Aktenzeichen 27 O 7616/16
BGB § 13, § 355 Abs. 2 S. 1, § 492, § 495 Abs. 1
Leitsatz
1. Aus der Formulierung „Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag, nachdem mir eine Vertragsurkunde, mein schriftlicher Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder meines Vertragsantrags [bzw. Vertragsantrages], jeweils mit dieser Widerrufsbelehrung zur Verfügung gestellt wurde” – wird für den unbefangenen und durchschnittlichen Kunden ersichtlich, dass es für den Beginn des Widerrufsrechts neben der Aushändigung der Widerrufsbelehrung auch der Aushändigung einer vom Kunden abgegebenen Willenserklärung bedarf, entweder einer von beiden Seiten gezeichneten Vertragsurkunde oder zumindest eines schriftlichen Vertragsantrags des Kunden. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bis zum 11.06.2010 bestand keine Pflicht zur Belehrung über die Widerrufsfolgen. Daraus folgt, dass eine Belehrung auch zutreffend ist, wenn lediglich über die Pflichten des Verbrauchers, nicht aber auf dessen Rechte hingewiesen wurde. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
A
I. Die Kläger haben keine Ansprüche auf Rückabwicklung der Darlehensverträge, da sie ihre auf den Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen am 15.11.2014 nicht mehr wirksam widerrufen konnten. Die Widerrufsfrist war zu diesem Zeitpunkt längst abgelaufen.
1. Gemäß §§ 495 Abs. 1, 355 BGB a.F. stand den Klägern ein Widerrufsrecht zu, da es sich bei den streitgegenständlichen Darlehensverträgen um Verbraucherdarlehen handelt und die Darlehensnehmer als Verbraucher im Sinne von § 13 BGB die Verträge abgeschlossen haben.
2. Zum Zeitpunkt der Abgabe der Widerrufserklärung konnte das Widerrufsrecht jedoch nicht mehr wirksam ausgeübt werden, da die zweiwöchige Widerrufsfrist gemäß § 355 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. bereits abgelaufen war. Die Kläger hatten zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung kein unbefristetes Widerrufsrecht gemäß § 355 Abs. 3 S. 3 BGB a.F., da sie durch die Widerrufsbelehrung der Beklagten ordnungsgemäß belehrt wurden.
Die Widerrufsbelehrungen der Beklagten sind nicht fehlerhaft und haben die Kläger in ordnungsgemäßer Weise über ihr Widerrufsrecht belehrt. Die Anforderungen an eine Widerrufsbelehrung sind abschließend in § 355 Abs. 2 BGB a.F. normiert. Die Widerrufsbelehrungen der Beklagten erfüllen die gesetzlichen Anforderungen des § 355 BGB a.F. vollständig, so dass es auf die Frage der Schutzwirkung der BGB-InfoV nicht ankommt.
Gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. beginnt die Widerrufsfrist mit dem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht, die ihm seine Rechte deutlich machte, in Textform erhielt. Die Belehrung musste dabei Name und Anschrift des Empfängers und einen Hinweis auf den Fristbeginn und die Belehrung enthalten, dass der Widerruf keine Begründung enthalten müsse, in Textform innerhalb von zwei Wochen gegenüber dem Unternehmer zu erklären sei und zur Fristwahrung die rechtzeitige Absendung genüge. Gemäß § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB a.F. begann die Frist bei einem Vertrag, der wie der Darlehensvertrag (vgl. § 492 Abs. 1 Satz 1 BGB) schriftlich abzuschließen ist, nicht zu laufen, bevor dem Verbraucher auch eine Vertragsurkunde, sein schriftlicher Antrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt wurde.
Die Widerrufsbelehrungen der Beklagten sind insoweit ordnungsgemäß, als sie den Fristbeginn vom Erhalt einer Vertragsurkunde oder des schriftlichen Vertragsantrags des Kunden abhängig macht. Das Widerrufsrecht nach § 355 BGB a.F. bezweckt den Schutz des Verbrauchers und erfordert eine umfassende, unmissverständlich und für den Verbraucher eindeutige Belehrung. Die Widerrufsbelehrung soll den Verbraucher in die Lage versetzen, sein Widerrufsrecht auszuüben, weshalb er über den Beginn der Widerrufsfrist eindeutig zu belehren ist. Die Widerrufsbelehrungen der Beklagten geben die gesetzliche Regelung des § 355 Abs. 2 S. 1 und 3 BGB a.F. ordnungsgemäß wieder. Die Widerrufsbelehrungen weisen den Verbraucher darauf hin, dass die Frist erst nach Erhalt eines Exemplars der Widerrufsbelehrung sowie einer Vertragsurkunde, seines schriftlichen Vertragsantrags oder einer Abschrift der Vertragsurkunde oder seines Vertragsantrags zu laufen beginnt. Mit der von der Beklagten verwendeten Formulierung der Widerrufsbelehrung wird der Gesetzestext des § 355 Abs. 2 S. 3 BGB a.F. lediglich grammatikalisch angepasst, ohne dass es zu Unklarheiten bei dem Verbraucher kommen kann.
Entgegen der Auffassung der Kläger vermeiden die den streitgegenständlichen Darlehensverträgen zugrundeliegenden Widerrufsbelehrungen gerade den Mangel, den die dem Bundesgerichtshofs in der Entscheidung vom 10.03.2009 (XI ZR 33/08) vorliegende Belehrung enthielt und entspricht den Voraussetzungen des § 355 BGB a.F.
Der Bundesgerichtshof hatte in dem von den Klägern zitierten Fall nämlich beanstandet, dass aus der dort verwendeten Widerrufsbelehrung zu schließen sei, die Widerrufsfrist werde bereits einen Tag nach Zugang des mit der Widerrufsbelehrung versehenen Darlehensangebots der Beklagten in Lauf gesetzt. Durch die Formulierung der in dem von der Beklagten übersandten Vertragsangebot enthaltenen Belehrung entstehe aus Sicht eines unbefangenen durchschnittlichen Kunden, auf den abzustellen sei (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2009 – XI ZR 118/08, WM 2009, 350, 351, Tz. 16; BGH, Urteil vom 18. April 2005 – II ZR 224/04, WM 2005, 1166, 1168), der Eindruck, diese Voraussetzungen seien bereits mit der Übermittlung des die Widerrufsbelehrung enthaltenden Vertragsantrags der Beklagten erfüllt und die Widerrufsfrist beginne ohne Rücksicht auf eine Vertragserklärung des Verbrauchers bereits am Tag nach Zugang des Angebots der Beklagten zu laufen. Dies gelte umso mehr, als das Angebot der Beklagten mit „Darlehensvertrag“ überschrieben sei, so dass für den unbefangenen Leser der Eindruck entstehe, es handele sich bei dieser Urkunde unabhängig von der Annahmeerklärung des Klägers um die in der Widerrufsbelehrung genannte Vertragsurkunde, die dem Kläger zur Verfügung gestellt wurde.
Die im vorliegenden Fall verwendeten Widerrufsbelehrungen vermeiden diesen Eindruck jedoch gerade und stellen durch die Verwendung des Possessivpronomens „mein“ bzw. „meines“ klar, dass es auf das Angebot des Darlehensnehmers ankommt, womit dem Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB entsprochen wird. Aus der hier verwendeten Formulierung „Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag, nachdem mir eine Vertragsurkunde, mein schriftlicher Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder meines Vertragsantrags [bzw. Vertragsantrages], jeweils mit dieser Widerrufsbelehrung zur Verfügung gestellt wurde. – den damals gültigen Vorschriften entsprechend – wird für den unbefangenen und durchschnittlichen Kunden ersichtlich, dass es für den Beginn des Widerrufsrechts neben der Aushändigung der Widerrufsbelehrung auch der Aushändigung einer vom Kunden abgegebenen Willenserklärung bedarf, entweder einer von beiden Seiten gezeichneten Vertragsurkunde oder zumindest eines schriftlichen Vertragsantrags des Kunden (vgl. OLG München, Hinweisbeschluss vom 27.08.2015, 19 U 1840/15; Zurückweisungsbeschluss des BGH vom 08.11.2016, XI ZR 494/15; OLG Celle, Beschluss vom 14.7.2014 – 3 VV 34/14 = WM 2014, 1421).
3. Die Widerrufsbelehrungen sind auch nicht deshalb fehlerhaft, weil in den Widerrufsfolgen bei vier der Widerrufsbelehrungen lediglich die Pflichten des Verbrauchers, nicht aber dessen Rechte geschildert werden. Vielmehr bestand bis zum 11.06.2010 keine Pflicht zur Belehrung über die Widerrufsfolgen (vgl. OLG Karlsruhe vom 17.09.2014, 7 U 239/13; OLG Schleswig-Holstein, Beschlüsse vom 13.11.2014 und 29.10.2014 in der Sache 5 U 111/14, OLG Hamm vom 21.10.2015, Az. 31 U 56/15; OLG Celle 14.07.2014 Az. 3 W 34/14). Da bereits keine Pflicht zur Belehrung über die Widerrufsfolgen bestand, folgt daraus, dass die Belehrung auch zutreffend ist, wenn lediglich über die Pflichten des Verbrauchers, nicht aber auf dessen Rechte hingewiesen wurde (vgl. OLG München Beschluss vom 29.09.2015, Az. 19 U 1840/15; BGH Zurückweisungsbeschluss vom 08.11.2016, XI ZR 494/15).
4. Auch trifft es nicht zu, dass die Widerrufsbelehrungen im Hinblick auf die Problematik „mehrere Darlehensnehmer“ fehlerhaft sind. Entgegen der Ansicht der Kläger kann der Widerruf eines einzelnen Darlehensnehmers eben schon zur Rückabwicklung des Darlehensvertrages führen (vgl. BGH, Urteil vom 11.10.2016, Az. XI ZR 482/15).
5. Auf die Frage der Verwirkung und des Rechtsmissbrauchs kommt es daher nicht mehr an.
II. Mangels wirksamen Widerrufs ist auch der Feststellungsantrag Ziff. V unbegründet.
Da kein wirksamer Widerruf gegeben ist, war die Beklagte berechtigt, den Widerruf zurückzuweisen und kam damit nicht in Verzug. Mangels Verzug sind auch die Klageanträge Ziff. VI und Ziff. VII unbegründet.
B.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
Verkündet am 14.07.2017