Aktenzeichen XI ZR 435/10
§ 3 Abs 1 EAEG
§ 4 Abs 1 S 1 EAEG
§ 4 Abs 2 EAEG
§ 5 Abs 1 EAEG
§ 5 Abs 4 S 1 EAEG
§ 47 Abs 1 InsO
§ 383 HGB
§ 1 Abs 1 S 2 Nr 4 KredWG
§ 121 BGB
EGRL 9/97
Verfahrensgang
vorgehend LG Berlin, 27. Mai 2010, Az: 51 S 14/10, Urteilvorgehend AG Berlin-Mitte, 2. Dezember 2009, Az: 11 C 208/09
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Vorbehaltsurteil der Zivilkammer 51 des Landgerichts Berlin in Berlin-Mitte vom 27. Mai 2010 wird zurückgewiesen.
Der Beklagten werden die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten ihrer Streithelferin, die diese selbst zu tragen hat, auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
1
Der Kläger nimmt die beklagte Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen im Urkundenprozess auf Entschädigung nach dem Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz (im Folgenden: EAEG) in Anspruch.
2
Der Kläger beteiligte sich im Januar 2002 mit einem Anlagebetrag von 10.000 € zuzüglich eines 5%-igen Agios in Höhe von 500 € und im Februar 2004 mit einem weiteren Anlagebetrag von 5.000 € zuzüglich eines 5%-igen Agios in Höhe von 250 € an dem PMA (im Folgenden: PMA), einer von der P. GmbH (im Folgenden: P. GmbH) im eigenen Namen und für gemeinsame Rechnung der Anleger verwalteten Kollektivanlage, deren Gegenstand nach Nummer 1.4 der in den Geschäftsbesorgungsvertrag einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (im Folgenden: AGB) die Anlage der Kundengelder in “Termingeschäften (Futures und Optionen) für gemeinsame Rechnung zu Spekulationszwecken mit Vorrang von Stillhaltergeschäften” war.
3
Die P. GmbH war bis Ende 1997 auf dem sogenannten Grauen Kapitalmarkt tätig. Ab dem 1. Januar 1998 wurde sie als Wertpapierhandelsbank eingestuft und der Aufsicht des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel unterstellt. Sie besaß die Erlaubnis, Finanzkommissionsgeschäfte und Finanzportfolioverwaltungsleistungen zu erbringen. Spätestens seit dem Jahr 1998 legte die P. GmbH nur noch einen geringen Teil der von ihren Kunden vereinnahmten Gelder vertragsgemäß in Termingeschäften an. Ein Großteil der Gelder wurde im Wege eines “Schneeballsystems” für Zahlungen an Altanleger und für die laufenden Geschäfts- und Betriebskosten verwendet. An den Kläger wurden keine Auszahlungen geleistet.
4
Im März 2005 untersagte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht der P. GmbH den weiteren Geschäftsbetrieb und stellte am 15. März 2005 den Entschädigungsfall fest. Am 1. Juli 2005 wurde über das Vermögen der P. GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet.
5
Mit Schreiben vom 19. Februar 2009 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Teilentschädigung von 7.904,97 €. Unter Abzug des Agios und Berücksichtigung der tatsächlich erzielten Gewinne und Verluste sowie der vertraglich vereinbarten Handels- und Bestandsprovisionen errechnete die Beklagte einen “Endstand der Beteiligung” des Klägers von 13.066,95 €. Davon zog sie in Höhe von 4.283,65 € einen Einbehalt wegen eines möglichen Aussonderungsrechts des Klägers an den auf den (Treuhand-)Konten noch vorhandenen Geldern und den gesetzlichen Selbstbehalt von 10% ab. Insoweit berief sie sich darauf, dass der Insolvenzverwalter über das Vermögen der P. GmbH zur Frage des Bestehens von Aussonderungsrechten Rechtsgutachten eingeholt und Wirtschaftsprüfer beauftragt habe, die in ihren Gutachten zu unterschiedlichen Berechnungsmethoden mit unterschiedlichen Ergebnissen gekommen seien.
6
Mit der im Urkundenprozess erhobenen Klage begehrt der Kläger die Zahlung des einbehaltenen Betrags von 4.283,65 €. Er ist der Ansicht, der Einbehalt wegen eines etwaigen Aussonderungsrechts oder – hilfsweise – die Abzüge für Agio und Bestandsprovisionen seien nicht gerechtfertigt. Die Beklagte hat im Hinblick auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Februar 2011 (IX ZR 49/10, WM 2011, 798) ihre Auffassung, dem Kläger stehe an den Einzahlungs- und Brokerkonten der P. GmbH ein Aussonderungs- oder Mitaussonderungsrecht zu, im Revisionsverfahren aufgegeben. Sie meint jedoch, dass der geltend gemachte Entschädigungsanspruch noch nicht fällig sei. Die erst im Laufe des Revisionsverfahrens beigetretene Streithelferin der Beklagten hält den Entschädigungsanspruch bereits dem Grunde nach für nicht gegeben, weil das von der P. GmbH konzipierte kollektive Anlagemodell nicht in den Anwendungsbereich des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes falle.
7
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht der Klage in Höhe von 3.855,29 € stattgegeben, die weitergehende Berufung zurückgewiesen und der Beklagten die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorbehalten. Mit der – vom Berufungsgericht zugelassenen – Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des Urteils des Amtsgerichts.