Untätigbleiben dies nicht ohnehin schon aussagen würde, als Bank sich an die in diesem Prozess inzident getroffene Feststellung zur Wirksamkeit des Widerrufs halten würde und sich spätestens nach einer Verurteilung zur Rückgewähr keiner eigenen Forderungen gegenüber dem Kläger mehr berühmte.
Sollte dies zweifelhaft sein, könnte die Leistungsklage (durch eine dann zulässige, weil gemeinsam mit der Leistungsklage den Rechtsstreit voll erschöpfende) Feststellungsklage flankiert werden.
Für die erhobene negative Feststellungsklage ist im vorliegenden Fall aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls jedenfalls kein rechtliches Interesse zu sehen. Bereits aus den weiter (bedingt) gestellten Anträgen ist ersichtlich, dass der Rechtsstreit damit nicht erschöpfend erledigt werden kann, weil die Feststellung nur ein erster Schritt hin zum wahren Interesse des Klägers wäre. Die hier gewählte Gestaltung ist nicht prozessökonomisch, sondern nur vor dem Hintergrund der Schaffung eines dem Kläger genehmen Gerichtsstands zu sehen. In der Hoffnung einen solchen Gerichtsstand an seinem allgemeinen Gerichtsstand mittels der gewählten Feststellungsklage zu erhalten, nimmt der Kläger eine seinen wirtschaftlichen Interessen nicht dienende künstliche Aufspaltung des Prozessstoffes und auch die Gefahr abweichender Entscheidungen in Kauf. Denn selbst wenn das LG Kempten zu Antrag 1) von einem wirksamen Widerruf ausginge, müsste der Rechtsstreit für die (bedingt oder unbedingt gestellten) Anträge 2) -4) wäre das LG Stuttgart verwiesen werden. Dieses wäre in einem weiteren Prozess, bei dem es um die Rückzahlungsverpflichtung der Beklagten geht, nicht an die vom LG Kempten getroffene Feststellung, dass der Widerruf wirksam war, gebunden. Dies belegt vor dem Hintergrund des wahren Interesses des Klägers, das auf Rückgewähr bereits geleisteter Zahlungen abzielt, eindeutig, dass hinsichtlich der erhobenen Feststellungsklage in Antrag 1) das besondere Feststellungsinteresse fehlt.
2. Das Landgericht Kempten ist zudem örtlich unzuständig.
a) Der allgemeine Gerichtsstand der Beklagten ist am Landgericht Stuttgart, §§ 12, 17 ZPO.
b) Eine Zuständigkeit des Landgerichts Kempten ergibt sich auch nicht aus § 29 ZPO. Danach ist für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. Für die Rückabwicklung eines Darlehensvertrags nach Widerruf besteht kein einheitlicher Erfüllungsort (Zöller/Schultzy, Zivilprozessordung, 32. Aufl. 2018, § 29 ZPO, Rn. 25). Der Erfüllungsort gem. § 269, 270 BGB ist vielmehr für jede einzelne Schuld aus dem Rückabwicklungsschuldverhältnis gesondert zu bestimmen.
Für die Anträge Ziffer 2) bis 4) ist dies zweifellos am Sitz der Beklagten. Die Beklagte hat dort die Rückgewähr des an sie geflossenen Geldes zu leisten und die Rücknahme des Fahrzeugs zu erklären sowie die Zahlung von Rechtsanwaltskosten zu veranlassen.
Hinsichtlich des Antrags 1) ist eine Zuständigkeit des Landgerichts Kempten für die negative Feststellungsklage nicht gegeben, selbst wenn für die Klage der Beklagten gegen den Kläger auf Zahlung der vereinbarten Zinsen und Tilgung das Landgericht Kempten zuständig wäre. Eine pauschale Anwendung des Grundsatzes, dass die negative Feststellungsklage einen Gerichtsstand an dem Ort begründet, an dem die Leistungsklage umgekehrten Rubrums erhoben werden könnte, wird abgelehnt. Das Gericht schließt sich insoweit den überzeugenden Ausführungen des OLG Bamberg vom 21.12.2009, 4 U 156/09, an, das ausführte, dass eine Klage grundsätzlich sowohl aus Zweckmäßigkeitsgründen als auch aus Gründen der prozessualen Waffengleichheit am allgemeinen Gerichtsstand der beklagten Partei zu erheben ist, wenn nicht ein besonderer oder ausschließlicher Gerichtsstand begründet ist. Aus diesem Grund lehnt das OLG Bamberg die Klageerhebung einer negativen Feststellungsklage am Gerichtsstand der Leistungsklage umgekehrten Rubrums (Spiegelbildtheorie) ab. Diesen Ausführungen schloss sich auch das Landgericht Köln, Urteil vom 3.5.2018, 21 O 278/17, an. Zusätzlich führte das Landgericht Köln aus, dass es nicht bei der isolierten Betrachtung des als Hauptantrag gestellten Antrags auf Feststellung des Nichtbestehens einer Zahlungsverpflichtung bleiben könne. Wirtschaftlich gehe es der Klagepartei vordringlich um den Zahlungsantrag. Dieser stelle den eigentlichen Hauptantrag dar, gleich in welcher prozessualen Einkleidung dies erfolge. Für den diesen Antrag auf Rückzahlung erbrachter Darlehensraten und der Anzahlung ist gem. §§ 269, 270 BGB der Sitz des Darlehensgebers Erfüllungsort. Die vorstehenden Erwägungen zum Feststellungsinteresse gelten insoweit von ihren Wertungen auch, was die Möglichkeit des Klägers angeht, mittels prozesstaktischer Antragstellung einen vom gesetzlichen Leitbild des § 12 ZPO abweichenden Gerichtsstand zu begründen. Die Vorgehensweise des Klägers würde zu einer Umkehrung der Wertung des Gesetzgebers führen, den Beklagten dahingehend zu schützen, dass er am Erfüllungsort der streitigen Verpflichtung verklagt werden muss. Die Verknüpfung zwischen örtlicher Zuständigkeit und allgemeinem Gerichtsstand des jeweiligen Prozessgegners basiert nicht nur auf Zweckmäßigkeitserwägungen, sondern ist ebenso Ausdruck des allgemeinen Prinzips der Gerechtigkeit im Prozessrecht und durch das Prozessrecht (vgl. OLG Bamberg, Urteil vom 21.12.2009, – 4 U 156/09, n.v.). Diese Wertung könnte allenfalls zurücktreten, wenn besondere Gerichtsstände klar formuliert sind und/oder von einer abweichenden Wertung zu Lasten des Beklagten zeugen (Foerste a.a.O.). Weder das eine noch das andere ist allerdings vorliegend erkennbar oder dargelegt.
Übertragen auf den streitgegenständlichen Fall ergibt sich Folgendes:
Wirtschaftliches Ziel des Klägers ist nicht die Feststellung, nicht mehr zur Zahlung weiterer Zinsen und Tilgungen verpflichtet zu sein. Vielmehr geht es ihm um die Rückzahlung von Anzahlung und bereits erfolgter Tilgungen, was aus seinem zweiten Antrag ersichtlich wird. Auch der vom Kläger angesetzte Streitwert ergibt, dass es um die Rückabwicklung des Darlehensvertrages (EUR 28.250,00) geht und nicht nur um die Feststellung, die restlichen Tilgungs-/Zinsleistungen nicht mehr erbringen zu müssen. Die Erhebung der negativen Feststellungsklage dient im vorliegenden Fall rein dazu, über die Spiegelbildtheorie einen Gerichtsstand am Wohnsitz des Schuldners zu begründen.
Neben der Ablehnung dieser Theorie zur Begründung eines Gerichtsstands für die negative Feststellungsklage infolge der gesetzgeberischen Wertung, dass grundsätzlich der allgemeine Gerichtsstand am Sitz des Beklagten gegeben ist, erfolgt eine Ablehnung eines Gerichtsstands über die Spiegelbildtheorie auch aus der in § 256 ZPO zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertung, dass es für Feststellungsklagen eines Feststellungsinteresses bedarf. Wie oben dargelegt, fehlt es daran, wenn es bessere Rechtsschutzmöglichkeiten gibt, wie dann, wenn die Klage auf Leistung möglich und zumutbar ist. Im vorliegenden Fall wird ein Feststellungsurteil – wie dargelegt – voraussichtlich nicht zu einer endgültigen Streitbeilegung führen. Von einer solchen wäre aber auszugehen, wenn der Kläger mit seiner (am Sitz der Beklagten zu erhebenden) Leistungsklage durchdringen würde. Der Kläger erhebt jedoch diese unbedingte Rückzahlungsklage, die sein wirtschaftliches Interesse vollumfänglich abdecken und die berechtigte Erwartung mit sich brächte, eine endgültige Klärung herbeizuführen, nur aus dem Grund nicht, weil die Klage nicht an seinem allgemeinen Gerichtsstand erhoben werden könnte.
Auch vor diesem Hintergrund scheidet die Begründung eines Gerichtsstands durch die Spiegelbildtheorie für die negative Feststellungsklage aus. Denn nur so kann ausgeschlossen werden, dass ein Kläger allein aus dem Grund einen für sich genehmen Gerichtsstand zu schaffen, eine negative Feststellungsklage erhebt, an der letztlich kein schutzwürdiges Interesse besteht, sondern nur unnötig belastende Klagen angestrengt werden.
3. Keine andere Bewertung ergibt sich anhand der beklagtenseits hilfsweise erhobenen Widerklage vom 08.10.2019. Eine solche kann zwar ggf. ein rügeloses Einlassen im Sinne des § 39 ZPO begründen (vgl. Hüßtege, in: Thomas/Putzo, 38. A. 2017, § 39 Rn 7). Die Widerklage wurde indes nur für den Fall erhoben, dass der erklärte Widerruf als wirksam erachtet wird, was nur dann der Fall wäre, wenn die erhobene negative Feststellungsklage zulässig und begründet wäre. Desweiteren wurde die Rüge der örtlichen Unzuständigkeit in der Verteidigungsanzeige vom 12.09.2019 und in der Klageerwiderung vom 08.10.2019 explizit erhoben.
Die Klage war somit als unzulässig abzuweisen.
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 11.