Bankrecht

Verletzung rechtlichen Gehörs beim Schadensersatzanspruch hinsichtlich der Rückabwicklung einer Fondsbeteiligung

Aktenzeichen  20 U 1091/17

Datum:
10.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 596
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 139, § 538 Abs. 2 Nr. 1
GG Art. 103 Abs. 1
HGB § 17 Abs. 1, § 25
VerkProspG § 13 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 311 Abs. 3
MarkenG § 3 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das erkennende Gericht dazu, entscheidungserheblichen Sachvortrag und Beweisangebote der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und diese bei der Urteilsfindung zu berücksichtigen. (Rn. 16) (red. LS Andy Schmidt)
2 Eine richterliche Würdigung des Parteivortrages, die auf den wesentlichen Kern des Vorbringens überhaupt nicht eingeht, ist im Hinblick auf die Anforderungen des Art. 103 Abs. 1 GG nicht anders zu behandeln als ein kommentarloses Übergehen des Vortrags (ebenso BGH BeckRS 2008, 02833).    (Rn. 16) (red. LS Andy Schmidt)

Verfahrensgang

35 O 4264/15 2017-03-10 Urt LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts München I vom 10.03.2017, Az. 35 O 4264/15, samt dem zugrunde liegenden Verfahren aufgehoben, soweit die Klage gegen den Beklagten zu 2) abgewiesen wurde. Die Aufhebung umfasst auch die Kostenentscheidung, soweit sie den Beklagten zu 2) betrifft.
Der Rechtsstreit wird im Umfang der Aufhebung zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Berufung gegen den Beklagten zu 2), an das Landgericht zurückverwiesen.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Von den Gerichtskosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger die Hälfte. Der Kläger trägt seine eigenen außergerichtlichen Kosten im Berufungsverfahren zur Hälfte selbst. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 4) im Berufungsverfahren trägt der Kläger. Im Übrigen bleibt die Entscheidung über die Kosten der Berufung dem Landgericht vorbehalten.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagte zu 4) durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zu 4) vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 30.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Der Kläger verlangt im Berufungsverfahren von den Beklagten zu 2) und zu 4) im Wege des Schadensersatzes die Rückabwicklung seiner Fondsbeteiligung.
Der Kläger beteiligte sich am 09. Juni 2011 mit einer Beteiligungssumme von 30.000 € an der S. C. E. 7 GmbH & Co. KG. Der Zeichnungsschein trägt den Stempel der „d.24.de Anlageberatung GmbH“ als Vermittlerin. Der Kläger erhielt Auszahlungen in Höhe von 2.100 €. Für die Beteiligung wurde ein Emissionsprospekt herausgegeben, welcher am 04.03.2011 veröffentlicht wurde. Anteile an der Fondsgesellschaft wurden ab dem 05.03.2011 angeboten.
Der Kläger hat vor dem Landgericht vorgetragen, der Beteiligungsprospekt, anhand dessen er beraten worden seien, sei fehlerhaft. Darüber hinaus hätten die Beklagten zu 1) und zu 2) von Beginn an beabsichtigt, Anleger zum Abschluss der hochriskanten und wirtschaftlich unplausiblen Beteiligungen zu veranlassen und sie über die Risiken bewusst zu täuschen; diese Beklagten hätten ein Schneeballsystem betrieben. Deshalb ergebe sich eine Haftung der Beklagten wegen fehlerhafter Beratung und der Beklagten zu 1) und 2) auch aus Delikt. Bei korrekter Information hätten sich der Kläger nicht an der streitgegenständlichen Fondsgesellschaft beteiligt.
Die Beklagte zu 4) hafte nach § 25 HGB im Rahmen der Rechtsnachfolge bzw. Firmenfortführung des Unternehmens „dima24.de“.
Der Beklagte zu 2) hat die Darstellung des Klägers in Abrede gestellt.
Die Beklagte zu 4) hat darauf verwiesen, dass die Voraussetzungen einer Haftung nach § 25 HGB nicht vorlägen.
Auf die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils und die dort gestellten Anträge wird ergänzend Bezug genommen.
Mit Teilversäumnis- und Endurteil vom 10. März 2017 hat das Landgericht die Beklagten zu 1) und 3) antragsgemäß verurteilt und die Klage gegen die Beklagten zu 2) und 4) abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass etwaige Ansprüche gegen den Beklagten zu 2) aus § 13 Abs. 1 Nr. 1 VerkProspG und Prospekthaftung im engeren Sinne verjährt seien. Ansprüche aus Prospekthaftung im weiteren Sinne seien nicht gegeben, weil der Beklagte zu 2) kein besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und kein unmittelbares eigenes wirtschaftliches Interesse am Vertragsabschluss gehabt habe. Die tatsächlichen Voraussetzungen für deliktische Ansprüche seien nicht ausreichend substantiiert vorgetragen. Der klägerische Sachvortrag erschöpfe sich in Mutmaßungen, es bestünden erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass das streitgegenständliche Emissionshaus sowie die anderen vom Beklagten zu 1) gegründeten Emissionshäuser ein Schneeballsystem betrieben hätten, und dass der Beklagte zu 2) daran mitgewirkt habe. Soweit der Kläger Zeugenbeweis angeboten habe, handele es sich um unbeachtliche Beweisermittlungsanträge.
Die Beklagte zu 4) hafte nicht nach § 25 HGB. Der Kläger trage schon zum Erwerb eines Handelsgeschäfts nichts vor. Auch werde die bisherige Firma nicht fortgeführt; der Firmenname der Beklagten zu 4) weise keine Ähnlichkeit zu „d.24.de“ auf. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass sie diese Bezeichnung firmenähnlich verwende.
Mit seiner Berufung erstrebt der Kläger die Aufhebung des in Richtung der Beklagten zu 2) und zu 4) ergangenen klageabweisenden Urteils. Er wiederholt seine zuletzt in erster Instanz hinsichtlich der Beklagten zu 2) und zu 4) gestellten Anträge, hilfsweise beantragt er die Zurückverweisung an die erste Instanz.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt Anlagen und die Hinweise des Gerichts wird ergänzend Bezug genommen.
II.
Die Berufung des Klägers ist insoweit begründet, als der Rechtsstreit gegen den Beklagten zu 2) auf den Hilfsantrag des Klägers zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen ist, weil der Anspruch des Klägers auf Gewährung des rechtlichen Gehörs vom Landgericht in entscheidungserheblicher Weise verletzt worden und infolge dieses Verfahrensfehlers die Durchführung einer umfangreichen Beweisaufnahme unterblieben ist, die nachzuholen sein wird (§ 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
Das Verfahren im ersten Rechtszuge leidet insoweit an einem wesentlichen Mangel und aufgrund dieses Mangels ist eine umfangreiche Beweisaufnahme notwendig (§ 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), ohne welche das Verfahren nicht entscheidungsreif ist.
1. Der klägerische Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs wurde entscheidungserheblich verletzt:
Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das erkennende Gericht dazu, entscheidungserheblichen Sachvortrag und Beweisangebote der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und diese bei der Urteilsfindung zu berücksichtigen (BVerfG, NJW 2000, 131; BGH, NJW-RR 2007, 714; BGH, NJW 2008, 3438; BGH, NJW 2008, 1531). Zur Gewährung des rechtlichen Gehörs im Zivilprozess gehört auch, dass die Parteien wissen, was das erkennende Gericht für entscheidungserheblich hält, d.h. eine Verletzung der Hinweispflichten stellt ebenfalls eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung des rechtlichen Gehörs dar (BGH, Beschluss vom 26. Juni 2007, XI ZR 201/06, juris). Eine richterliche Würdigung des Parteivortrages, die auf den wesentlichen Kern des Vorbringens überhaupt nicht eingeht, ist im Hinblick auf die Anforderungen des Art. 103 Abs. 1 GG nicht anders zu behandeln als ein kommentarloses Übergehen des Vortrags (BGH, Beschluss vom 10. Januar 2008, V ZR 81/07, juris). Diesen Anforderungen des Art. 103 Abs. 1 GG ist das Landgericht nicht gerecht geworden.
a) Mögliche Ansprüche aus § 13 Abs. 1 Satz 1 VerkProspG und Prospekthaftung i.e.S. hat das Landgericht zu Recht als verjährt angesehen.
b) Eine Haftung des Beklagten zu 2) aus Prospekthaftung im weiteren Sinne bzw. aus § 311 Abs. 3 BGB hat das Landgericht zutreffend verneint. Die vom Kläger vorgetragenen Umstände sind nicht geeignet, ein besonderes Vertrauen der Anleger des streitgegenständlichen Fonds in die Person des Beklagten zu 2) zu begründen. Auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts wird Bezug genommen. Ein haftungsrechtlich relevantes unmittelbares eigenes wirtschaftliches Interesse am Abschluss des Geschäfts (BGH, Urteil vom 4. Mai 2004, XI ZR 41/03, juris) hat das Landgericht ebenfalls zutreffend verneint. Im Übrigen ersetzt ein solches Interesse auch nicht ein – hier nicht ersichtliches – für den Anleger erkennbares Auftreten nach außen (BGH, Urteil vom 23. Oktober 1985, VIII ZR 210/84, juris).
c) Hinsichtlich der möglichen Haftung des Beklagten zu 2) aus unerlaubter Handlung leidet das angefochtene Urteil an mehreren Verfahrensfehlern, auf Grund derer eine umfängliche Beweisaufnahme vor dem Landgericht vermieden wurde.
aa) Aus den Urteilsgründen erschließt sich schon nicht, warum das Landgericht der Klage zwar in Richtung auf den Beklagten zu 1) durch Versäumnisurteil stattgegeben, sie jedoch in Richtung auf den Beklagten zu 2) durch das angefochtene Urteil abgewiesen hat. Warum die Klage nach Auffassung des Landgerichts in Richtung auf den Beklagten zu 1) schlüssig (vgl. z.B. Thomas/Putzo, ZPO, 38. Aufl. 2017, § 331 Rn. 5), in Richtung auf den Beklagten zu 2) aber unschlüssig sein soll, wird nicht begründet.
bb) Nicht vertretbar ist die Auffassung des Landgerichts, das Vorbringen der Kläger zu einer deliktischen Haftung des Beklagten zu 2) sei „unsubstantiiert“ und pauschal, weshalb kein Beweis zu erheben sei.
Die Ablehnung eines Beweises kann allenfalls dann geboten sein, wenn eine beweiserhebliche Tatsache zwar in das Gewand einer bestimmt aufgestellten Behauptung gekleidet, aber aufs Geratewohl gemacht, gleichsam „ins Blaue“ aufgestellt, mit anderen Worten aus der Luft gegriffen ist und sich deshalb als Rechtsmissbrauch darstellt. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist Zurückhaltung geboten; in der Regel wird sie nur das Fehlen jeglicher Anhaltspunkte rechtfertigen können (BGH, Urteil vom 23.04.1991 – X ZR 77/89 – NJW 1991, 2707/2709).
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt eine Partei dann ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe von Einzelheiten zu dem Ablauf bestimmter Ereignisse ist grundsätzlich nicht erforderlich, wenn diese für die Rechtsfolgen ohne Bedeutung sind. Dementsprechend ist eine Partei grundsätzlich nicht gehalten, zur Substantiierung einer Klage, die sich auf eine getroffene Einigung stützt, zu den Umständen dieser Vereinbarung, wie Zeit, Ort oder teilnehmende Personen, detailliert vorzutragen. Diese Umstände sind Gegenstand der Beweisaufnahme; diese kann nicht davon abhängig gemacht werden, dass sie von der beweispflichtigen Partei im Einzelnen vorgetragen werden (BGH, Urteil vom 19. Mai 2011, VII ZR 24/08, juris Rn. 14 mwN).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Kläger hinreichend substantiiert vorgetragen und hätte eine Beweisaufnahme nicht unterbleiben dürfen.
Der Kläger hat in der Klageschrift vom 09.03.2015 und den Schriftsätzen vom 10.08.2016 sowie vom 26.09.2016 umfangreich, verbunden mit dem Angebot zahlreicher Zeugen, zu der von ihm behaupteten prospektwidrigen Verwendung des Anlegerkapitals durch den Beklagten zu 2) und dem von vornherein von ihm und dem Beklagten zu 1) beabsichtigten Schneeballsystem vorgetragen, das nicht nur den streitgegenständliche, sondern alle S. C. – und NCI-Fonds sowie weitere Fonds umfasst habe. Mit diesem Sachvortrag hat sich das Landgericht nicht auseinandergesetzt. Eine richterliche Würdigung des Parteivortrages, die auf den wesentlichen Kern des Vorbringens überhaupt nicht eingeht, ist im Hinblick auf die Anforderungen von Artikel 103 Abs. 1 GG nicht anders zu behandeln als ein kommentarloses Übergehen des Vortrages (BGH, Urteil vom 10. Januar 2008, V ZR 81/07, juris).
Beispielhaft, aber nicht abschließend, wird zum klägerischen Sachvortrag und seinen Beweisangeboten verwiesen auf die Seiten 8 ff. und 41 f. der Klageschrift, Seiten 12 ff. des Schriftsatzes vom 10.08.2016 und Seiten 7 ff. des Schriftsatzes vom 26.09.2016. Dort wird ausdrücklich unter Beweisantritt dargelegt, dass Anleger nach behauptet erfolgreicher Beendigung der Beteiligung an den ersten beiden S. C.-Fonds zur Investition in den Fonds S. C. IV bewegt worden seien, um das Kapital nicht auszahlen zu müssen, wobei eine nicht existierende Kapitalgarantie behauptet worden sei. Die Zielobjekte hätten nicht existiert, die Anlegergelder seien entsprechend vorgefasster Absicht in Gesellschaften des Beklagten zu 2) geflossen. In Absprache mit dem Beklagten zu 2) sei Anweisung erteilt worden, Risiken zu verharmlosen und – nicht existierende – Sicherheiten in den Vordergrund zu rücken. Der Kläger hat ferner unter Beweisantritt vorgetragen, dass erhebliche Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die teils prospektierten gewinnunabhängigen Auszahlungen aus Einzahlungen neu beigetretener Anleger erfolgt seien.
Die Würdigung des Landgerichts, wonach der klägerische Sachvortrag im Wesentlichen pauschal und unsubstantiiert sei, hat keinen Bestand. Es handelt sich gerade nicht um erkennbar aufs Geratewohl aufgestellte Mutmaßungen, denen jeder tatsächliche Anhaltspunkt fehlen würde. Vielmehr hat der Kläger konkrete Tatsachen schlüssig vorgetragen, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Kläger entstanden erscheinen zu lassen, wobei in diesem Zusammenhang auch die Tatsache, dass seit Jahren ein Ermittlungsverfahren gegen den Beklagten zu 2) betrieben wird, hätte berücksichtigt werden müssen.
Eine Partei ist nicht gehindert, im Zivilprozess Tatsachen zu behaupten, über die sie keine genaue Kenntnis haben kann, die sie aber nach Lage der Dinge für wahrscheinlich hält. Unzulässig wird ein solches prozessuales Vorgehen erst dort, wo die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufstellt, wobei in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt ist, dass in der Regel nur das Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte Willkür rechtfertigen kann (BGH, Urteil vom 20. Juni 2002, IX ZR 177/99, juris Rn. 17). Davon kann hier aber keine Rede sein, wie nicht zuletzt die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen den Beklagten belegen, ohne dass es darauf ankommt, welchen Sachverhalt diese genau betreffen.
cc) Ob die Verkennung der Substantiierungsanforderungen bereits als solches einen Verfahrensfehler darstellt (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 22. Januar 2016, V ZR 196/14, juris), kann hier dahinstehen. Denn jedenfalls liegt ein die Aufhebung und Zurückverweisung rechtfertigender schwerer Verfahrensfehler i.S.v. § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO bereits vor, weil das Landgericht unter Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs den Kern des Vorbringens einer Partei verkannt und deshalb eine entscheidungserhebliche Frage verfehlt hat (BGH, Urteil vom 6. November 2000, II ZR 67/99, ZIP 2001, 28; BGH, Urteil vom 1. Februar 2010, II ZR 209/08, juris).
dd) Außerdem hätte das Landgericht gem. § 139 ZPO frühzeitig auf seine Auffassung, dass es das Vorbringen des Klägers für „pauschal“ bzw. „unsubstantiiert“ hält, hinweisen und diesem Gelegenheit zur Konkretisierung geben müssen. Den hierdurch in die zweite Instanz verlagerten ergänzenden Vortrag der Parteien wird das Landgericht bei seiner erneuten Entscheidung ebenfalls zu berücksichtigen haben.
2. Eine Erhebung der notwendigen Beweise durch das Berufungsgericht (§ 538 Abs. 1 ZPO) hält der Senat nicht für sachdienlich.
Zwar ist die Zurückverweisungsvorschrift des § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO eine Ausnahmeregelung, die den Grundsatz der Prozessbeschleunigung nur durchbricht, wenn die Aufhebung des angefochtenen Urteils wegen eines wesentlichen Verfahrensfehlers erfolgt und noch eine umfangreiche oder aufwendige Beweisaufnahme notwendig ist. Bei der erforderlichen Abwägung ist auch in Erwägung zu ziehen, dass eine Zurückverweisung der Sache in aller Regel zu einer weiteren Verteuerung und Verzögerung des Rechtsstreits und zu weiteren Nachteilen führt und dies den schützenswerten Interessen der Parteien entgegenstehen kann (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 16.12.2004 – VII ZR 270/03 – juris Rn. 23).
Vorliegend ist nach derzeitigem Sachstand eine äußerst umfangreiche Beweisaufnahme durchzuführen. Auch fehlt bisher, wie oben dargelegt, eine konkrete Aufarbeitung des Sach- und Streitstands durch das Landgericht, die Gegenstand eines Berufungsverfahrens sein könnte. Zudem ist bedingt durch den Verstoß des Landgerichts gegen seine Hinweispflicht gemäß § 139 ZPO eine weitere Ausweitung der erforderlichen Beweisaufnahme infolge ergänzenden klägerischen Vortrags wahrscheinlich. All dies spricht nach Auffassung des Senats entscheidend für die Wahrung des vollen Instanzenzuges und die Hinnahme der damit verbundenen Nachteile. Der Rechtsstreit könnte auch vom Senat nicht kurzfristig zur Entscheidungsreife gebracht werden, sodass der mit der Zurückverweisung verbundene – weitere – Zeitverlust relativ gering erscheint.
3. Für das weitere Verfahren weist der Senat noch auf folgendes hin:
a) Das Landgericht hat bisher nicht in Erwägung gezogen, dass eine sekundäre Darlegungslast des Beklagten zu 2) gegeben sein könnte. Eine solche sekundäre Darlegungslast, die die Verteilung der Beweislast unberührt lässt, setzt voraus, dass die nähere Darlegung dem Behauptenden nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. Diese Grundsätze kommen insbesondere bei Schadensersatzansprüchen zur Geltung, die aus der Veruntreuung anvertrauter Gelder hergeleitet werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob auch ein entsprechender Auskunftsanspruch besteht (BGH, Urteil vom 10. Februar 2015, VI ZR 343/13, juris). Hier kommt bei Berücksichtigung dieser Grundsätze eine sekundäre Darlegungslast des Beklagten zu 2) insbesondere im Zusammenhang mit der Verwendung der Anlegergelder in Betracht. Der Beklagte zu 2) war auch nach eigenem Vortrag für die Investition verantwortlich. Der Kläger hingegen kann nur Rückschlüsse aus Begleittatsachen ziehen.
b) Ergänzend wird auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12. Februar 2015 (III ZR 141/14, juris Rn. 33) hingewiesen, wonach die Führung eines „Pilotverfahrens“ zulässig wäre. Es ist einem Gericht gestattet, aus mehreren gleichgelagerten (Massen-) Verfahren einige als „Musterverfahren“ herauszugreifen, diese zu bearbeiten und währenddessen die übrigen Streitigkeiten nicht zu fördern. Die Entscheidung, ein „Pilotverfahren“ durchzuführen, gehört danach zu den verfahrensgestaltenden Befugnissen eines Gerichts. Auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 148 ZPO kommt es nicht. Der Umstand, dass die Voraussetzungen einer förmlichen Aussetzung des Verfahrens wegen Vorgreiflichkeit nicht gegeben sind, steht der Durchführung eines Musterprozesses nicht entgegen.
Das Landgericht muss daher nicht zwingend alle Verfahren sofort und gleichzeitig betreiben; es könnte ggf. auch zunächst Pilotverfahren durchführen, wobei allerdings dann der Verwertung der Ergebnisse der Beweisaufnahme in den übrigen Verfahren von den Parteien zugestimmt werden müsste.
III.
Nicht begründet ist die Berufung, soweit der Kläger Ansprüche gegen die Beklagte zu 4) weiterverfolgt.
Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass die Beklagte zu 4) nicht die Firma „d.24.de“ fortführt und deshalb nicht gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB für Geschäftsverbindlichkeiten von „d.24“- Unternehmen haftet.
1. Die Haftung aus § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB greift ein, wenn zwar der Unternehmensträger wechselt, das Unternehmen selbst aus der Sicht des maßgeblichen Verkehrs aber im Wesentlichen unverändert unter der alten Firmenbezeichnung fortgeführt wird (BGH, Urteil vom 16.09.2009 – VIII ZR 321/08 – NJW 2010, 236/237 Tz. 13; Urteil vom 06.07.2012 – III ZR 116/11 – WM 2012, 1482/1483 Tz. 18).
2. Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass eine Haftung der Beklagten zu 4) nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB jedenfalls schon deshalb ausscheidet, weil die Beklagte zu 4) nicht die Firma eines der „d.24“-Unternehmens fortführt, sondern eine davon völlig losgelöste und nicht verwechslungsfähige Firma gewählt hat („RW C.I. GmbH“).
a) Der Erwerber im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB muss zur Haftungsbegründung als zweites Element der Kontinuität nach außen auch die bisherige Firma fortführen. Dabei ist es einerlei, ob dies durch Firmenerwerb oder Nachbildung derselben Firma erfolgt (BGH, Urteil vom 29.03.1982 – II ZR 166/81, NJW 1982, 1648). Die Firma muss nicht unbedingt wort- und buchstabengetreu übernommen werden. Der Kern der alten und neuen Firma müssen sich aber gleichen, wobei entscheidend für die Firmenidentität die Verkehrsanschauung ist (BGH, Urteil vom 04.11.1991 – II ZR 85/91, NJW 92, 911). Die Firma ist der Name des Kaufmanns im Handelsverkehr bzw. der Geschäftsname des Kaufmanns (§ 17 Abs. 1 HGB).
b) Der Name der Beklagten zu 4) führt die Namen der früheren Gesellschaften nicht fort. Es besteht auch keine (Klang-)Ähnlichkeit. Sie verwendete die Bezeichnung „d.24.de“ nicht namensmäßig für ihre Gesellschaft (also als ihren Namen im Rechtsverkehr), sondern (nur) für die von ihr vertriebenen Produkte und Dienstleistungen (vgl. § 3 Abs. 1 MarkenG). Nichts anderes ergibt sich aus den Dokumenten, auf die sich der Berufungsführer bezieht. Auf dem Formular „Verzicht auf Haftungsfreistellung und Beratung“ ist die Bezeichnung „d.24“ als Marke gekennzeichnet. Nichts anderes gilt schon nach dem Vortrag des Klägers (Bl. 171 d.A.) zum Post-ident-Formular.
Soweit die Beklagte zu 4) den Firmenkern („d.24.de“) der d.24.de – Gesellschaften weiter nutzte, erfolgte dies nicht „firmenmäßig“, sondern zur Bezeichnung der von der Beklagten zu 4) betriebenen Geschäfte (vgl. BFH, Urteil vom 20.05.2014 – VII R 46/13 juris Tz. 14; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 11.11.2013 – 3 W 84/13 = NJW-RR 2014, 672). Selbst wenn sie insoweit bewusst und gewollt den Eindruck einer Kontinuität ihrer Geschäftstätigkeit mit derjenigen der beiden aufgelösten Gesellschaften herbeiführen wollte, um werbend auf dem Markt aufzutreten, erfüllt dies nicht den Tatbestand des § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB, der – sehr formal – auf die Fortführung des Geschäftsbetriebs „unter der bisherigen Firma“ abstellt.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, soweit die Berufung zurückgewiesen wurde.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO, soweit der Rechtsstreit zurückverwiesen wird (Zöller/Heßler, ZPO 32. Aufl. § 538 Rn. 59), im Übrigen aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Zulassung der Revision ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, da die wesentlichen Rechtsfragen bereits vom Bundesgerichtshof entschieden worden sind.

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