Bankrecht

Folgen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Pfändungsschuldners auf ein Pfändungspfandrecht

Aktenzeichen  4 U 952/18

Datum:
7.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 51861
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
InsO § 88

 

Leitsatz

Für die Kostengrundentscheidung ist es unerheblich, ob im Streitfall tatsächlich Gebühren oder Auslagen angefallen sind. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

4 O 3848/16 2018-04-19 Urt LGNUERNBERGFUERTH LG Nürnberg-Fürth

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 19.04.2018, Az. 4 O 3848/16, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

Gründe

I.
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagten verpflichtet sind, die Auszahlung der Ablaufleistung aus einer Lebensversicherung des Beklagten zu 1) in Höhe von 87.514 € an die Klägerin zu dulden, hilfsweise Schadensersatz in gleicher Höhe an die Klägerin zu leisten.
Das Landgericht hat das Versäumnisurteil, mit dem die Klage abgewiesen worden ist, aufrechterhalten und auch die weitergehende Klage abgewiesen. Auf die Feststellungen des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.
Die Klägerin hat gegen das am 24. April 2018 zugestellte Urteil mit Schriftsatz vom 22. Mai 2018, beim Oberlandesgericht eingegangen am 23. Mai 2018, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 23. Juli 2018, beim Oberlandesgericht eingegangen am 25. Juli 2018, innerhalb der bis dahin verlängerten Frist begründet. Sie verfolgt ihre erstinstanzlichen Ansprüche weiter.
Das Landgericht habe verkannt, dass dem Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 13. November 2017 keine Relevanz für das vorliegende Verfahren zukomme. Die Interventionswirkung des § 68 ZPO entfalte sich nur zwischen dem Nebenintervenienten und der von ihm unterstützten Hauptpartei, nicht aber der Gegenpartei.
Hinsichtlich der Abtretung vom 3. Februar 2016 bestünden Zweifel an der Richtigkeit der Tatsachenfeststellung, da das Landgericht nicht berücksichtigt habe, dass der Vortrag der Beklagten widersprüchlich sei und dass die Beklagten den Vortrag nach dem Bestreiten der Klägerin zu beweisen hätten. Zudem habe das Gericht unzulässigerweise die Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts im Parallelverfahren übernommen.
Spätestens mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens habe das Pfändungspfandrecht der Klägerin wieder bestanden. Soweit das Landgericht Anfechtungsgründe ablehne mit der erstmals im Urteil gegebenen Begründung, die Klägerin habe keine Kenntnis der Beklagten zu 2) von der Gläubigerbenachteiligung nachgewiesen, sei dies spätestens für die behauptete Abtretung am 3. Februar 2016 nicht richtig. Im Zusammenhang mit dem Ablauf des Versicherungsvertrags am 31. Dezember 2015 habe die Lebensversicherungs AG an die Beklagte zu 2) mitgeteilt, dass die Klägerin die Forderung gepfändet habe. Zudem seien in diesem Zusammenhang beide Beklagte von der jetzigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 2) vertreten worden und sei die Pfändung jedenfalls dem Beklagten zu 1) und damit auch der jetzigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 2) bekannt gewesen.
Für den Fall, dass die Klägerin unterliege, stehe der Beklagten zu 2) kein Anspruch auf Erstattung von Anwaltskosten zu, da auf Seiten der Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 2) wegen der früheren Vertretung beider Beklagten ein Interessenkonflikt vorliege.
Die Beklagten verteidigen das erstinstanzliche Urteil und beantragen, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen. Die Beklagten führen unter anderem aus, dass der Antrag auf Duldung der Zwangsvollstreckung bereits unzulässig sei, weil die auf die Zwangsvollstreckung gerichtete Maßnahme nicht mehr möglich sei, da die Lebensversicherung AG die streitgegenständliche Lebensversicherung an die Beklagte zu 2) ausbezahlt habe.
II.
Die Berufung ist offensichtlich unbegründet.
1. Das Landgericht hat keine Interventionswirkung des § 68 ZPO angenommen. Es hat lediglich auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts in dem Verfahren 8 O 2305/16 (Aktenzeichen beim Oberlandesgericht: 8 U 2271/16) verwiesen, um darzulegen, dass es aufgrund der Rechtskraft des Urteils davon überzeugt ist, dass von der verklagten Versicherungsgesellschaft längst Zahlung an die Beklagte zu 2 erfolgt ist. Deshalb ist es davon ausgegangen, dass der Anspruch auf Duldung der Auszahlung der Lebensversicherung an die Klägerin überholt ist.
2. Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang zu Recht zugrunde gelegt, dass die von der Klägerin erlangte Sicherung durch den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gemäß § 88 InsO unwirksam geworden ist und die Sicherung auch nicht wiederaufgelebt ist, weil dazu eine erneute Zustellung an den Drittschuldner erforderlich gewesen wäre (vgl. MünchKommInsO/Breuer, 3. Aufl., § 88 Rn. 34 mwN).
3. Auch die Beweiswürdigung des Landgerichts im Hinblick auf die Abtretung im Jahr 2016 ist nicht zu beanstanden.
a) In der Klageschrift hat die Klägerin zunächst vorgetragen, dass die Beklagte zu 2) eine Urkunde vom 3. Februar 2016 vorgelegt habe, die von beiden Beklagten unterschrieben gewesen sei. Danach solle der Beklagte zu 1) seine Forderungen aus dem Lebensversicherungsvertrag erneut – und diesmal in voller Höhe – an die Beklagte zu 2) abgetreten haben (Bl. 5 d.A.). In dem Schriftsatz vom 5. April 2007 zur Begründung des Einspruchs gegen das Versäumnisurteil hat die Klägerin ausgeführt (Bl. 91 d.A.), dass entgegen bisherigem Vortrag nun auch bestritten werde, dass der Beklagte zu 1) am 3. Februar 2016 die Forderung abgetreten habe.
Mit Schriftsatz vom 8. März 2018 hat die Klägerin ausgeführt (Bl. 185 d.A.), dass die Beklagte zu 2) das Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg im Verfahren 8 U 2271/16 durch wahrheitswidrige Behauptung einer rückdatierten Abtretung zum Schein erwirkt habe, wie sich bei der Anhörung der Beklagten zu 2) ergeben habe. Dafür spreche u.a. die Einlassung der Beklagten zu 2) in der mündlichen Verhandlung am 14. August 2017 vor dem Oberlandesgericht, dass die vorgelegte Abtretungsurkunde von ihrer Prozessbevollmächtigten vorformuliert worden sei. Damit stehe der Klägerin auch ein Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB zu.
b) Die Akte in dem Verfahren 8 O 2305/16 des Landgerichts Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen beim Oberlandesgericht: 8 U 2271/16) ist zu Beweiszwecken zum Gegenstand der Verhandlung gemacht worden. In dieser Akte befinden sich die Originale der Abtretungsvereinbarungen aus den Jahren 2016 und 2017. Dass das Landgericht sich insoweit durch Verweis die Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts zu eigen macht und die Abtretung als nachgewiesen ansieht, begegnet keinen Bedenken.
Auch die von der Klägerin angeführte Äußerung der Beklagten zu 2) führt nicht zu einer anderen Bewertung. Insbesondere ist nicht ersichtlich, woraus sich eine betrügerische Rückdatierung der Vereinbarungen ergeben soll.
In der Verhandlung am 14. August 2017 hat die Klägerin erklärt (Bl. 160 der Akte 8 O 2305/16; 8 U 2271/16), dass die Abtretungsvereinbarungen von ihr jeweils zu den dort angegebenen Daten unterzeichnet worden seien. Bei der Erklärung von 2016 sei gleichzeitig auch der Beklagte zu 1) anwesend gewesen und habe die Erklärung unterzeichnet. Die Erklärungen von 2016 und 2017 habe ihre Prozessvertreterin formuliert. Die Daten hierfür habe sie ihr mitgeteilt.
Auf den Abtretungserklärungen sind die Datumsangaben bei den Unterschriftszeilen jeweils per Hand eingetragen worden und jeweils in anderer Schriftart, so dass davon auszugehen ist, dass die Unterschreibenden bei ihrer Unterschrift jeweils selbst das Datum eingefügt haben. Bei den der Prozessbevollmächtigten mitgeteilten „Daten“ kann es sich daher nicht um das jeweilige Datum der Unterschriftsleistung handeln. Dass ein Vertragsentwurf von einem Anwalt einige Zeit vor Verwendung vorformuliert wird, ist nichts Ungewöhnliches. Soweit die Klägerin in der zweiten Instanz erstmals die Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu 2) als Zeugin benennt, ist kein Zulassungsgrund nach § 531 ZPO gegeben.
4. Das Landgericht ist auch zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Gläubigerbenachteiligung nicht nachgewiesen ist.
Selbst wenn man die Abtretung im Jahr 2016 als eine inkongruente Gewährung einer Sicherheit ansähe – was problematisch ist, da die Beklagte zu 2) bereits bei der ersten Darlehensgewährung durch eine Verpfändung gesichert werden sollte -, kann nicht von einer Gläubigerbenachteiligung ausgegangen werden.
Denn eine inkongruente Deckung bildet nur dann ein Beweisanzeichen für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und für die Kenntnis des Gläubigers von diesem Vorsatz, wenn die Wirkungen der Rechtshandlung zu einem Zeitpunkt eintraten, als zumindest aus der Sicht des Empfängers der Leistung Anlass bestand, an der Liquidität des Schuldners ernsthaft zu zweifeln (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 2013 – IX ZR 248/12, NZI 2014, 68 Rn. 12). Dies ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Abtretung erfolgte, als dem Beklagten zu 1) bereits seit fast drei Jahren die Restschuldbefreiung erteilt worden war. Die Lebensversicherung war die ganze Zeit über fortgeführt worden. Allein die Mitteilung einer Pfändung durch die Klägerin führt nicht zu Zweifeln an der Liquidität, sondern nur dazu, dass die Beklagte zu 2) dadurch erfuhr, dass der Beklagte zu 1) noch einen weiteren Gläubiger hatte. Zudem bestand für die Klägerin gerade keine Sicherung mehr durch den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (siehe oben).
5. Die Einwendung der Klägerin, dass der Anwaltsvertrag zwischen der Beklagten zu 2) und deren Rechtsanwältin nichtig sei, ist weder bei der Kostengrundentscheidung noch im Kostenfestsetzungsverfahren zu prüfen.
a) Das Gesetz unterscheidet zwischen der Frage, welche Partei die Kosten zu „tragen“ hat, und der weiteren Frage, welche Kosten diese Partei dem Gegner zu „erstatten“ hat. In der Kostengrundentscheidung wird (nur) ausgesprochen, welche Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Ob und in welcher Höhe Kosten zu erstatten sind, entscheidet der Rechtspfleger in dem in §§ 103 – 107 ZPO geregelten Kostenfestsetzungsverfahren. Durch diese Trennung soll das Erkenntnisverfahren entlastet und vereinfacht werden. Für die Kostengrundentscheidung ist es unerheblich, ob im Streitfall tatsächlich Gebühren oder Auslagen angefallen sind oder nicht; vor allem bedarf es keiner Prüfung, ob überhaupt erstattungsfähige Kosten entstanden sind (BeckOK-ZPO/Jaspersen, § 91 Rn. 4, Stand 1. Dezember 2018). Damit ist aber auch die Frage, ob Kosten als nicht angefallen anzusehen sind, weil der zugrunde liegende Anwaltsvertrag nichtig ist, bei der Kostengrundentscheidung nicht zu prüfen.
b) Mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss soll die betragsmäßige Umsetzung der Kostengrundentscheidung erreicht werden. Sie ist von der materiell-rechtlichen Beurteilung zu unterscheiden, ob die erstattungsberechtigte Partei ihrem Prozessbevollmächtigten die geltend gemachten Gebühren im Innenverhältnis nach den dort bestehenden vertraglichen Beziehungen tatsächlich schuldet; letztere gehört nicht in das Kostenfestsetzungsverfahren (BGH, Beschluss vom 22. November 2006 – IV ZB 18/06, juris Rn. 11). Die Frage ist im Zwangsvollstreckungsverfahren zu klären.
III.
Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).
Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Hinweises.

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