Bankrecht

Unbegründeter Anspruch auf Rückabwicklung eines Darlehensvertrages wegen verfristeter Widerrufsausübung

Aktenzeichen  5 U 2027/19

Datum:
15.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 46445
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 492 Abs. 2

 

Leitsatz

Die Formulierung der Auszahlungsbedingungen entsprechen den Anforderungen, die der historische Gesetzgeber im Blick hatte. Die vereinbarten Auszahlungsbedingungen ergeben sich aus dem Vertrag und sind für einen aufmerksamen und verständigen Verbraucher klar erkennbar. Es ist hinreichend deutlich gemacht, dass zum einen die Darlehensvaluta an einen Dritten – nämlich den Verkäufer – fließt und der Verbraucher nicht die Darlehensvaluta, sondern den Besitz an dem finanzierten Fahrzeug erhält. (Rn. 14) (red. LS Andy Schmidt)

Verfahrensgang

35 O 14148/18 2019-04-01 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 01.04.2019, Aktenzeichen 35 O 14148/18, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des insgesamt vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 45.282,22 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche nach Widerruf eines Darlehensvertrags, den er zur Finanzierung eines Pkws geschlossen hatte, geltend.
Der Darlehensvertrag datiert vom 27.06.2015 (vgl. Anl. K 1), der Widerruf erfolgte am 11.06.2018 (Anl. K 3). Wegen der weiteren Einzelheiten, auch der erstinstanzlich gestellten Anträge, wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die Feststellungen des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Widerruf sei verfristet gewesen, da die Widerrufsfrist im Zeitpunkt des Widerrufs bereits gewesen abgelaufen sei. Der Kläger habe alle gemäß § 492 Abs. 2 BGB a.F. erforderlichen Pflichtangaben erhalten. Die Widerrufsinformation, insbesondere auch im Punkt „Widerrufsfolgen“, sei ordnungsgemäß.
Gegen dieses Urteil, das ihm am 15.04.2019 zugestellt worden ist, richtet sich die Berufung des Klägers, die er am 26.04.2019 eingelegt und mit am Montag, 17.06.2019 eingegangenem Schriftsatz begründet hat. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts und führt aus, die in der Widerrufsbelehrung verwendete Schrift sei zu klein. Die Beklagte habe außerdem unzureichend über Pflichtangaben belehrt. Unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Landgerichts Stuttgart ist er der Ansicht, die Europäischen Standardinformationen seien nicht Vertragsbestandteil geworden. Die Beklagte habe den Kläger auch nicht ordnungsgemäß über das bei Kündigungen einzuhaltende Verfahren belehrt, insbesondere sei fehlerhaft, dass dem Verbraucher für seine Kündigung Textform vorgeschrieben werde. Die Widerrufsbelehrung sei auch fehlerhaft, weil die Angabe des Tageszinses von 0,00 € für den Fall des Widerrufs verwirrend sei.
Der Kläger beantragt in der Berufungsinstanz unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München I vom 01.04.2019, Az.: 35 O 14148/18 zu erkennen:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 45.282,22 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen nach Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs … mit der Fahrzeugidentifikationsnummer … nebst Fahrzeugschlüsseln und Fahrzeugpapieren.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des unter Ziffer 1 genannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet,
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 865,37 € freizustellen.
Die Beklagte beantragt in der Berufungsinstanz:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Senat hat mit Beschluss vom 24.06.2019 darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, da das Landgericht zu Recht von einer im Zeitpunkt des Widerrufs bereits abgelaufenen Widerrufsfrist ausgegangen sei.
Hiergegen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 09.07.2019 jeweils unter Vertiefung seines bisherigen Vorbringens eingewandt, dass in Anbetracht der Anzahl der Klagen, die gegen die Beklagte anhängig seien, sowie der unterschiedlichen Rechtsprechung bezüglich gleichartig gelagerter Fälle, die Zulassung der Revision erforderlich sei. Die Europäischen Standardinformationen seien nicht in den Vertrag einbezogen worden. Der Kläger müsse nicht darlegen, dass die Beklagte die Klagepartei bei Vertragsschluss nicht über alle Pflichtangaben gem. Art. 247, §§ 6-13 EGBGB belehrt habe. Das Gericht habe die Einhaltung der Pflichtangaben von Amts wegen zu prüfen.
Zur Ergänzung wird auf das landgerichtliche Urteil, den Hinweisbeschluss des Senats sowie die im Berufungsrechtszug eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 01.04.2019, Aktenzeichen 35 O 14148/18, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist. Die zulässige Berufung ist offensichtlich unbegründet. Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass im Zeitpunkt der Widerrufserklärung die Widerrufsfrist bereits abgelaufen war. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf den Hinweisbeschluss vom 24.06.2019 Bezug genommen. Die weiteren Ausführungen des Klägers mit Schriftsatz vom 09.07.2019 führen zu keiner geänderten Beurteilung.
1. Das Landgericht hat festgestellt, dass dem Kläger alle gem. § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB a.F. erforderlichen Pflichtangaben ordnungsgemäß mitgeteilt worden sind (LGU Seite 9). Die Berufung zeigt nicht auf, welche Pflichtangaben das Erstgericht nicht überprüft hat, die zu einer abweichenden Entscheidung geführt hätten. Soweit sich der Kläger auf den Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 17.01.2019 bezieht, wurde dort die fehlende Angabe der Aufsichtsbehörde im Berufungsverfahren gerügt.
2. Unabhängig davon, ob die „Europäische Standardinformation für Verbraucherkredite“ (Anlage K 2) Vertragsbestandteil geworden sind, sind die darin enthaltenen Pflichtangaben auch in dem vom Kläger mit Anlage K 1 vorgelegten Darlehensvertrag enthalten. Soweit der Kläger in der Berufungsbegründung (S. 5) fehlende Pflichtangaben noch konkret gerügt hat, finden diese sich an folgenden Stellen:
2.1. Art des Darlehens Dazu enthält der Darlehensvertrag (Anlage K 1, Seite 5 von 10) die Informationen,
– dass das Darlehen zur Finanzierung das Kaufes des genau beschriebenen Fahrzeuges dient,
– dass es sich um einen Ratenkredit handelt,
– dass das Darlehen in 35 monatlichen gleichbleibenden Raten sowie einer erhöhten Schlussrate (26.378,22 €), jeweils fällig zum 30. eines Monats, zurückzuzahlen ist,
– dass die Laufzeit 36 Monate beträgt und die letzte Rate am 30.06.2018 zu zahlen ist,
– dass der Sollzinssatz über die gesamte Vertragslaufzeit gebunden ist und 3,92% beträgt und
– dass das Darlehen für private Zwecke bestimmt ist.
Diese Informationen sind hinreichend, um den Kläger über die Art seines Kredites, nämlich einen befristeten Ratenkreditvertrag mit gleichbleibenden Monatsraten, einer erhöhten Schlussrate und festem Zinssatz zu privaten Zwecken zu informieren. Sie sind auch hinreichend klar und verständlich. Dazu ist nicht erforderlich, dass diese Informationen in Form einer plakativen Zusammenfassung erteilt werden.
2.2. Auszahlungsbedingungen:
Über die Bedingungen für die Auszahlung wird der Kläger aus Seite 5 von 10 des Vertrages unter „Auszahlung des Darlehens“ informiert. Die Formulierung: „Das Darlehen wird ausbezahlt, sobald die im Darlehensvertrag vereinbarten Bedingungen für die Darlehensgewährung erfüllt und die vorgesehenen Sicherheiten bestellt sind. Die Auszahlung erfolgt zum Zeitpunkt der Fahrzeugauslieferung an den Verkäufer, …“ ist klar und eindeutig. Welche Bedingungen vereinbart wurden, ergibt sich aus dem Vertrag und ist für den angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher klar erkennbar. Mit der Formulierung ist hinreichend deutlich gemacht, dass zum einen die Darlehensvaluta an einen Dritten – nämlich den Verkäufer – fließt und der Verbraucher nicht die Darlehensvaluta, sondern den Besitz an dem finanzierten Fahrzeug erhält. Dies entspricht den Anforderungen, die der historische Gesetzgeber im Blick hatte (vgl. dazu MüKoBGB/Schürnbrand, 7. Aufl. 2017, BGB § 491a Rn. 28 m.w.N.).
2.3. Art und Weise der Anpassung des Verzugszinssatzes:
Hierüber wird auf Seite 5 von 10 bei „Ausbleibende Zahlungen“ informiert.
2.4. Als zuständige Aufsichtsbehörde wird auf Seite 5 von 10 die BaFin angegeben.
2.5. Über das einzuhaltende Verfahren bei Kündigung und die Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung wird in den Allgemeinen Darlehensbedingungen, auf die auf Seite 5 von 10 ausdrücklich hingewiesen wurde, informiert.
2.6. Über die Zugangsmöglichkeiten zum außergerichtlichen Beschwerdeverfahren wird auf Seite 5 von 10 informiert.
2.7. Der Barzahlungspreis für den PKW wurde auf Seite 5 von 10 mit 41.632,08 € angegeben.
2.8. Die klare Angabe, dass ein Widerrufsrecht besteht, ergibt sich eindeutig aus der Widerrufsinformation auf Seite 7 von 10. Unter der Überschrift Widerrufsrecht ist hier ausgeführt „Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen widerrufen.“.
2.9. Im Übrigen kann sich die Beklagte, wie bereits hingewiesen, auf die Gesetzlichkeitsfiktion der Musterwiderrufsbelehrung berufen.
3. Dem Antrag des Klägers auf Zulassung der Revision war nicht zu entsprechen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Der Umstand, dass eine Vielzahl von gleichgelagerten Klagen gegen die Beklagte anhängig gemacht wurden, gibt der Sache keine grundsätzliche Bedeutung. Es liegt auch kein Fall der Divergenz vor. Rechtskraftfähige Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte, von denen der Senat abweichen würde, sind hier nicht bekannt und auch nicht vorgetragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.

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