Bankrecht

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Aktenzeichen  41 O 9718/19

Datum:
17.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 41174
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 11.397,85 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage erweist sich als unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Rückzahlung der von ihm bezahlten Leasingraten zu, weil er den mit der Beklagten geschlossenen Vertrag nicht wirksam widerrufen hat. Zum einen besteht schon kein Widerrufsrecht des Klägers. Die 14-tägige Widerrufsfrist des dem Kläger ursprünglich gemäß §§ 506 Abs. 1, 495 Abs. 1, 355 Abs. 3, 357 a Abs. 1 zustehenden Widerrufsrecht wäre zum Zeitpunkt des Widerrufs am 21.09.2018 aber auch in jedem Fall schon abgelaufen gewesen.
I.
Zum einen ist der Leasingvertrag zwischen den Parteien schon deswegen nicht durch einen Widerruf erloschen, weil das von dem Kläger behauptete Widerrufsrecht nach §§ 506 Abs. 1, 2, 495 Abs. 1, 355 BGB nicht besteht. Bei dem hier streitgegenständlichen Vertrag handelt es sich schon nicht um eine entgeltliche Finanzierungshilfe im Sinne des § 506 BGB. Insbesondere unterfällt der streitgegenständliche Leasingvertrag nicht unmittelbar § 506 Abs. 2 Nr. 3 BGB; ausweislich des Vertrags hat der Leasingnehmer gerade nicht für einen bestimmten Wert des geleasten Fahrzeugs einzustehen. Auch eine entsprechende Anwendung der Vorschrift kommt nicht in Betracht; der Gesetzgeber hat inzwischen das Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen geändert, nicht aber die Vorschrift des § 506 BGB. Eine planwidrige Regelungslücke kann daher hier nicht angenommen werden. Insofern nimmt das Gericht auf die überzeugenden Ausführungen des OLG München in seinem Hinweisbeschluss vom 25.02.2019 (Az. 32 U 310/19) Bezug und schließt sich dem an. In der Folge kann auch nicht davon ausgegangen werden, die Beklagte habe hier der Klägerin ein exakt den gesetzlichen Bestimmungen für einen Widerruf gemäß §§ 506 Abs. 1, 2, 495 Abs. 1, 355 BGB einräumen wollen. Hierfür fehlt es an ausreichenden Anhaltspunkten (vgl. Hinweisbeschluss des OLG München vom 25.02.2019 mit dem bereits benannten Aktenzeichen).
II.
Unabhängig davon wäre ein wirksamer Widerruf aber auch nicht erfolgt, wenn man zugunsten des Klägers das grundsätzliche Bestehen eines Widerrufsrechts entsprechend §§ 506 Abs. 1, 2, 495 Abs. 1, 355 BGB einmal unterstellt. Entgegen der Ansicht des Klägers hätte die Widerrufsfrist mit Abschluss des Leasingvertrages zu laufen begonnen und wäre nicht zu einem „ewigen“ Widerrufsrecht mutiert, weil die Beklagte die Widerrufsbelehrung nicht korrekt erteilt hätte, weil Pflichtangaben nicht oder fehlerhaft in dem Vertrag enthalten seien oder weil die Vertragsunterlagen nicht hinreichend deutlich gewesen wären. Vielmehr enthält der Vertrag sämtliche Pflichtangaben gemäß der gesetzlichen Bestimmungen, die Widerrufsbelehrung ist korrekt erteilt worden und es ist nicht erkennbar, dass das Deutlichkeitsgebot nicht gewahrt worden wäre.
1. Soweit der Kläger beanstandet, die Widerrufsbelehrung sei in sich selbst fehlerhaft, weil dieser die unzutreffende und irreführende Angabe enthalte, dass der Tageszins 0,00 EUR betrage, greift dieser Einwand nicht durch. Dem Gericht erschließt sich bereits nicht, wo in dieser Angabe die Widersprüchlichkeit liegen soll. Die Formulierung besagt nach Ansicht des Gerichts eindeutig, dass der Kläger für den Zeitraum zwischen Übergabe und Rückgabe des Fahrzeugs nach erfolgtem Widerruf und nach Übergabe des Fahrzeugs keine Zinsen erheben wird. Warum der Kläger der Meinung ist, die Beklagte erhebe statt den in der Widerrufsbelehrung angegebenen 0,00 EUR tatsächlich darüber liegende Zinsen, erschließt sich dem Gericht nicht; dies wird auch von der Beklagten gar nicht behauptet. Mit der Angabe in der Widerrufsbelehrung stellt die Beklagte gerade fest, dass der angegebene Sollzinssatz bei 0,00 EUR liegt. Die Vereinbarung von 0,00 EUR Zinsen stellt nach Ansicht des Gerichts eine Begünstigung des Klägers dar, die aber in keiner Weise widersprüchlich ist. Entsprechend wurde obergerichtlich auch bereits festgestellt, dass in der entsprechenden Angabe eines Zinsbetrages von 0,00 EUR keine widersprüchliche oder irreführende Regelung liegt (vgl. OLG München, Beschluss vom 30.07.2018, Az. 17 U 1469/18). Daran ändert sich auch nicht deswegen etwas, weil in dem Leasingvertrag von einem Sollzinssatz von 4,25 % pro Jahr die Rede ist. Erkennbar gilt dieser Wert für den Fall, dass der Leasingvertrag durchgeführt wird und nicht für den Fall des Widerrufs. Für den Fall des Widerrufs wird in der Widerrufsinformation unmissverständlich angegeben, dass der Zinssatz in diesem Fall eben bei Null liegt.
2. Soweit der Kläger beanstandet, dass der Vertrag entgegen Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Nr. 11 EGBGB keine Angaben hinsichtlich des Verzugszinssatzes und der Art und Weise seiner etwaigen Anpassung enthalte, ist diese Beanstandung dem Gericht nicht verständlich. Dass die Beklagte keinen festen Zinssatz angibt, sondern sich an den sich verändernden Basiszinssatz anlehnt, führt entgegen der Meinung des Klägers nicht dazu, dass der Zinssatz für den Kläger nicht mehr erkennbar wäre. Der Basiszinssatz wird nicht willkürlich durch die Beklagte, sondern von der Deutschen Bundesbank festgelegt. Die jeweilige Höhe des Basiszinssatzes ist für jeden Verbraucher ohne Weiteres ermittelbar, z.B. über das Internet. Darüber hinaus genügt die von der Beklagten benutzte Formulierung aber auch dem Muster für Europäische Standardinformationen für Verbraucherkredite aus Anlage 4 zu Art. 247 § 2 EGBGB. Zuletzt lässt sich auch dem Gesetzestext des Art. 247 § 3 Nr. 11 nicht die Pflicht entnehmen, eine absolute Zahl bei der Angabe des Verzugszinssatzes anzugeben; das Gesetz schreibt nicht vor, dass die Anlehnung an einen variablen Zinssatz nicht zulässig ist.
3. Zu Unrecht beanstandet der Kläger auch, dass in dem Vertrag entgegen Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB Angaben zu dem einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrags durch den Kläger fehlen würden. Auf seine Kündigungsrechte und gerade auch auf das Recht zur außerordentlichen Kündigung nach § 314 BGB, wird der Kläger ebenfalls an mindestens zwei Stellen hingewiesen, so auf Seite zwei der Anlage K 1 (dort unter Wichtige Hinweise) auf und dann nochmals in den allgemeinen Geschäftsbedingungen (Anlage B 6, dort unter XIV.).
Ebenso beanstandet der Kläger zu Unrecht, dass der Vertrag keine Angaben des einzuhaltenden Verfahrens bei der Kündigung des Vertrags durch die Beklagte enthalte. Der fehlende Hinweis auf Formvorschriften stellt keinen maßgeblichen Verstoß gegen die vorgegebenen Pflichtangaben dar. Artikel 10 der Verbraucherkreditrichtlinie enthält insofern keine Formerfordernisse für die Kündigung durch den Darlehensgeber. Artikel 13 der Richtlinie sieht nur für die Kündigung des Kreditgebers bei einem unbefristeten Kreditvertrag bestimmte Formvorschriften für die Ausübung des Kündigungsrechts vor. Der streitgegenständliche Vertrag ist allerdings gerade befristet.
Ohnehin kann das Gericht auch nicht erkennen, wie fehlende Angaben zu einem Formerfordernis zur Kündigung des Vertrags durch die Beklagte sich auf die Entscheidung des Klägers zur Ausübung seines Widerrufsrechts auswirken sollten.
4. Das Gericht kann nicht nachvollziehen, warum der Kläger der Meinung ist, eine Wertersatzpflicht für den Widerruf von Finanzierungshilfen sehe der Gesetzgeber nicht vor und die Widerrufsbelehrung stehe daher nicht im Einklang mit den gesetzlichen Regelungen. Über § 357 a Abs. 3 Satz 4, Abs. 2 wird diesbezüglich auch auf § 357 Abs. 7 BGB verwiesen. Insofern würde im Fall eines wirksamen Widerrufs ein Anspruch der Beklagten auf Nutzungsersatz nach Maßgabe von § 357 Abs. 7 BGB bestehen. Im Übrigen entspricht die diesbezügliche Formulierung der Beklagten auch der Musterwiderrufsinformation. Insofern streitet die Gesetzlichkeitsfiktion für die Beklagte.
5. Das Gericht kann auch nicht erkennen, dass in dem Leasingvertrag die Europäische Zentralbank (EZB) als weitere Aufsichtsbehörde anzugeben gewesen wäre. Woraus sich in Bezug auf den streitgegenständlichen Vertrag die Zuständigkeit der EZB als Aufsichtsbehörde ergeben sollte, ist schon nicht erkennbar. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass der streitgegenständliche Finanzierungsleasingvertrag bzw. dessen Überwachung eine Aufgabe wäre, die der EZB gemäß § 1 Abs. 5 Nr. 1 KWG i.V.m. Art. 4 Abs. 1, 2 der Verordnung (EU) Nr. 10242014 des Rates vom 15.10.2013 übertragen worden wäre.
6. Auch ein Verstoß gegen das Deutlichkeitsgebot kann das Gericht nicht erkennen. Hierbei hat das Gericht zwar keine Bedenken dahingehend, dass eine drucktechnische Gestaltung von Widerrufsbelehrungen und Pflichtangaben dahingehend, dass diese nur noch mühsam oder gar mit Hilfsmitteln zu entziffern sind, grundsätzlich dazu führt, dass entsprechende Belehrungen als nicht erteilt gelten und damit eine Widerrufsfrist nicht zu laufen beginnt. Allerdings ist hier beim besten Willen nicht erkennbar, dass die Vertragsunterlagen nicht entzifferbar wären oder man hierzu gar eine Lupe o.ä. benötigen würde. Der erkennende Richter war zumindest ohne Anstrengungen in der Lage, sämtliche vertraglichen Vereinbarungen ohne Hilfsmittel flüssig durchzulesen. Noch viel weniger kann das Gericht nachvollziehen, warum die Vertragsunterlagen angeblich nicht ausreichend übersichtlich oder gegliedert sein sollen. Die einzelnen Punkte des Vertrags sind durch Überschriften in Fettschrift klar hervorgehoben. Einzelnen Themenkomplexe sind durch Absätze und Trennlinien klar voneinander abgegrenzt. Der Kläger mag sich zudem selbst fragen, warum er denn einen Vertrag schließt, der angeblich weder richtig lesbar noch nachvollziehbar ist.
III.
Die Frage, ob die Ausübung des Widerrufsrechts vorliegend rechtsmissbräuchlich war, kann vor dem Hintergrund der obigen Erwägungen dahinstehen.
IV.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
V.
Der Streitwert war gemäß dem klägerischen Antrag auf 11.397,85 € festzusetzen. Da über die hilfsweise erklärte Aufrechnung der Beklagten mangels Bestehens des klägerischen Anspruchs nicht zu entscheiden war, wird der Streitwert gemäß § 45 Abs. 3 GKG insofern nicht erhöht.

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