Aktenzeichen 32 U 3419/19
Leitsatz
1. Auf einen Leasingvertrag mit km-Abrechnung, bei dem der Leasingsnehmer nicht zum Erwerb des Fahrzeugs verpflichtet ist oder für einen bestimmten Wert bei Beendigung einzustehen hat, ist § 506 Abs. 2 BGB weder direkt noch analog anzuwenden (aA OLG Düsseldorf BeckRS 2012, 21220). (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wird eine Widerrufsbelehrung erteilt, obwohl kein gesetzliches Widerrufsrecht besteht, ist dies aus Sicht eines durchschnittlichen Kunden nicht als Angebot auf Vereinbarung eines voraussetzungslosen vertraglichen Widerrufsrechts zu verstehen (so BGH BeckRS 2019, 5571). (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
3. Selbst bei einem vertraglichen Widerrufrecht kann der Leasingnehmer nach Fristablauf nur widerrufen, wenn sich der Leasinggeber verpflichtet hat, alle Belehrungspflichten eines gesetzlichen Widerrufsrechts zu übernehmen und bei Nichteinhaltung ein unbefristetes Widerrufsrecht einzuräumen. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
4. Wird in den AGB ausgeführt, dass jeder Vertragspartner den Vertrag aus wichtigem Grund fristlos kündigen kann, ist das Kündigungsrecht aus § 314 BGB ausreichend dargestellt. Über die Kündigungsform muss nicht aufgeklärt werden. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
41 O 7617/18 2019-05-31 Urt LGMUENCHENI LG München I
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 31.05.2019, Az. 41 O 7617/18, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Gründe
1. Bei dem streitgegenständlichen Leasingvertrag handelt es sich nach den bindenden Feststellungen im Tatbestand des angefochtenen Urteils um einen Leasingvertrag mit km-Abrechnung. Da dabei die Klägerin weder zum Erwerb des Fahrzeugs verpflichtet ist, noch die Beklagte vom Kläger den Erwerb verlangen kann, noch der Kläger für einen bestimmten Wert bei Beendigung des Fahrzeugs einzustehen hat, ist § 506 Abs. 2 BGB nicht direkt anzuwenden. Der Senat vermag der Rechtsansicht des OLG Düsseldorf (Urteil vom 20.10.2012 – 24 U 15/12), über die entsprechende Anwendung des § 506 Abs. 2 Nr. 3 BGB auf Leasingverträge mit km-Abrechnung nicht zu folgen (Senatshinweis v. 21.02.2019 – 32 U 163/19; v. 25.02.2019 – 32 U 310/19; v. 08.04.2019 – 32 U 861/19; v. 10.04.2019 – 32 U 123/19; v. 26.04.2019 – 32 U 877/19; v. 08.05.2019 – 32 U 771/19; v. 10.05.2019 – 32 U 715/19; v. 13.05.2019 – 32 U 1562/19; v. 16.05.2019 – 32 U 580/19; v. 20.05.2019 – 32 U 696/19; v. 23.05.2019 – 32 U 1843/19; v. 03.06.2019 – 32 U 860/19; v. 03.06.2019 – 32 U 123/19; Senatsurteil vom 23.05.2019 – 32 U 3840/18 hierzu sehr ausführlich auch Zahn in: v. Westphalen: Der Leasingvertrag, 7. Aufl. 2015, O. Pkw-Leasing III Rn. 44 bis 117 Zahn NJW 2019, 1239). Dies gilt umso mehr, als die Vorschriften insbesondere über das Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen und damit auch bei Verbraucherdarlehensverträgen – insbesondere auch § 506 Abs. 1 BGB – nach Erlass der Entscheidung des OLG Düsseldorf geändert wurden, aber die Regelung des § 506 Abs. 2 Nr. 3 BGB unverändert belassen wurde, so dass nicht vom Vorliegen einer planwidrigen Lücke ausgegangen werden kann, die eine analoge Anwendung des § 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB rechtfertigt. Hinzu kommt, dass sich auch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz zum Gesetzgebungsverfahren folgendermaßen geäußert hat:
„Verbraucherschutz bei Leasingverträgen besteht über die Verbraucherkreditrichtlinie und deren Umsetzung im BGB (Leasingvertrag als Finanzierungshilfe). Auf der Verbraucherkreditrichtlinie beruht § 506 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 BGB. Über die Richtlinie hinausgehend wurde seinerzeit auch die Fallgruppe des § 506 Abs. 2 Nr. 3 BGB (Restwertleasing) als entgeltliche Finanzierungshilfe anerkannt. Das reine Kilometerleasing (Leasingrate, bei der neben der sog. Mietsonderzahlung die Abrechnung nach der vereinbarten Kilometerleistung während der Leasingzeit erfolgt) hat demgegenüber keine Finanzierungsfunktion, sondern ähnelt eher der Miete. Die Vorschriften des Verbraucherdarlehensrechts hat man daher seinerzeit für das Restwertleasing als nicht passend angesehen.“
Damit scheidet ein gesetzliches Rücktrittsrecht aus. Wollte man entgegen den eindeutigen Wortlaut des § 506 Abs. 2 BGB entscheiden, läge eine willkürliche Entscheidung vor.
Sehr fraglich ist, ob ein vertraglich vereinbartes Widerrufsrecht bestanden hat. Wird nämlich eine Widerrufsbelehrung erteilt, obwohl ein gesetzliches Widerrufsrecht nicht besteht, ist dies aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Kunden bei der gebotenen objektiven Auslegung nicht als Angebot auf Vereinbarung eines voraussetzungslosen vertraglichen Widerrufsrechts zu verstehen (BGH Urt. v. vom 12.07.2016 – XI ZR 501/15 = BGHZ 211, 105; Urt. v. 23.01.2018 – XI ZR 359/16 = WM 2018, 664; Beschluss vom 26.03.2019 – XI ZR 372/18 Abgrenzung BGH Urt. v. 08.11.2018 – III ZR 628/16 = WM 2018, 2317). Aber selbst wenn ein vertragliches Widerrufrecht bestanden hätte, konnte dieses wegen Fristablaufs nicht mehr ausgeübt werden. Denn der Kläger kann, wenn von der Einräumung eines Widerrufsrechts mit der in der Widerrufsbelehrung beschriebenen Ausgestaltung auszugehen sein sollte, den von ihm abgeschlossenen Leasingvertrag nach Fristablauf nur dann noch widerrufen, wenn sich die Beklagte ihm gegenüber auch verpflichtet hat, alle im Falle eines gesetzlichen Widerrufsrechts einzuhaltenden gesetzlichen Belehrungspflichten erfüllen zu wollen und ihm bei deren Nichteinhaltung ein unbefristetes Widerrufsrecht einzuräumen. Wenn ein Unternehmer einem Verbraucher, ohne dazu gesetzlich verpflichtet zu sein, ein Widerrufsrecht eingeräumt hat, bedarf es konkreter Anhaltspunkte in der getroffenen Vereinbarung dafür, dass zwar das Widerrufsrecht als solches von den gesetzlichen Voraussetzungen unabhängig sein, die für die Ausübung des Widerrufsrechts vereinbarte Frist gleichwohl nur dann in Gang gesetzt werden soll, wenn der Unternehmer dem Verbraucher zusätzlich eine Belehrung erteilt hat, die den Anforderungen für ein gesetzliches Widerrufsrecht entspricht (vgl. BGH NJW 2013, 155 Rn. 36; BGH Urt. v. 6.11.2012 – II ZR 176/12, juris Rn. 18; Urt v. 12.11.2015 – I ZR 168/14 Rn. 37). Solche Anhaltspunkte sind nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass sich die Beklagte bei den Formulierungen in der Widerrufsbelehrung an den Vorgaben des gesetzlichen Widerrufsrechts orientiert hat, genügt nicht für die Annahme, dass die Beklagte nicht bestehende Belehrungspflichten übernehmen und erfüllen wollte (vgl. BGH NJW 2013, 155 Rn. 38; BGH Urt. v. 6.11.2012 – II ZR 176/12 zitiert nach juris Rn. 20).
2. Hinzu kommt, dass die Berufung schon keine Aussicht auf Erfolg hat, weil ein etwaiges gesetzliche Widerrufsrecht nach den §§ 506 Abs. 1 und 2, 495 Abs. 1, 355 BGB jedenfalls im Zeitpunkt der Widerrufserklärung nicht mehr bestand, da die verwendete Widerrufsbelehrung ausreichend war. Die Beklagte hat den Kläger wirksam über das ihm zustehende Widerrufsrecht informiert. Die Vertragsunterlagen enthalten auch alle erforderlichen Pflichtangaben. Auf das zutreffende Urteil des Landgerichts München I vom 31.05.2019 wird Bezug genommen, dem sich der Senat insoweit anschließt. Ergänzend ist lediglich auszuführen:
a) Die Art der erforderlichen Finanzierungshilfe ist in dem zusammenhängenden Urkundenkonvolut enthalten; insbesondere war auf den Seiten 2, 4 der Anlage 1a zur Klageschrift und auf Seite 3 der Anlage 1b der Begriff „Verbraucher Kilometerleasingvertrag mit erhöhter Schlussrate und Ankaufsoption“ enthalten.
b) Für die Angabe des Verzugszinssatzes ist es nach ständiger Senatsrechtsprechung ausreichend, wenn dieser abstrakt (z.B. 5 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz) und nicht konkret angegeben wird. Für diese Auslegung spricht, dass der Verzugszins auf diese Weise ermittelbar ist und dass zum Zeitpunkt der Aushändigung der vorvertraglichen Information noch nicht feststeht, ob im Falle eines Vertragsschlusses der Darlehensnehmer jemals in Verzug gerät. Zudem sehen die gesetzlichen Muster gemäß Anlage 3 und 4 zu Art. 247 § 2 EGBGB anders als beim Sollzins und beim effektiven Jahreszins keine Prozentangabe vor.
c) Die Nennung der Anstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht als Aufsichtsbehörde reicht aus, da damit der Kunde einen Ansprechpartner für Beschwerden hat. Die Rechte des Kunden werden daher nicht verringert.
d) Die Kündigungsmodalitäten für die Klägerin werden in ausreichender Form dargestellt. In Ziffer 14 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen wird ausgeführt, dass jeder Vertragspartner den Vertrag aus wichtigem Grund fristlos kündigen kann. Damit ist das außerordentliche Kündigungsrecht aus § 314 BGB ausreichend dargestellt worden. Ein Zitiergebot ist in den einschlägigen Vorschriften, der Gesetzesbegründung und der zugrunde liegenden Richtlinie nicht aufgeführt. Weder aus § 492 Abs. 2 iVm Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB noch aus Art. 10 Abs. 2 lit. s) der Richtlinie 2008/48/EG folgt die Pflicht des Darlehensgebers zu einem Hinweis auf die nach § 492 Abs. 5 BGB von dem Darlehensgeber bei einer Kündigung einzuhaltende Form. Art. 10 Abs. 2 lit. s) der Richtlinie 2008/48/EG verlangt schon nach dem Wortlaut und der Systematik der Richtlinie keine Aufklärung des Darlehensnehmers über die von dem Darlehensgeber bei Kündigungen einzuhaltende Form. Der verwendete Begriff der Modalitäten betrifft die gesetzlichen und vertraglichen Voraussetzungen für die Möglichkeit der Kündigung, aber nicht die Form der Kündigung als Wirksamkeitsvoraussetzung. Denn die Richtlinie sieht nur in Art. 13 Abs. 1 Satz 2 2. Hs. eine bestimmte Form für die ordentliche Kündigung des Kreditgebers bei unbefristeten Kreditverträgen vor. Die Richtlinie bestimmt weder für außerordentliche Kündigungen noch für Erklärungen des Kreditgebers, die nach Vertragsschluss erfolgen, allgemein eine bestimmte Form. Die Vorschrift kann nicht dahin ausgelegt werden, dass die Pflichtangaben auch solche Umstände erfassen sollen, die über die von der Richtlinie verlangten Erfordernisse hinaus von dem nationalen Gesetzgeber trotz des Charakters der Richtlinie zusätzlich aufgestellt werden. Auch die Auslegung des Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB ergibt keine Pflicht des Darlehensgebers, auf die nach § 492 Abs. 5 BGB notwendige Form der Kündigung des Darlehensgebers hinzuweisen. Schon nach dem Wortlaut wird die Form der Kündigung nicht erfasst. Hinzuweisen ist auf das einzuhaltende Verfahren. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit dem Begriff des Verfahrens auch die Form der abzugebenden Erklärungen erfassen will, ergeben sich weder aus der Gesetzesbegründung noch aus der Gesetzessystematik. Nach dem Willen des Gesetzgebers sei insbesondere auf § 500 BGB hinzuweisen (BT-Drs. 16/11643 S. 128). Zwar soll dem Darlehensnehmer durch die Angaben verdeutlicht werden, wann eine Kündigung des Darlehensnehmers wirksam ist. Daraus folgt aber nur eine Hinweispflicht auf die besonderen Voraussetzungen der außerordentlichen und ordentlichen Kündigung nach §§ 498 BGB ff und nicht auf die allgemeinen Wirksamkeitserfordernisse wie der vorgeschriebenen Form. § 492 Abs. 5 BGB betrifft alle Erklärungen des Darlehensgebers nach Vertragsabschluss und stellt damit allgemeine Wirksamkeitserfordernisse auf. Die von dem Gesetzgeber bezweckte Verdeutlichung erfordert nicht die umfassende Angabe aller möglichen Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Willenserklärung (s. Senatshinweis vom 07.05.2019 – 1358/19; v. 08.05.2019 u. Berufungszurückweisungsbeschluss vom 05.06.2019 – 32 U 406/19; Senatsurteil vom 23.05.2019 – 32 U 3840/18).
e) Die etwaige Vereinbarung einer unzulässigen Aufrechnungsregelung kann allenfalls zu einer Unwirksamkeit der entsprechenden Vertragsklausel, nicht jedoch zu einer inhaltlichen Unrichtigkeit oder Intransparenz der Widerrufsbelehrung führen (Senatsbeschluss v. 13.12.2018 – 32 U 3840/18; OLG München Beschluss v. 05.09.2018 – 5 U 2413/18 unter Hinweis auf BGH Beschluss v. 03.07.2018 – XI ZR 758/17).
Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG). Die Gebührenersparnis würde 1.022 € bei einem Streitwert von 44.070,54 € betragen Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 13.09.2019.