Aktenzeichen III ZR 150/11
§ 387 BGB
§ 670 BGB
§ 675 Abs 1 BGB
§ 128 HGB
Leitsatz
1. Zum Ausschluss von Gegenrechten eines Anlegers aus einer Aufklärungspflichtverletzung des Treuhandgesellschafters einer Publikumspersonengesellschaft gegenüber dem Anspruch des Treuhandgesellschafters auf Freistellung von der Inanspruchnahme durch Gesellschaftsgläubiger (im Anschluss an BGH, Urteil vom 24. Juli 2012, II ZR 297/11, WM 2012, 1664).
2. Zur Bedeutung einer persönlichen und gesellschaftsrechtlichen Verflechtung von Treuhandgesellschafter und Gesellschaftsgläubiger in solchen Fällen.
Verfahrensgang
vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, 1. Juni 2011, Az: 2 U 59/10vorgehend LG Bremen, 15. April 2010, Az: 2 O 944/09
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 1. Juni 2011 aufgehoben.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bremen vom 15. April 2010 wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird das genannte Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bremen abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 15.700,67 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem anteiligen Darlehensbetrag von 15.572,75 € seit dem 1. Mai 2007 zu zahlen.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen mit Ausnahme der durch die Anrufung des örtlich unzuständigen Landgerichts Berlin verursachten Mehrkosten, die der Klägerin zur Last fallen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
1
Die Klägerin macht gegen den mit ihr durch einen Treuhandvertrag verbundenen Beklagten einen Anspruch auf anteilige Befreiung von Darlehensverbindlichkeiten geltend, denen sie als persönlich haftende Gesellschafterin eines geschlossenen Immobilienfonds ausgesetzt ist.
2
Der Beklagte beteiligte sich mit Erklärung vom 30. Dezember 1994 mit einer Einlage in Höhe von 173.800 DM zuzüglich 5 % Agio an der A. GmbH & Co. oHG (im Folgenden: Fondsgesellschaft), deren Gegenstand der Erwerb von Grundstücken in Potsdam/Drewitz, , zum Zwecke der Bebauung mit Wohngebäuden im geförderten freifinanzierten Wohnungsbau war. Das Gesellschaftskapital der Fondsgesellschaft wurde in § 5 des Gesellschaftsvertrags auf 18.570.000 DM festgesetzt; ihre Gründungsgesellschafter waren die A. GmbH (im Folgenden: A. GmbH) – zugleich geschäftsführende Gesellschafterin – sowie K. G. und D. G. . Der Beklagte machte von der in § 7 Nr. 3 des Gesellschaftsvertrags vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch, sich über die Klägerin als Treuhandgesellschaft an der Fondsgesellschaft zu beteiligen. In seiner Beitrittserklärung heißt es:
“Die Einlage soll – nach Maßgabe der nachgenannten Bestimmun-gen – treuhänderisch von der (Klägerin) … für mich/uns gehalten werden. Einen Treuhandvertrag entsprechend dem mir/uns gemäß Prospekt bekannten Wortlaut schließe(n) ich/wir mit dieser Gesellschaft ab.
Ich/Wir erkenne(n) den Gesellschaftsvertrag der (Fondsgesellschaft) und den Treuhandvertrag der (Klägerin) als für mich/uns verbindlich an …
Mir/uns ist bekannt, daß ich/wir über die Verpflichtung zur Leistung der in dieser Beitrittserklärung vereinbarten Zahlungen hinaus, mit meinem/unserem sonstigen Vermögen gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft quotal entsprechend meiner/unserer kapitalmäßigen Beteiligung an der Gesellschaft hafte(n). …”
3
Die Beitrittserklärung des Beklagten wurde von der Fondsgesellschaft, vertreten durch die A. GmbH, und der Klägerin angenommen.
4
Der Treuhandvertrag bestimmt in § 2:
“1. Auch wenn der Treuhänder im eigenen Namen Gesellschafter wird, gebührt die Gesellschaftseinlage allein dem Treugeber. Die vom Treuhänder für Rechnung und im Interesse des Treugebers eingegangenen gesellschaftsrechtlichen Rechte und Pflichten treffen im Innenverhältnis ausschließlich den Treugeber. …”
5
In § 7 Nr. 3 des Gesellschaftsvertrags ist klargestellt, dass die Klägerin die Beteiligung an der Gesellschaft im eigenen Namen für fremde Rechnung als Treuhänder der Treugeber erwerben und halten sowie sämtliche daraus resultierenden Rechte für die Treugeber wahrnehmen wird und dass die gesellschaftsvertraglichen Rechte der Gesellschafter auch von den Treugebern wahrgenommen werden können. Ferner sieht § 8 Nr. 2 vor, dass die Gesellschafter – mit Ausnahme der geschäftsführenden Gesellschafterin – im Innenverhältnis für Verbindlichkeiten der Gesellschaft nur quotal entsprechend ihrer kapitalmäßigen Beteiligung haften.
6
Bereits am 5. Dezember 1994, also wenige Wochen vor dem Beitritt des Beklagten, hatte die Fondsgesellschaft zur teilweisen Finanzierung des Bauvorhabens mit der I. – und W. GmbH, deren Rechtsnachfolgerin die A. ist , einen Darlehensvertrag mit einer Festlaufzeit bis 31. März 2011 über einen Betrag bis zu 4.170.000 DM zu einer Verzinsung von 2 % p.a. und einer Tilgungsrate von 4 % jeweils ab dem 1. April 1996 abgeschlossen. Nach dem erstinstanzlichen Vortrag der Klägerin reichte die A. das Darlehen in Höhe von 3.150.000 DM (1.610.569,43 €) an die Fondsgesellschaft aus. In zweiter Instanz trug die Klägerin vor, die A. habe das Darlehen in Höhe von 3.765.000 DM (1.925.013,94 €) an die Fondsgesellschaft ausgezahlt. Im Januar 2006 trat die A. ihre Rückzahlungsansprüche gegen die Fondsgesellschaft aus dem Darlehensvertrag sicherungshalber an die V.-Bank ab.
7
Nachdem die Mieteinnahmen der Fondsgesellschaft über einen längeren Zeitraum hinter den prospektierten Erwartungen zurückblieben und sich die wirtschaftliche Situation der Fondsgesellschaft zunehmend verschlechterte, trafen die A. und die Fondsgesellschaft, vertreten durch die A. GmbH, im Oktober 2006 eine schriftliche “Ablösungsvereinbarung” über ein seitens der A. gewährtes und “per 31.12.2005 in Höhe eines Betrages von 1.724.656,93 € valutierendes Darlehen”, worin die A. allen Gesellschaftern der Fondsgesellschaft, die bis zum 31. Oktober 2006 einen Ablösungsbetrag von 50 % ihrer Haftungsquote der Darlehensvaluta an die A. zahlten, die vollständige Entlassung aus ihrer persönlichen Haftung anbot. Wegen der danach noch bestehenden Darlehensforderung wurde ein Verzicht der A. auf Vollstreckungsmaßnahmen in das Gesellschaftsvermögen vereinbart.
8
Im Jahr 2007 beschloss die Gesellschafterversammlung der Fondsgesellschaft den Verkauf der Immobilien und ihre anschließende Liquidation. Da der Verkaufserlös die Verbindlichkeiten der Fondsgesellschaft nicht deckte, sah sich die A. mit Schreiben vom 27. April 2007 veranlasst, das an die Gesellschaft ausgereichte Baudarlehen mit sofortiger Wirkung zu kündigen. In einem an die Klägerin gerichteten Schreiben vom 3. Dezember 2008 teilte die A. mit, sie halte unter Bezugnahme auf ihr Schreiben an die Fondsgesellschaft vom 1. Dezember 2008 fest, dass zum 30. September 2008 ein fälliger Rückzahlungsanspruch gegen die Fondsgesellschaft von 1.663.901,17 € ohne Anrechnung von Zahlungen von Anlegern auf ihre persönliche Haftung aus dem Darlehensvertrag bestehe, und sie forderte die Klägerin wegen deren Haftung nach § 128 HGB zur Zahlung des auf ihre Haftungsquote entfallenden Betrages auf. Im März 2009 wurde über das Vermögen der A. das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter der A. erklärte mit Schreiben vom 13. Juli 2009, er halte gegenüber der Klägerin an den Zahlungsaufforderungen wegen der Darlehensforderung fest.
9
Zwischen den Gesellschaftern der Fondsgesellschaft und ihren Vertragspartnern bestanden verschiedene, im Emissionsprospekt angesprochene Verflechtungen: Die Zweite A. Beteiligungsgesellschaft mbH ist als Alleingesellschafterin sowohl der geschäftsführenden Gesellschafterin der Fondsgesellschaft, der A. GmbH, als auch der Klägerin und der darlehensgebenden A. aufgeführt. Als Geschäftsführer der Klägerin, der A. und der Zweiten A. Beteiligungsgesellschaft mbH sind K. G. , L. W. und G. U. und als Geschäftsführer der A. GmbH K. G. , L. W. und P. S. bezeichnet.
10
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin vom Beklagten, sie von ihrer Haftung aus § 128 HGB für Forderungen der A. auf Rückzahlung eines anteiligen Darlehensbetrages von 15.700,67 € nebst Zinsen freizustellen. Im Berufungsrechtszug ist sie auf einen entsprechenden Zahlungsantrag übergegangen; insoweit verfolgt sie den Freistellungsantrag nur noch hilfsweise.
11
Das Landgericht hat der Klage weitgehend entsprochen, während das Oberlandesgericht sie auf die Berufung des Beklagten vollständig abgewiesen hat. Mit ihrer vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter.