Bankrecht

Fehlerhaftigkeit eines Fondsprospekts durch Verschleierung des wesentlichen Risikos im Zusammenhang mit der Begebung einer Inhaberschuldverschreibung

Aktenzeichen  32 U 777/16

Datum:
20.10.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 128895
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 91, § 711 Nr. 10, § 711
BGB § 278, § 280, § 286, § 793, § 796

 

Leitsatz

1 Der Kläger kann von der Beklagten nach §§ 280, 241 Abs. 2, 278 BGB die Rückzahlung des Anlagebetrages etc. Zug um Zug gegen Rückgabe der Beteiligung im Wege des großen Schadenersatzes verlangen, da die Kläger vor Zeichnung nicht ausreichend über die Risiken aufgeklärt wurden. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Beklagte trifft als Vertragspartnerin des Treuhandvertrags die Pflicht, die künftigen Treugeber über alle wesentlichen Punkte aufzuklären, die für die zu übernehmende mittelbare Beteiligung von Bedeutung sind. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
3 Nach der Rechtsprechung muss dem Anlageinteressenten der Prospekt so rechtzeitig vor Vertragsschluss überlassen werden, dass sein Inhalt noch zur Kenntnis genommen werden kann (BGH BeckRS 2005, 4297). (redaktioneller Leitsatz)
4 Auf das Risiko, dass die Inhaberschuldverschreibungen nicht vollständig aus den anteiligen Ausschüttungsbeträgen bezahlt werden können, wird nicht hinreichend hingewiesen. Dieses Risiko besteht, wenn die dafür vorgesehenen Distributionsgarantiezahlungen nicht vollständig bei der Gesellschaft eingehen oder der Wechselkurs des USD sinkt. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

22 O 11949/15 2016-01-15 Urt LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Landgerichts München I vom 15.01.2016, Az. 22 O 11949/15, aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte des jeweiligen Klägers im Zusammenhang mit dessen Beteiligung an der … vom 02./.04.05.2005 zu bezahlen: 32 u 777/16 – Seite 2 2.1. an die Klägerin 11.412,48 € nebst Zinsen aus 10.512,48 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 19.08.2014 und aus 900 € seit 14.02.2015,
2.2. an den Kläger 11.412,48 € nebst Zinsen aus 10.512,48 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.09.2014 und aus 900 € seit 14.02.2015 und 2.3. an die zu der Schadensnummer auf deren Konto bei der
2.354,30 € nebst Zinsen in Höhe von von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 14.02.2015.
3. Es wird festgestellt, dass
3.1. die Beklagte verpflichtet ist, die Kläger von sämtlichen Verpflichtungen und steuerlichen Nachteilen Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte des jeweiligen Klägers im Zusammenhang mit dessen Kommanditbeteiligung an der vom 02./.04.05.2005 freizustellen, die durch die Zeichnung seiner vorgenannten Kommanditbeteiligung entstanden sind und noch entstehen werden und
3.2. sich die Beklagte mit der Annahme der Beteiligung beider Kläger seit dem 19.08.2014 und mit der Beteiligung des Klägers seit 05.09.2014 an der vom 02./.04.05.2005 in Annahmeverzug befindet.
4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages, sofern die Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
6. Die Revision wird nicht zugelassen

Gründe

I.
Die Kläger verlangen als Anleger von der Beklagten, die für sie als Treuhänderin und Treuhandkommanditistin fungierte, die Rückabwicklung ihrer in Verlust geratenen Beteiligung an der im Handelsregister am 04.03.2005 ins Handelsregister eingetragenen „“.
Die Kläger zeichneten am 02.05.2005 nach Durchführung eines Beratungsgespräches mit dem Zeugen jeweils eine Beteiligung zum Nennwert von jeweils € 20.000 (Barwert jeweils € 10.000,00) als mittelbare Kommanditisten. Dabei erfolgte eine Fremdfinanzierung über jeweils € 10.000,00 durch Ausgabe einer Inhaberschuldverschreibung der Kläger an die Komplementärin, welche sich entsprechend refinanzieren sollte.
Die Beteiligung erfolgte dadurch, dass die Komplementärin, das Zeichnungsangebot der Kläger vom 02.05.2005 am 04.05.2005 annahm. Die Komplementärin war nach § 5 Nr. 3 des 32 u 777/16 – Seite 3 Gesellschaftsvertrags bevollmächtigt bei der Kommanditbeteiligung über Treuhänder, „verdrängend und unwiderruflich“ die Beteiligungsangebote anzunehmen, mit deren Annahme den Anteil der Treuhandkommanditistin zu erhöhen und das Angebot der einzelnen Treugeber auf Abschluss des Treuhandvertrages anzunehmen; der Treuhandvertrag ist mit Annahme des Beteiligungsangebots zu Stande gekommen. Die Beklagte wurde am 02.11.2005 als Kommanditist in das Handelsregister eingetragen. Ob der Beitritt schon vorher erfolgt ist, ist nicht ganz klar. Jedenfalls erklärte Geschäftsführer der Beklagten in anderer Sache am 31.03.2016 vor dem Landgericht, dass der Beitritt „damals aufschiebend bedingt mit der Eintragung der Beklagten in das Handelsregister erfolgt sei.“
Die Kläger leisteten im Rahmen der Beteiligung jeweils eine Bareinlage von 10.000 €, einen Kaufpreis für die Inhaberschuldverschreibung von jeweils 512,48 und einen Beitrag zur Liquiditätsreserve von jeweils 900 €. Aus diesen Beträgen setzt sich die Klagesumme zusammen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das Landgericht hat die Klage auf Rückabwickung der Beteiligung mit Endurteil vom 15.01.2016 abgewiesen.
Gegen dieses am 25.01.2016 zugestellte Urteil haben die Kläger am 22.02.2016 form- und fristgerecht Berufung eingelegt und beantragen
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 15.01.2016 – 22 O 11949/15 – aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 22.824,96 € zu bezahlen, davon an die Klägerin 11.412,48 € nebst Zinsen aus 10.512,48 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 19.08.2014 zu bezahlen aus 900 € seit 14.02.2015, sowie an den Kläger 11.412,48 € nebst Zinsen aus 10.512,48 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.09.2014 zu aus 900 € seit 14.02.2015.
3. Die Beklagte wird verurteilt an die zu der Schadensnummer auf deren Konto bei der 2.354,30 € nebst Zinsen in Höhe von von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 14.02.2015 zu bezahlen.
4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Kläger von sämtlichen Verpflichtungen und steuerlichen Nachteilen freizustellen, die durch die Zeichnung seiner Kommanditbeteiligung an der vom 02./.04.05.2005 entstanden sind und noch entstehen werden
5. Die Verurteilung zu den Ziffern 1 und 3 erfolgt Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte des Klägers im Zusammenhang mit dessen Beteiligung an der vom 02./.04.05.2005.
6. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Beteiligung der Klägerin seit dem 19.08.2014 und mit der Beteiligung des Klägers seit 05.09.2014 an der 32 u 777/16 – Seite 4 vom 02./.04.05.2005 in Annahmeverzug befindet.
Die Beklagte beantragt Berufungszurückweisung.
II.
Die zulässige Berufung ist begründet
1. Der Kläger kann von der Beklagten nach § 280, § 241 Abs. 2, § 278 BGB die Rückzahlung des Anlagebetrages etc. Zug um Zug gegen Rückgabe der Beteiligung im Wege des großen Schadenersatzes verlangen, da die Kläger vor Zeichnung nicht ausreichend über die Risiken aufgeklärt wurden.
a) Die Beklagte haftet den Klägern jedenfalls als Treuhänderin für die unzureichende Aufklärung; sie hat für das Verschulden der Komplementärin, anderer Vertriebspersonen und der Prospektverfasser nach § 278 BGB einzustehen, da auch der Treuhandvertrag nach den vertraglichen Beteiligungsbedingungen mit Annahme der Beteiligungserklärung zu Stande kam. Daher kann dahingestellt bleiben, ob der Beitritt der Beklagten wegen der aufschiebenden Bedingung erst nach der Beteiligung erfolgte.
b) Die Beklagte trifft als Vertragspartnerin des Treuhandvertrags die Pflicht, die künftigen Treugeber über alle wesentlichen Punkte aufzuklären, die für die zu übernehmende mittelbare Beteiligung von Bedeutung sind (BGH Beschluss vom 26.11.2015 – III ZR 78/15; Urt. v. 29.05.2007 -III ZR 59/07 = NJW-RR 2008, 1129/1130; jeweils m.w.N.). Wenngleich diese Aufklärungspflicht entgegen der Ansicht der Beklagten nicht auf regelwidrige Auffälligkeiten beschränkt ist, lag überdies eine solche vor, da die Unklarheit über die Risiken bereits aus dem Prospekt zu erkennen war und nicht erst aus weiteren der Beklagten nicht zu erkennenden Unterlagen
c) Der Kläger wurde weder durch den Prospekt noch durch den Vermittler ausreichend aufgeklärt.
Die Beklagte hat schon den Vortrag der Klagepartei, der Prospekt sei erst im Rahmen des Beratungsgesprächs am 02.05.2005 übergeben worden, nicht substantiiert bestritten; hierzu hätte es der Angabe eines konkreten anderen Termins der Prospektaushändigung bedurft. Auch aus den schriftlichen Bestätigungen kann nicht entnommen werden, wann vor Unterzeichnung des Beteiligungsangebots der Prospekt ausgehändigt wurde. Der Zeuge war nicht zu vernehmen, da aus dem Beweisangebot nicht hervorgeht, welche konkreten Belehrungen er erteilt hat.
Nach der Rechtsprechung muss dem Anlageinteressenten der Prospekt so rechtzeitig vor Vertragsschluss überlassen werden, dass sein Inhalt noch zur Kenntnis genommen werden kann (BGH Urt. v. 21.03.2005 – II ZR 140/03 = ZIP 2005, 753, 757 f. m.w.N.; BGH Beschluss vom 23.09.2014 – II ZR 317/13, zitiert nach juris).
d) Im Übrigen enthält der Prospekt Unklarheiten und Widersprüche und führt für sich betrachtet 32 u 777/16 – Seite 5 nicht dazu, dass den Klägern bei Zeichnung ein zutreffendes Bild der Beteiligung vermittelt wurde.
aa) Das Finanzierungskonzept wird insbesondere auf den Seiten 45, 56 und 95 des Prospekts dahingehend erläutert, dass jeder Treugeber eine Inhaberschuldverschreibung unterzeichnet, die er zum Zwecke der teilweisen Fremdfinanzierung seiner Beteiligung an die verkauft, die das dafür fällige Entgelt im Namen und auf Anweisung der Anleger auf ein Mittelverwendungskontrollkonto der Fondsgesellschaft überweist. Der Begebungs- und Rahmenvertrag zur teilweisen Anteilsfremdfinanzierung ist auf den Seiten 119 ff. des Prospekts abgedruckt. Daraus ergibt sich die Verpflichtung des Anlegers, den Nennbetrag zzgl. Zinsen am 31.12.2012 zu bezahlen, wobei der Anleger die Gesellschaft beauftragt und bevollmächtigt, die zu den Zahlungsterminen fälligen Leistungen im Namen und für Rechnung des Anlegers aus seiner Beteiligung an der Gesellschaft zustehenden Entnahmeansprüchen, Auseinandersetzungsguthaben oder Liquidationserlösen zu erbringen. Dabei weist der Prospekt nicht darauf hin, dass der Anspruch durch denjenigen, der die Urkunden in Händen halte, geltend gemacht werden könne und der Schuldner auf die Einwendungen aus den §§ 793 ff. BGB beschränkt sei. Die Bezeichnung als Inhaberschuldverschreibung führt nicht dazu, dass davon ausgegangen werden kann, ein juristisch nicht vorgebildeter Anleger könne bereits aus der Verwendung des Begriffs erkennen, welche Rechtsfolgen sich aus der Begebung ergeben. Auch der Rahmenvertrag zur Inhaberschuldverschreibung und die Inhaberschuldverschreibung enthalten keinen Hinweis auf die Rechtsfolgen der § 793 und § 796 BGB.
Nicht ausreichend hingewiesen wird ferner auf das Risiko, dass die Inhaberschuldverschreibungen nicht vollständig aus den anteiligen Ausschüttungsbeträgen bezahlt werden können. Dieses Risiko besteht, wenn die dafür vorgesehenen Distributionsgarantiezahlungen nicht vollständig bei der Gesellschaft eingehen („wenn Schuldner der Distributionszahlungen ausfallen“) oder der Wechselkurs des USD sinkt. Auf Seite 56 des Prospekts wird vielmehr ausgeführt, die Bedienung und Rückführung des fremdfinanzierten Beteiligungsanteils erfolge ausschließlich durch die im Wege der Sicherungsabtretung abgesicherten Zahlungsströme aus der Beteiligung. Es bestehe grundsätzlich keine Nachschusspflicht. Dadurch wird die Aussage auf Seiten 45 und 46 des Prospekts relativiert. Gemessen an den von der Rechtsprechung entwickelten Prospekthaftungsgrundsätzen ist der Prospekt bezüglich des die Fremdfinanzierung betreffenden Währungsrisikos zumindest widersprüchlich.
bb) Ebenso ist der Prospekt widersprüchlich, als er auf Seite 48 zwar unter der Überschrift „Haftung“ darauf hinweist, dass bei Direktkommanditisten die Haftung durch Ausschüttungen, die zu einem Sinken des Kapitalkontos unter die Hafteinlage führen, die Haftung wieder auflebt, nicht aber, dass dieser Hinweis auch für die Treugeber wegen der Zahlungspflicht gegenüber dem Treuhänder gilt. Der Hinweis, dass die Treugeber mit einem Direktkommanditisten vergleichbar sind, reicht nicht aus, zumal die Gefahr besteht, dass Anleger, die sich als Treugeber beteiligen, den Absatz über Direktkommanditisten nicht lesen, weil sie eben solche 32 u 777/16 nicht sind.
cc) Ferner wird der Hinweis auf das Insolvenzrisiko der Fondsgesellschaft auf Seite 49 des Prospektes dadurch relativiert, dass dieses auf das „Zusammentreffen mehrerer außergewöhnlicher Umstände“ beschränkt und damit verharmlost wird; diese Aussage wäre so allenfalls bei einer systemrelevanten Bank vertretbar.
2. Die Entscheidung über die vorgerichtlichen Anwaltskosten beruht auf den §§ 280, 286 BGB,
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO , die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 711 Nr. 10, § 711 ZPO .
5. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO ).

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen

Europarecht

Schadensersatz, Ermessensentscheidung, Aussetzungsantrag, Kommission, Aussetzung, Fahrzeug, Vorabentscheidungsverfahren, Zeitpunkt, Beschwerde, Verfahren, Schriftsatz, Rechtssache, EuGH, Anspruch, Aussetzung des Rechtsstreits, erneute Entscheidung
Mehr lesen