Bankrecht

Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung bei unzutreffender Erwähnung von Pflichtangaben

Aktenzeichen  6 O 6071/15

Datum:
25.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB BGB § 241 Abs. 2, § 242, § 280 Abs. 1, Abs. 2, § 286, § 492 Abs. 2, § 495 Abs. 2
BGB aF § 360
EGBGB EGBGB Art. 247 § 6
ZPO ZPO § 256 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Die Vorschrift des § 360 Abs. 1 S. 1 BGB aF, wonach die Widerrufsbelehrung deutlich gestaltet sein muss, fand auf einen im Jahr 2011 geschlossenen Verbraucherdarlehensvertrag keine Anwendung. Denn § 495 Abs. 2 S. 1 BGB in der damals geltenden Fassung verwies (eingeschränkt) auf die Vorschriften der §§ 355 bis 359a BGB, nicht dagegen auf § 360 BGB. (redaktioneller Leitsatz)
2 Werden in der Widerrufsbelehrung zu einem Immobiliarkredit Angaben als Pflichtangaben benannt, die gerade keine Pflichtangaben sind, verstößt dies gegen das Gebot der unmissverständlichen und eindeutigen Belehrung.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das Darlehensverhältnis Nr. 6500310989 durch Widerrufserklärung mit Schreiben vom 26.01.2015 in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis umgewandelt wurde.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist für die Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 41.200,00 € festgesetzt.

Gründe

A.
Die Klagen haben ganz überwiegend Erfolg (I. und II.). Eine Klageabweisung hat nur zu erfolgen, soweit die Kläger auch den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten begehren.
I.
Die Klage ist zulässig.
Insbesondere fehlt es den Klägern auch nicht an einem Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 BGB, weil sie ihr Klageziel mit einer Leistungsklage effektiver erreichen könnten.
Die Kläger verfolgen mit ihrem Feststellungsbegehren das Ziel, zwischen den Parteien zu klären, dass der streitgegenständliche Darlehensvertrag das Rechtsverhältnis der Parteien nicht mehr regelt und die Kläger daher nicht mehr zur Rückführung des Darlehens nach den Regelungen des Darlehensvertrags verpflichtet sind. Genau hiergegen richtet sich die Nichtanerkennung des Widerrufs durch die Beklagte. Welche Ansprüche stattdessen zwischen den Parteien zur Rückerstattung der bereits ausgetauschten Leistungen bestehen, wird auf Basis einer entsprechenden Abrechnung zu klären sein, die als solche den vorliegenden Rechtsstreit unnötig überfrachten würde. Auch wenn sich bereits abzeichnen würde, dass insbesondere die Berechnung des jeweils auf die Darlehensvaluta und die Annuitäten wechselseitig zu leistenden Nutzungsersatzes zwischen den Parteien umstritten ist, verbietet der Grundsatz der Prozessökonomie aus Sicht des Gerichts es nicht, den grundsätzlichen Streit über die Wirksamkeit des Widerrufs gesondert im Wege der Feststellungsklage zu klären. Dies gilt im Streitfall jedenfalls deswegen, weil der streitgegenständliche Darlehensvertrag bislang nicht vollständig abgewickelt ist und daher auch die Entwicklung des jeweiligen Anspruchs auf Nutzungsersatz auch noch nicht vollständig abgeschlossen ist.
Eine Leistungsklage bietet entgegen der Auffassung der Beklagten bei dem vorliegenden, noch nicht zurückgeführten Darlehen wegen der aller Voraussicht nach höheren Gegenansprüche der Beklagten keine bessere Rechtsschutzmöglichkeit für die Kläger. Denkbar bliebe indes eine Klage auf Feststellung, dass die Kläger der Beklagten im Zuge der Rückabwicklung nur noch einen bestimmten Betrag schulden. Damit konkurrieren aber zwei Feststellungsklagen miteinander und nicht eine Leistungsklage mit einer Feststellungsklage, so dass sich auch insoweit aus dem Vorrang der Leistungsklage die Unzulässigkeit des vorliegenden Feststellungsantrags nicht ergeben kann.
II.
Die Klage ist auch ganz überwiegend begründet (1.). Eine Klageabweisung hat nur hinsichtlich des Ersatzes vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten zu erfolgen (2.).
1. Klageantrag 1
Der Widerruf des Darlehensvertrags durch die Kläger war rechtswirksam (a. bis e.).
a. Ein Widerrufsrecht der Kläger bestand gemäß §§ 495 Abs. 1, 355 Abs. 1 BGB a. F.
b. Die Kläger erklärten den Widerruf mit Schreiben vom 26.01.2015 (K 2).
c. Das Widerrufsrecht war zum Zeitpunkt der Ausübung am 26.01.2015 noch nicht infolge Ablaufs der 14-tägigen Widerrufsfrist erloschen. Der Fristlauf war vielmehr aufgrund einer fehlerhaften Widerrufsinformation überhaupt noch nicht in Gang gesetzt (vgl. § 495 Abs. 2 Satz 1 BGB a. F.)
Die streitgegenständliche Widerrufsinformation weist zwar keinen optischen Mangel (aa.), jedoch einen entscheidenden inhaltlichen Mangel auf (bb.). Die Beklagte kann sich dabei auch nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion gemäß Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB a. F. berufen (cc.).
aa. Entgegen der klägerischen Ansicht ist, wie die Kammer bereits wiederholt (vgl. Urteile vom 30.07.2015, 6 O 214/15, und vom 15.10.2015, 6 O 2628/15, beide veröffentlicht bei juris) und jüngst auch der Bundesgerichtshof (Urteile vom 23.02.2016, XI ZR 549/14 und XI ZR 101/15) entschied, ferner unschädlich, dass die streitgegenständliche Widerrufsinformation nicht optisch /grafisch hervorgehoben ist im Verhältnis zu dem sonstigen Vertragstext. Denn zum Zeitpunkt des Abschlusses des streitgegenständlichen Darlehensvertrags war die Einhaltung eines solchen Deutlichkeits- bzw. Hervorhebungsgebots keine Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Widerrufsinformation ((1) bis ((3)).
(1) Die Vorschrift des § 360 Abs. 1 Satz 1 BGB a. F., wonach die Widerrufsbelehrung deutlich gestaltet sein und dem Verbraucher entsprechend den Erfordernissen des eingesetzten Kommunikationsmittels seine wesentlichen Rechte deutlich machen muss, fand im streitgegenständlichen Zeitraum auf Verbraucherdarlehensverträge keine Anwendung. Denn § 495 Abs. 2 Satz 1 BGB in der damals geltenden Fassung verwies (eingeschränkt) auf die Vorschriften der §§ 355 bis 359a BGB, nicht dagegen auf § 360 BGB. Dies wird auch in den von den Klägern zitierten Urteilen des Oberlandesgericht Stuttgart (a. a. O. Rz. 50 zit. nach juris) und des Landgericht Ulm als Vorinstanz (Urteil vom 17.07.2013, 10 O 33/13, Rz. 71 zit. nach juris) nicht anders gesehen.
Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass in § 495 Abs. 2 Nr. 1 BGB a. F. unter anderem auf § 355 BGB a. F. verwiesen und zugleich in § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a. F. hinsichtlich der Widerrufsbelehrung auf das Deutlichkeitsgebot gemäß § 360 BGB a. F. verwiesen wird. Denn in § 495 Abs. 2 Nr. 1 BGB a. F. wird auf §§ 355-359a BGB a. F. nur mit der Maßgabe verwiesen, dass „an die Stelle der Widerrufsbelehrung“ die Pflichtangaben nach Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB treten. Die „Widerrufsbelehrung“ wird also durch die „Pflichtangaben“ ersetzt. Damit entfällt aber auch die Widerrufsbelehrung als Anknüpfungspunkt in § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a. F. für den Verweis auf das Deutlichkeitsgebot des § 360 Abs. 1 Satz 1 BGB a. F. Allein dies deckt sich auch mit der Gesetzesbegründung. Demnach bedeutet der Verweis in § 495 Abs. 2 BGB a. F. auf §§ 355-359 BGB mit bestimmten Maßgaben nicht, dass § 360 BGB ohne Maßgabe anzuwenden ist. Vielmehr sei für die Anwendung des § 360 BGB im Rahmen des Widerrufsrechts nach § 495 BGB überhaupt kein Raum, da die Informationen zum Widerrufsrecht in den Vertrag aufzunehmen sind und keine separate Belehrung über das Widerrufsrecht zu erfolgen hat (vgl. BT-Drucksache 16/11643, Seite 83 li. Sp.).
(2) Aus der Unanwendbarkeit des § 360 BGB a. F. folgt indes nicht im Umkehrschluss systematisch zwingend, dass sich die Pflicht zur Beachtung des Deutlichkeitsgebots nicht aus anderen Vorschriften ergeben kann.
(3) Eine solche Vorschrift, die die Geltung eines Deutlichkeitsgebots statuiert, ist indes nicht ersichtlich. Entgegen der klägerischen Ansicht und der in den Urteilen des Oberlandesgericht Stuttgart, des Landgericht Ulm und auch des Oberlandesgericht München (Urteil vom 21.05.2015, 17 U 334/15) vertretenen Auffassungen ergibt sich die Geltung des Deutlichkeitsgebots insbesondere nicht aus Art. 247 § 6 Abs. 1 und 2 EGBGB ((a) bis (d)).
(a) Der Wortlaut von Art. 247 § 6 Abs. 1 und 2 EGBGB spricht gegen die Geltung eines Deutlichkeitsgebots. Nach Absatz 1 müssen die Angaben, auch die Angaben über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts gemäß Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 13 EGBGB, lediglich „klar und verständlich“ sein. Von einer deutlichen Gestaltung des Widerrufsrechts ist dagegen nicht die Rede.
Dies hat insofern Aussagekraft, als der Gesetzgeber an anderer Stelle, etwa in § 360 BGB auch in der damals geltenden Fassung, ausdrücklich von dem Erfordernis einer deutlichen Gestaltung des Widerrufsrechts spricht und damit zeigt, dass ihm die Differenzierung bekannt ist.
Die Entstehungsgeschichte zu Art. 247 § 6 Abs. 1 und 2 EGBGB bestätigt die wortlautgetreue Auslegung. Vorgenannte Bestimmungen wurden durch Art. 2 des Gesetzes u. a. zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie vom 29.07.2009 (Bundesgesetzblatt I Seite 2355) in das EGBGB eingefügt. Aus Art. 4 und 10 der zugrunde liegenden Verbraucherkreditlinie vom 23.04.2008 (2008/48/EG) ergibt sich entgegen der Auffassung der Kläger ein weiterer Beleg gegen die Geltung eines Deutlichkeitsgebots. So sind gemäß Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie in die Werbung für Kreditverträge aufzunehmende, im Einzelnen aufgezählte Standardinformationen „in klarer, prägnanter und auffallender Art und Weise“ („in a clear, concise and prominent way“) (anhand eines repräsentativen Beispiels) zu nennen. Gemäß Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie sind dagegen gerade die dort näher bestimmten Pflichtangaben, die in Art. 247 §§ 3 und 6 Abs. 1 EGBGB in deutsches Recht umgesetzt wurden, lediglich „in klarer, prägnanter Form“ („in a clear and concise manner“) anzugeben. Eine „auffallende“ Art und Weise /Form der Darstellung wird also, anders als in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie, gerade nicht gefordert. Stellte das nationale Recht trotzdem höhere Anforderungen, wäre dies nicht mit der mit der Verbraucherkreditrichtlinie beabsichtigten Vollharmonisierung (vgl. Art. 22 Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG) vereinbar und damit europarechtlich unzulässig (vgl. in diesem Sinne auch BT-Drucksache 16/11643, Seite 128 li. Sp.).
(b) Die Geltung eines Deutlichkeitsgebots ergibt sich auch nicht aus Art. 247 § 6 Abs. 2 Sätze 3-5 EGBGB.
In Satz 3 ist zwar bestimmt, dass ein Verbraucherdarlehensvertrag eine Vertragsklausel enthalten muss, die dem Muster in Anlage 7 entspricht und zusätzlich auch noch eine „hervorgehobene und deutlich gestaltete Form“ aufweisen muss. Dies gilt aber nach dem unmissverständlichen Wortlaut nur, um in den Genuss einer Gesetzlichkeitsfiktion zu gelangen, so dass unter den dort genannten Voraussetzungen eine objektiv fehlerhafte Widerrufsbelehrung als rechtmäßig fingiert wird. Allgemein beziehen sich die Sätze 3 und 5 nach ihrem eindeutigen Wortlaut inhaltlich ausschließlich auf die Voraussetzungen und Grenzen dieser Gesetzlichkeitsfiktion. Über die Voraussetzungen für eine von Anfang an rechtmäßige und damit von Anfang an ganz ohne Gesetzlichkeitsfiktion rechtswirksame Widerrufsbelehrung treffen die drei Sätze keine Aussage. Dies wird vom OLG Stuttgart (a. a. O. Rz. 50 zit. nach juris) verkannt, wenn dort ausgeführt wird, dass der Wortlaut des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB eindeutig sei und das Landgericht daraus zutreffend ableite, dass eine grafische Hervorhebung geboten sei.
Die Entstehungsgeschichte der Vorschriften bestätigt den allein auf die Gesetzlichkeitsfiktion bezogenen Wortlaut: Die Bestimmungen des Art. 247 § 6 Abs. 2 Sätze 3 und 4 EGBGB wurden mit Wirkung zum 30.07.2010 neu eingefügt. Hintergrund war eine Aufforderung des Bundestags an die Bundesregierung, zu Beginn der nächsten Legislaturperiode einen Gesetzentwurf mit einem Muster für eine Information über das Widerrufsrecht bei Verbraucherkreditverträgen mit Gesetzlichkeitsfiktion in das Gesetzgebungsverfahren einzubringen (vgl. BT-Drucks. 16/13669, Seite 5). Dementsprechend beziehen sich die Ausführungen der Bundesregierung zu dem sodann vorgelegten Gesetzesentwurf auch ausschließlich auf die Gesetzlichkeitsfiktion gemäß Sätzen 3 und 4. Es findet sich insbesondere keine Ausführung zur Geltung eines Deutlichkeitsgebots bei den Pflichtangaben gemäß Art. 247 § 6 Abs. 1 EGBGB, sondern eher ein Anhaltspunkt für das Gegenteil: Es wird hervorgehoben, dass mit der Notwendigkeit einer hervorgehobenen und deutlichen Gestaltung der Musterformulierung im Vertragstext als Voraussetzung für den Eintritt der Gesetzlichkeitsfiktion ein Gleichklang mit den – für das Verbraucherdarlehen gerade nicht anwendbaren (siehe (a)) – §§ 355 Abs. 2 Satz 1, 360 BGB in der damals neu geltenden Fassung erreicht wird. Hätte das Deutlichkeitsgebot dagegen nach der Auffassung des Gesetzgebers damals auch für die schon geltenden Verbraucherdarlehen-Pflichtangaben gemäß Art. 247 § 6 Abs. 1 EGBGB gegolten, wäre es wesentlich naheliegender gewesen, dass er den Gleichlauf gerade mit diesen Bestimmungen hervorhebt.
(c) Der mit den Vorschriften zum Widerrufsrecht verfolgte Sinn und Zweck – die effektive Information des Verbrauchers – ist auch dann gewahrt, wenn die Widerrufsbelehrung nicht optisch /graphisch hervorgehoben ist.
Die Angaben im Vertrag haben nach Art. 247 § 6 Abs. 1 EGBGB klar und verständlich zu sein. Weiter ist auf einen durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher abzustellen, der die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt (vgl. OLG Stuttgart a. a. O. Rz. 50, zit. nach juris). Von diesem ist zu erwarten, dass er sich den Vertragstext aufmerksam und vollständig durchliest. In diesem Zusammenhang stößt er unweigerlich auf die fettgedruckte Überschrift „14. Widerrufsinformation“ und er wird somit unschwer in die Lage versetzt, sich in den folgenden Zeilen über die Voraussetzungen und Grenzen seines Widerrufsrechts zu informieren. Die Gefahr eines „Hinweglesens“ über die Widerrufsbelehrung durch den aufmerksamen Leser besteht nicht.
(d) Schließlich stellt es keinen Wertungswiderspruch dar, dass nach der hier vertretenen Ansicht die ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung nicht hervorgehoben sein muss, die fehlerhafte dagegen schon, wenn man in den Genuss der Gesetzlichkeitsfiktion kommen will. Damit kann im Interesse des Verbrauchers der Anreiz zu einer graphischen Hervorhebung der Belehrung gesteigert werden, auch wenn es diesbezüglich keine generelle Rechtspflicht geben soll.
bb. Die Widerrufsinformationen weist jedoch, wie die Kammer bereits rechtskräftig entschied (vgl. Urteil vom 15.10.2015, 6 O 2628/15) einen wesentlichen inhaltlichen Mangel auf ((1) bis (3)).
(1) Der Beginn der Widerrufsfrist ist anhand des Textes der Widerrufinformation bestimmbar.
In der Widerrufsinformation ist unmissverständlich festgelegt, dass die Widerrufsfrist zu laufen beginnt, wenn (1) der Vertrag abgeschlossen ist und (2) der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hat. Vom Erhalt der Pflichtangaben ist dabei auszugehen, wenn sie in der für den Darlehensnehmer bestimmten Ausfertigung seines Antrags oder in der für den Darlehensnehmer bestimmten Ausfertigung der Vertragsurkunde oder in einer für den Darlehensnehmer bestimmten Abschrift seines Antrags oder der Vertragsurkunde enthalten sind und dem Darlehensnehmer eine solche Unterlage zur Verfügung gestellt worden ist. Damit ist für jeden – insofern maßgeblichen – durchschnittlich verständigen Verbraucher jedenfalls unter Heranziehung des Gesetzestextes des § 492 Abs. 2 BGB der Beginn des Fristlaufs exakt bestimmbar.
Das Gericht kann deshalb dem Oberlandesgericht München (a. a. O. Rz. 34 zit. nach juris) nicht folgen, soweit es in einem obiter dictum unter Bezugnahme auf die „frühestens“-Rechtsprechung des Bundesgerichtshof (Urteil vom 01.12.2010, VIII ZR 82/10) feststellte, dass nicht klar ist, wann die Frist zum Widerruf der Vertragserklärung des Darlehensnehmers anläuft, wenn in den Widerrufsinformationen die notwendigen Pflichtangaben gemäß § 492 Abs. 2 BGB nicht vollständig, sondern nur teilweise aufgeführt sind. Insbesondere geht der Verweis auf die „frühestens“-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs fehl. Dort war auch für den durchschnittlich verständigen Verbraucher nicht bestimmbar, wann der Fristlauf beginnt. Die Formulierung „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“ belehre den Verbraucher, so der BGH-Senat, nicht richtig, weil nicht umfassend. Der Verbraucher könne der Verwendung des Wortes „frühestens“ zwar entnehmen, dass der Beginn des Fristlaufs noch von weiteren Voraussetzungen abhänge, werde jedoch darüber im Unklaren gelassen, um welche Voraussetzungen es sich dabei handle (vgl. BGH a. a. O. Rz. 12 zit. nach juris). Vorliegend verhält es sich grundlegend anders. Der Verbraucher kann sich Klarheit über den Fristbeginn verschaffen, wenn auch in aller Regel wohl nur unter Heranziehung des Normtextes des § 492 Abs. 2 BGB a. F. und des Art. 247 §§ 6-13 EGBGB a. F.
(2) Die Widerrufsbelehrung ist im Grundsatz auch nicht deshalb fehlerhaft, weil Pflichtangaben gemäß § 492 Abs. 2 BGB nur beispielhaft aufgeführt sind und es deshalb in aller Regel zur Bestimmung des Fristlaufs einer Lektüre des § 492 Abs. 2 BGB durch den Verbraucher bedarf (ebenso LG Landshut, Urteil vom 25.06.2015, 24 O 3659/14; LG Münster, Urteil vom 01.04.2014, 14 O 206/13; wohl auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.06.2015, 16 U 151/14).
Es handelt sich um eine Wertungsfrage, ob es dem Verbraucher zuzumuten ist, zur Bestimmung des Fristlaufs den Gesetzestext selbst heranzuziehen und zu lesen. Der Gesetzgeber hat diese Frage speziell zu der hier interessierenden Normverweisung dahingehend entschieden, dass dies dem Verbraucher zuzumuten ist. Denn mit dem Muster 6 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 BGB a. F. empfahl der Gesetzgeber selbst – und nicht etwa nur der Verordnungsgeber wie bei § 14 BGBInfoV – eine rein exemplarische Aufzählung der Pflichtangaben gemäß § 492 Abs. 2 BGB in der Widerrufsinformation („z. B. Angabe zur Art des Darlehens, Angabe zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit“). Dies steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Berechnung von Fristen (vgl. Urteil vom 23.09.2010, VII ZR 6/10 Rz. 26 zit. nach juris und Urteil vom 27.04.1994, VIII ZR 223/93, Rz. 22 zit. nach juris). Es reicht demnach aus, dass das das den Lauf der Frist auslösende Ereignis in der Widerrufsbelehrung benannt wird. Eine zusätzliche Belehrung auch über den Inhalt des § 187 Abs. 1 und des § 188 Abs. 2 BGB, aus denen sich Beginn und Ende der Widerrufsfrist ergeben, sei, so der BGH, nicht notwendig. Auch für die Fristberechnung wird der Verbraucher mithin auf eigene Gesetzeslektüre verwiesen. Es ist nicht ersichtlich, warum in Bezug auf die Pflichtangaben gemäß § 492 Abs. 2 BGB a. F. anderes gelten soll. Dabei wird nicht übersehen, dass in der Vorschrift des § 492 Abs. 2 BGB a. F. weiter verwiesen wird auf Art. 247 §§ 6-13 EGBGB a. F. Es handelt sich indes um einen sehr kurz und sehr klar gefassten, mithin leicht verständlichen Verweis auf einen etwas längeren, gleichwohl auch für den durchschnittlichen Verbraucher ohne juristische Vorbildung noch zu bewältigenden und mühelos im Internet zugänglichen Normkomplex. Schlussendlich ist zu bedenken, dass das Erfordernis einer umfassenden Abbildung der Pflichtangaben im Vertragstext die Gefahr mit sich bringt, die Widerrufsinformation zu überfrachten und so den Schutzzweck des Verbraucherschutzrechts in das Gegenteil zu verkehren (vgl. LG Münster a. a. O. Rz. 64 zit. nach juris).
(3) Auch wenn nach der hier vertretenen Auffassung eine abschließende Aufzählung aller Pflichtangaben im Sinne des § 492 Abs. 2 BGB a. F. in der Widerrufsinformation nicht erforderlich ist, ist die streitgegenständliche Widerrufsinformation gleichwohl gerade in Bezug auf die Pflichtangaben gemäß § 492 Abs. 2 BGB a. F. zumindest missverständlich und damit fehlerhaft (ebenso LG Verden, Urteil vom 08.05.2015, 4 O 264/14).
Die Ursache liegt in den konkret als Pflichtangaben im Sinne des § 492 Abs. 2 BGB a. F. aufgeführten Beispielen. Als Beispiele werden nicht – wie im amtlichen Muster – „Angabe zur Art des Darlehens, Angabe zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit“ und damit Angaben im Sinne des Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 2, 4 und 6 EGBGB a. F. genannt. Aufgeführt werden vielmehr „Angabe des effektiven Jahreszinses, Angaben zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrags, Angabe der für die Sparkasse zuständigen Aufsichtsbehörde“ und damit Angaben im Sinne des Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 3 und § 6 Abs. 1 Nr. 3 und 5 EGBGB a. F. Bei Verträgen im Sinne des § 503 BGB, bei denen die Zur-Verfügung-Stellung des Darlehens von der Sicherung durch ein Grundpfandrecht abhängig gemacht wird und zu Bedingungen erfolgt, die für grundpfandrechtlich abgesicherte Verträge und deren Zwischenfinanzierung üblich sind (in der Folge: Immobiliardarlehensverträge), sind gemäß Art. 247 § 9 Abs. 1 Satz 1 EGBGB – abweichend von Art. 247 §§ 3-8, 12 und 13 EGBGB – nur die Angaben gemäß Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 7, 10 und 13 sowie nach § 3 Abs. 4 und nach § 8 zwingend. Bei Immobiliardarlehensverträgen, wie hier, sind also die in der streitigen Widerrufsinformation konkret genannten Angaben gemäß Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 3 und 5 EGBGB keine Pflichtangaben. Dem durchschnittlichen Verbraucher offenbart sich damit im Falle eines Immobiliardarlehensvertrags ein Widerspruch. In der streitigen Widerrufsinformation werden als Pflichtangaben konkret zwei Angaben genannt, in Bezug auf die die dem Verbraucher abzuverlangende Gesetzeslektüre ergibt, dass es sich tatsächlich nicht um Pflichtangaben handelt. Damit entsteht beim durchschnittlichen Verbraucher Unsicherheit, wie damit umzugehen ist. Denkbar ist, dass die Aufnahme der Angaben gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 und 5 als Beispiele für Pflichtangaben im Sinne des § 492 Abs. 2 BGB a. F. bedeuten soll, dass auch diese Angaben für das vorliegende Vertragsverhältnis als Pflichtangaben im Sinne des § 492 Abs. 2 BGB a. F. gelten sollen mit der Folge, dass der Fristlauf erst beginnt, wenn der Verbraucher auch die Angaben gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 und 5 erhalten hat. Denkbar ist aber auch, dass der exemplarischen Anführung der Angaben gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 und 5 keine konstitutive, sondern nur deklaratorische Bedeutung zukommen soll. Demnach soll der Verweis auf die Angaben gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 und 5 nicht den Kreis der Pflichtangaben erweitern, sondern nur einen Auszug dessen darstellen, was allgemein eine Pflichtangabe sein kann, auch wenn das in der Widerrufsinformation benannte Beispiel im konkreten Vertragsverhältnis von vornherein nicht als Pflichtangabe zum Tragen kommt. Diese von der Bank ohne Not und durch fehlende Differenzierung zwischen Immobiliardarlehensverträgen und anderen Darlehensverträgen geschaffene Unsicherheit kann nicht zulasten des Verbrauchers gehen. Das Risiko, wie mit der exemplarischen Aufnahme der Angaben gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 und 5 in die Widerrufsinformation rechtlich umzugehen ist, trägt die Bank. Daran ändert nichts, dass die Beklagte nach eigenen Angaben die Pflichtangaben-Beispiele aus einem Gesetzesentwurf übernahm. Denn offensichtlich versäumte sie es zu kontrollieren, ob dieser Entwurf auch Gesetz wurde.
cc. Die Beklagte kann sich auch nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion gemäß Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB a. F. berufen.
Die Beklagte nahm eine inhaltliche Änderung des Musters vor – und begründete gerade damit die Fehlerhaftigkeit der Widerrufsinformation, indem sie die drei Beispiele für Pflichtangaben austauschte (siehe (3)). Die verwendete Widerrufsinformation entsprach damit nicht dem amtlichen Muster im Sinne des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB a. F. und es besteht kein Vertrauensschutz für die Beklagte in Gestalt der Gesetzlichkeitsfiktion (vgl. auch BGH, Urteile vom 15.08.2012, Az. VIII ZR 378/11, und vom 28.06.2011, Az. XI ZR 349/10, jew. zu § 14 BGB-InfoV).
d. Das Widerrufsrecht der Kläger war im Zeitpunkt der Widerrufserklärung auch nicht verwirkt (aa. und bb.).
aa. Verwirkung bedeutet, dass dem Inhaber die Ausübung eines Rechts nach Treu und Glauben, § 242 BGB, versagt wird, weil er über einen längeren Zeitraum von seinem Recht keinen Gebrauch gemacht und dadurch bei der Gegenseite den Eindruck erweckt hat, mit der Inanspruchnahme des Rechts werde in Zukunft nicht mehr zu rechnen sein (sog. „illoyal verspätete Geltendmachung“ des Rechts). Denn die unerwartete Ausübung des Rechts nach längerer Zeit widerspricht dem Vertrauenstatbestand, den der Berechtigte durch die länger dauernde Nichtausübung des Rechts erzeugt hat (vgl. MüKoBGB /Roth/Schubert, BGB, 6. Aufl. 2012, § 242 Rn. 329). Gegenstand der Verwirkung kann auch das Widerrufsrecht sein.
Für die Verwirkung durch Zeitablauf muss das betroffene Recht über eine längere Zeitspanne hinweg nicht geltend gemacht worden sein (sog. „Zeitmoment“). Der für die Verwirkung erforderliche Zeitablauf lässt sich abstrakt nicht näher eingrenzen. Anders als bei den gesetzlichen oder vertraglichen Verjährungs- und Ausschlussfristen besteht keine absolute Zeitspanne, sondern es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an. Bereits daraus ergibt sich, dass der Zeitablauf allein – anders als bei Verjährungs- und Ausschlussfristen – nicht genügt, um die Rechtsfolgen der Verwirkung auszulösen. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzutreten (sog. „Umstandsmoment“), die nach einer Gesamtbetrachtung der Interessenlage die Versagung der Rechtsausübung geboten erscheinen lassen. Der Zeitablauf kann dabei umso kürzer sein, je gravierender die sonstigen Umstände sind, und umgekehrt muss die abgelaufene Zeit umso länger sein, je weniger Gewicht die Umstände haben (vgl. MüKoBGB a. a. O. § 242 Rn. 336 m. w. N.).
Im Hinblick auf das „Umstandsmoment“ ist ausreichend, dass die Untätigkeit des Berechtigten für die Gegenpartei einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat oder aus anderen Gründen die spätere Rechtsausübung mit der früheren Untätigkeit unvereinbar erscheint. Dafür sind die objektiven Gegebenheiten im Verhältnis beider Parteien und die subjektiven Aspekte in Bezug auf beide Parteien wesentlich. Das Umstandsmoment ist somit weder nur subjektiv noch ausschließlich objektiv zu betrachten. Ein gewichtiges subjektives Element ist das tatsächliche Vertrauen der Gegenseite darauf, dass der Berechtigte sein Recht nicht mehr ausüben werde, sowie die Schutzwürdigkeit dieses Vertrauens (vgl. MüKoBGB a. a. O. § 242 Rn. 340 m. w. N.).
Das tatsächliche Vertrauen der Gegenseite wird dabei grundsätzlich nur geschützt, wenn dem Berechtigten die Verspätung subjektiv zurechenbar ist, also etwa dann nicht, wenn er die Unkenntnis seines Rechts nicht zu vertreten hat, es sei denn, dass andere (objektive) Gesichtspunkte eine erhöhte Schutzwürdigkeit der Gegenpartei begründen. Auf der anderen Seite sind die Interessen der Gegenpartei weniger schutzwürdig, wenn sie selbst gut oder sogar besser als der Berechtigte in der Lage war, die Sach- und Rechtslage zu überblicken, oder wenn ihr ein rechtswidrig-schuldhaftes Verhalten zur Last fällt, auch wenn letzteres die Verwirkung nicht zwingend ausschließt. Jedenfalls besteht kein Vertrauensschutz, wenn der Schuldner weiß oder davon ausgehen muss, dass der Gläubiger sein Recht aus Unkenntnis nicht geltend macht (vgl. MüKoBGB a. a. O. § 242 Rn. 342 f. m. w. N.).
Generell gilt für die Verwirkung, dass sie nur mit größter Zurückhaltung und nach sorgfältiger Prüfung der überwiegend schutzwürdigen Interessen anzunehmen ist.
bb. Bei Anwendung dieser Vorgaben kann das Widerrufsrecht der Kläger nicht als verwirkt angesehen werden ((1) und (2)).
(1) Offen bleiben kann, ob das sog. Zeitmoment erfüllt ist, weil zwischen dem Vertragsschluss und der Widerrufsbelehrung ca. 5 Jahre lagen.
(2) Jedenfalls das zusätzlich erforderliche sog. Umstandsmoment ist nicht gegeben. Die Beklagte durfte sich bei der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten der Kläger darauf einrichten, dass die Kläger das Widerrufsrecht auch in Zukunft nicht mehr geltend machen.
Zugunsten der Beklagten ist ein prinzipiell anzuerkennendes Interesse daran einzustellen, dass bereits abgewickelte Verträge, die intern buchhalterisch abgeschlossen sind, auch einmal nach außen Bestand haben.
Umgekehrt ist zugunsten der Kläger schon der gesetzgeberische Wille einzustellen, der dadurch zum Ausdruck gebracht ist, dass die Vorschrift des § 7 Abs. 2 VerbrKrG, wonach das Widerrufsrecht mit vollständiger Rückführung des Darlehens, spätestens ein Jahr nach Vertragsschluss, erlischt, im Zuge der Schuldrechtsreform nicht übernommen wurde. Der Gesetzgeber selbst geht damit also im Grundsatz von einem unbefristeten („ewigen“) Widerrufsrecht aus, selbst bei zwischenzeitlicher Vertragsaufhebung.
Die Beklagte ist auch deutlich weniger schutzbedürftig als die Kläger. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte nach der gesetzlichen Risikoverteilung zu einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung verpflichtet war und, insbesondere weil sie wegen einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung der Musterbelehrung insofern keinen Vertrauensschutz genoss, das Risiko zu tragen hatte, dass das Widerrufsrecht mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung zeitlich unbefristet besteht. Denn im Vergleich zu den Klägern als Verbraucher war sie wesentlich besser in der Lage zu erkennen, ob die erteilte Widerrufsbelehrung ordnungsgemäß war und ob, unter welchen Umständen und innerhalb welcher Frist ein Widerrufsrecht der Kläger bestand. Insbesondere hätte sie noch vor Vertragsabschluss erkennen können und müssen, dass der von ihr übernommene Teil des Gesetzesentwurfs nicht Gesetz wurde. Sie hätte auch ohne weiteres durch eine zulässige (vgl. BGH, Urteil vom 26.10.2010, XI ZR 367/07, Rz. 25 juris), ordnungsgemäße Nachbelehrung die zweiwöchige Widerrufsfrist einseitig und ohne größeren Aufwand in Gang setzen können. Zusammenfassend gilt damit: Die Beklagte, von der in Bezug auf die dem Verbraucher zu erteilenden Widerrufsinformationen professionelles Wissen zu erwarten ist, war – dies ist ein entscheidender Gesichtspunkt – für eine ordnungsgemäße Widerrufsinformation verantwortlich. Sie hätte die Fehlerhaftigkeit der von ihr geschuldeten Information kraft des von ihr zu erwartenden Wissens erkennen und durch eine Nachbelehrung schon vor längerer Zeit für sich Rechtssicherheit schaffen können. Ohne Auswirkung auf das Ergebnis bleibt die nachträgliche und einvernehmliche Änderung der Tilgungsquote. Dass die Kläger dies beantragten, lässt aus der Sicht eines verständigen Dritten an Stelle der Beklagten (§§ 133, 157 BGB) nicht die der Beklagten günstige Auslegung des klägerischen Verhaltens zu, dass die Kläger damals wussten, dass ihr Widerrufsrecht wegen einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung noch läuft, sie sich aber nun bewusst gegen den Widerruf und für die Fortsetzung des Vertrags – mit erhöhter Tilgungsrate – entscheiden.
e. Die Ausübung des Widerrufsrechts durch die Kläger ist auch nicht rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 242 BGB (aa. und bb.).
aa. Allgemein ist anerkannt, dass jede Rechtsausübung begrenzt ist durch den Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. MüKoBGB a. a. O. § 242 Rn. 197 ff. m. w. N.).
Von den insoweit zahlreich unterschiedenen Fallgruppen kann vorliegend nur die der Rechtsausübung ohne schutzwürdiges Eigeninteresse relevant sein, hier wiederum die der Rechtsausübung als Vorwand, um nicht schutzwürdige Zwecke zu erreichen (vgl. MüKoBGB a. a. O. § 242 Rn. 439 ff. und Palandt, BGB, 74. Aufl. 2015, Rz. 50 zu § 242, jeweils m. w. N.). In diese Richtung zielt der Vortrag der Beklagten, wenn sie ausführt, dem Kläger gehe es mit seinem Widerruf darum, eine Umfinanzierung zu besseren Konditionen zu erreichen. Dieses Motiv werde durch den Zweck des gesetzlichen Widerrufsrechts, den Verbraucher vor übereilten Entscheidungen zu schützen, nicht gedeckt.
Eine, grundsätzlich zurückhaltend anzunehmende, Aberkennung der Schutzwürdigkeit der verfolgten Interessen kann nur nach umfassender Interessenbewertung angenommen werden, wobei Rechtsmissbrauch nur anzunehmen ist, wenn der Zweck, der mit der Rechtsausübung verfolgt wird, unter keinem denkbaren Gesichtspunkt gerechtfertigt ist. Nur dann kann davon ausgegangen werden, dass die Ausnutzung einer formalen Rechtsstellung missbräuchlich ist.
bb. Bei Anwendung dieser Grundsätze war der Widerruf der Kläger nicht missbräuchlich.
Allein der Umstand, dass die Kläger, den Vortrag der Beklagten als richtig unterstellt, mit dem Widerruf den Zweck verfolgen, den jetzt für ihn günstigen Markt zu nutzen und zu besseren Konditionen umzuschulden, macht ihr Verhalten nicht missbräuchlich. Grundsätzlich billigt die Rechtsordnung eigennützige Zweckverfolgung. Von zentraler Bedeutung ist ferner, dass nach der gesetzlichen Regelung die Ausübung des Widerrufsrechts nicht von einer Begründung und damit auch nicht vom Bestehen eines Grundes abhängig ist. Das Gesetz lässt daher im Grundsatz den Widerruf aus vernünftigen, unvernünftigen, eigennützigen, fremdnützigen oder aus objektiv überhaupt nicht vorhandenen Gründen gleichermaßen zu. Umstände, die das Verhalten der Kläger in der konkreten Situation gleichwohl als schlechthin untragbar erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich. Ein „Grundgedanke der deutschen Festzinsfinanzierung“, der eigenständigen Schutz beanspruchen könnte, ist dem Gericht nicht bekannt. Wegen der grundlegenden Interessenlage und der eher geringen Schutzwürdigkeit der Beklagten wird im Übrigen auf die Ausführungen unter d. bb. (2) verwiesen.
2. Klageantrag 2)
Die Klage war abzuweisen, soweit die Kläger den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten beantragen. Eine Anspruchsgrundlage besteht hierfür nicht.
Die Ersatzfähigkeit ergibt sich nicht aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB. Die Beklagte befand sich zum Zeitpunkt der klägerischen Auftragserteilung (23.04.2015) an ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten nicht im Schuldnerverzug. Denn die Kläger machten gegenüber der Beklagten vor dem 23.04.2015 keinen berechtigten Anspruch, insbesondere keinen berechtigten Zahlungsanspruch, konkret geltend, in Bezug auf den Schuldnerverzug hätte eintreten können. Sie machten nur – mit Schreiben vom 26.01.2015 – einen Anspruch auf Auskunft über die gezogenen Nutzungen und Abrechnung ihrer Rückgewähransprüche und diejenigen der Bank geltend. Entsprechende Auskunfts- und Abrechnungsansprüche nach wirksamen Vertragswiderruf bestehen nach ständiger Rechtsprechung der Kammer aber nicht, insbesondere nicht als Nebenpflicht im Rahmen des Rückabwicklungsschuldverhältnisses. Auch die Ablehnung der Beklagten mit Schreiben vom 10.02.2015 bezog sich nur auf diese nicht bestehenden Ansprüche.
Das Gericht vermag darin, dass die Beklagte den Widerspruch der Kläger nicht akzeptierte, auch keine einen Schadensersatzanspruch auslösende Pflichtverletzung im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB erkennen (vgl. bereits Endurteil vom 24.09.2015, 6 O 7471/14). Die Beklagte traf keine vertragliche Nebenpflicht, den Widerruf der Kläger anzuerkennen. Es gibt keine vertragliche Nebenpflicht, die Rechtsauffassung des Vertragspartners zu teilen, auch nicht, wenn diese berechtigt ist. Soweit die Bank den Widerruf nicht akzeptiert, kann der Darlehensnehmer die Rückabwicklung unter Fristsetzung verlangen. Geht die Bank darauf nicht ein, so befindet sie sich mit der Leistung im Schuldnerverzug und mit der Entgegennahme der Gegenleistung im Annahmeverzug und muss die Folgen hieraus tragen. Weitere rechtliche Konsequenzen hat ihr Verhalten nicht.
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Klageabweisung betrifft lediglich eine Nebenforderung, die den Streitwert nicht erhöht.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.
C.
Das nach §§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, 3 ZPO maßgebliche wirtschaftliche Interesse des Darlehensnehmers an einem Widerruf des Darlehensvertrags besteht darin, sich für die Zeit nach dem Widerruf bis zur vollständigen Tilgung des Darlehens die vertraglich vereinbarten Zinsen zu ersparen (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 04.02.2016, 14 W 250/16). Dies ergibt für den Klageantrag 1) einen Betrag von 41.200,00 € (vgl. KSR 5).
Mit dem Klageantrag 2) werden vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten geltend gemacht, die als Nebenforderung den Streitwert nicht erhöhen.

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