Aktenzeichen 3 O 4990/16
InsO § 29, § 30, § 175, § 178
GG Art. 103
Leitsatz
1. Auf die Außenhaftung des Kommanditisten wegen Einlagenrückgewähr hat es keinen Einfluss, dass der Kommanditist im Innenverhältnis zur Gesellschaft einen gesellschaftsvertraglichen Anspruch auf die Ausschüttungen gehabt hat und dass keine Nachschusspflicht besteht. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wird im Insolvenzverfahren über das Vermögen der insolventen Kommanditgesellschaft eine Forderung zur Tabelle festgestellt, so wirkt die Feststellung mittelbar auch gegen die persönlich haftenden Gesellschafter. Dem Kommanditisten stehen deshalb nur persönliche Einwendungen oder Einwendungen der Gesellschaft zu, die nach der Feststellung der Forderungen im Insolvenzverfahren entstanden sind. (Rn. 43 und 53) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Anspruch des Kommanditisten auf rechtliches Gehör steht dieser (mittelbaren) Rechtskraftwirkung der Insolvenztabelle nicht entgegen, da der Kommanditist im Prüfungstermin ein Beteiligungsrecht im Hinblick auf die Forderung hat und von dem Eröffnungsbeschluss über die öffentliche Bekanntmachung zumutbar Kenntnis nehmen kann. (Rn. 46 – 52) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Das Versäumnisurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 21.11.2016 wird aufrechterhalten.
2. Der Beklagte hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur gegen Leistung dieser Sicherheit fortgesetzt werden.
Gründe
I.
Der Einspruch ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.
II.
In der Sache hat er jedoch keinen Erfolg. Die zulässige Klage ist begründet.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte gemäß §§ 171 I, II, 172 IV 2 HGB ein Anspruch auf Zahlung von 18.052,93 EUR zu.
1. Der Kläger kann als Insolvenzverwalter die Rechte der Gesellschaftsgläubiger gegenüber dem Kommanditisten geltend machen, § 171 II HGB.
2. Der Beklagte schuldet als Kommanditist Zahlung des Betrags, mit dem er haftet und der zur Befriedigung benötigt wird, zur Masse.
Da die Einlage unstreitig erbracht worden ist, bestand ursprünglich nach § 171 I 2. Hs HGB eine weitergehende Haftung nicht.
a. Die Haftung des Beklagen ist jedoch nach § 172 IV 2 HGB wieder aufgelebt.
Gemäß § 172 IV HGB gilt die Einlage den Gläubigern gegenüber als nicht geleistet, soweit sie einem Kommanditisten zurückbezahlt worden ist. Das gilt gleichermaßen, soweit ein Kommanditist Gewinnanteile entnimmt, während sein Kapitalanteil durch Verlust unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert ist oder soweit durch die Entnahme der Kapitalanteil unter den bezeichneten Betrag herabgemindert wird, § 172 IV 2 HGB.
Voraussetzung ist, dass der Kommanditist Zuwendungen erhalten hat, durch die dem Vermögen der Gesellschaft ein Wert ohne entsprechende Gegenleistung entzogen wird. Dies ist hier der Fall. Die Schuldnerin erlitt seit ihrer Gründung im Jahr 2004 ausschließlich Verluste. Durch die Ausschüttungen an den Beklagten in Höhe von insgesamt 18.052,93 EUR wurde der Kapitalanteil entsprechend weiter gemindert.
b. Soweit sich der Beklagte darauf beruft, dass er im Innenverhältnis einen gesellschaftsvertraglichen Anspruch hierauf gehabt habe und keine Nachschusspflicht bestehe, hat dies auf das Außenverhältnis keinen Einfluss. Die in § 172 IV HGB beschriebene Wirkung tritt nur gegenüber den Gläubigern ein, dass heißt das Innenverhältnis zur Gesellschaft ist davon nicht berührt (BGH NZG 2013, 738).
Ebenso ist ein Rückforderungsbeschluss durch die Gesellschaft im Außenverhältnis zu den Gläubigern nicht nötig (und wäre im übrigen, wenn man einen solchen, wie nicht, für erforderlich hielte, in der Geltendmachung des Anspruchs nach §§ 171, 172 IV HGB durch den Insolvenzverwalter zu sehen).
3. Der Beklagte kann sich nicht mehr auf Einwendungen der Gesellschaft bezüglich des Bestehens des Anspruchs im Zeitpunkt der Feststellung der Forderungen nach § 178 I InsO berufen, §§ 171 I, 161 II, 129 I, 178 III InsO.
a. Die Eintragung des Feststellungsvermerks in die Tabelle hat gemäß § 178 III InsO gegenüber dem Insolvenzverwalter und den Insolvenzgläubigern die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils.
Demnach hat der Tabelleneintrag direkt keine Wirkungen gegenüber Dritten wie Kommanditisten, §§ 175, 178 III InsO. Dies schließt jedoch nicht aus, dass die rechtskräftige Feststellung der Forderungen Grundlage für die Geltendmachung weiterer Ansprüche der Gläubiger gegen Dritte, wie hier der Beklagte als Kommanditist, ist.
Gemäß § 161 II HGB finden auf die Kommanditgesellschaft die für die offene Handelsgesellschaft geltenden Vorschriften grundsätzlich Anwendung.
Gemäß § 129 I HGB kann der Gesellschafter, wenn er wegen einer Verbindlichkeit der Gesellschaft in Anspruch genommen wird, Einwendungen, die nicht in seiner Person begründet sind, nur insoweit geltend machen als sie von der Gesellschaft erhoben werden können.
Wird im Insolvenzverfahren über das Vermögen der insolventen Kommanditgesellschaft eine Forderung zur Tabelle festgestellt, so wirkt die Feststellung daher gemäß §§ 161 II, 129 I HGB mittelbar auch gegen die persönlich haftenden Gesellschafter (vgl. Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 14. Auflage, § 178 Rn. 33).
Die Haftung des Kommanditisten entspricht der des persönlich haftenden Gesellschafters – vorbehaltlich der Haftungsbeschränkung aus §§ 171 I, 2. HS, 172, 176 HGB. Die §§ 129, 161 II HGB sind dementsprechend auch für den Kommanditisten anzuwenden sind, falls nicht die Haftungsbeschränkung des Kommanditisten eingreift.
Nach §§ 161 II, 129 I HGB kann der als Kommanditist haftende Beklagte daher gegen seine Inanspruchnahme Einwendungen, die nicht in seiner Person begründet sind, nur insoweit geltend machen, als sie noch von der Gesellschaft erhoben werden können (vgl. OLG Düsseldorf, NZG, 2001, 890). Dies ist bezüglich der zur Tabelle angemeldeten und festgestellten Forderungen nicht der Fall, da die Eintragung in die Tabelle für die festgestellten Forderungen insoweit wie ein rechtskräftiges Urteil wirkt, § 178 III InsO.
b. Der (mittelbaren) Rechtskraftwirkung der Tabelle gemäß §§ 161 II, 129 I HGB, 178 III InsO steht auch nicht der Vorwurf der Verletzung rechtlichen Gehörs, Art. 103 GG, oder der Vorwurf der „Titelerschleichung“ wegen des fehlenden gesetzlichen Erfordernisses einer Zustellung des Insolvenzeröffnungsbeschlusses an den Kommanditisten, in welchem auch der Prüfungstermin angegeben wird, §§ 29 I Nr. 2, II InsO oder die verstärkte Schutzwürdigkeit des Kommanditisten entgegen (vgl. LG Augsburg, Urteil vom 22.11.2016, Az.: 081 O 2047/16 (2) m.w.N.).
aa. Das rechtliche Gehör des Beklagten als Kommanditisten wird durch die (mittelbare) Rechtskraftwirkung der Tabelle gemäß §§ 161 II, 129 I HGB, 178 III InsO nicht verletzt.
Dem persönlich haftenden Gesellschafter und wegen grundsätzlicher Haftungsidentität damit auch dem Kommanditisten, stehen im Prüfungstermin nämlich durchaus ein Beteiligungsrecht gegen die Forderung gemäß §§ 176, 178 I InsO zu. Der Kommanditist kann – sofern man ein eigenes Widerspruchsrecht des Kommanditisten annimmt (so Ebenroth/Boujong/joost/Strohn, HGB, 3. Auflage 2014, § 171, R. 96) im Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren nach § 177 InsO widersprechen mit der Folge, dass die Feststellung einer Forderung nach § 178 InsO für den Kommanditisten dann nicht verbindlich ist. Sofern man ein eigenes Widerspruchsrecht des Kommanditisten nicht annimmt, kann der Kommanditist zumindest auf einen Widerspruch eines vertretungsberechtigten Gesellschafters der Schuldnerin hinwirken wodurch das rechtliche Gehör des Beklagten ebenfalls ausreichend gewahrt ist (vgl. Urteil LG Ansbach vom 30.09.2016, Az.: 1 S 14/16).
bb. Das Beteiligungsrecht des Beklagten wurde auch nicht durch eine unterbliebene Ladung verletzt. Gemäß § 30 II InsO ist der Eröffnungsbeschluss, in welchem auch der Prüfungstermin angegeben wird, nur den Gläubigern, den Schuldnern des Schuldners und dem Schuldner zuzustellen. Eine Erweiterung der Norm auf Gesellschafter des Schuldners braucht auch im Hinblick auf Art. 103 I GG nicht erfolgen. Da der Eröffnungsbeschluss gemäß § 30 I, 9 I InsO öffentlich bekanntzumachen ist, besteht für den Kommanditisten eine hinreichend zumutbare Kenntnisnahmemöglichkeit (vgl. Urteil LG Augsburg vom 22.11.2016, a.a.O.). Dem Anspruch auf rechtliches Gehör ist insoweit hinreichend Genüge getan.
cc. Eine Bindungswirkung ist auch nicht wegen einer verstärkten Schutzwürdigkeit der Interessen des Kommanditisten abzulehnen. Den schutzwürdigen Interessen wird bereits durch die Haftungsbegrenzung nach §§ 176 I, 171, 172 HGB hinreichend Rechnung getragen. Eine weitergehende Schutzwürdigkeit des Kommanditisten, der sich durch Beitritt in eine Kommanditgesellschaft bewusst einer unmittelbaren akzessorischen Haftung nach §§ 161 II, 129 I HGB – ohne eigene Vertretungsbefugnisse – bis zur Haftungsbeschränkung aussetzt, ist nicht gegeben.
dd. Die §§ 161 II, 129 I HGB, 178 III InsO sind daher vorliegend ohne einschränkende Auslegung anzuwenden. Die Entscheidung des Reichsgerichts (RGZ 51, 33), mit der eine Bindungswirkung für den Kommanditisten abgelehnt wurde, steht dem nicht entgegen. Die Entscheidung betraf einen anderen Sachverhalt, der unter Zugrundelegung der damals geltenden Konkursordnung getroffen wurde.
Entscheidend bleibt, dass der Beklagte Gesellschafter einer Personengesellschaft ist, der er wirksam beigetreten ist, und als solcher für Schulden der Gesellschaft bis zur Haftungsbeschränkung unmittelbar haftet und sich nach § 129 HGB nur auf solche Einwendungen berufen kann, die auch von der Gesellschaft erhoben werden können (vgl. Urteil LG Augsburg vom 22.11.2016, a.a.O.).
c. Dem Beklagten stehen daher vorliegend nur persönliche Einwendungen oder Einwendungen der Gesellschaft, die nach der Feststellung der Forderungen im Insolvenzverfahren entstanden sind, zu. Solche sind nicht ersichtlich.
Insbesondere ist auch unbeachtlich, dass die Forderungen der Hauptgläubigerin, der …, zunächst nur für den Ausfall festgestellt wurden.
Die in der Praxis übliche Feststellung einer durch Absonderungsrecht gesicherten Forderung „für den Ausfall“ beinhaltet im Zweifel nämlich keine Beschränkung der Feststellung, sondern ist als Hinweis auf die Berücksichtigung des Absonderungsrechts im Verteilungsverfahren zu verstehen. Der Feststellungsvermerk erzeugt ungeachtet des Zusatzes Rechtskraft für die gesamte Forderung (vgl. Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Auflage, § 178, Rn. 64 d.A.).
Zudem wurden die Forderungen der … mittlerweile nach Verteilung des Verkaufserlöses in Höhe von insgesamt 14.354.972,91 EUR unbedingt zur Tabelle festgestellt.
3. Die Leistung der 18.052,93 EUR durch den Beklagten ist zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger auch erforderlich.
Die Haftung des Beklagten würde dann nicht mehr durchgreifen, soweit die Haftsumme zur Befriedigung der Gläubiger nicht benötigt wird. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür hat der in Anspruch genommene Gesellschafter; jedoch hat der Insolvenzverwalter die für die Befriedigung der Gläubiger bedeutsamen Verhältnisse der Gesellschaft darzulegen, sofern nur er dazu im Stande ist (vgl. BGH, NJW 1990, 1109).
Dem ist der Kläger nachgekommen. Der Kläger hat hinreichend dargelegt, dass der gegen den Beklagten geltend gemachte Betrag benötigt wird. Die Bilanzen belegen die Verluste. Festgestellten Forderungen in Höhe von 18.304.265,93 EUR steht nach den Darlegungen des Klägers eine freie Masse von ca. 3.639.000,00 EUR gegenüber.
Substantiierte Einwendungen hiergegen trägt der Beklagte nicht vor.
4. Der Verjährungseinwand des Beklagten ist unbegründet.
Ein Ablauf der Verjährungsfrist des § 197 I Nr. 5 BGB scheidet offensichtlich aus.
Der Anspruch aus § 171 II HGB verjährt nach §§ 159, 131 I Nr. 3, 161 II HGB in 5 Jahren ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, soweit der jeweils zugrunde liegende Einzelanspruch nicht früher verjährt. Die Verjährung wird gemäß §§ 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB, 159 IV, 161 II HGB durch Anmeldung des Einzelanspruchs zur Insolvenztabelle gehemmt. Da das Insolvenzverfahren erst am 02.12.2013 eröffnet worden ist, ist der Anspruch nach § 171 II HGB offensichtlich nicht verjährt.
Auf eine Verjährung der Gesellschaftsverbindlichkeiten kann sich der Beklagte vorliegend nicht berufen. Nach §§ 161 III, 129 I HGB, 178 III InsO kann der Kommanditist insoweit die Einrede der Verjährung nicht mehr erheben.
Der Beklagte kann sich auch nicht erfolgreich auf eine schikanöse Rechtsausübung gemäß § 226 BGB berufen.
§ 226 BGB setzt voraus, dass nach Lage der gesamten Umstände ein anderer Zweck als Schadenszufügung objektiv ausgeschlossen ist (Palandt, BGB, 75. Auflage, § 226, Rn. 2). Hierfür liegen keine Anhaltspunkte vor.
III.
Der Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen ist gemäß §§ 280 I II, 286 I 1, 288 I BGB begründet.
Der Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen folgt ebenfalls aus §§ 280 I, II, 286 I, 249 I, 288 I BGB. Die Einschaltung des Rechtsanwalts fand statt nachdem sich der Beklagte bereits mit der Zahlung in Verzug befand. Die entsprechend angefallenen Kosten sind daher als Verzugsschaden zu ersetzen.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 709 S. 1, 2 u. 3 ZPO.
Die nicht nachgelassenen Schriftsätze des Beklagtenvertreters vom 27.02.2017 und des Klägervertreters vom 09.03.2017 machten eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht erforderlich.