Baurecht

Abgelehnter Nachbareilantrag gegen eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Einfamilienhauses

Aktenzeichen  M 9 SN 18.4319

Datum:
20.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 1982
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 5 S. 1, § 80a Abs. 3 S. 2, § 113 Abs. 1 S. 1
BauGB § 9 Abs. 1 Nr. 6, § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 2, § 212a Abs. 1
BauNVO § 4 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 15 Abs. 1 S. 1, S. 2
BayBO Art. 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1, Art. 59 S. 1, Art. 68 Abs. 2 S. 2
BayVwVfG Art. 39 Abs. 2 Nr. 2
GBO § 53
GG Art. 14 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1 Art. 68 Abs. 2 S. 2 BayBO und Art. 39 Abs. 2 BayVwVfG ist nicht zu entnehmen, dass eine Begründung bei Ermessensentscheidungen – unabhängig von ihrer nachbarschützenden Wirkung – generell erforderlich wäre. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Sicherung der Erschließung betrifft grundsätzlich nur öffentliche Belange; ihre Verletzung begründet somit keine nachbarlichen Abwehrrechte. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3 In wegemäßiger Hinsicht umfasst das bauplanungsrechtliche Erfordernis der gesicherten Erschließung regelmäßig nur den hinreichenden Anschluss des Baugrundstücks – nicht: aller baulichen Anlage(n) – an das öffentliche Straßennetz. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben als Gesamtschuldner die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 3.750,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller wenden sich gegen eine für das Nachbargrundstück erteilte Baugenehmigung (Errichtung eines Einfamilienhauses).
Die Baugenehmigung bezieht sich auf die im Eigentum der Beigeladenen zu 2. stehende FlNr. 1790/1, Gem. S. (i.F.: Vorhabengrundstück), die 1.108 m² groß (Bl. 27 d. Behördenakts – i.F.: BA -) und bereits mit einem Einfamilienhaus bebaut ist. Die Antragsteller sind Eigentümer des südwestlich angrenzenden Grundstücks FlNr. 1792/7, Gem. S. Beide Grundstücke liegen im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans Nr. 3 „Drei Linden Süd“ der Stadt S.
Das herrschende Vorhabengrundstück und das dienende Nachbargrundstück der Antragsteller waren Gegenstand zweier notarieller Vereinbarungen vom 28. Februar 1979 bzw. vom 2. März 1979 (Bl. 38ff. d. BA) über die Errichtung eines Geh- und Fahrtrechts im Wege einer Grunddienstbarkeit. Die notarielle Urkunde Nr. 528/79 sieht noch vor, dass das Geh- und Fahrtrecht „nur zum Zweck der gärtnerischen Bewirtschaftung von Fl.Nr. 1790/1 ausgeübt werden“ darf; dieser Passus wurde mit URNr. 529/79 folgendermaßen verändert: „Der Inhalt der Dienstbarkeit vom 28. Februar 1979, URNr. 528, wird hiermit wie folgt geändert: a) das vereinbarte Geh- und Fahrtrecht darf nicht nur zum Zweck der gärtnerischen Bewirtschaftung von Flur Nr. 1790/1 der Gemarkung S. ausgeübt werden…“
Mit Bauantrag vom 19. April 2018 (Bl. 6ff. d. BA) – Befreiungsantrag auf Bl. 21 d. BA – und Bauvorlagen vom März 2018 beantragten die Beigeladenen die streitgegenständliche Baugenehmigung. Die Stadt S. stellte im Wege laufender Verwaltung das Einvernehmen her (Stellungnahme vom 7. Juni 2018, Bl. 10ff. d. BA).
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 1. August 2018 (Az. 302 – BV180406) erteilte der Antragsgegner unter Gewährung einer Befreiung von der im Bebauungsplan festgesetzten Baugrenze die Baugenehmigung (Ziff. I, II lit. A des Bescheids).
Der Bevollmächtigte der Antragsteller, der zugleich selbst Antragsteller zu 3. ist, hat mit Schriftsatz vom 27. August 2018 Anfechtungsklage gegen den Bescheid erhoben und Eilantrag gestellt. Er beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Die Antragstellerseite führt – auch im Hauptsacheverfahren – aus: Der geplante Neubau sei verkehrsmäßig nicht erschlossen. Entlang der Westgrenze führe nur ein 2 m-breiter Streifen an der vorhandenen Bebauung vorbei, dort könne keine Zufahrt etabliert werden. Das zugunsten des Baugrundstücks auf dem dienenden Grundstück der Antragsteller eingetragene und über gärtnerische Nutzung hinaus erweiterte Geh- und Fahrtrecht erlaube nicht den zusätzlichen Verkehr bei Bebauung des herrschenden Grundstücks mit einem weiteren Wohngebäude bzw. den von einer rechtswidrigen Bebauung ausgelösten Verkehr. Das dingliche Recht sei örtlich und sachlich beschränkt. Zudem sei das dienende Grundstück als unbefestigte Wiese nicht für eine verkehrsmäßige Erschließung geeignet. Im vorliegenden Fall ergebe sich eine vergleichbare Situation für die Nachbarn wie bei der Entstehung eines Notwegerechts. Die Ermessensentscheidung im Rahmen der Befreiung sei nicht bzw. nicht hinreichend begründet worden. Nachbarschützende Vorschriften des Bebauungsplans seien nicht berücksichtigt worden. Werde durch eine Befreiung der Gebietscharakter verändert, dann sei dadurch die Rechtsposition des Nachbarn verletzt. Das Baugebiet werde durch eine einheitliche Bebauung mit Einfamilienhäusern und Doppelhaushälften mit jeweils großen Gärten geprägt. Diese Gartenlandschaft würde grundlegend verändert, wenn alle Grundstücke mit weiteren Häusern außerhalb der Baugrenzen bebaut würden (Bezugsfallwirkung). Der Bebauungsplan widersetze sich ausdrücklich einer Verdichtung.
Mit Schriftsatz vom 10. September 2018 wurde ergänzt, dass die Eintragung des Geh- und Fahrtrechts nur auf URNr. 528 Bezug nehme. Es bestehe somit nur ein Geh- und Fahrtrecht ausschließlich für gärtnerische Nutzung.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Festsetzungen des Bebauungsplans ließen für das Grundstück der Antragsteller, FlNr. 1792/7, Gemarkung S., bereits eine Bebauung in sog. 2. Reihe zu. Grundzüge der Planung seien durch entsprechende Zulassung auf dem Vorhabengrundstück demnach nicht berührt, auch sei die Befreiung städtebaulich vertretbar. Festsetzungen zur überbaubaren Grundstücksfläche seien zudem nicht drittschützend. Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme sei bei einem Abstand des geplanten Vorhabens zur Grundstücksgrenze von 14 m nicht zu erwarten. Die Baugenehmigungsbehörde habe sich zudem durch Zulassung der Bestandsgarage im rückwärtigen Grundstücksteil bereits entsprechend rechtlich gebunden. Das ungeteilte Grundstück grenze direkt an die P.-R.-Straße an und sei damit erschlossen. Selbst nach Teilung könne von der Regelung des Art. 4 Abs. 2 Nr. 1 BayBO Gebrauch gemacht bzw. das bestehende Geh- und Fahrtrecht in Anspruch genommen werden.
Die Beigeladenen stellen keine Anträge. Auf ihre Stellungnahme im Hauptsacheverfahren wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf die Gerichtssowie die beigezogene Behördenakte.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Nach § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO i. V. m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 212a Abs. 1 BauGB ganz oder teilweise anordnen. Es trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung dahingehend, ob das öffentliche und das private Vollzugsinteresse der Bauherrin oder das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt. Die vorzunehmende Interessenabwägung orientiert sich maßgeblich an den summarisch zu prüfenden Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs.
Die Drittanfechtungsklage wird voraussichtlich erfolglos bleiben. Die streitgegenständliche Baugenehmigung verletzt die Antragsteller nach summarischer Prüfung nicht in subjektiv-öffentlichen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Anfechtungsklage eines Dritten gegen eine Baugenehmigung kann nur dann Erfolg haben, wenn die Baugenehmigung Vorschriften verletzt, die dem Schutz des Dritten zu dienen bestimmt sind. Dementsprechend findet im vorliegenden gerichtlichen Verfahren keine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle statt. Die Prüfung beschränkt sich vielmehr darauf, ob durch die angefochtene Baugenehmigung drittschützende Vorschriften, die dem Nachbarn einen Abwehranspruch gegen das Vorhaben vermitteln und die im Baugenehmigungsverfahren prüfungsgegenständlich sind, verletzt sind (BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris; VG München, B.v. 7.9.2016 – M 1 SN 16.3556 – juris).
Weder werden die Antragsteller durch die gewährte Befreiung in eigenen Rechten verletzt (1.) noch durch eine fehlende Erschließung des Bauvorhabens (2.).
1. Die Baugenehmigung bzw. die erteilte Befreiung verletzt die Antragsteller nicht in ihren Rechten, weder aus formellen (a) noch aus materiellen Gründen (b).
a) Die Baugenehmigung bzw. die Befreiungsentscheidung ist hinreichend begründet worden. Art. 68 Abs. 2 Satz 2 BayBO bestimmt, dass die Baugenehmigung nur insoweit zu begründen [ist], als ohne Zustimmung des Nachbarn von nachbarschützenden Vorschriften abgewichen wird oder der Nachbar gegen das Bauvorhaben schriftlich Einwendungen erhoben hat; Art. 39 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG und Art. 66a Abs. 2 Satz 3 bleiben unberührt.
Es wurde nicht von nachbarschützenden Vorschriften befreit (siehe sogleich). Auch war den Antragstellern als denjenigen, die i. S. v. Art. 39 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG von der Baugenehmigung betroffen sind, die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage, insbesondere über die für die Befreiung maßgeblichen Erwägungen, bereits bekannt, vgl. die auf die Einwendungen der Antragsteller ergangene Stellungnahme vom 18. Juli 2018 (Bl. 83ff. d. BA). Sollte das Vorbringen der Antragsteller so zu verstehen sein, dass sie eine Begründung bei Ermessensentscheidungen – unabhängig von ihrer nachbarschützenden Wirkung – generell für erforderlich halten, so ist dies unzutreffend. Vielmehr ist Art. 68 Abs. 2 Satz 2 BayBO und Art. 39 Abs. 2 BayVwVfG zu entnehmen, dass es in diesen Fällen nicht generell einer Begründung bedarf (vgl. nur BayVGH, B.v. 31.3.2010 – 2 CS 10.307 – juris).
b) Im Rahmen der Erteilung von Befreiungen nach § 31 Abs. 2 BauGB richtet sich die Prüfung der Erfolgsaussichten eines Nachbarrechtsbehelfs materiell-rechtlich danach, ob von nachbarschützenden oder von nicht nachbarschützenden Vorschriften befreit wird. Nur im Falle der Befreiung von einer nachbarschützenden Vorschrift würde bspw. die städtebauliche Vertretbarkeit der Befreiungsentscheidung als Tatbestandsmerkmal eine Rolle spielen (BayVGH, B.v. 23.5.2017 – 1 CS 17.693 – juris; VG München, U.v. 6.6.2018 – M 9 K 17.5750 – juris).
Festsetzungen zur überbaubaren Grundstücksfläche kommt generell keine drittschützende Wirkung zu (statt aller BayVGH, B.v. 20.6.2018 – 1 ZB 18.695 – juris). Auch im vorliegenden Einzelfall ist nichts dafür ersichtlich. Weder ist den zeichnerischen oder textlichen Festsetzungen eine diesbezügliche Aussage zu entnehmen noch verhält sich die Begründung des Bebauungsplans zu den überbaubaren Grundstücksflächen.
Somit können sich die Antragsteller nur auf eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme, § 31 Abs. 2 BauGB a. E. i. V. m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, berufen. Eine derartige Rücksichtslosigkeit des Bauvorhabens ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Das Bauvorhaben selbst ist an der nordöstlichen Grundstücksecke situiert und damit weit entfernt vom Grundstück der Antragsteller. Die Zufahrt soll über den Strang bzw. die Grundstücksseite erfolgen, über den/an der auch das Grundstück der Antragsteller erschlossen wird; d. h. Letztere werden an dieser Stelle sowieso An- und Abfahrtsverkehr zu gewärtigen haben bzw. ihr eigenes Grundstück nur über diese Zufahrt nutzen können. Unabhängig davon ist mit einem weiteren Einfamilienhaus ohnehin kein nennenswert erhöhtes Verkehrsaufkommen zu erwarten.
c) Auch leistet die Baugenehmigung nicht einer „Veränderung des Gebietscharakters“ Vorschub. Dabei wird antragstellergünstig darüber hinweggesehen, dass sich der diesbezügliche Vortrag ebenfalls gegen die Befreiungsentscheidung richtet – die damit aber rechtlich nichts zu tun hat.
Das Bauvorhaben stellt keine mit der festgelegten Art der baulichen Nutzung – allgemeines Wohngebiet, § 4 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BauNVO – unverträgliche Anlage dar, eine Verletzung des sog. Gebietserhaltungsanspruchs scheidet aus. Auch der sog. Gebietsprägungserhaltungsanspruch, § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO – Standort: 1. Abschnitt der BauNVO und damit „Art der baulichen Nutzung“ -, ist nicht verletzt: Die verdichtende Bebauung eines Grundstücks mit einem zweiten Einfamilienhaus stellt ebenfalls Wohnbebauung dar, mit deren „Umfang“ oder Dimensionierung keine neue Art der baulichen Nutzung in das Gebiet hineingetragen wird (zum Ganzen umfassend VG München, U.v. 6.6.2018 – M 9 K 17.5750 – juris; B.v. 26.10.2017 – M 9 S 17.3585 – juris).
Schließlich verletzt das Bauvorhaben auch nicht die Vorgaben des Bebauungsplans zur Zulässigkeit von Einzel- und Doppelhäusern bzw. zur Maximalzahl von Wohneinheiten. Jedenfalls den auf Basis von § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB getroffenen Festsetzungen – dazu sogleich – kann nach Auslegung des jeweiligen Bebauungsplans drittschützende Wirkung zukommen (vgl. EZBK, BauGB, Stand: 130. EL August 2018, § 9 Rn. 73). Der Bebauungsplan wendet sich – anders als behauptet – nicht gegen die vorliegende Form der Nachverdichtung: Im mit einer Perlschnur abgeteilten Bereich „WA 4“, in dem das Vorhabengrundstück liegt, sind nach der Zeichenerklärung der zeichnerischen Festsetzungen „Nur Einzelhäuser zulässig“. Nach Ziff. 2.2 der textlichen Festsetzungen wird die Zahl der Wohneinheiten bei Einzelhäusern auf maximal 2, bei Doppelhäusern auf maximal 1 Wohneinheit pro Doppelhaushälfte festgelegt. Die Bebauungsplanbegründung enthält folgenden Passus:
Es werden bei Einfamilienhäusern zwei und bei Doppelhäusern max. eine Wohneinheit pro Gebäude zugelassen. Die Zahl der Wohneinheiten wird gemäß § 9 BauGB beschränkt, um eine unerwünschte Umstrukturierung der städtebaulichen Eigenarten des Gebiets zu verhindern. In dem zum Teil bereits bebauten Gebiet herrschen Gebäude mit max. zwei Wohneinheiten bei Einzelgebäuden und einer bei Doppelhaushälften vor. Dieser Gebietscharakter soll erhalten werden, ohne das zulässige Maß der Nutzung einzuschränken.
Dem steht die geplante Bebauung nicht entgegen. Es soll nur ein weiteres Einfamilienhaus zum Bestand hinzutreten, in dem eine Wohneinheit Platz finden soll (Bl. 16 d. BA). Damit ist der Festsetzung „Nur Einzelhäuser zulässig“ ebenso Genüge getan wie der Festsetzung der Zahl der Wohneinheiten bei/für Einzelhäuser(n). Zwar scheinen sich die Ausführungen in C. 1. der Begründung – „Es werden, je vorgesehenem Wohngebäude bzw. Grundstück, eine bzw. zwei Wohneinheiten festgesetzt“ – bei entsprechender Lesart in Widerspruch dazu zu setzen. Das wäre aber irrelevant, da es in erster Linie auf die Festsetzungen selbst ankommt und diese unzweideutig sind. Weiter ist aufgrund der sonstigen Begründungsinhalte nur von einer Formulierungsunschärfe auszugehen. Schließlich würde § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB ohnehin keine Grundlage für die Begrenzung der Wohnungszahl je Baugrundstück darstellen, womit eine derartige – hier aber ohnehin nicht getroffene – Festsetzung von vorn herein unwirksam wäre (vgl. nur BayVGH, U.v. 12.9.2000 – 1 N 98.3549 – juris; Brügelmann, BauGB, Stand: 57. Lfg. Februar 2005, § 9 Rn. 167; EZBK, BauGB, Stand: 130. EL August 2018, § 9 Rn. 70a).
Weiter sind die Antragsteller auf Folgendes hinzuweisen: Die Argumentation des Antragsgegners zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB ist nachvollziehbar. Sollte im Geviert aber tatsächlich eine Grundkonzeption dahingehend erkennbar sein – wie nicht -, dass rückwärtige Gartenbereiche in jedem Fall erhalten bleiben sollen, so wäre doch vor allem die Bebauungsplanfestsetzung des Bauraums auf dem Grundstück der Antragsteller zweifelhaft. Insofern ist fraglich, ob dieses Argument für die Antragsteller von Vorteil ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedenfalls gibt es keinen Grundsatz, dass eine Hinterlandbebauung – eine solche würde (auch) ein Gebäude auf dem Grundstück der Antragsteller darstellen – städtebaulich allgemein unerwünscht ist (BVerwG, U.v. 29.11.1974 – IV C 10/73 – VerwRspr 1975, 947, 949).
2. Eine Verletzung drittschützender Vorschriften ist auch mit Blick auf die gerügte Erschließungsproblematik nicht ersichtlich. Insbesondere ist die Entstehung eines Notwegerechts nicht zu befürchten.
Die Sicherung der Erschließung betrifft grundsätzlich nur öffentliche Belange, ihre Verletzung begründet somit keine nachbarlichen Abwehrrechte (BVerwG, B.v. 21.4.1989 – 4 B 85/89 – juris). Der Ausnahmefall, dass eine Baugenehmigung wegen des Fehlens einer Erschließung des Vorhabengrundstücks dadurch in ein durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschütztes Eigentumsrecht des Nachbarn eingreift, dass sie gleichsam im Wege einer „Automatik“ eine unmittelbare Verschlechterung seiner Rechte bewirkt und effektiver Rechtsschutz vor den Zivilgerichten nicht (mehr) erreicht werden kann, weil die Baugenehmigung (zuvor) in Bestandskraft erwächst und damit auch für die Zivilgerichte bindende Wirkung entfaltet (VG München, B.v. 5.7.2018 – M 9 SN 18.1433 – juris; U.v. 23.11.2016 – M 9 K 15.4601 – juris m.w.N.), ist vorliegend nicht gegeben.
a) Dies gilt bereits deshalb, weil eine i. S. d. § 30 Abs. 1 BauGB – d. h. nach Bauplanungsrecht – gesicherte Erschließung über die P.-R.-Straße besteht.
In wegemäßiger Hinsicht umfasst das bauplanungsrechtliche Erfordernis der gesicherten Erschließung nach allgemeiner Meinung regelmäßig nur den hinreichenden Anschluss des Baugrundstücks – nicht: aller baulichen Anlage(n) – an das öffentliche Straßennetz (vgl. BVerwG, U.v. 3.5.1988 – 4 C 54/85 – NVwZ 1989, 353; U.v. 26.9.1983 – 8 C 86/81 – juris; VG München, B.v. 5.7.2018 – M 9 SN 18.1433 – juris; weiter bei Battis u.a., BauGB, Stand: 13. Aufl. 2016, § 30 Rn. 24; EZBK, BauGB, Stand: 130. EL August 2018, § 30 Rn. 40 und 44). Das bedeutet, dass die Erschließung i. S. d. § 30 Abs. 1 BauGB gesichert bzw. vorhanden ist, wenn sie bis an die Grundstücksgrenze heranreicht. Das ungeteilte Vorhabengrundstück liegt auf ca. 16 m Breite an der P.-R.-Straße. Insofern ist die Erschließung gesichert und auch keine Situation eines sog. Hinterliegergrundstücks gegeben.
Auch die restriktivere Ansicht in Rechtsprechung und Literatur teilt diese Bewertung dann, wenn nicht völlig atypische Umstände gegeben sind – wie bspw. ein viele Hektar umfassendes Baugrundstück, bei dem das Bauvorhaben mehrere hundert Meter von der öffentlichen Straße entfernt errichtet wird (dazu BVerwG, B.v. 11.4.1990 – 4 B 62/90 – juris; auch Brügelmann, BauGB, Stand: 73. Lfg. Januar 2010, § 30 Rn. 16). Dies umso mehr, als es selbst nach dieser zurückhaltenden Betrachtungsweise bei einem Wohngebäude unbedenklich sein soll, „wenn eine geringe Distanz zur Straße über einen Wohnweg zu Fuß zurückgelegt werden muss und im Notfall auch kranke Personen oder schwere Gegenstände mit Hilfe von Rollstühlen oder kleinen Karren befördert oder sogar getragen werden müssen“ (Brügelmann, BauGB, a. a. O., Rn. 21); die maximal zulässige Länge des Wohnwegs soll sich demnach auch für das Bauplanungsrecht aus der jeweiligen Landesbauordnung ergeben (Brügelmann, a. a. O.). In Bayern werden dabei bis zu 80 m als unproblematisch angesehen (Simon/Busse, BayBO, Stand: 131. EL Oktober 2018, Art. 4 Rn. 143 zu Art. 4 Abs. 2 Nr. 1 BayBO). Das Vorhabengrundstück ist hier 1.108 m² groß (Bl. 27 d. BA) und der Abstand des geplanten Wohngebäudes zur P.-R.-Straße beträgt Luftlinie 30 m. Unabhängig davon, wie der Wohnweg (hypothetisch) angelegt würde, ist die Erschließung also auch nach dieser strengeren Ansicht vorliegend völlig unproblematisch.
b) Aus bauplanungsrechtlicher Sicht bestehen weiter auch deshalb keine Probleme, weil eine über das Nachbargrundstück der Antragsteller führende Zufahrtsmöglichkeit zum Vorhaben dinglich gesichert zur Verfügung steht (BVerwG, U.v. 3. 5.1988 – 4 C 54/85 – NVwZ 1989, 353). Eine gerichtliche Grundbuchrecherche (Abruf am 18. Februar 2019) hat ergeben, dass (auch) das unbeschränkte Geh- und Fahrtrecht nach URNr. 529/79 in Abteilung II/2 eingetragen ist. Der zu den Akten gereichte Grundbuchauszug unterschlägt die im Folgenden wiedergegebenen Eintragungen in Spalte 5 („Veränderungen“) der Zweiten Abteilung:
Abteilung II/2 ist eingetragen gemäß Bewilligungen vom 28.02.1979 URNr. 528, vom 02.03.1979 URNr. 571, vom 28.02.1979 URNr. 529 und vom 02.03.1979 URNr. 572 je Notar Dr. E. K., Schrobenhausen; ergänzend vermerkt am 01.10.2018.
… Widerspruch nach § 53 GBO: Wegen der nicht vollständigen Übertragung des am 24.03.1980 im Grundbuch von Schrobenhausen Blatt 2864 in Abteilung II laufende Nr. 38 eingetragenen und am 10.07.1992 nicht mitumgeschriebenen Geh- und Fahrtrechts gemäß der weiteren Bewilligung vom 28.02.1979 URNr. 529 Notar Dr. E. K., Schrobenhausen, für den jeweiligen Eigentümer von Grundstück FlNr.1790/1 Gemarkung Schrobenhausen; von Amts wegen eingetragen am 24.10.2018.
Somit ist mittlerweile auch der Wegfall der Beschränkung („gärtnerische Bewirtschaftung“) im Grundbuch festgehalten. Aus den Vermerken lässt sich schließen, dass ein Übertragungsfehler aufseiten des Grundbuchamts zur Unvollständigkeit des Registers führte, auf den im Wege eines (Amts-) Widerspruchs nach § 53 GBO – als Mittel der Wahl, vgl. Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Stand: 15. Auflage 2012, Rn. 1148 – reagiert wurde. Bei für den Bauherren günstigen Veränderungen, unter die auch eine Berichtigung des Grundbuchs fällt, ist maßgeblicher Zeitpunkt der Bewertung derjenige der hiesigen Entscheidung (vgl. allgemein VG München, U.v. 10.10.2018 – M 9 K 17.3051 – juris m. w. N.). Das Argument, das Geh- und Fahrtrecht sei seinerzeit nur für ein Einfamilienhaus bestellt worden und mit zwei zu erschließenden Wohngebäuden auf dem Vorhabengrundstück „überreizt“, findet weder eine Stütze in der Eintragung noch in den zugrunde liegenden Urkunden. Auch allgemein liegen die Dinge so, dass bei derartigen Rechten stets die Bedürfnisse eingeschlossen sind, die sich aus dem Wandel der Zeit ergeben haben und noch ergeben werden. Dazu gehört insbesondere die allgemeine Zunahme des Kraftfahrtverkehrs und der Zahl der Kraftfahrzeuge je Haushalt wie auch die allgemein üblichen Änderungen hinsichtlich der Nutzungsintensität der Grundstücke (ausdrücklich BayVGH, U.v. 22.1.2010 – 14 B 08.887 – juris; vgl. auch MüKoBGB, BGB, Stand: 7. Aufl. 2017, BGB § 1018 Rn. 59).
c) Unabhängig von alledem wird auf Folgendes hingewiesen: Welche Anforderungen das bauordnungsrechtliche Erfordernis einer gesicherten Erschließung, Art. 4 BayBO, an das Bauvorhaben stellt, ist bei einer nach Art. 59 Satz 1 BayBO im vereinfachten Verfahren erlassenen Baugenehmigung – wie hier – eigentlich völlig irrelevant. Um den Befürchtungen der Antragstellerseite Rechnung zu tragen, sei aber darauf hingewiesen, dass die Planung auch den Anforderungen von Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 BayBO und damit dem bauordnungsrechtlichen Erschließungserfordernis genügt. Auch hier gilt: Im rückwärtigen Bereich liegende Flächen eines (ungeteilten) Grundstücks, das mit seiner vorderen Seite angemessen breit an einer öffentlichen Verkehrsfläche liegt, erfüllen grundsätzlich die Anforderungen des Abs. 1 Nr. 2. Sie sind Teile eines ungeteilten Grundstücks, das an einer öffentlichen Verkehrsfläche liegt. Eine rückwärtige Bebauung mit Gebäuden ist hiernach zulässig (Simon/Busse, BayBO, Stand: 131. EL Oktober 2018, Art. 4 Rn. 103). Dies gilt umso mehr angesichts der Regelung des Art. 4 Abs. 2 Nr. 1 BayBO, auf die der Antragsgegner zu Recht hinweist (siehe bereits oben).
d) Abschließend ist zu bemerken, dass diese rechtlichen Bewertungen der Sachlage vorliegend auch in rein praktischer Hinsicht vollumfänglich gerecht werden. Davon abgesehen, dass nach den vermaßten Plänen eine Zufahrt im nördlichen Bereich des Baugrundstücks selbst angelegt werden kann (der Abstand der nördlichen Hausecke zur Grundstücksgrenze der FlNr. 1789/2 beträgt demnach 3 m), könnte die Nutzung des Vorhabengrundstücks schlicht auch insofern umgestaltet werden, als die südwestlich an das bestehende Einfamilienhaus angebaute Garage entfernt/versetzt wird. Dadurch würde eine Zufahrtsmöglichkeit in den rückwärtigen Bereich mit einer Breite von ca. 6 m geschaffen. Die Argumentation, es müsse/werde zwingend ein Notwegerecht entstehen, erschließt sich also auch insofern nicht; eine für das geplante Bauvorhaben erforderliche Zuwegung muss keinesfalls zwingend über andere Grundstücke führen.
Die Kostenentscheidung fußt auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO; die Beigeladenen haben sich mangels Antragstellung keinem Kostenrisiko ausgesetzt, weswegen es nicht der Billigkeit entspräche, den Antragstellern auch ihre außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Ziff. 9.7.1, 1.5, 1.1.3 a.E. Streitwertkatalog.

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