Bankrecht

Vorhandensein der Balkonabläufe auf der Baustelle

Aktenzeichen  28 U 3609/15 Bau

Datum:
29.2.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 137478
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UStG § 13 b
ZPO § 3, § 97 Abs. 1, § 156 Abs. 2, § 287, § 522 Abs. 2, § 708 Nr. 10
VOB/B § 17 Abs. 6 Nr. 3
§§ 951 Abs. 1 Satz 1, 812 Abs. 1 Satz 1, 3.Alt., 818, 951 Abs. 1 Satz 2 BGB

 

Leitsatz

Verfahrensgang

5 O 5430/13 Bau 2015-09-14 Endurteil LGMUENCHENII LG München II

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 14.09.2015, Aktenzeichen 5 O 5430 / 13 Bau in der Fassung des Beschlusses vom 23.9.2015 wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München II ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 25.822,28 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche aus verschiedenen Verträgen und Materiallieferungen sowie über mit diesen in Verbindung stehende Mängel- und Schadensersatzansprüche.
Die Klägerin begehrte von der Beklagten mit der Klage in der Hauptsache
a) EUR 12.324,57 aus Materiallieferung nebst Zinsen, wobei die Klage bzgl. des Betrages von EUR 12.324,57 übereinstimmend für erledigt erklärt wurde. Insoweit war vom Landgericht in der Hauptsache nur noch über die Zinsen zu entscheiden. Die Zinsen hat das Landgericht zugesprochen. Dagegen wendet sich die Berufung der Beklagten nicht.
b) EUR 2.977,88 nebst Zinsen für den Einbau von der Klägerin gehörenden Balkonabläufen.
Die Beklagte ließ diverse „Balkonabläufe“, welche sich auf dem Grundstück des streitgegenständlichen Bauvorhabens befanden und welche im Eigentum der Klägerin standen, verbauen. Das Landgericht sprach der Klägerin den begehrten Betrag in vollem Umfang zu aus §§ 951 Abs. 1 Satz 1, 812 Abs. 1 Satz 1, 3.Alt., 818, 951 Abs. 1 Satz 2 BGB. Insbesondere war das Landgericht nach der durchgeführten Beweisaufnahme nicht ausreichend davon überzeugt, dass die Parteien einen Vertrag über Abdichtungsmaßnahmen an den Balkonen abgeschlossen hatten.
c) EUR 23.084,40 nebst Zinsen als Werklohn.
Der von Klägerseite geltend gemachte (Werklohn-)Anspruch von EUR 23.084,40 setzt sich zusammen aus einer Pauschalvergütung von EUR 48.000,00 netto (Zahlungsplan EUR 15.000,00, EUR 20.000,00, EUR 13.000,00) zuzüglich Mehrwertsteuer EUR 9.120,00, abzüglich Abschlägen von zusammen EUR 34.035,60; dies ergibt insgesamt EUR 23.084,40.
Diesen geltend gemachten Anspruch hat das Landgericht in Höhe von EUR 22.844,40 zugesprochen Das Landgericht führt im Urteil zudem aus, dass der Anspruch nicht um das vereinbarte Skonto zu reduzieren sei und Gegenrechte der Beklagten nicht bestünden und zwar weder aus Vertragsstrafe, Schadenspositionen bzgl. der Balkonabläufe oder Ansprüchen bzgl. Tiefgaragenabdichtungsarbeiten.
Gegen das Urteil hat die Beklagtenseite Berufung eingelegt.
In der Berufungsbegründung werden im Wesentlichen folgende Rügen gegen das landgerichtliche Urteil erhoben:
a) Die Anlieferung der Balkonabläufe sei nicht ohne Rechtsgrund erfolgt. Vielmehr sei zwischen den Parteien wirksam ein Vertrag über die Durchführung von Abdichtungsarbeiten an den Balkonen sowie weiteren Bauteilen geschlossen worden. Dieser Vertragsschluss sei durch die durchgeführte Beweisaufnahme bewiesen. Außerdem entspreche der Wert der Balkonabläufe nicht dem abgerechneten Wert.
b) Das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Klägerin Anspruch auf Umsatzsteuer gegenüber der Beklagten habe. Tatsächlich stehe der Klägerin kein Anspruch auf Zahlung von Umsatzsteuer zu.
c) Der Werklohnanspruch der Klägerin sei mangels Abnahme noch nicht fällig. Eine Abnahme habe nicht stattgefunden. Insoweit liege zudem eine Überraschungsentscheidung des Landgerichts vor.
d) Das Landgericht habe zu Unrecht angenommen, dass die Fälligkeit des Restwerklohnanspruchs gegeben sei, weil ein Anspruch der Beklagten auf Gewährleistungsbürgschaft nicht mehr bestehe.
e) Die Beklagte habe zudem Gegenansprüche
aa) aus Vertragsstrafe,
bb) aus Schadenspositionen im Zusammenhang mit den Balkonabläufen und
cc) aus Ersatzvornahmekosten bzgl. der Tiefgaragenabdichtungsarbeiten.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München II sowie auf den Hinweis des Oberlandesgerichts München vom 20.1.2016 Bezug genommen.
Im Berufungsverfahren beantragt die Beklagte:
I. Das Urteil des Landgerichts München II vom 14.09.2015, Az 5 O 5430/13 Bau, zugestellt am 17.09.2015, wird aufgehoben, soweit die Beklagte verurteilt wurde, an die Klägerin 2.977,88 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszins seit 28.02.2014 sowie 22.844,40 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszins seit 03.09.2015 zu bezahlen.
II. Die Klage wird abgewiesen, soweit die Beklagte verurteilt wurde, an die Klägerin 2.977,88 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszins seit 28.02.2014 sowie 22.844,40 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszins seit 03.09.2015 zu bezahlen.
III. Die Klägerin und Berufungsbeklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Der Senat hat mit Verfügung vom 20.1.2016 (Blatt 217 d.A.) darauf hingewiesen, dass und weshalb beabsichtigt ist, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Hierzu ging eine Stellungnahme der Beklagtenseite vom 22.2.2016 ein.
Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteien im Berufungsverfahren sowie auf den Hinweis des Senats vom 20.1.2016 Bezug genommen.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 14.09.2015, Aktenzeichen 5 O 5430/13 Bau (berichtigt durch Beschluss vom 23.9.2015), ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
Zur Begründung wird auf den Hinweis des Senats vom 20.1.2016 Bezug genommen.
Auch die Ausführungen der Beklagtenseite im Schriftsatz vom 22.2.2016 ändern nichts an der Auffassung des Senats.
1. Soweit die Beklagtenseite im Schriftsatz vom 22.2.2016 ausführt, dass ein Vertragsschluss nachgewiesen sei, wurde in dem Hinweis des Senats vom 20.1.2016 unter II.1.a ausgeführt, dass und warum der Senat der Auffassung ist, dass das Urteil des Landgerichts insoweit nicht rechtsfehlerhaft ist.
a) Soweit die Beklagtenseite darauf hinweist, dass die tatsächlichen Handlungen der Klägerin, insbesondere die Anwesenheit deren Mitarbeiter bei Besprechungen, nur so zu erklären seien, dass sie selbst von einem wirksamen Vertragsschluss ausgegangen sei, begründet auch das im Ergebnis nicht die Fehlerhaftigkeit des landgerichtlichen Urteils.
Zwar ist grdsl. das Vorhandensein der Balkonabläufe auf der Baustelle durchaus ein Indiz für einen möglichen Vertragsschluss (was auch das Landgericht nicht verkannt hat). Aber der Senat ist – wie das Landgericht – auch unter Berücksichtigung dieses Umstandes nicht ausreichend von einem Vertragsschluss überzeugt. Daran ändert im Ergebnis auch der Umstand nichts, dass auf der Anlage K 17 der Zusatz „Bauvorhaben: K. straße 29“ enthalten ist. Das hat zwar ebenfalls indizielle Wirkung. Auch solche, zeitlich nach einem behaupteten Vertragsschluss liegende Umstände können durchaus als Indiz heranzuziehen sein bei der Beurteilung der Frage, ob vorher ein Vertrag geschlossen wurde und ob bzw. welche Beteiligte von einem Vertragsschluss ausgingen oder nicht. Genügend für eine ausreichende Überzeugung des Senats von einem Vertragssschluss ist die Anlage K 17 aber im vorliegenden Fall nicht. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Anlage K 17 nicht um einen Lieferschein der Klägerin an die Beklagte handelt, sondern um einen Lieferschein einer dritten Firma an die Klägerin. Aber auch sonst hat die Anlage K 17 hier nur eingeschränkte Aussagekraft für die Beurteilung der Beweisfrage, ob ein Vertrag geschlossen wurde: Im Schriftsatz der Beklagtenseite vom 22.2.2016 heißt es, die Klägerin habe auf die Baustelle K.straße 29 „die mit der Anlage K 7 abgerechneten Balkonabläufe“ angeliefert, „die Gegenstand des Nachtragsangebotes der Klagepartei vom 26.08.2013 waren“. Im Schriftsatz der Beklagtenseite vom15.4.2014 war darauf hingewiesen worden, dass die sechs Balkonabläufe, die in der Anlage K 7 enthalten seien (gemeint sind die sechs Abläufe für je EUR 168,61) genau der Position entsprächen, die im Nachtragsangebot vom 26.08.2013 (Anlage B 2, dort Seite 16) enthalten seien (dort sind aufgeführt: 26,00 Stk. Balkonabläufe für je EUR 168,61). Weiter heißt es in dem Schriftsatz vom 15.4.2014: „Aus welchem Grunde die Klagepartei allerdings auch noch 9 Stück Balkonabläufe für Balkone mit einer Dimension DN 50 anlieferte, kann sich die Beklagte nicht erklären“ (Blatt 13 d.A.). Demnach ging die Beklagtenseite damals selbst nicht davon aus, dass sämtliche Balkonabläufe in Erfüllung des (tatsächlichen oder vermeintlichen) Vertrags angeliefert wurden. Die Beklagtenseite selbst war der Auffassung, dass ein Teil der auf dem Grundstück vorhandenen Balkonabläufe nicht Vertragsgegenstand war. Damit verliert allerdings auch das Argument an Gewicht, dass die Lieferung nur damit zu erklären sei, dass die Klägerseite von einem Vertrag ausgegangen sei. Es spricht zwar angesichts der Anlage K 17 – auch in Zusammenschau mit den sonstigen Umständen – durchaus einiges dafür, dass es einen Vertragsschluss gab. Beweissicher überzeugt ist der Senat nicht. Dass sich die Klägerin Balkonabläufe unter dem Betreff „Bauvorhaben K.straße 29“ liefern ließ, ohne insoweit von einem Vertrag auszugehen, mag ungewöhnlich sein; völlig unglaubwürdig ist die Einlassung, dass die Abläufe von der Klägerin für ein anderes Bauvorhaben bestimmt waren, gleichwohl nicht. Auch das Landgericht wies – insoweit unwidersprochen – im Urteil darauf hin, dass auch Balkonabläufe auf der Baustelle vorhanden gewesen seien, die in dem behaupteten Vertrag nicht enthalten waren.
b) Der Umstand, dass Mitarbeiter der Klägerin an Besprechungen teilnahmen, deren Gegenstand Leistungen des behaupteten Vertrages waren, stellt – die Richtigkeit des Beklagtenvortrags unterstellt – zwar ebenfalls ein Indiz dar für einen Vertragsschluss. Auch hier ist im vorliegenden Fall die Sachlage aber nicht so eindeutig, dass der Senat ausreichend beweissicher davon überzeugt wäre, dass ein Vertrag wirklich geschlossen wurde.
Es ist unstreitig, dass zwischen den Parteien seit 14.8.2013 ein Vertragsverhältnis bestand, welches das Bauvorhaben in der K.straße 29 betraf und bei welchem die Klägerseite tatsächlich tätig war und es ist weiter unstreitig, dass zwischen den Parteien jedenfalls grundsätzlich auch über den Abschluss eines Vertrages über Abdichtungsarbeiten an den Balkonen gesprochen wurde (streitig ist indes, ob der Vertrag wirklich zustande kam). Der Senat hält es jedenfalls für denkbar, dass bei einer solchen Konstellation auch Personen an Besprechungen teilnahmen, die nicht Vertragspartner eines konkreten Vertragsnachtrags geworden sind, sei es, weil die Möglichkeit bestand, dass sich bei solchen Besprechungen Überschneidungen von Themen mit solchen ergeben, bei denen unstreitig ein Vertrag bestand, sei es, dass sich erst aus einer solchen Besprechung eine weitere konkrete Beauftragung ergibt (aber bisher noch nicht ergeben hat). Dies ist jedenfalls nicht so ungewöhnlich und fernliegend, dass deshalb die Einschätzung des Landgerichts, dass ein Vertragsschluss nicht bewiesen ist, im Ergebnis rechtsfehlerhaft wäre.
c) Auch im Übrigen hält der Senat die Aussagen des Zeugen M. nicht für so unglaubhaft, dass dieser Aussage kein Gewicht mehr beizumessen wäre. Zwar sprechen die Indizien und Aussagen durchaus für eine gewisse Wahrscheinlichkeit eines Vertragsschlusses. (Das hat zutreffend auch das Landgericht festgestellt, insbesondere im Zusammenhang mit dem Vorhandensein von Balkonabläufen vor Ort sowie der vorhandenen Schneidemaschine.) Der Senat ist gleichwohl, wie das Landgericht, nicht ausreichend beweissicher von einem Vertragsschluss überzeugt. Soweit die Beklagtenseite im Schriftsatz vom 22.2.2016 ausführt, dass der Wert der Balkonabläufe zu hoch angesetzt sei, wurde in dem Hinweis des Senats vom 20.1.2016 unter II.1.b ausgeführt, dass und warum der Senat der Auffassung ist, dass das Urteil des Landgerichts insoweit nicht rechtsfehlerhaft ist. Auch der Umstand, dass der Lieferschein Anlage K 17 zeitlich nach der Materialrechnung Anlage K 7 datiert, mag den Beweiswert mindern, ändert aber nichts daran, dass der Lieferschein eine Schätzgrundlage für den Wert nach § 287 ZPO darstellen kann. Wann der Lieferschein ausgestellt wurde, ist nicht entscheidend für die Frage der Angemessenheit der Höhe der Rechnung. Die Anlage K 17 enthält auch keine Arbeitskosten, sondern nur Stückmengen und Einheiten, woraus sich der Betrag ergibt, den das Landgericht geschätzt hat. Dass die Beträge, sowie die Balkonabläufe auch in dem Nachtragsangebot enthalten sind (was nicht bei allen der Fall ist) dem entsprechen, was im Nachtragsangebot als Betrag aufgeführt ist, führt nicht notwendig zu der Annahme, dass darin auch Arbeitskosten enthalten sein müssen. Dass die Firma G. GmbH der Klägerseite hier vorsätzlich eine falsche Rechnung ausgestellt hat, wurde nicht behauptet. Das Landgericht hat die Grenzen der richterlichen Schätzung nach § 287 ZPO nicht überschritten.
3. Soweit die Beklagtenseite im Schriftsatz vom 22.2.2016 ausführt, dass die Beklagte lediglich den Nettobetrag schulde, wurde in dem Hinweis des Senats vom 20.1.2016 unter II.2 ausgeführt, dass und warum der Senat der Auffassung ist, dass das Urteil des Landgerichts insoweit nicht rechtsfehlerhaft ist.
Auch die Ausführungen im Schriftsatz vom 22.2.2016 ändern nichts an der Auffassung des Senats. Selbst wenn die Parteien nach Vertragsschluss beide (zunächst) davon ausgegangen sein sollten, dass ohne Umsatzsteuer abzurechnen sei, ist dies lediglich ein Indiz für den genauen Inhalt des Vertrages, aber nicht das einzige Kriterium für die Auslegung des Vertragsinhalts.
Die Parteien haben im Vertrag ausdrücklich geregelt, dass die Einbeziehung der Umsatzsteuer abhängig sein sollte von der Frage, von wem die Umsatzsteuer gegenüber dem Finanzamt geschuldet wird (Anlage B1: „Zu allen Nettobeträgen wird die zum Rechnungszeitpunkt maßgebliche gesetzliche Mehrwertsteuer hinzugerechnet. Soweit die Umsatzsteuer vom Auftraggeber nach § 13 b UStG gegenüber den Finanzbehörden geschuldet wird, hat der Auftragnehmer keinen Anspruch auf Auszahlung der Umsatzsteuer. Diese ist in diesem Fall vom Auftraggeber direkt an eine zuständige Finanzbehörde abzuführen.“). Die Regelung war demnach gerade offen formuliert, sowohl für den Fall, dass der Auftraggeber die Umsatzsteuer schuldete, als auch für den Fall, dass dies nicht so war. Entscheidend ist, was die Parteien bei Vertragssschluss vereinbarten und hier vereinbarten sie gerade eine Klausel, die beide Varianten einschloss. Hätten sie – unabhängig von der tatsächlichen Rechtslage bzgl. der Schuldnerschaft der Umsatzsteuer – eine Regelung treffen wollen, wonach von der Beklagten gegenüber der Klägerin nur der Nettobetrag geschuldet war, hätten sie dies tun können ohne die ausdrückliche Regelung einer variablen Klausel („Soweit“). Das haben sie nicht getan. Dass die Klägerin nach Vertragsschluss zunächst davon ausging, dass die Vertragsregelung in der einen Richtung greife (Rechnung ohne Ausweisung der Umsatzsteuer) und die vertragliche Regelung tatsächlich in der andere Richtung greift, ändert nichts daran, was – nach dem Wortlaut des Vertrages eindeutig – bei Vertragsschluss vereinbart wurde, nämlich eine Umsatzsteuer-Regelung abhängig von der (tatsächlichen) Umsatzsteuerschuld gegenüber dem Finanzamt.
Die Frage, ob nach dem Urteil des BFH vom 22.8.2013 eine Rechnungsberichtigung gegenüber dem Finanzamt zu erfolgen hat oder nicht, ist unabhängig von der Frage zu sehen, was ein Partner eines Vertrags dem anderen Vertragspartner aufgrund des Vertrages schuldet oder nicht. Der von Beklagtenseite zitierte Anwendungserlass vom 1.10.2010 ändert daran nicht. Der Umstand, dass eine bestimmte Handhabung von der Finanzverwaltung „nicht beanstandet“ wird, ändert nichts an der Frage, wer rechtlich Steuerschuldner ist und wer nicht und nichts an der Frage, ob aufgrund eines Vertrages mit einer derartigen Regelung („Soweit“) gegenüber dem Vertragspartner die Umsatzsteuer geschuldet wird oder nicht.
4. Zur Frage der Abnahme enthält der Schriftsatz vom 22.2.2016 kein zusätzliches Vorbringen. In der Berufungsbegründung war unter Ziffer III vorgetragen worden, dass der Anspruch mangels Abnahme nicht fällig sei, weil eine förmliche Abnahme vereinbart gewesen sei und eine solche nicht stattgefunden habe.
Bereits im Hinweis des Senats vom 20.1.2016 wurde unter II.3 darauf hingewiesen, dass das Landgericht die Abnahme als für die Fälligkeit des Werklohns entbehrlich angesehen hat. Schon deswegen ist das Landgericht nicht rechtsfehlerhaft von einer Abnahme ausgegangen, weil eine solche für die Fälligkeit gar nicht erforderlich war. Vielmehr hat es die Abnahme für entbehrlich gehalten, weil sich der zwischen den Parteien bestehende Werkvertrag unstreitig bereits in einem Abrechnungsstadium befinde.
Dies wird durch die Berufungsbegründung nicht widerlegt.
In der Berufungsbegründung heißt es weiter: „Hinzu kommt, dass das Landgericht zu dieser Frage keinen konkreten Hinweis erteilt hat. Hätte das Gericht einen konkreten Hinweis hierzu erteilt, so hätte sich die beklagte Partei hierauf sofort eingelassen oder für den Fall, dass dies nicht möglich gewesen wäre, eine Schriftsatzfrist zu dieser Frage beantragt und schriftsätzlich vorgetragen …”. Es folgen Ausführungen zur Hinweispflicht.
Der Senat hat darauf hingewiesen, dass dieser Einwand („Überraschungsentscheidung“) nicht durchgreift, weil nicht vorgetragen ist, was die Beklagte bei einem entsprechenden Hinweis vorgetragen hätte und wie sich das dann konkret auf die Entscheidung des Landgerichts ausgewirkt hätte. Weder in der Berufungsbegründung, noch im Schriftsatz vom 22.2.2016 ist dargelegt, was konkret vorgetragen worden wäre, wenn der Hinweis erfolgt wäre.
Dass die Abnahme für die Fälligkeit der Werklohnforderung entbehrlich ist, wenn – wie hier – ein Abrechnungsverhältnis vorliegt, wurde bereits im Senatshinweis vom 20.1.2016 ausgeführt.
5. Soweit die Beklagtenseite im Schriftsatz vom 22.2.2016 die Auffassung vertritt, dass die Fälligkeit von der Übergabe einer Gewährleistungsbürgschaft abhängig sei, wurde in dem Hinweis des Senats vom 20.1.2016 unter II.4 ausgeführt, dass und warum der Senat der Auffassung ist, dass das Urteil des Landgerichts insoweit nicht rechtsfehlerhaft ist.
Der Senat hat dabei auch zugrunde gelegt, dass es in der Regelung zum Zahlungsplan heißt: „Schlusszahlung nach Fertigstellung aller Vertragsleistungen und erfolgter Abnahme, Zugum-Zug gegen Übergabe der Gewährleistungsbürgschaft (Vertragsmuster i.d. Anlage)“. Allein der Wortlaut dieser Regelung genügt aber nicht, um die Fälligkeit in jedem Fall an die Übergabe der Bürgschaft zu knüpfen. Vielmehr ist der Gesamtkontext zu berücksichtigen. Die Regelung von Fälligkeitsvoraussetzungen ist kein Selbstzweck. Vielmehr werden damit bestimmte Zwecke verfolgt, um die Parteien wechselseitig abzusichern. Im vorliegenden Fall war aus den Umständen erkennbar, dass Zweck der Bürgschaft war, eine Sicherheit für etwaige Mängelansprüche zu bieten (siehe dazu bereits den Hinweis vom 20.1.2016). Auf die Stellung einer solchen Bürgschaft bestand grundsätzlich ein Anspruch. Die Vereinbarung der Fälligkeitsvoraussetzung diente erkennbar dem Zweck, diesen Anspruch abzusichern. Diese Verknüpfung ergibt sich nach Auffassung des Senats schon daraus, dass in der Regelung explizit auf eine Gewährleistungsbürgschaft gemäß einem Vertragsmuster abgestellt wurde, in welchem wiederum ausdrücklich erwähnt ist, dass die Bürgschaft „als Sicherheit für die Mängelansprüche nach VOB […] zu stellen“ ist. Entsprechend sollte die Fälligkeit des Anspruchs erst dann eintreten, wenn die Sicherheit geleistet war. Wenn – wie hier – der Anspruch auf Bürgschaft wegfiel, fiel damit aber dann auch die entsprechende Fälligkeitsvoraussetzung weg.
Dass die Voraussetzungen des § 17 Abs. 6 Nr. 3 VOB/B vorlagen, hat der Senat im Hinweis vom 20.1.2016 ausgeführt. Ebenso, dass der Einwand, dass die Sicherheit mit 5% vereinbart gewesen sei und dies nur EUR 2.400,00 betreffe, nicht durchgreift. Die Höhe der Bürgschaft war auf „5% aus der Nettoauftragssumme (Bankbürgschaft)“ festgelegt (Anlage B1, Seite 2 unter „Gewährleistung“ und Anlage B12: „Bürgschaft in Höhe von 5% der Nettoauftragssumme“). Solange ein Anspruch auf Stellung einer Bürgschaft bestand, wurde die Gesamtvergütung nicht fällig, bevor nicht eine Bürgschaft in Höhe von 5% der Nettoauftragssumme gestellt wurde. Durch Wegfall des Anspruchs auf die Bürgschaft wurde entsprechend auch der gesamte Vergütungsanspruch fällig.
Soweit die Beklagtenseite im Schriftsatz vom 22.2.2016 ausführt, dass ein Gegenrecht bzgl. „Ersatzvornahmekosten bezüglich der Tiefgaragenabdichtungsarbeiten“ bestehe, wurde in dem Hinweis des Senats vom 20.1.2016 unter II.5.c ausgeführt, dass und warum der Senat der Auffassung ist, dass das Urteil des Landgerichts insoweit nicht rechtsfehlerhaft ist.
Soweit nun ausgeführt wird, dass „Kenntnisse des Zeugen B. […] keinesfalls ohne weiteres als Kenntnisse der beklagten Partei fingiert werden“ könnten, ist darauf hinzuweisen, dass der Senat der Beklagten nicht die Kenntnis des Zeugen B. zurechnet. Vielmehr geht der Senat davon aus, dass die Beklagte selbst weiß und wissen muss, ob sie eine Rechnung bezahlt oder die Rechnung stattdessen durch Aufrechnung erledigt hat. Von Anfang an, spätestens aber in dem Moment, in dem der Zeuge B. erklärt hat, dass die Rechnung nicht bezahlt wurde, hätte die Beklagtenseite daher erklären können und ggf. müssen, dass die Rechnung durch Aufrechnung erloschen ist. Ausreichende Gründe dafür, dass die Beklagtenseite unverschuldet nicht in der Lage war, dies bereits vor Schluss der mündlichen Verhandlung vorzutragen, ergeben sich weder aus der Berufungsbegründung, noch aus dem Schriftsatz vom 22.2.2016. Auch eine Wiedereröffnung der Verhandlung war nicht geboten. Ein Fall des § 156 Abs. 2 ZPO lag nicht vor und auch sonst ist nicht ersichtlich, weshalb das Landgericht hier nach § 156 Abs. 1 ZPO eine Wiedereröffnung hätte anordnen müssen. Entsprechende konkrete Gründe sind nicht ausreichend vorgetragen.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 3 ZPO, 47 GKG bestimmt.

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