Bankrecht

Kapitalanlagegesellschaft: Vorvertragliche Aufklärungspflicht des Treuhandkommanditisten; Offenbarungspflicht hinsichtlich der Vorstrafen der mit der Vermögensverwaltung der Gesellschaft betrauten Person

Aktenzeichen  II ZR 9/12

Datum:
9.7.2013
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 278 BGB
§ 280 BGB
§ 311 Abs 2 BGB
Spruchkörper:
2. Zivilsenat

Leitsatz

1. Ein Treuhandkommanditist, der auch eigene Anteile an der Gesellschaft hält, haftet bei einer Verletzung der Aufklärungspflicht gegenüber den Anlagegesellschaftern wie ein Gründungsgesellschafter. Ein Verschulden eines Verhandlungsgehilfen ist ihm nach § 278 BGB zuzurechnen.
2. Vorstrafen der mit der Verwaltung des Vermögens einer Anlagegesellschaft betrauten Person sind jedenfalls dann zu offenbaren, wenn die abgeurteilten Straftaten nach Art und Schwere geeignet sind, ein Vertrauen der Anleger in die Zuverlässigkeit der betreffenden Person zu erschüttern.

Verfahrensgang

vorgehend KG Berlin, 8. Dezember 2011, Az: 23 U 163/11vorgehend LG Berlin, 20. Juni 2011, Az: 33 O 368/10

Tenor

Auf die Revision des Beklagten zu 3 wird das Urteil des 23. Zivilsenats des Kammergerichts vom 8. Dezember 2011 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Der Kläger beteiligte sich mit Beitrittserklärungen vom 15. Oktober 2004 und 3. Mai 2005 über die T.                                      mbH Steuerberatungsgesellschaft H.      (frühere Beklagte zu 3) als Treuhänderin an der Z.   J.      GmbH & Co. Prozesskostenfonds KG (im Folgenden: Z.    J.    ) und der D.   J.      GmbH & Co. Prozesskostenfonds KG (im Folgenden: D.   J.      ) mit Einlagen in Höhe von 50.000 € nebst 5 % Agio und 25.000 €. Gründungskommanditistin der Fondsgesellschaften und deren Geschäftsbesorgerin ist die J.     AG (Beklagte zu 1), Komplementärin die J.      Verwaltungs GmbH, eine 100 %-ige Tochtergesellschaft der Beklagten zu 1. Deren Vorstandsvorsitzender und zugleich Geschäftsführer der J.     Verwaltungs GmbH war M.   H.     (Beklagter zu 2).
2
Das Angebot zum Abschluss eines Treuhandvertrages gab der Anleger aufgrund eines Prospekts durch Unterzeichnung einer vorformulierten Beitrittserklärung ab. Diese sollte an die Fondsgesellschaft geschickt und von dort an die Treuhänderin weitergeleitet werden. Angenommen wurde die Beitrittserklärung jeweils von der Treuhänderin und der Fondsgesellschaft.
3
Der Beklagte zu 2, gegen den am 18. Februar 2009 Anklage wegen mehrfacher Untreue und Urkundsdelikten erhoben wurde, ist ausweislich der Eintragungen im Bundeszentralregister 23-mal vorbestraft.
4
Der Kläger ist der Auffassung, dass er über diese Vorstrafen von den Beklagten zu 1 und 2, aber auch von der Treuhänderin hätte informiert werden müssen. Da das nicht geschehen ist, verlangt er mit seiner Klage – soweit jetzt noch von Bedeutung – Rückzahlung der Einlagen nebst Agio und Zinsen abzüglich erhaltener Ausschüttungen, und zwar hinsichtlich der Beteiligung an der Z.    J.      in Höhe von 43.073,77 € nebst Zinsen und hinsichtlich der D.    J.       in Höhe von 21.009,59 € nebst Zinsen, insgesamt 64.083,36 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Übertragung seiner Rechte aus den Beteiligungen, sowie die Feststellung, dass die Beklagten zum Ersatz aller weiteren Schäden verpflichtet sind.
5
Das Landgericht hat die Beklagten zu 1 und 2 antragsgemäß verurteilt, die Klage gegen die Treuhänderin dagegen abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht auch der Klage gegen die Treuhänderin stattgegeben. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Treuhänderin.
6
Über deren Vermögen ist im Laufe des Revisionsverfahrens das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der Beklagte zu 3 als Insolvenzverwalter hat den Rechtsstreit aufgenommen und beantragt, seinen Widerspruch gegen die zur Insolvenztabelle angemeldete Klageforderung für begründet zu erklären. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen, und vorsorglich, unter Bezugnahme auf die Anmeldung einer Schadensersatzforderung aus der Beteiligung in Höhe von 43.073,77 € nebst 3.092,38 € Zinsen und 11.154,80 € Kosten, insgesamt 57.320,95 €, die Klageforderung in dieser Höhe im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin zur Insolvenztabelle festzustellen.

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