Aktenzeichen M 8 SN 17.2054
Leitsatz
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 3.750 EUR festgesetzt.
Gründe
Hinsichtlich des Sachverhalts wird in entsprechender Anwendung von § 117 Abs. 3 und 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zunächst auf die Ausführungen in Nummer I des Beschlusses des Gerichts vom 5. April 2017, M 8 S7 17.1207, Bezug genommen.
Der verfahrensgegenständliche Antrag vom 8. Mai 2017, seinem Wortlaut nach gerichtet auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 30. Januar 2017, eingegangen bei Gericht am 31. Januar 2017, M 8 K 17.377, gegen die dem Beigeladenen von der Antragsgegnerin erteilte (Änderungs-)Baugenehmigung vom 2. Januar 2017 ist nach §§ 80, 80a VwGO bereits unzulässig (1.). Gleiches gilt, wenn von einem Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO ausgegangen würde (2.) Zudem wäre ein solcher Antrag jedenfalls auch unbegründet (3.).
1. Der Zulässigkeit des ausdrücklich gestellten Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung steht die Rechtskraft des Beschlusses vom 5. April 2017, M 8 SN 17.1207, entgegen. Die Rechtskraftvorschrift des § 121 Nr. 1 VwGO gilt auch für Beschlüsse im Verfahren nach §§ 80, 80a VwGO (vgl. z.B. Bamberger in: Wysk, VwGO, 2. Aufl. 2016, § 121 Rn. 31). Im rechtskräftigen Beschluss vom 5. April 2017 hat das erkennende Gericht auf den Antrag des Beigeladenen vom 13. März 2017, bei Gericht eingegangen am 16. März 2017, den Beschluss des Gerichts vom 1. März 2016, M 8 SN 15.4049, abgeändert und den Antrag der Antragstellerin, gerichtet auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die dem Beigeladenen ursprünglich von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 19. August 2015 erteilten Baugenehmigung, mit Blick auf die zwischenzeitlich ergangene Änderungsbaugenehmigung vom 2. Januar 2017 abgelehnt. Hiergegen ist die Antragstellerin nicht mit der Beschwerde (§§ 146, 147 VwGO) vorgegangen, sodass der Beschluss vom 5. April 2017 der Antragstellerin gegenüber in Rechtskraft erwachsen ist. Mit Eintritt der Rechtskraft ist zwischen den Beteiligten eines Verfahrens nach §§ 80, 80a VwGO über die Regelung der vorläufigen Zustände in Bezug auf den Streitgegenstand – vorbehaltlich § 80 Abs. 7 VwGO – abschließend entschieden, was insbesondere auch für ablehnende Beschlüsse wie den des Gerichts vom 5. April 2017 gilt. Damit ist es der Antragstellerin verwehrt, ihren Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu wiederholen (vgl. Rennert in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 121 Rn. 6).
2. Auch als (grundsätzlich statthafter) Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO, sinngemäß gerichtet auf Abänderung des Beschlusses vom 5. April 2017 unter (erneuter) Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin, M 8 K 17.377, gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 19. August 2015 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 2. Januar 2017, wäre dieser unzulässig.
Die Änderung eines nach § 80 Abs. 5 oder 7 VwGO ergangenen Beschlusses auf Antrag eines Beteiligten – hier der Antragstellerin – setzt nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO veränderte oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachte Umstände voraus. Aus dem Antragsschriftsatz vom 8. Mai 2017 ergeben sich solche Umstände nicht. Auch sind solche im Übrigen (§ 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO) nicht ersichtlich.
Weder der im Schriftsatz vom 8. Mai 2017 im Bezug genommene Klagebegründungsschriftsatz vom 11. April 2017 im Verfahren M 8 K 17.377 noch der weitere Vortrag im Schriftsatz vom 8. Mai 2017 zeigen solche veränderte oder im Ausgangsverfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachte Umstände auf. Vielmehr wiederholt und vertieft die Antragstellerin letztlich lediglich den bisherigen Vortrag in den Verfahren M 8 S7 17.1207 und M 8 K 17.377. Mit diesem hat sich das erkennende Gericht indes bereits im Beschluss vom 5. April 2017 (vgl. dort S. 8 ff. unter Nr. II.2.2.) vor dem Hintergrund des hier allein streitgegenständlich inmitten stehenden bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme im Einzelnen auseinandergesetzt. Es ist auch nicht ersichtlich, welcher entscheidungserhebliche Vortrag zur Sach- und Rechtslage der Antragstellerin und ihren Bevollmächtigten nicht bereits im Verfahren M 8 S7 17.1207 möglich gewesen wäre. Das Gericht hat die Bevollmächtigten der Antragstellerin mit Blick auf die von ihnen beantragte Akteneinsicht bereits in der Erstzustellung vom 31. Januar 2017 im Verfahren M 8 K 17.377 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Behördenakten dem Gericht zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorliegen würden und daher gebeten werde, sich wegen der nachgesuchten Akteneinsicht direkt an die Antragsgegnerin zu wenden. Die Aktenvorlage durch die Antragsgegnerin erfolgte – im zwischenzeitlich erledigten Verfahren M 8 SN 17.376 – sodann am 1. März 2017. Auch dies war der Antragstellerin und ihren Bevollmächtigten durch gerichtliche Übersendung der Stellungnahme der Antragsgegnerin vom 27. Februar 2017 am 2. März 2017 im vorgenannten Verfahren bekannt, sodass es der Antragstellerseite ohne weiteres auch möglich gewesen wäre, bereits im Laufe des Monats März 2017 bei Gericht Akteneinsicht in die vorgelegten Behördenakten zu nehmen und auf daraus zusätzlich gewonnene Erkenntnisse gegebenenfalls bereits im Verfahren M 8 S7 17.1207 bis zum Erlass des Beschlusses am 5. April 2017 schriftsätzlich einzugehen. Dies ist allerdings in der Stellungnahme vom 4. April 2017 in jenem Verfahren gerade nicht geschehen.
3. Selbst auch unter inhaltlicher Einbeziehung des nunmehrigen Vortrags, zuletzt im Schriftsatz vom 8. Mai 2017, kommt das Gericht unverändert zu keiner anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage als dies bereits im Beschluss vom 5. April 2017 der Fall war. Der Antrag erweist sich folglich jedenfalls als unbegründet.
Wie bereits im Beschluss vom 5. April 2017 im Einzelnen ausgeführt, liegt eine Verletzung des – vorliegend allein nachbarschützend inmitten stehenden – Gebots der Rücksichtnahme zulasten der Antragstellerin mit Blick auf die Änderungsgenehmigung vom 2. Januar 2017 nicht (mehr) vor. Es wird daher in entsprechender Anwendung von § 117 Abs. 5 VwGO zunächst vollinhaltlich auf die Ausführungen unter Nummer II.2.2 des Beschlusses vom 5. April 2017 (dort S. 8 ff.) Bezug genommen. Es ergibt sich danach Folgendes:
3.1 Da das grenzständige Nebengebäude nach den eingereichten Bauvorlagen den abstandsflächenrechtlichen Vorgaben genügt, indiziert dies, auch unabhängig vom Umfang des Prüfprogramms des Art. 59 Satz 1 BayBO, in tatsächlicher Hinsicht die Einhaltung des bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme (vgl. BVerwG, B.v. 11.1.1999 – 4 B 128/98 – juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 15.3.2011 – 15 CS 11.9 – juris). Das grenzständige Nebengebäude genügt nach den eingereichten Bauvorlagen den rechtlichen Vorgaben des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 Bayerische Bauordnung (BayBO). Nach der Baugenehmigung handelt es sich um ein nicht mit Aufenthaltsräumen versehenes Nebengebäude zum Einstellen von Fahrrädern, Kinderwägen, Mobilitätshilfen und Badeliegen sowie zur Unterbringung von Technik. Der Vortrag im Schriftsatz vom 11. April 2017, es handele sich um ein Poolhaus zum Aufenthalt von Personen, sodass später sogar eine Wohnnutzung zu befürchten sei, erschöpft sich in einer von den zeichnerischen und textlichen Darstellungen in den der Baugenehmigung vom 2. Januar 2017 zu Grunde liegenden Bauvorlagen nicht gedeckten Vermutung. Etwaige zukünftige genehmigungswidrige Nutzungen sind im Übrigen nicht Gegenstand des Baugenehmigungsverfahrens, sondern allein der bauaufsichtlichen Überwachung durch die Antragsgegnerin, der gegebenenfalls insbesondere die Befugnis zur Nutzungsuntersagung nach Art. 76 Satz 2 BayBO zur Verfügung steht.
Zudem trifft es auch nicht zu, wenn die Antragstellerin meint, das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme verlange, dass Nebengebäude so weit wie möglich am Haus beginnend und nicht mitten im rückwärtigen Grundstück angelegt werden dürften. Eine solche Alternativenprüfung ist dem Bauplanungsrecht vielmehr grundsätzlich fremd. Vielmehr bestimmt allein der Beigeladene als Bauherr das Vorhaben, dessen Zulässigkeit von der Antragsgegnerin zu prüfen ist (vgl. BayVGH, B.v. 3.4.2002 – 2 CS 02.247 – juris Rn 14).
Soweit die Antragstellerin namentlich die Frage der baurechtlichen Zulässigkeit der Bestandsbebauung auf dem Grundstück des Beigeladenen thematisiert, zeigt sie auch damit – losgelöst vom (nur eingeschränkten) Regelungsgegenstand der streitbefangenen Baugenehmigungen vom 19. August 2015 und 2. Januar 2017, soweit der aktuelle Tekturantrag vom 14. September/16. Oktober 2016 reicht, – ebenfalls keinen Rechtsverstoß zulasten der Antragstellerin auf. Der Bestand auf dem Grundstück des Beigeladenen wurde von der Antragsgegnerin nach Aktenlage zuletzt mit Bescheid vom 28. Oktober 2002 in Gestalt des damals beantragten Umbaus einer bestehenden Doppelhaushälfte mit Errichtung eines Wintergartens, eines Carport, von zwei Terrassen sowie einer Kellererweiterung genehmigt. Wie bereits im Beschluss vom 5. April 2017 ausgeführt, ist die nunmehrige Erweiterung des Hauptgebäudes (Umbau/Aufstockung unter Erweiterung der Zahl der Wohneinheiten) mit Blick auf Art. 6 Abs. 5 Satz 1, Abs. 6 Satz 1 BayBO zum Grundstück der Antragstellerin hin zulässig, da das Gebäude des Beigeladenen mit einer Wandhöhe des durch die antragsgegenständliche Aufstockung um ein Obergeschoss allein betroffenen nördlichen Anbaus von nunmehr maximal 6,236 m bei einer Gesamtgebäudetiefe von 13,08 m einen ausreichenden Grenzabstand (H/2 = 3,118 m) zum Grundstück der Antragstellerin bei vorhandenen 3,36 m aufweist. Damit greift auch hier die vorliegend bereits erörterte Indizwirkung im Verhältnis des Abstandsflächenrechts zur Wahrung des planungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme.
3.2 Selbst eine – entgegen dem Vorstehenden zugunsten der Antragstellerin unterstellte – Verletzung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften nach Art. 6 BayBO würde hier nicht dazu führen, dass das Vorhaben bauplanungsrechtlich rücksichtslos wäre. Zwar indiziert die Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften für das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot in tatsächlicher Hinsicht, dass auch das planungsrechtliche Rücksichtnahmegebot im Regelfall nicht verletzt ist. Daraus lässt sich aber nicht der Umkehrschluss ableiten, dass bei einer Verletzung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften regelmäßig auch eine Verletzung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebotes zu bejahen oder indiziert wäre (vgl. BayVGH, B.v. 22.6.2011 – 15 CS 11.1101 – juris Rn. 17; B. v. 6.9.2011 – 1 ZB 10.1301 – juris; BayVGH, B.v. 23.4.2014 – 9 CS 14.222 – juris Rn. 11; Schwarzer/König, 4. Aufl. 2012, BayBO, Art. 6 Rn. 7). Wie bereits im Beschluss vom 5. April 2017 ausgeführt, kann von einer „einmauernden“ oder „erdrückenden“ Wirkung mit Blick auf das erdgeschossige, ca. 2,80 m hohe und ca. 6 m lange grenzständige Nebengebäude nicht die Rede sein. Gleiches gilt für die Erweiterung des Hauptgebäudes im 1. Obergeschoss des nördlichen Anbaus mit einer Wandhöhe von dort sodann ca. 6,30 m. Auch ist – entgegen dem Vortrag der Antragstellerin – aus den vorgelegten Bauakten nicht ersichtlich, dass das Vorhaben zu einer wesentlichen Verschlechterung der Belichtungs- und Besonnungsverhältnisse führen könnte, die für die Antragstellerin unzumutbar sein könnten.
3.3 Mit ihrem weiteren Vortrag, es fänden sich keine vergleichbaren genutzten und dimensionierten (Neben-)Gebäude und Schwimmbäder in der näheren Umgebung, zeigt die Antragstellerin, wie bereits im Beschluss vom 5. April 2017 ausgeführt, keine drittschützenden Belange auf, da die Regelungen über das Maß der baulichen Nutzung, über die Bauweise und die Grundstücksfläche die überbaut werden soll nach ganz herrschender Auffassung, der auch das erkennende Gericht folgt, nicht nachbarschützend sind. Auch gewährleistet das allgemeine Bauplanungsrecht keinen sog. „Milieuschutz“ dergestalt, dass ein bestimmtes Verhältnis zwischen überbauter und nicht überbaute Grundstücksfläche oder auch ein Garten(stadt-)charakter eines Baugebiets oder Nachbargrundstücks zu Gunsten eines Nachbarn erhalten bleiben. Gleiches gilt für die Frage der Anzahl der zugelassenen bzw. zulässigen – vorliegend drei – Wohneinheiten, soweit es – wie hier – an entsprechenden Festsetzungen in einem Bebauungsplan fehlt. Dies alles hat das Gericht im Beschluss vom 5. April 2017 bereits ausgeführt. Die Antragstellerin unterliegt einem grundlegenden rechtlichen Missverständnis, wenn sie offensichtlich meint, im Rahmen des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots als Nachbarin (auch) die Position einer Sachwalterin objektiv-städtebaulicher öffentlicher Belange einzunehmen. Vielmehr bestimmt sich ihre Rechtsposition und der damit einhergehende Rechtsschutz im Verwaltungsrechtsstreit gegen die dem Beigeladenen erteilten Baugenehmigung ausschließlich nach dem Umfang der sie (dritt-)schützenden und im Rahmen des – hier vereinfachten – Baugenehmigungsverfahrens zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Bestimmungen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, Art. 59 Satz 1 BayBO).
Der Antrag war somit – wie von der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 15. Mai 2017 beantragt – mit der Kostenfolge der § 154 Abs. 1 und 3, § 162 Abs. 3 VwGO – der Beigeladene hat sich im vorliegenden Verfahren nicht geäußert – abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) und Nr. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.