Bankrecht

Nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung an einer Aktiengesellschaft

Aktenzeichen  2 K 1725/13

Datum:
12.3.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 132592
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2, § 17 Abs. 1
HGB § 255 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe

II.
Die Klage ist unbegründet.
1. Das FA hat zu Recht die Aufwendungen für die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft nicht als nachträgliche Anschaffungskosten bei der Ermittlung des Auflösungsverlusts des Klägers i.S. des § 17 Abs. 1, 2 und 4 EStG berücksichtigt.
a) Nach § 17 Abs. 1 und 4 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft, wenn der Gesellschafter innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar und mittelbar zu mindestens einem Prozent beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen hielt. Entsprechendes gilt für die aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft entstehenden Verluste. Auflösungsverlust i.S. des § 17 Abs. 1, 2 und 4 EStG ist der Betrag, um den die im Zusammenhang mit der Auflösung der Gesellschaft vom Steuerpflichtigen persönlich getragenen Kosten (entsprechend den Veräußerungskosten nach § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG) sowie seine Anschaffungskosten den gemeinen Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft übersteigen.
Anschaffungskosten sind nach § 255 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben; dazu gehören nach § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB auch die nachträglichen Anschaffungskosten. Zu den nachträglichen Anschaffungskosten einer Beteiligung zählen neben (verdeckten) Einlagen auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungskosten sind. Dazu rechnen Finanzierungshilfen, z.B. durch Übernahme einer Bürgschaft oder durch andere Rechtshandlungen, wenn sie eigenkapitalersetzenden Charakter haben. Maßgebend dafür ist, ob ein Gesellschafter der Gesellschaft in einem Zeitpunkt, in dem ihr die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten (Krise der Gesellschaft), stattdessen ein Darlehen gewährt oder eine dem Darlehen wirtschaftlich entsprechend andere Rechtshandlung ausgeführt hat (vgl. BFH-Urteil vom 2. April 2008 IX R 76/06, BStBl II 2008, 706, m.w.N.).
b) Hiervon ausgehend sind die Aufwendungen des Klägers für seine Inanspruchnahme aus der Bürgschaft nicht durch sein Gesellschaftsverhältnis veranlasst gewesen. Die Bürgschaft des Klägers hat keinen eigenkapitalersetzenden Charakter gehabt.
(1) Finanzierungsmaßnahmen eines Gesellschafters sind durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und damit nachträgliche Anschaffungskosten, wenn der Gesellschafter der Gesellschaft durch seine Finanzierungsmaßnahme funktionales Eigenkapital zugewandt hat. Dies setzt grundsätzlich voraus, dass die Finanzierungsmaßnahme zivilrechtlich eigenkapitalersetzend ist. Eigenkapitalersetzende Finanzierungsmaßnahmen führen -wie Einlagenzu nachträglichen Anschaffungskosten, da sie als Ersatz für Eigenkapital zu betrachten und deshalb ebenso wie dieses gesetzlich gebunden sind. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist der Gesellschafter wie jeder Drittgläubiger zu behandeln. Das Einkommensteuerrecht respektiert die Entscheidung der Gesellschafter, der Gesellschaft nicht Eigenkapital, sondern Fremdkapital zur Verfügung zu stellen. Das (objektive) Nettoprinzip wird hier durch den Grundsatz eingeschränkt, dass Verluste in der Privatsphäre des Steuerpflichtigen einkommensteuerrechtlich nicht berücksichtigt werden (vgl. BFH in BStBl II 2008, 706, m.w.N.).
Die Grundsätze des Eigenkapitalersatzes sind auf Finanzierungshilfen eines Aktionärs nur dann sinngemäß anzuwenden, wenn der Aktionär mehr als 25% der Aktiengesellschaft hält (vgl. BFH-Urteil vom 25. Juni 2009 IX R 42/08, BStBl II 2010, 220, m.w.N.). Nur ausnahmsweise kann auch ein unterhalb der Sperrminoritätsgrenze liegender, aber nicht unbeträchtlicher Aktienbesitz die Annahme einer unternehmerischen Beteiligung als Grundlage für eine Finanzierungsfolgenverantwortung des betreffenden Aktionärs dann rechtfertigen, wenn der Aktienbesitz ihm in Verbindung mit weiteren Umständen Einfluss auf die Unternehmensleitung sichert und er ein entsprechendes unternehmerisches Interesse erkennen lässt. Eine Mitgliedschaft im Aufsichtsrat oder eine Vorstandsfunktion genügen dafür nicht (vgl. BFH in BStBl II 2008, 706, unter Bezugnahme auf das Bundesgerichtshof -BGHUrteil vom 9. Mai 2005 II ZR 66/03, Deutsches Steuerrecht -DStR- 2005, 1416, m.w.N.).
(2) Die Aktien der M-AG haben sich nicht im Betriebsvermögen der Einzelfirma des Klägers befunden. Weder ist die Beteiligung noch die Forderung aus der Bürgschaftsinanspruchnahme in einem besonderen laufend geführten Verzeichnis der Einzelfirma des Klägers erfasst worden. Der Verlust nach § 17 EStG wurde auch nicht in der Gewinnermittlung der Einzelfirma erklärt.
(3) Der Kläger hält an der M-AG als Aktionär 6%. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Kläger als alleinvertretungsberechtigter Vorstand der X-AG und aufgrund seiner Beteiligung von 70% faktisch die Beteiligten der X-AG vertreten hat, ist damit nicht nachweisbar dargelegt, dass der Kläger die Stimmrechte der X-AG an der M-AG allein ausgeübt hat. Hinzu kommt, dass ungeachtet dieser Auffassung der Kläger die erforderliche Beteiligungshöhe von mehr als 25% jedenfalls nicht erreicht hat, da die X-AG zu 19% an der M-AG beteiligt gewesen ist (vgl. FG-Akte, Bl. 79 f., 117).
(4) Die Kläger haben nicht nachgewiesen, dass dem Kläger sein Aktienbesitz in Verbindung mit weiteren Umständen Einfluss auf die Unternehmensleitung gesichert hat und er einen entsprechenden unternehmerischen Einfluss ausgeübt hat. Der Kläger hat die Höhe der Anteile der anderen Vorstände an der M-AG zum Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme schon nicht dargelegt. Laut den in der mündlichen Verhandlung unbestrittenen Angaben des FA haben die Vorstände S (35,1%) und W (25%) über eine höhere Beteiligung an der M-AG als der Kläger verfügt (vgl. Schriftsatz des FA vom 7. Oktober 2016, FG-Akte, Bl. 117). Hinzu kommt, dass das Vorstandsmitglied S schon deswegen und auch nach dem Ausscheiden des Klägers Ende Juli 2005 maßgeblich die Geschicke der M-AG bestimmt hat (vgl. Insolvenzgutachten vom 26. Januar 2006, Dauerunterlagen, Bl. 45 f.).
Entgegen der Auffassung des Klägers sind die Grundsätze des Eigenkapitalersatzes nur sinngemäß auf Finanzierungshilfen von Aktionären anzuwenden, soweit diese zu mehr als 25% beteiligt sind (BFH in BStBl II 2010, 220, und in BStBl II 2008, 706). Diese Grundsätze gelten auch -wie im Streitfallfür eine Aktiengesellschaft mit wenigen Aktionären. Denn maßgeblich für die Beurteilung, ob eine unternehmerische Beteiligung vorliegt, ist die Einflussmöglichkeit des Aktionärs auf das Unternehmen. Diese Einflussmöglichkeit orientiert sich nicht an der Anzahl der Aktionäre, sondern vielmehr an der Sperrminoritätsgrenze. Besitzt ein Aktionär einen Anteil von mehr als 25%, aber weniger als 50% an Aktien eines Unternehmens, so können von ihm die Hauptversammlungsbeschlüsse, die eine 75%-ige Mehrheit erfordern, verhindert werden.
Gründe dafür, dass der Aktienbesitz dem Kläger ausnahmsweise in Verbindung mit weiteren Umständen Einfluss auf die Unternehmensleitung der M-AG gesichert hätte, sind im Streitfall nicht nachgewiesen. Deswegen kommt den streitigen Finanzierungshilfen des Klägers schon keine eigenkapitalersetzende Funktion zu. Einen vom Kläger ausgeübten maßgeblichen Einfluss auf die Unternehmensleitung über seine Vorstandstätigkeit hinaus belegen jedenfalls das Protokoll der Vorstandssitzung vom 26. November 2001, oder seine Grundschuldbestellung neben der Bürgschaft als weitere Sicherheit für das von der Sparkasse der M-AG gewährte Darlehen oder die Höhe des Anteils des Klägers am Umsatz der M-AG nicht. Dagegen spricht jedenfalls, dass der Anstellungsvertrag des Klägers nicht über den 31. Juli 2005 verlängert worden ist und der Kläger bei Eintritt der Krise der M-AG nicht mehr Vorstandsmitglied gewesen ist. Dagegen spricht auch, dass der Kläger nicht allein für die M-AG, sondern überwiegend für sein Einzelunternehmen tätig gewesen ist, dessen betriebliche Sphäre er nach eigenen Angaben vor allem hat stärken wollen, sowie seine Mitunternehmerbeteiligung an der GbR.
(5) Ungeachtet dessen ist im Streitfall auch nicht – entgegen der Auffassung des Klägers -von einem koordinierten Stehenlassen einer Finanzierungshilfe in der Krise durch mehrere Aktionäre, die insgesamt mehr als 25% des Grundkapitals der Gesellschaft halten und von denen jeder ungeachtet der Höhe seiner Einzelbeteiligung den Eigenkapitalersatzregeln unterfällt, auszugehen (vgl. BGH in DStR 2005, 1416). Eine koordinierte Finanzierungshilfe in diesem Sinne durch die vier Vorstände liegt jedenfalls nicht schon darin, dass die Vorstände eine Bankbürgschaft für Bankverbindlichkeiten der M-AG übernommen haben, wie das die Banken bei der Kreditvergabe in der Regel fordern. Zudem haben die Kläger weder vorgetragen noch ist ersichtlich, dass die M-AG im Jahr 2002 (oder spätestens im August 2004) schon kreditunwürdig gewesen sein soll und dass die Bürgschaften von vornherein auf Krisenfinanzierung angelegt gewesen sein sollen und dass deshalb ein Befreiungsanspruch nach § 775 Abs. 1 BGB ausgeschlossen sein sollte.
Der Kläger hat als Aktionär der M-AG kein Eigenkapital zugewandt. Die Bürgschaft vom 13. Februar 2002, die am 5. August 2004 erneuert worden ist, hat keinen eigenkapitalersetzenden Charakter gehabt. Die Bank hat die Bürgschaft des Klägers vom 13. Februar 2002 lediglich zur Absicherung des der M-AG gewährten Darlehens und die Bürgschaft vom 5. August 2004 zur Erweiterung auf alle Forderungen der Bank gegenüber der M-AG verlangt. Die Bürgschaften wurden weder im Rahmen einer Krise der M-AG noch für den Fall der Krise übernommen. Gegenteiliges lässt sich auch aus dem Insolvenzgutachten vom 26. Januar 2006 nicht entnehmen (vgl. Dauerunterlagen, Bl. 44 ff.). Zudem hat der Kläger kurz vor dem Zeitpunkt der ersten Bürgschaftsübernahme am 31. Januar 2002 noch 20.150 Aktien der M-AG für 55.458,18 € erworben. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist erst am 29. November 2005 gestellt worden. Der Kläger ist im Insolvenzverfahren der M-AG wie ein fremder Gläubiger behandelt worden und hat für die Bürgschaftsforderung eine Insolvenzquote von 46,14% erhalten.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
3. Die Revision wird nicht zugelassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung vorliegt.

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