Aktenzeichen 26 O 6643/16
KWG KWG § 32, § 54 Abs. 1 Nr. 2
RDG RDG § 2 Abs. 2, § 3
Leitsatz
1. Der Schuldnerschutz des § 409 Abs. 1 BGB entfällt nach einer Abtretungsanzeige nur dann, wenn dem Forderungsgläubiger schon die Berechtigung fehlt, überhaupt über die Forderung zu verfügen. Selbst wenn also der Ankauf einer Rentenversicherungsforderung gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen hätte, muss der Versicherungsnehmer als Forderungsverkäufer die Abtretung trotz unwirksamen Kausalgeschäfts nach erfolgter Abtretungsanzeige gegen sich gelten lassen, da den Versicherer keine generelle Pflicht trifft, die Wirksamkeit der Abtretung zu prüfen (ebenso OLG München BeckRS 2017, 117593). (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Forderungsankauf ist keine erlaubnispflichtige Inkassodienstleistung iSd § 2 Abs. 2 RDG, sondern ein erlaubnisfreier echter Forderungskauf, wenn das wirtschaftliche Risiko vollständig auf den Forderungskäufer übergeht (ebenso BGH BeckRS 2014, 00034). (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Ankauf einer Forderung ist schon deswegen nicht gem. § 134 BGB wegen Verstoßes gegen § 32 KWG nichtig, weil sich diese Vorschrift nur an eine der vertragsschließenden Parteien richtet. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits und des Nebenintervenienten zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 14.477,43 € festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Klägerin steht kein Anspruch auf Auskunft über die Ablaufleistung und anschließende Auszahlung zu und demzufolge kann sie auch keine Freistellung von angefallenen vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten verlangen. Die … war als Rechtsinhaberin berechtigt, den Versicherungsvertrag zu kündigen.
Die Kündigung ist mit Schreiben vom 08.10.2009 formwirksam unter Vorlage der Verlusterklärung der Klägerin erklärt worden. Die Klägerin war gemäß § 13 Abs. 3 der Allgemeinen Bedingungen für die Rentenversicherung berechtigt, die Rechte aus dem Versicherungsvertrag abzutreten. Die Abtretung wurde der Beklagten wirksam gemäß § 13 Abs. 4 der Allgemeinen Bedingungen für die Rentenversicherung angezeigt. Aufgrund der Vorlage der Verlusterklärung der Klägerin bezüglich des Versicherungsscheins konnte die Beklagte die … als Berechtigte im Sinne des § 11 der Allgemeinen Bedingungen für die Rentenversicherung ansehen und den Rückkaufwert mit schuldbefreiender Wirkung an die … ausbezahlen. Verpflichtungen aus dem Versicherungsvertrag bestehen gegenüber der Klägerin nicht mehr.
Die von der Klägerin geltende gemachte Nichtigkeit von Kaufvertrag und Abtretung wegen Verstoßes gegen Verbotsgesetze gemäß §§ 134, 139 BGB liegt nicht vor.
Eine Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen § 32 KWG kommt nicht in Betracht. Es kann insofern dahinstehen, ob der Forderungskauf der … mangels entsprechender Erlaubnis den Tatbestand des unerlaubten Einlagengeschäfts im Sinne des KWG erfüllt. Denn selbst wenn ein Verstoß gegen § 32 KWG vorläge, so wäre zu beachten, dass nicht jeder Verstoß gegen ein Verbotsgesetz automatisch die Nichtigkeit des ganzen Rechtsgeschäfts nach sich zieht gemäß § 134 BGB. Entscheidend ist der Schutzzweck der jeweiligen Norm im Einzelfall und an welche der beteiligten Parteien sich das Verbot richtet. Die Norm des § 32 KWG ist als gewerberechtliche Vorschrift einzuordnen, die sich an Betreiber von bestimmten Bankgeschäften richtet und diesen vorschreibt, auf welche Art und Weise sie die Geschäfte zu führen haben (vgl. BGH, Urteil vom 19.04.2011, Az.: XI ZR 256/10). Da sich die Verbotsnorm somit nur an eine der vertragsschließenden Parteien richtet, kann der Verstoß nicht zur Gesamtnichtigkeit führen. Auch lässt sich die Nichtigkeitsfolge von ohne Erlaubnis betriebenen Bankgeschäften gerade nicht aus § 32 KWG folgern. Hieraus ergibt sich lediglich ein einseitiges Verbot, welches sich an die Betreiber richtet. Dies lässt sich schon daraus folgern, dass die Sanktionsfolge des § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG sich ebenfalls nur an die jeweiligen Betreiber des Bankgeschäfts richtet.
Eine Nichtigkeit ergibt sich vorliegend auch nicht aufgrund eines Verstoßes gegen § 3 RDG. Denn der Anwendungsbereich des § 3 RDG ist überhaupt nur eröffnet, wenn eine Rechtsdienstleistung i.S.d. § 2 RDG vorliegt. Entgegen der Ansicht der Klägerin stellt der Ankauf einer Lebensversicherung, wie vorliegend durch die …geschehen, keine Inkassodienstleistung i.S.d. § 2 Abs. 2 RDG dar. Bei einer Inkassodienstleistung erlangt der Zessionar zwar Gläubigerstellung im Außenverhältnis durch die erfolgte Abtretung. Jedoch erfolgt die Einziehung der Forderung im Innenverhältnis auf Risiko und Rechnung des Zedenten, so dass dieser das wirtschaftliche Risiko des Schuldners weiterhin trägt. Bei der hier vorliegenden Konstellation handelt es sich dagegen um einen echten Forderungskauf, durch den die … materiell-rechtliche Forderungsinhaberin wurde. Sie wurde Forderungsinhaberin, ohne dass ein wirtschaftliches Restrisiko bei der Klägerin verblieb. Die Klägerin trat der … ausdrücklich und unwiderruflich sämtliche Ansprüche aus der Lebensversicherung ab. Die Klägerin stimmte zu, dass die … als neue Versicherungsnehmerin in das bestehende Versicherungsverhältnis eintrat und hat ihr im Zuge dessen das alleinige Bezugsrecht sowie das Kündigungsrecht eingeräumt.
Selbst wenn man vorliegend davon ausginge, dass der Ankauf der Lebensversicherung unter das RDG zu subsumieren ist und somit zu einem Verstoß gegen § 3 RDG käme, so könnte sich die Beklagte jedoch auf § 409 Abs. 1 BGB berufen. Denn danach muss der Gläubiger eine auch unwirksame Abtretung gegen sich gelten lassen, sobald diese dem Schuldner angezeigt wurde.
Generell lässt der Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot zwar den Schuldnerschutz des § 409 Abs. 1 BGB entfallen (vgl. Palandt-Grüneberg, 75. Auflage, § 409 Rn. 5), dies gilt aber nur dann, wenn dem Gläubiger schon die Berechtigung fehlt, überhaupt über die Forderung zu verfügen. Die Abtretung selbst muss gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen. Selbst wenn also der Ankauf als Verpflichtungsgeschäft gegen § 3 RDG und damit gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen hätte, so würde sich dies nicht auf die Wirksamkeit der Abtretung auswirken, da die Klägerin als Inhaberin grundsätzlich frei über die Forderung verfügen konnte. Die Möglichkeit des Schuldners, die Unwirksamkeit einer Abtretung abstrakt erkennen zu können, ist das dominierende Prinzip bei der Begründung der Ausnahme. Ein grundsätzliches gesetzliches Abtretungsverbot besteht für Ansprüche aus Lebensversicherungsverträgen nicht. Die Beklagte, die das Kausalgeschäft nicht kannte, konnte eine Nichtigkeit des Kausalgeschäfts nicht erkennen.
Aus dem Sinn und Zweck der § 409 BGB ergibt sich keine generelle Prüfungspflicht des Versicherungsunternehmens, die Wirksamkeit einer vorgelegten Abtretung zu überprüfen. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin keine konkreten Tatsachen vorgetragen, dass die Beklagte die Hintergründe der Abtretung hätte prüfen müssen. Der Vertrag zwischen der Klägerin und der … wurde am 19.08.2009 abgeschlossen. Die von der Klägerin zitierten Mitteilungen über „dubiose Versicherungskäufe“ (Schriftsatz vom 31.10.2016) tragen jeweils ein späteres Datum. Die Beklagte kannte die streitgegenständliche Vereinbarung über die Übertragung einer Kapitalversicherung (Anlage K 2) nicht. Sie durfte die im Rahmen der Privatautonomie gefällte Entscheidung der Klägerin ohne eine klare Rechtsgrundlage für die Unwirksamkeit der Abtretung nicht überprüfen. Die … hat unter Vorlage der Verlusterklärung der Klägerin ihre Berechtigung durch Vorlage der Abtretungserklärung nachgewiesen (§ 11 AVB).
Mangels noch bestehender Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag kann die Beklagte nicht verurteilt werden, die Klägerin von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten freizustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 101 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.