Aktenzeichen 25 U 4024/16
VVG § 4 Abs. 1
Leitsatz
1. Auf Grund der Legitimationswirkung des Versicherungsscheins darf der Lebensversicherer die Versicherungsleistung mit befreiender Wirkung auch an den materiell nicht berechtigten Inhaber (hier wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot) auszahlen (Anschluss an BGH BeckRS 2010, 08770). (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Legitimationswirkung erstreckt sich auch auf die Berechtigung zur Vertragskündigung (Anschluss an BGH BeckRS 2010, 08770). (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Legitimationswirkung greift nicht ein, wenn der Versicherer die Nichtberechtigung des Inhabers positiv kennt oder sonst gegen Treu und Glauben die Leistung bewirkt hat. Es bleibt offen, ob dies auch bei grob fahrlässiger Unkenntnis von der Nichtberechtigung gilt (Anschluss an BGH BeckRS 2010, 08770). (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
23 O 5454/16 2016-08-31 Endurteil LGMUENCHENI LG München I
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 31.08.2016, Az. 23 O 5454/16, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 34.875,20 € festgesetzt.
Gründe
Die Parteien streiten um den Fortbestand einer vom Kläger zum 01.06.1989 bei der Beklagten abgeschlossenen Kapitallebensversicherung mit einem geplanten Ablauf zum 01.06.2024. Die Einzelheiten ergeben sich aus der Anlage K 1.
Mit Kaufvertrag vom 10.09.2010 (Anlage K 2) veräußerte der Kläger diese Lebensversicherung an die E. GmbH ( im folgenden: S.) und trat zugleich sämtliche Rechte und Ansprüche daraus an die Erwerberin ab. Der vereinbarte Kaufpreis in Höhe von € 8107,50 sollte in einem Teilbetrag von € 2.702,50 sofort nach Auszahlung des Rückkaufswertes an die Erwerberin, der Restbetrag in Höhe von € 5404,00 nach 8 Jahren bezahlt werden. Zugleich unterzeichnete der Kläger am 10.09.2010 eine an die Beklagte adressierte „Anzeige der Abtretung einer bestehenden Versicherungspolice“. Unter Angabe der Policennummer …168 wird dort unter Ziff. 1 die Abtretung aller gegenwärtigen und künftigen Rechte und Ansprüche des Versicherungsnehmers aus dem Versicherungsverhältnis an die S. mit Wirkung zu 10.09.2010 erklärt, insbesondere (Unterpunkt 2) das Recht, die Kapitalversicherung im Ganzen oder einzelne der von der Kapitalversicherung umfassten Versicherungen zu kündigen. Gemäß Ziff. 4 hat der Kläger als Versicherungsnehmer bereits jetzt seine unwiderrufliche Zustimmung zu einer etwaigen Kündigung der Kapitalversicherung im Ganzen und/oder einzelner der von der Kapitalversicherung umfassten Zusatzversicherungen durch die S. erklärt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Anlagenkonvolut B 1 (S. 2/3) Bezug genommen.
Die S. kündigte den Vertrag mit Schreiben vom 14.09.2010 und begehrte die Auszahlung des Rückkaufwertes. Ausweislich des Textes dieses Schreibens soll die Original-Police, welche der Kläger unstreitig zuvor der S. ausgehändigt hatte, beigefügt gewesen sein. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf S.1 des Anlagenkonvoluts B 1 Bezug genommen. Die Beklagte bezahlte den von ihr in Höhe von € 9.157,16 abgerechneten Rückkaufwert am 27.10.2010 an die S. aus. Den ersten Teilbetrag des Kaufpreises von € 2.702,50 hat der Kläger erhalten. Die S. befindet sich zwischenzeitlich in Insolvenz. Mit Anwaltsschreiben vom 07.12.2015 (Anlage K4) begehrte der Kläger die Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses, was die Beklagte mit Schreiben vom 19.01.2016 (Anlage K 5) ablehnte.
Der Kläger ist der Ansicht, der Kaufvertrag zwischen ihm und der S. sei gemäß § 134 BGB i.V.m. § 32 KWG wegen eines Einlagengeschäfts ohne erforderliche Genehmigung in Form einer teilweisen Stundung des Kaufpreises, sowie gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 RDG wegen unerlaubter Rechtsberatung in Form der Inkassodienstleistung nichtig. Gemäß § 139 BGB erfasse die Nichtigkeit des Kaufvertrages auch die Abtretung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag. Auf § 409 BGB könne sich die Beklagte nicht berufen, weil die Nichtigkeit auf einem Verstoß gegen ein Verbotsgesetz beruhe. Sie könne sich auch nicht auf § 808 BGB berufen, weil ihr die Nichtigkeit bekannt bzw. infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt gewesen sei. Auch habe sie Beratungspflichten ihm gegenüber verletzt.
Die Beklagte ist demgegenüber der Ansicht der Vertrag sei wirksam gekündigt worden. Im Übrigen habe sie leistungsbefreiend an die S. geleistet.
Zur Darstellung des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Tatbestand im angefochtenen Endurteil des Landgerichts München I vom 31.08.2016 Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klage sei unbegründet, da die S. die streitgegenständliche Versicherung wirksam gekündigt habe. Die Unwirksamkeit des Kaufvertrages führe bereits nicht zur Unwirksamkeit der Abtretung. Das Verbot nach dem KWG richte sich ebenso wie das Verbot nach dem RDG nur gegen eine Partei. Damit bleibe eine an das Grundgeschäft anschließende Abtretung wirksam. Jedenfalls habe die Beklagte gemäß § 409 BGB mit befreiender Wirkung an die S. geleistet. Nur das Grundgeschäft, nicht aber die Abtretung selbst verstoße gegen ein Verbotsgesetz. Das Klagevorbringen zur positiven Kenntnis der Beklagten von der Nichtigkeit des Kaufvertrages sei nicht nachzuvollziehen. Diese habe unstreitig nur die Abtretungsanzeige mit der Abtretungserklärung, nicht aber den Kaufvertrag erhalten. Auch grob fahrlässige Unkenntnis liege nicht vor, so dass offen bleiben könne, ob eine solche § 409 BGB entgegenstehen würde. Es könne als wahr unterstellt werden, dass es bereits in den Jahren 2009 und 2010 Warnungen vor unseriösen Aufkäufern von Lebensversicherungen gegeben habe. Diese hätten nicht dazu geführt, dass ein Versicherer von sich aus habe prüfen müssen, was für ein Geschäft einer Kündigung durch einen vom Versicherungsnehmer beauftragen Dritten zugrunde liege. Zudem habe die Beklagte nicht über eine erzwingbare Möglichkeit verfügt, eine solche Prüfung vorzunehmen, nachdem in der vom Kläger unterschriebenen Abtretungsanzeige auch die Weisung enthalten gewesen sei, weitere Korrespondenz nur noch mit der S. zu führen. Im Übrigen könne sich die Beklagte auf die befreiende Wirkung des § 808 BGB berufen. Die Beklagte habe durch Vorlage einer elektronisch gespeicherten Kopie des Originals nachgewiesen, dass ihr das Original vorgelegen habe. Im Übrigen habe der Kläger nicht in Abrede gestellt, der S. das Original überlassen zu haben. Der Kläger könne seinen Anspruch auch nicht auf Schadensersatz wegen einer Pflichtverletzung der Beklagten stützen. Eine Beratungspflichtverletzung der Beklagten liege nicht vor. Es sei nicht Gegenstand von Beratungspflichten, den Versicherungsnehmer vor Geschäften mit Dritten zu schützen, die sich der Versicherungsnehmer selbst aussuche. Im Übrigen seien Ansprüche des Klägers jedenfalls verjährt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe der landgerichtlichen Entscheidung Bezug genommen.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz gestellten Anträge weiter. Er ist der Meinung, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft angenommen, die Kapitalversicherung sei durch die Kündigung der S. erloschen. Es habe verkannt, dass die Abtretung der Ansprüche aus der Versicherung wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB nichtig sei. Es liege sowohl ein Verstoß gegen § 32 Abs. 1 KWG, als auch ein Verstoß gegen § 3 RDG vor. Beides seien Verbotsgesetze im Sinne von § 134 BGB. Die Schutzwirkung des § 409 BGB entfalle, wenn die Abtretung wegen Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz nichtig sei. Dasselbe gelte für die Legitimationswirkung des § 808 Abs. 1 BGB. Diese entfalle ohnehin, da die Beklagte Kenntnis von der mangelnden Verfügungsbefugnis der S. gehabt oder sich jedenfalls grob fahrlässig in Unkenntnis hierüber befunden habe. Auch sei nicht bewiesen, dass die S. das Original des Versicherungsscheins vorgelegt habe, der Kläger habe dies zulässigerweise mit Nichtwissen bestritten.
Auf die Berufungsbegründung vom 02.12.2016 (Bl. 152/194 d.A.) und die Schriftsätze des Klägers vom 10.03.2017 (Bl. 226/230 d.A.), vom 13.03.2017 (Bl. 231/236 d.A.), vom 15.03.2017 (Bl. 240/245 d.A.) und vom 16.03.2017 (Bl. 246/247 d.A.) wird im Einzelnen Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des am 31.08.2016 verkündeten Urteils des LG München I, Az. 23 O 5454/16, wie folgt zu erkennen:
1) Es wird festgestellt, dass die zwischen der Beklagten als Versicherer und dem Kläger als Versicherungsnehmer geschlossene Kapitalversicherung mit der Nummer …168 unverändert zwischen den Parteien mit allen zugunsten des Klägers damit verbundenen Ansprüchen fortbesteht und insbesondere nicht durch die Kündigung der S. GmbH (vorherige Firma: E. GmbH) erloschen ist.
2) Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 1.698,13 freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil als zutreffend. Das Landgericht habe zu Recht keine Nichtigkeit der Abtretung angenommen und sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Abtretung an die S. nicht wegen Gesetzesverstoßes nichtig sei und die S. daher den Vertrag wirksam gekündigt habe. Ebenso habe das Landgericht zutreffend festgestellt, dass die Beklagte gem. § 409 BGB mit befreiender Wirkung an die S. geleistet habe. Ein Abtretungsverbot habe nicht vorgelegen. Die Formulierung „nicht wirksam“ in § 409 BGB umfasse auch nichtige Abtretungen. Die Beklagte habe keine Kenntnis von den Umständen der Veräußerung gehabt und habe daher nicht beurteilen können, ob das der Abtretung zugrunde liegende Geschäft gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen habe. Die Beklagte könne sich auch gemäß § 808 Abs. 1 BGB auf die Legitimationswirkung des von der S. vorgelegten Original-Versicherungsschein berufen. Dass dieser vorgelegen habe, habe die Klägerin nicht wirksam bestritten. Durch eine entsprechende Übung bei der Beklagten, Kopien vor dem Einscannen mit einem entsprechenden Stempelaufdruck zu versehen, sei gewährleistet, dass es sich bei dem eingescannten Versicherungsschein, bei dem der Stempelaufdruck Kopie fehle, um das Original gehandelt habe.
Eine Pflichtverletzung könne der Beklagten nicht vorgeworfen werden.
Auf die Berufungserwiderung vom 16.01.2017 (Bl. 200/218 d.A.) und die Schriftsätze der Beklagten vom 23.02.2017 (Bl. 225 d.A.) und vom 21.03.2017 (Bl. 248/250 d.A) wird Bezug genommen.
Der Senat hat am 14.03.2017 mündlich verhandelt, auf das Protokoll (Bl. 237/238 d.A.) wird ebenfalls Bezug genommen.
II.
1. Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die von der S. ausgesprochene Kündigung des streitgegenständlichen Lebensversicherungsvertrages ist im Verhältnis zur zwischen Kläger und Beklagter als wirksam zu behandeln und der Anspruch auf Auszahlung des Rückkaufswertes durch die Zahlung an die S. als durch Erfüllung erloschen zu betrachten. Damit ist das Feststellungsbegehren des Klägers unbegründet, weshalb auch kein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten besteht. Offen kann bleiben, ob der Kaufvertrag zwischen der S. und dem Kläger wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB nichtig ist und die Nichtigkeit auch die vorliegende Abtretung erfassen würde, denn auch in diesem Falle würde dies – entgegen der Auffassung des Klägers – nicht zu einer Unwirksamkeit der Kündigung führen, da sich die Beklagte auf den Schutz der §§ 409 und 808 BGB berufen kann.
2. Im Einzelnen:
2.1. Die von der S. ausgesprochene Kündigung unter Vorlage des Originalversicherungsscheins ist als wirksam zu behandeln mit der Folge, dass das Vertragsverhältnis zwischen Kläger und Beklagten beendet ist (Legitimationswirkung des Versicherungsscheins gemäß § 808 Abs. 1 S.1. BGB).
2.1.1. Das Landgericht ist zu der Überzeugung gelangt, dass die Beklagte den Nachweis, wonach der Originalversicherungsschein von der S. bei der Kündigung vorgelegt wurde, erbracht hat. Hiergegen wendet sich die Berufung ohne Erfolg. Das Landgericht stützt seine Überzeugung auf den Umstand, dass die Beklagte über eine elektronisch gespeicherte Kopie des Originalversicherungsscheins verfügt und der Kläger unstreitig der Fa. S. das Original des Versicherungsscheins zuvor überlassen hatte. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Senat weist ergänzend darauf hin, dass gemäß Schreiben der Fa. S. vom 14.09.2010 ausdrücklich erklärt wird, diesem Schreiben liege die Original-Police bei und nicht ersichtlich ist, weshalb die Fa. S. das Original des Versicherungsscheins behalten und stattdessen lediglich eine Kopie vorlegen sollte. Ein solches Vorgehen hätte die begehrte Auszahlung des Rückkaufswertes gefährdet, da es nicht naheliegend ist, dass die Beklagte an einen Dritten, der nicht der ursprüngliche Versicherungsnehmer war, ohne Vorlage des Originalversicherungsscheins geleistet hätte. Zudem ist keinerlei Interesse der Fa S. ersichtlich, das Original des Versicherungsscheins, welches nach Auszahlung des Rückkaufswertes ohne Wert ist, zurückzuhalten.
2.1.2. Gemäß § 11 Abs. 1 der AVB der Beklagten wird der Versicherungsschein zu einem qualifizierten Legitimationspapier i.S.d. § 808 BGB. Dasselbe ergibt sich aus § 4 Abs. 1 VVG. Aus der Klausel ergibt sich weiter, dass der Inhaber des Versicherungsscheins auch zu sonstige Rechtshandlungen wie zur Kündigung des Versicherungsvertrages zur Erlangung des Rückkaufswertes berechtigt ist. Die Klausel begegnet keinen rechtlichen Bedenken (vgl. BGH r+s 2000, 345 m.w.N.). Die von der S. ausgesprochene Kündigung des streitgegenständlichen Lebensversicherungsvertrag ist daher als wirksam zu behandeln. Die Beklagte hat den Rückkaufswert mit leistungsbefreiender Wirkung an diese ausbezahlt (§ 808 Abs. 1 S.1 BGB). Eine befreiende Leistung an den Inhaber des qualifizierten Legitimationspapiers und eine Vertragsbeendigung durch Kündigung ist auch dann möglich, wenn dieser die verbriefte Forderung nicht wirksam erworben hat. Gerade für den Ausnahmefall, in dem der Urkundeninhaber nicht zugleich Inhaber der Forderung ist, kommt der Erweiterung der Leistungsberechtigung Bedeutung zu. Nur für diesen Fall bezweckt und bewirkt die Ausgestaltung des Versicherungsscheins zu einem qualifizierten Legitimationspapier den Schutz des Schuldners, wenn er an den Urkundeninhaber leistet; denn ihm wird das Risiko der Doppelzahlung und der Uneinbringlichkeit seiner Kondiktion gegen den vermeintlichen Gläubiger abgenommen Für die Wirkung des § 808 Absatz I S. 1 BGB kommt es daher nicht darauf an, ob der Inhaber materiell-rechtlich verfügungsbefugt oder berechtigt ist oder war. Vielmehr fingiert das qualifizierte Legitimationspapier zu Gunsten des Schuldners, dass der Inhaber einziehungsberechtigt ist, und verlangt keine Nachprüfung der tatsächlichen Berechtigung (vgl. BGH, NJW-RR 2010, 904 m.w.N.). Dies gilt auch bei Nichtigkeit einer Abtretung wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB (vgl. 2.1.4).
2.1.3. Die schuldbefreiende Wirkung der an die Fa. S. erbrachten Zahlung ist auch nicht wegen Bösgläubigkeit oder Treuwidrigkeit der Beklagten ausgeschlossen. Die Legitimationswirkung der Urkunde greift nach der Rechtsprechung des BGH dann nicht ein, wenn der Schuldner die mangelnde Verfügungsberechtigung des Inhabers positiv kennt oder sonst gegen Treu und Glauben die Leistung bewirkt hat (BGH, NJW-RR 2010, 904). Ob die befreiende Wirkung auch dann entfällt, wenn der Aussteller des Legitimationspapiers grob fahrlässig keine Kenntnis von der Nichtberechtigung des Inhabers hatte, hat der BGH in der vorgenannten Entscheidung ausdrücklich dahingestellt sein lassen. Im vorliegenden Fall braucht dies ebensowenig entschieden werden wie die Frage, ob die Fa. S. die Forderung aus dem Lebensversicherungsvertrag wirksam durch Abtretung erworben hat, denn Voraussetzung für das Entfallen der Legitimationswirkung der Urkunde wäre jedenfalls, dass die Beklagte Kenntnis von dem Geschäftsmodell der Fa. S. bzw. dem Kaufvertrag zwischen dieser Firma und dem Kläger gehabt hätte bzw. sich infolge grober Fahrlässigkeit in Unkenntnis hierüber befunden hätte, was nicht nachvollziehbar dargetan ist, nachdem der Kaufvertrag zwischen der S. und dem Kläger der Beklagten damals nicht vorgelegt wurde. Die Beklagte hat dies bestritten, der Kläger hat für seine diesbezüglichen Behauptungen z.T. keinen hinreichenden Vortrag geleistet, jedenfalls aber keinen geeigneten Beweis angetreten. Aus den vom Kläger zitierten Presseartikeln bzw. Verlautbarungen des GdV bzw. der BaFin, soweit sie überhaupt vor dem streitgegenständlichen Geschehen im September/Oktober 2010 datieren, ergibt sich in den meisten Fällen ohnehin kein fassbarer Bezug zur Fa. S. Dass die Beklagte Kenntnis hatte von einem am 24.03.2010 im Internet veröffentlichen Artikel auf dem Nachrichtenportal t-online (vgl. S. 8 des Schriftsatzes des Klägers vom 04.07.2016; Bl. 55 d.A.) ist nicht ersichtlich. Es sind auch keine Umstände dargetan, aus denen sich ergeben würde, dass die Beklagte sich einer solchen Erkenntnis grob fahrlässig verschlossen hätte. Eine Verpflichtung, sämtliche im Internet zugänglichen Quellen nach versicherungsrelevanten Veröffentlichungen zu durchforsten, vermag der Senat nicht zu erkennen. Im Übrigen ergibt sich dem Artikel nicht einmal, dass es sich bei der dort genannten Firma S. Sachwert um die hiesige Beklagte handelt, welche zum Zeitpunkt der Kündigung des Lebensversicherungsvertrages unter dem Namen „E. GmbH“ firmierte.
Soweit die BaFin im Oktober 2010 (vgl. S. 9/10 des Schriftsatzes des Klägers vom 04.07.2016; Bl. 56/57 d.A.) darauf hingewiesen hatte, dass bei Aufkäufern von Policen im Einzelfall ein erlaubnispflichtiges Bankgeschäft vorliegen könne und den Versicheren rät, die Beendigung der Vermögensanlage im Einzelfall ausführlich zu prüfen und gegebenenfalls mit dem Kunden in Kontakt zu treten, führt dies nicht zu einer abweichenden Beurteilung, unbeschadet der Frage, ob dieser Artikel zum Zeitpunkt der Auszahlung des Rückkaufswertes am 27.10.2010 bereits veröffentlicht war. Der Kläger hat die Urkunde über die Abtretungsanzeige an die Beklagte am 10.09.2010 unterzeichnet. Daher musste ihm bekannt sein, dass die Abtretungsanzeige am Ende die ausdrückliche Weisung an die Beklagte enthielt, ab sofort sämtliche Erklärungen, Zustellungen und Zahlungen im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Versicherung ausschließlich an die Fa. S. zu richten. Zu Recht hat das Erstgericht in diesem Zusammenhang angenommen, dass der Kläger sich daher die Weisung in der Abtretungsanzeige an die Beklagte, weitere Korrespondez ausschließlich mit der Fa S. zu führen, zurechnen lassen muss. Vor diesem Hintergrund war die Beklagte nicht gehalten, Kontakt mit dem Kläger aufzunehmen und sich über die Hintergründe der Abtretung unterrichten zu lassen. Zu einer solchen Nachfrage bestand auch kein Anlass. Die Beklagte war über den Kaufvertrag zwischen dem Kläger und der Fa. S. nicht unterrichtet worden. Sie wusste daher nicht, welches Grundgeschäft der Abtretung zugrunde lag. Der Senat braucht nicht weiter aufzuklären, ob die sofortige Kündigung und Einziehung des Rückkaufswertes nach Abtretung ein Indiz für ein unerlaubtes Bankgeschäft bzw. ein Verstoß gegen das RDG darstellt, weshalb weder die in diesem Zusammenhang beantragte Erholung eines Sachverständigengutachtens noch die beantragte Einvernahme des Zeugen L. ( vgl. S. 12/14 des Schriftsatzes des Klägers vom 04.07.2016; Bl. 59/61 d.A.) geboten war, denn eine solche Indizwirkung setzt nach dem Vortrag des Klägers voraus, dass es sich bei dem kündigenden Zessionar um einen gewerblichen Aufkäufer von Lebensversicherungspolicen handelt. Dass es sich bei der Fa S. um einen solchen Aufkäufer gehandelt hat, hat der Kläger zwar vorgetragen, er hat jedoch nicht aufgezeigt, dass die Beklagte dies wusste bzw. dass sich ihr dies aufdrängen musste. Im Übrigen gibt es eine Vielzahl von Gründen, welche den Zessionar zu einer sofortigen Kündigung veranlassen können.
2.1.4. Eine etwaige Nichtigkeit der Abtretung der Ansprüche aus dem streitgegenständlichen Lebensversicherungsvertrag führt entgegen der Ansicht der Berufung nicht dazu, dass sich die Beklagte, die die Kündigung als wirksam betrachtet und den Rückkaufwert an den Zessionar ausbezahlt hat, nicht auf § 808 Abs. 1 BGB berufen darf. § 808 BGB i.V.m. § 4 VVG knüpft an den Besitz des Versicherungsscheins und nicht an eine Abtretung an. Auch im Fall des § 409 BGB (s.u. 2.2.), der lediglich allgemein von Unwirksamkeit spricht, ergibt sich dies weder aus dem Gesetzestext, noch aus der Rechtsprechung des BGH, insbesondere auch nicht aus der Entscheidung des BGH vom 11.01.2017 im Verfahren IV ZR 340/13. Der zitierten Passage aus den dortigen Urteilsgründen, wonach der beklagten Versicherung nicht die Rechtsmacht zukomme, durch die Verweigerung der Bestätigung über die Wirksamkeit der Vereinbarung zu entscheiden (Rdz. 36, juris) lässt sich dies nicht entnehmen. Die vom Kläger vorgenommene Auslegung berücksichtigt nicht, dass die zitierten Ausführungen des BGH ersichtlich im Zusammenhang mit der Erörterung der Frage stehen, ob ein besonders gelagerter Ausnahmefall vorliege, in dem sich die Berufung auf die Nichtigkeit eines Vertrages als eine unzulässige Rechtsausübung darstelle, was der BGH offensichtlich dann für erwägenswert erachtet, wenn es die Beklagte aufgrund der vertraglichen Konstellation in der Hand gehabt hätte, durch die Verweigerung der Bestätigung (vgl. hierzu Rdz. 6,8 und 29,30; juris) über die Wirksamkeit der dort streitgegenständlichen Vereinbarung zu entscheiden, was der BGH verneint. Soweit die Berufung in diesem Zusammenhang weiter ausführt, die dort beklagte Versicherung müsse die Nichtigkeit der Abtretung auch gegenüber sich selbst gelten lassen, verkennen diese Ausführungen die Interessenlage im dort entschiedenen Fall. Wie sich aus Rdz. 10 (a.a.O) ergibt, hat die dortige Beklagte nicht in Abrede gestellt, dass die Abtretung auch ihr gegenüber unwirksam sei, sondern sich zur Begründung ihrer Weigerung, den Rückkaufswert an die Zessionarin auszuzahlen, ausdrücklich darauf berufen, dass die Abtretung wegen Verstoßes gegen das RDG nichtig sei. Die Entscheidung des BGH im vorgenannten Verfahren betrifft daher eine nicht vergleichbare Konstellation. Die dortige Beklagte hatte sich gerade nicht auf die Legitimationswirkung des ihr von der dortigen Klagepartei vorgelegten Versicherungsscheins berufen, weshalb die zitierten Ausführungen des BGH sich auch deshalb nicht auf die Beantwortung der Frage beziehen, ob der dortigen Beklagten dies möglich gewesen wäre.
Soweit die Berufung geltend macht, die zitierten Entscheidungen des BGH vom 10.03.2010 (IV ZR 207/08), vom 20.05.2009 (IV ZR 16/08), vom 18.11.2009 (IV ZR 134/08 und vom 24.02.199 (IV ZR 122/98, sowie die Entscheidung des OLG Stuttgart hätten sämtlich nicht die Fallkonstellation der Nichtigkeit der Übertragung der Lebensversicherung betroffen, weshalb diese Frage in Rechtsprechung und Literatur ungeklärt sei, folgt der Senat dem nicht. Der BGH hat in ständiger Rechtsprechung diejenigen Fallkonstellationen benannt, in denen die Legitimationswirkung der Urkunde nicht eingreift. Dies ist dann der Fall, wenn der Schuldner die mangelnde Verfügungsberechtigung des Inhabers positiv kennt oder sonst gegen Treu und Glauben die Leistung bewirkt hat (vgl. BGH NJW-RR 2010, 904, Rn. 17 m.w.N.. Ausdrücklich offen gelassen hat der BGH, ob die Legitimationswirkung der Urkunde auch bei grob fahrlässiger Unkenntnis von der Nichtberechtigung des Inhabers entfällt, was von der herrschenden Meinung in der Literatur bejaht wird (a.aO., Rn. 18). Die Reichweite des Gutglaubensschutzes entspricht derjenigen bei Inhaberschuldverschreibungen gem § 793 Abs. 1 S. 2 BGB. Demnach wird der gute Glaube an die Gläubigerschaft, die Verfügungs- und die Vertretungsmacht des Inhabers geschützt ( vgl. Staudinger/Peter Marburger, 2015, § 808 BGB, Rn. 26). Daher kommt es nicht darauf an, worauf der Mangel beruht. Als weitere vertragliche und gesetzliche Einschränkungen werden in der Literatur legitimationsbeschränkende Abreden z.B. in Form eines Sperrvermerk oder der Vereinbarung, dass der Aussteller nur zur Leistung an einen Inhaber befugt sein solle, der sich zusätzlich ausweise, sowie die Regelung des § 1809 BGB diskutiert, wonach Mündelgeld nur mit der Bestimmung angelegt werden soll, dass zur Erhebung des Geldes die Genehmigung des Gegenvormunds oder des Familiengerichts erforderlich ist. Sei die Anlegung mit einer solchen Bestimmung erfolgt, so werde der Aussteller durch Leistung an den Inhaber nur befreit, wenn die erforderliche Genehmigung beigebracht worden sei (vgl. Staudinger/Peter Marburger, a.a.O., Rn. 27).
Auf die Frage, ob die Abtretung wirksam ist und worauf eine eventuelle Unwirksamkeit der Abtretung beruht, kommt es daher nicht an. Diese beruht in der Regel auf Umständen aus der Sphäre des Zedenten bzw. des Zessionars und ist jedenfalls dem gutgläubigen Schulder nicht bekannt. Daher besteht keinerlei Grund, die Legitimationswirkung zu seinen Lasten über die genannten Ausnahmefälle hinaus in Fällen der Nichtigkeit der Abtretung weiter einzuschränken.
2.2. Dasselbe Ergebnis ergibt sich im Hinblick auf die Abtretungsanzeige vom 10.09.2010 aus § 409 BGB.
2.2.1. Der Kläger hat die an die Beklagte adressierte Abtretungsanzeige (Anlage B 1, Bl. 2/3) am 10.09.2010 unstreitig mitunterzeichnet. In Ziff. 6 der Anzeige (Anlage B 1; S.3) ist folgende Regelung getroffen:
„Der Verkäufer stimmt der Anzeige gegenüber der Gesellschaft durch S. unwiderruflich zu und bevollmächtigt S. ausdrücklich hierzu.“
Damit liegt eine Abtretungsanzeige des Klägers im Sinne von § 409 Abs. 1 S.1 BGB vor. Die Anzeige als rechtsgeschäftsähnliche Handlung kann auch vom Zessionar als Bote überbracht werden (vgl. Roth/Kieninger Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2016, § 409 BGB, Rn. 5 m.w.N.).
2.2.2. Zusätzlich erfüllt die Abtretungsanzeige die Voraussetzungen des § 409 Abs. 1 S.2 BGB, da sie eine vom Kläger als Gläubiger für den Zessionar ausgestellte und diesen als neuen Gläubiger benennende Urkunde über die Abtretung darstellt und diese vom neuen Gläubiger vorgelegt wurde.
2.2.3. Gemäß § 409 Abs. 1 BGB muss der Kläger als Gläubiger der Beklagten als Schuldnerin gegenüber die angezeigte Abtretung gegen sich gelten lassen, auch wenn sie nicht erfolgt oder nicht wirksam ist. Die unzutreffende Information des Schuldners durch den Gläubiger überwiegt grundsätzlich einen abweichenden Kenntnisstand des Schuldners. Der Schuldner kann sich also auch auf den Schutz des § 409 BGB berufen, wenn er die Unwirksamkeit der Abtretung kennt. Dies gilt allerdings dann nicht mehr, wenn die Nichtberechtigung des Scheinzessionars offensichtlich ist oder wenn die Unwirksamkeit der Abtretung auf einem gesetzlichen Abtretungsverbot beruht (Rohe in Beck’scher Online-Kommentar BGB, Bamberger/Roth, 41. Edition, Stand: 01.11.2016, § 409 BGB, Rn. 8). Die Voraussetzungen für den Wegfall der Schutzwirkung des § 409 Abs. 1 BGB sind nicht erfüllt. Eine etwaige Nichtberechtigung der S. war aus Sicht der Beklagten nicht offensichtlich, die Beklagte hatte keine Kenntnis von einer etwaigen Unwirksamkeit, welche jedenfalls nicht auf einen gesetzlichen Abtretungsverbot beruhen würde.
2.2.4. Gemäß § 413 BGB finden die Vorschriften über die Übertragung von Forderungen auf die Übertragung anderer Rechte entsprechende Anwendung, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt. Zu diesen anderen Rechten gehören auch vertragsbezogene Gestaltungsrechte wie das Kündigungsrecht (vgl. Staudinger/Busche, 2012, § 413 BGB, Rn. 13). Der Kläger hat in Ziff.1 der Abtretungsanzeige auch die Übertragung des Kündigungsrechts auf die S. der Beklagten ausdrücklich angezeigt und gemäß Ziff. 4 seine unwiderufliche Zustimmung zu einer etwaigen Kündigung erteilt, so dass er gemäß § 413 i.V.m. § 409 Abs. 1 BGB die von der S. erklärte Kündigung des streitgegenständlichen Lebensversicherungsvertrages gegen sich gelten lassen muss, auch wenn die Übertragung des Kündigungsrechts nicht wirksam erfolgt sein sollte. Im Falle der Kündigung des Lebensversicherungsvertrages stellt die Leistung des Rückkaufswertes die vertraglich versprochene Leistung dar, denn das Recht auf den Rückkaufwert ist nur eine andere Erscheinungsform des Rechtes auf die Versicherungssumme (BGH NJW-RR 2009, 1327, Rn. 9). Der Anspruch auf den Rückkaufswert ist durch die schuldbefreiende Leistung der Beklagten an die S. erloschen.
3. Die Beklagte hat auch keine Pflichten aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag verletzt, insbesondere war sie mangels Kenntnis der Umstände der Veräußerung der vertraglichen Ansprüche an die S. nicht verpflichtet, die Klägerin entsprechend zu beraten. Ergänzend nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil (S.7/9 unter Ziff. 4; Bl. 133/135 d.A.) Bezug.
4. Auf die Frage, ob die Ansprüche der Klägerin verjährt sind, kommt es daher nicht an, ebenso kann dahingestellt bleiben, ob die Abtretung der Ansprüche an die S. wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig war.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die von der Berufung aufgeworfenen Rechtsfragen sind, wie ausgeführt, in Rechtsprechung und Literatur geklärt. Die Beantwortung der Frage der Kenntnis bzw. grob fahrlässigen Unkenntnis der Beklagten von der etwaigen Nichtberechtigung der S. ist anhand der konkreten Umstände des hier zu entscheidenden Einzelfalls erfolgt.
Hinsichtlich der Streitwertfestsetzung wird auf die zutreffenden Ausführungen im Ersturteil (S.9, Ziff. IV; Bl. 135 d.A.) Bezug genommen.
Verkündet am 07.04.2017