Aktenzeichen IX R 43/10
Verfahrensgang
vorgehend FG München, 20. November 2009, Az: 15 K 549/06, Urteil
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war zusammen mit ihren zwei Geschwistern (im Folgenden: Geschwister X) zu je 1/3 an der Kapitalverwaltungs-GbR X (GbR II) beteiligt. Am 26. November 1993 erwarben die Geschwister X von A … Inhaberaktien der Fa. B, an der sie bereits beteiligt waren. Auf jeden –also auch auf die Klägerin– entfielen … Stück. A verkaufte und übereignete an die Geschwister X spätestens bis zum 10. Dezember 1993 insgesamt … Stück zu einem Gesamtkaufpreis von … DM. Auf den Anteil der Klägerin entfiel ein Kaufpreis von … DM. Jede Aktie der B kostete also … DM. Nach diesem Erwerb hielten die Geschwister X 50 % der Anteile der B.
2
Mit Abtretungsverträgen vom 10. Dezember 1993 brachten u.a. die Geschwister X neben weiteren Beteiligungen ihre Anteile an B zum 1. Januar 1994 in die X Holding GmbH (Holding) im Rahmen einer Sachkapitalerhöhung ein. Darunter befanden sich neben schon früher erworbenen Anteilen auch die im November 1993 angeschafften Anteile. Die Geschwister X übernahmen je für sich Stammeinlagen an der Holding von nominal … DM und brachten je für sich … Aktien der X AG, … Aktien der C AG und … Aktien der B ein. … Stück dieser Anteile an der B waren im November 1993 innerhalb der Spekulationsfrist, der Rest (nämlich … Aktien) war außerhalb der Spekulationsfrist erworben worden. Der Einbringungswert der auf die Geschwister X jeweils und damit auch auf die Klägerin entfallenden Aktien an B betrug nach dem Beschluss der Holding … DM. Auf jede Aktie entfielen danach … DM. Im Sacherhöhungsbericht vom 10. Dezember 1993 ist zudem vermerkt, dass der Börsenkurs am 7. Dezember 1993 … DM betragen hatte. Die übrigen Gesellschafter der Holding brachten ihre Anteile an B für jeweils … DM pro Aktie ein.
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Im Rahmen eines Verlustrücktrags in das Streitjahr (1993) begehrten die Geschwister X jeweils und damit auch die Klägerin im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer vergeblich, einen im Jahr 1994 erlittenen Verlust aus Veräußerungsgeschäften nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Streitjahres (EStG) von … DM zu berücksichtigen. Dieser Verlust ergibt sich aus folgender Berechnung:
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· Erworben wurden … Anteile an der B für … DM je Aktie, also für insgesamt … DM.
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· Veräußert wurde durch Einbringung in die Holding gegen Gesellschaftsanteile zu einem Preis pro Anteil von … DM, also für … DM.
6
· Aus der Differenz ergibt sich der Verlust.
7
Auch die Klage blieb erfolglos: Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, ein Verlust i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG sei nicht entstanden. Die je … Aktien, die in die Holding eingebracht worden seien, setzten sich unstreitig zusammen aus … Altaktien (außerhalb der Spekulationsfrist erworben und deshalb nicht steuerverstrickt) und den von A erworbenen … Neuaktien (steuerverstrickt). Die Geschwister X und die Holding hätten bei der Ermittlung des Einbringungswerts nicht zwischen Alt- und Neuaktien unterschieden, sondern einen gemischten Einbringungswert von … DM pro Aktie gebildet. Das Nämlichkeits- bzw. Identitätsprinzip des § 23 EStG erfordere indes eine Spezifizierung bzw. individuelle Bestimmung des für die Neuaktien kalkulierten Einbringungswerts. Da, von den Geschwistern X abgesehen, alle anderen Gesellschafter, die ihre Aktien an der B in die Holding eingebracht hätten, kalkulatorisch einen Einbringungswert von … DM zugrunde gelegt haben, gehe das FG davon aus, dass auch die Geschwister X diesen Wert für ihre Altaktien zugrunde gelegt hätten (also … DM für die Klägerin). Hinsichtlich der restlichen jeweils … Aktien verbleibe somit ein Einbringungswert von … DM (zusammen also der von der Holding ausgewiesene Einbringungswert von … DM). Das entspreche genau den Anschaffungskosten dieser Neuaktien (Einlagewert von … DM pro Aktie). Also sei kein Verlust entstanden.
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Hiergegen richtet sich die auf Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision der Klägerin.
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Das FG habe verfahrensfehlerhaft judiziert, indem es gegen den klaren Inhalt der Akten verstoßen habe (§ 96 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Seine Annahme, die Geschwister X hätten die Altaktien der B zu einem kalkulierten Wert von 625 DM eingebracht, werde vom Akteninhalt nicht gedeckt.
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Das FG habe ferner § 23 Abs. 4 EStG verletzt, indem es bei der Ermittlung des Veräußerungspreises zwischen den Alt- und Neuaktien der B differenziert habe. Vielmehr sei der maßgebende Einbringungswert nach dem Stichtagsprinzip nur zu einem bestimmten Zeitpunkt festgelegt worden – die historischen Anschaffungskosten seien nicht bedeutsam.
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Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 24. Juni 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Januar 2006 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Einkommensteuer für das Streitjahr unter Berücksichtigung eines Verlustrücktrags aus dem Jahr 1994 in Höhe von … DM auf … € (= … DM) festgesetzt wird.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Unabhängig vom Identitätsprinzip sei nachvollziehbar, warum das FG zwischen den Aktien differenziert habe. Komme es auf die Frage der korrekten Wertbestimmung an, seien die Altaktien mit … DM je Aktie anzusetzen, weil mit diesem Wert auch sämtliche andere einbringende Gesellschafter ihre Anteile bewertet hätten. Ferner steigerten die später erworbenen Aktien die Einflussmöglichkeiten auf ein Unternehmen überproportional, so dass sich für diese Aktien ein höherer Wert ergeben könne.