Bankrecht

Keine Rückzahlung von Ausschüttungen an einen Kommanditisten im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Kommanditgesellschaft bei Masseunzulänglichkeit

Aktenzeichen  5 O 589/17

Datum:
16.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
ZInsO – 2018, 1057
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Traunstein
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
HGB § 128, § 129 Abs. 1, § 161 Abs. 2, § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4 S. 2
InsO § 201 Abs. 2, § 208 Abs. 3

 

Leitsatz

1 Soweit trotz Herabminderung des Kapitalanteils seitens des Kommanditisten Gewinnanteile entnommen werden, lebt die persönliche Haftung des Kommanditisten gemäß § 172 Abs. 4 S. 2 HGB bis maximal zur Haftsumme wieder auf. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Rechtskraftwirkung der Insolvenztabelle erstreckt sich auch auf den Kommanditisten, wenn er an dem Forderungsfeststellungsverfahren beteiligt war bzw. sich beteiligen konnte; erforderlich und ausreichend ist es, wenn die vertretungsberechtigten Komplementäre an dem Forderungsfeststellungsverfahren beteiligt werden und der Prüftermin öffentlich bekannt gemacht wurde. (Rn. 24 – 29) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Haftsumme kann im Insolvenzverfahren nicht geltend gemacht werden, wenn Masseunzulänglichkeit vorliegt und somit die geltend gemachte Summe nicht zur Befriedigung der Gesellschaftgläubiger dient. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist derzeit unbegründet.
I.
Die Klage ist zulässig.
Der Kläger ist prozessführungsbefugt. Nach seinem Vortrag macht der Kläger Außenhaftungsansprüche gemäß § 171 Abs. 2 HGB geltend. Der Kläger ist dem Grunde nach berechtigt, einen Haftungsanspruch nach § 171 Abs. 2 HGB geltend zu machen.
II.
Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Rückzahlung der Ausschüttungen.
1. Der Kläger ist unstreitig der MS … mbH & Co. KG mit einer Zeichnungssumme von 25.000,00 € als Kommanditist beigetreten und hat nach ursprünglicher Leistung der Einlage Ausschüttungen in Höhe von 10.500,00 € erhalten.
2. Grundsätzlich ist durch die Leistung der Einlage gemäß § 171 Abs. 1 HGB die persönliche Haftung des Beklagten erloschen. Der Kapitalanteil des Beklagten wurde jedoch durch Verluste in den Jahren 2002 bis 2012 unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert. Dies wurde seitens des Beklagten nicht bestritten. Der Beklagte hat diesbzgl. nur vorgetragen, dass ein Rückzahlungsanspruch nicht besteht, da dieser weder im Gesellschaftsvertrag geregelt sei noch ein Gesellschafterbeschluss vorliege. Für die Geltendmachung der Außenhaftung, wie dies durch den Kläger erfolgt, ist jedoch weder eine Regelung im Gesellschaftsvertrag noch ein Gesellschafterbeschluss erforderlich, da diese aus § 171 Abs. 1 iVm § 128 HGB folgt. Soweit daher trotz Herabminderung des Kapitalanteils seitens des Beklagten in der Zeit von 2002 bis 2012 Gewinnanteile entnommen wurden, lebt die persönliche Haftung des Kommanditisten gemäß § 172 Abs. 4 S. 2 HGB bis maximal zur Haftsumme wieder auf. In den Jahren 2002 bis 2012 wurden 10.500,00 € an den Beklagten ausgeschüttet, wie sich aus den seitens des Klägers vorgelegten Kontoauszügen ergibt. Somit wurden nicht durch Gewinn gedeckte Ausschüttungen an den Beklagten in Höhe von 10.500,00 € erbracht und seine persönliche Haftung besteht in dieser Höhe gemäß § 171 Abs. 1 HGB.
3. Die Inanspruchnahme des Beklagten ist jedoch nicht zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich.
3.1. Es bestehen Forderungen gegenüber der Gesellschaft für die der Beklagte als Kommanditist gemäß § 171 Abs. 1 HGB i.V.m. § 128 HGB haftet.
Sind die Forderungen zur Insolvenztabelle angemeldet und im Prüfungstermin festgestellt worden, so greift gegenüber der Schuldnerin die Rechtskraftwirkung des § 201 Abs. 2 S. 1 InsO, die auch gegenüber dem Beklagten als Kommanditisten der Schuldnerin wirkt.
Seiner Darlegungs- und Beweislast genügt daher der Kläger als Insolvenzverwalter mit Vorlage der Tabelle nach § 175 HGB, aus der sich das Ergebnis des Prüfungstermins und die Feststellung der Forderungen nach § 178 HGB ergibt. Die entsprechenden Feststellungsnachweise hat er als Anlage K16 vorgelegt. Daraus ergeben sich festgestellte Forderungen in Höhe von 684.241,00 €. Die Insolvenzforderung der …bank beläuft sich auf 1.708.225,00 €, wovon 152.804,70 € bestritten sind.
Die Eintragung und Feststellung einer Forderung zur Insolvenztabelle gemäß § 178 HGB entfaltet gemäß § 201 Abs. 2 S. 1 HGB Rechtskraftwirkung gegenüber der Schuldnerin. Die Rechtskraftwirkung außerhalb der Vollstreckung besteht dabei schon vor Aufhebung des Verfahrens, sobald die Feststellung zur Tabelle erfolgt ist (BGH, Urt. v. 10,10.2013 – IX ZR 30/12, NJW 2014, 391, 393).
Diese Rechtskraftwirkung erstreckt sich auch auf den Beklagten als Kommanditisten. Wird eine Forderung gegen eine insolvente KG zur Tabelle festgestellt, so wirkt die Feststellung gemäß § 161 Abs. 2 iV.m. § 129 Abs. 1 HGB mittelbar auch gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern (BGH, Urt. v. 10.10.2013 – IX ZR 30/12, NJW 2014, 391, 393). Die Wirkung des § 129 Abs. 1 HGB wird jedoch dahingehend eingeschränkt, dass ein gemäß § 128 HGB haftender Personengesellschafter zur Gewährung rechtlichen Gehörs an dem Forderungsfeststellungsverfahren zu beteiligen ist und Gelegenheit haben muss, der Forderungsanmeldung mit Wirkung für seine persönliche Haftung zu widersprechen (BGH, Urt. v. 14. 11.2005-11 ZR 178/03, NJW 2006, 1344, 1347).
Hinsichtlich der Rechtskraftwirkung zulasten eines Kommanditisten werden unterschiedliche Auffassungen vertreten.
3.1.1. Ein Teil der Literatur lehnt eine Rechtskraftwirkung des Tabelleneintrags gegenüber einem Kommanditisten ab (Uhlenbruck/Sinz, InsO, 14. Aufl. 2015, § 178 Rn. 33; MüKolnsO/Schumacher, § 178 Rn. 72).
3.1.2. Nach anderer Auffassung ist entscheidend, ob der Kommanditist im Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren der Forderung widersprochen hat oder nicht (Strohn in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 171 Rn. 96; LG Köln, Urt. v. 25.10. 2012 – 22 O 300/12, NZI 2013, 46, 49). Bei einer Kommanditgesellschaft als Schuldnerin können jedoch nur die nach §§ 161 Abs. 2, 125 Abs. 1 HGB zur Vertretung berechtigten Komplementäre gemäß § 178 Abs. 1 InsO der Feststellung einer Forderung zur Tabelle widersprechen. Dieser Widerspruch hindert zwar nicht die Feststellung der Forderung zur Tabelle (§ 178 Abs. 1 S. 2 InsO), jedoch entfällt die Titelfunktion der Insolvenztabelle gemäß § 201 Abs. 2 S. 1 InsO. Da ein Kommanditist nicht vertretungsberechtigt ist, kann er nur auf einen Widerspruch eines vertretungsberechtigten Gesellschafters hinwirken (MüKolnsO/Brandes/Gehrlein, § 93 Rn. 31).
3.1.3. Des Weiteren wird die Rechtskraftwirkung auch ohne jede weitere Voraussetzung bejaht (LG Köln, Urt. v. 24.6.2008 – 22 O 42/08, BeckRS 2011, 09728; LG Paderborn, Urt. v. 20.8.2007 -4 O 658/06, BeckRS 2008,18002; LG Mosbach, Urt. v. 18.7.2007-1 O 211/06, BeckRS 2009, 06973).
3.1.4. Nach Auffassung der Kammer greift die Rechtskraftwirkung der Insolvenztabelle gemäß § 201 Abs. 2 InsO zulasten eines Kommanditisten dann ein, wenn diese auch zu-lasten eines Komplementärs wirkt. Wie bereits erläutert, entfaltet die Insolvenztabelle gegenüber der Schuldnerin mittelbar gemäß § 201 Abs. 2 S, 1 InsO eine Rechtskraftwirkung. Daraus folgt, dass der Kommanditist, der nach § 171 Abs. 1, 2 HGB persönlich haftet, gemäß § 129 Abs. 1 HGB gegen die Forderungen der Gesellschaftsgläubiger grundsätzlich keine Einwendungen mehr geltend machen kann, die nicht in seiner Person begründet sind. Dies gilt aber, wie beim persönlich haftenden Gesellschafter, nur insoweit, als er an dem Forderungsfeststellungsverfahren beteiligt war bzw. sich beteiligen konnte. Erforderlich und ausreichend ist es, wenn die vertretungsberechtigten Komplementäre an dem Forderungsfeststellungsverfahren beteiligt werden. Es ist nicht notwendig zusätzlich die Kommanditisten zu beteiligen, da nur die vertretungsberechtigten Gesellschafter ein Widerspruchsrecht nach §§ 178 Abs. 1 S. 2, 201 Abs. 2 S. 1 InsO haben. Daher reicht eine öffentliche Bekanntmachung des Prüfungstermins (LG Ansbach, Urt. v. 30.09.2016 – 1 S 14/16, BeckRS 2016, 125892).
3.1.5. Wie der Beklagte selbst vorträgt ist der Kläger gleichzeitig Insolvenzverwalter der persönlich haftenden GmbH und hatte somit Kenntnis vom Prüfungstermin, bei dem laut vorgelegten Protokoll (Anlage K13) ein Vertreter des Klägers anwesend war.
3.1.6. Aufgrund der Rechtskraftwirkung der Tabelle soweit die Forderungen dort festgestellt und durch die Schuldnerin nicht bestritten wurden, ist der Beklagte mit Einwendungen und Einreden gegen die Forderungen ausgeschlossen. Somit kann weder der Ein-wand, die Forderungsanmeldung sei mangels hinreichender Konkretisierung, mangels Nachweis der Vertretungsmacht, mangels Anmeldung in deutscher Sprache oder unter den Voraussetzungen des Art. 42 EulnsVO oder wegen Vorliegens einer Sammelanmeldung unwirksam noch die Forderungen seien durch Erfüllung erloschen, verjährt oder wegen unnötiger Darlehensprolangation sittenwidrig schädigend erlangt worden, seitens des Beklagten noch erhoben werden. Diese Fragen sind im Rahmen des Feststellungsverfahrens gem. §§ 174 ff. InsO relevant. Richtiges Mittel, die angemeldeten Forderungen anzugreifen, ist dabei der Widerspruch. Ein solcher ist durch die Schuldnerin, vertreten durch ihre Komplementärgesellschaft nicht erfolgt.
3.2. Jedoch kann die Haftsumme im vorliegenden Fall nicht vom Kläger geltend gemacht werden, da nach seinem Vortrag Masseunzulänglichkeit vorliegt und somit die geltend gemachte Summe nicht zur Befriedigung der Gesellschaftgläubiger dient.
Der Kläger hat am 04.02.2016 die Masseunzulänglichkeit angezeigt. Grundsätzlich kann der Insolvenzverwalter im Fall der Masseunzulänglichkeit einen Anspruch nach §§ 172 Abs. 4, 171 Abs. 2 HGB nicht mehr einziehen, wenn die Gläubiger von der Einziehung überhaupt nicht profitieren. Der eingezogene Betrag muss nämlich den Gesellschaftsgläubigern zu Gute kommen (vgl. Haas/Mock in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 4. Aufl., § 171 Rn. 62; Graf-Schlicker/Hofmann, InsO, 4. Aufl. § 92 Rn. 15 und § 93 Rn. 13; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 14. Aufl., § 92 Rn. 22). Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall, dass die fortbestehende Verwaltungs- und Verwertungspflicht des Klägers als Insolvenzverwalter gemäß § 208 Abs. 3 InsO nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit sich nur noch auf die Masse (§ 80 Abs. 1 InsO) erstreckt. Dazu gehört allein das Gesellschaftsvermögen, nicht das Privatvermögen der Gesellschafter. Durch die Geltend-machung der persönlichen Gesellschafterhaftung im Sinne der §§ 171,172 HGB wird die nach § 209 InsO zu verteilende Masse nicht vergrößert (LG Hildesheim Urt. v. 14.11.2017 – 6 O 27/17, BeckRS 2017, 132623). Der Kläger hat trotz Hinweises der Kammer in der mündlichen Verhandlung vom 10.01.2018 nicht substantiiert dazu vorgetragen, dass bei Einziehung der Haftsummen der Kommanditisten eine Rückkehr zur Regelinsolvenz zu erwarten ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen

Europarecht

Schadensersatz, Ermessensentscheidung, Aussetzungsantrag, Kommission, Aussetzung, Fahrzeug, Vorabentscheidungsverfahren, Zeitpunkt, Beschwerde, Verfahren, Schriftsatz, Rechtssache, EuGH, Anspruch, Aussetzung des Rechtsstreits, erneute Entscheidung
Mehr lesen